Capitolato Tecnico Descrittivo

Festival-Reader 2014: FABIO GEDA
Fabio Geda: Im Meer schwimmen Krokodile, Knaus 2011, S. 7-8, S.129-130.
Afghanistan
Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass sie wirklich weggeht.
Wenn man als Zehnjähriger abends einschläft, an einem ganz normalen Abend, der auch nicht dunkler,
sternenklarer, stiller oder übel riechender ist als andere; an einem Abend, an dem dieselben Muezzin von den
Minaretten zum Gebet rufen wie immer; wenn man als Zehnjähriger – und das ist nur so dahingesagt, weil ich
gar nicht genau weiß, wann ich geboren bin, denn in der Provinz Ghazni gibt es kein Geburtenregister – also,
wenn man als Zehnjähriger ein-schläft, und deine Mutter drückt deinen Kopf vor dem Schlafengehen länger an
ihre Brust als sonst und sagt:
Drei Dinge darfst du nie im Leben tun, Enaiat jan, niemals, versprich es mir.
Erstens: Drogen nehmen. Manche duften und schmecken gut, und wenn sie dir vorgaukeln, mit ihnen ginge es
dir besser als ohne, hör nicht auf sie, versprich es mir!
Versprochen.
Zweitens: Waffen benutzen. Auch wenn jemand dich oder deine Ehre beleidigt, versprich mir, dass deine
Hand niemals zu einer Pistole, einem Messer, einem Stein, ja nicht einmal zu einem Holzlöffel greifen wird,
wenn dieser Holzlöffel dazu dient, einen Menschen zu ver-letzen. Versprich es mir!
Versprochen.
Drittens: Stehlen. Was dir gehört, gehört dir. Was dir nicht gehört, nicht. Das Geld, das du zum Leben
brauchst, wirst du dir erarbeiten, auch wenn es mühsam ist. Du wirst niemanden betrügen, Enaiat jan,
versprochen? Du wirst allen gastfreundlich und großzügig begegnen. Versprich es mir!
Versprochen.
Also, auch wenn deine Mutter solche Sachen zu dir sagt, anschließend zum Fenster schaut und anfängt, von
Träumen zu reden, und dich dabei ununterbrochen liebkost – wenn sie von Träumen spricht wie dem Mond, in
dessen Schein man abends essen kann, und von Wünschen. Davon, dass man immer einen Wunsch vor
Augen haben soll, wie ein Esel eine Karotte, und dass uns erst der Wille, unsere Wünsche wahr zu machen,
die Kraft gibt, morgens aufzustehen, ja, dass es das Leben lebenswert macht, wenn man nur immer schön
seinen Wunsch im Kopf behält. Also, auch wenn dir deine Mutter beim Einschlafen solche Dinge sagt, mit
einer leisen, sonderbaren Stimme, die dir die Hände wärmt wie Kohlenglut, wenn sie also damit die Stille füllt,
ausgerechnet sie, die stets nüchtern und wortkarg war – selbst dann fällt es dir schwer zu glauben, dass ihre
Worte khoda negahdar bedeuten: Lebewohl. Einfach so, aus heiterem Himmel. […]
Türkei
[…] Um die Meerenge zu durchqueren, die uns von Lesbos trennte, bräuchte man etwa drei Stunden, hatte
uns der Schlepper erklärt. Inzwischen war es bestimmt zwei, drei Uhr morgens, und wir riskierten, bei
Sonnenaufgang anzukommen und somit entdeckt zu werden. Wir waren auf die Dunkelheit angewiesen,
darauf, unsichtbar zu bleiben. Wir mussten überlegt handeln. Wir mussten die folgende Nacht abwarten.
Ich bin der Älteste, sagte ich. Ich bin der Kapitän. Stimmen wir ab: Wer ist dafür, dass wir morgen Nacht
aufbrechen?
Hussein Alì zeigte als Erster auf, Soltan und Rahmat taten es ihm nach.
Liaquat seufzte. Dann suchen wir uns eben einen Schlafplatz, sagte er. Möglichst weit vom Meer entfernt. Bei
diesen Worten sah er Hussein Alì augenzwinkernd an: Nicht dass uns eine wilde Welle angreift, während wir
schlafen.
Hussein Alì verstand den Witz nicht. Er nickte und sagte: Oder ein Krokodil. Das war sein voller Ernst, seine
Augen waren weit aufgerissen.
Im Meer gibt es keine Krokodile, sagte Liaquat.
Woher weißt du das?
Das weiß ich einfach, du Dummkopf.
Du hast leicht reden! Dabei kannst du noch nicht mal schwimmen.
Du kannst doch auch nicht schwimmen.
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Das stimmt. Hussein Alì versteifte sich. Deswegen habe ich ja Angst vor Krokodilen.
Aber es gibt gar keine, kapiert? Es. Gibt. Keine. Krokodile leben in Flüssen.
Da wäre ich mir nicht so sicher, flüsterte Hussein Alì und schaute aufs Wasser hinaus. In dieser Dunkelheit,
sagte er, während er nach einem Stein trat, kann sich alles Mögliche verstecken. […]
Fabio Geda: Nel mare ci sono i coccodrilli, Dalai editore 2010, S. 9-10; S. 107-108.
Afghanistan
Il fatto, ecco, il fatto è che non me l’aspettavo che lei andasse via davvero. Non è che a dieci anni,
addormentandoti la sera, una sera come tante, né più oscura, né più stellata, né più silenziosa o puzzolente di
altre, con i canti dei muezzin, gli stessi di sempre, gli stessi ovunque a chiamare la preghiera dalla punta dei
minareti, non è che a dieci anni – e dico dieci tanto per dire, perché non è che so con certezza quando sono
nato, non c’è anagrafe o altro nella provincia di Ghazni – dicevo, non è che a dieci anni, anche se tua madre,
prima di addormentarti, ti ha preso la testa e se l’è stretta al petto per un tempo lungo, più lungo del solito, e
ha detto:
Tre cose non devi mai fare nella vita, Enaiat jan, per nessun motivo. La prima è usare le droghe. Ce ne sono
che hanno un odore e un sapore buono e ti sussurrano alle orecchie che sapranno farti stare meglio di come
tu potrai mai stare senza di loro. Non credergli. Promettimi che non lo farai.
Promesso.
La seconda è usare le armi. Anche se qualcuno farà del male alla tua memoria, ai tuoi ricordi o ai tuoi affetti,
insultando Dio, la terra, gli uomini, promettimi che la tua mano non si stringerà mai attorno a una pistola, a un
coltello, a una pietra e neppure intorno a un mestolo di legno per il qhorma palaw, se quel mestolo di legno
serve a ferire un uomo. Promettilo.
Promesso.
La terza è rubare. Ciò che è tuo ti appartiene, ciò che non è tuo no. 1 soldi che ti servono li guadagnerai
lavorando, anche se il lavoro sarà faticoso. E non trufferai mai nessuno, Enaiat jan, vero? Sarai ospitale e
tollerante con tutti. Promettimi che lo farai.
Promesso.
Ecco. Anche se tua madre dice cose come queste e poi, alzando lo sguardo in direzione della finestra,
comincia a parlare di sogni senza smettere di solleticarti il collo, di sogni come la luna, alla cui luce è possibile
mangiare, la sera, e di desideri – che un desiderio bisogna sempre averlo davanti agli occhi, come un asino
una carota, e che è nel tentativo di soddisfare i nostri desideri che troviamo la forza di rialzarci, e che se un
desiderio, qualunque sia, lo si tiene in alto, a una spanna dalla fronte, allora di vivere varrà sempre la pena –
be’, anche se tua madre, mentre ti aiuta a dormire, dice tutte queste cose con una voce bassa e strana, che ti
riscalda le mani come brace, e riempie il silenzio di parole, lei che è sempre stata così asciutta e svelta per
tenere dietro alla vita, anche in quell‘occasione è difficile pensare che ciò che ti sta dicendo sia: Khoda
negahdar, addio.[…]
Turchia
[…] Per attraversare la striscia di mare che ci separava da Lesbo servivano circa tre ore, ci aveva detto il
trafficante. A quel punto saranno state le due o le tre del mattino e il rischio era di arrivare con le prime luci
dell‘alba, e quindi di essere visti. Era necessario il buio, e l‘invisibilità, e il fare le cose fatte bene. Dovevamo
attendere la notte successiva.
Io sono il più grande, ho detto. Sono il capitano. Mettiamo ai voti. Chi vota per partire domani notte?
Hussein Alì ha alzato la mano per primo. Soltan e Rahmat subito dopo. Liaqat ha sospirato. Allora ripariamoci,
ha detto. Lontano dal mare, possibilmente. E gettando una occhiata appuntita a Hussein Alì: Non sia mai che
un’onda selvaggia ci attacchi mentre dormiamo.
Hussein Alì non ha capito la battuta. Ha annuito e ha detto: O un coccodrillo. E lo ha detto serio, spalancando
gli occhi.
Non ci sono i coccodrilli nel mare, ha detto Liaqat.
Tu come lo sai?
Lo so e basta, stupido.
Parli solo perché hai la voce. Non sai nemmeno nuotare.
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Nemmeno tu sai nuotare.
È vero. Hussein Alì s’è stretto nelle spalle. Per questo ho paura dei coccodrilli.
Che non ci sono. Hai capito? Non. Ci. Sono. Vivono nei fiumi.
Non ne sarei tanto sicuro, ha bisbigliato Hussein Alì, guardando l‘acqua. In quel buio scuro, ha detto
spostando una pietruzza con la punta del piede, potrebbe esserci qualunque cosa.
Fabio Geda: Emils wundersame Reise, Knaus 2012, S.7-8.
Während ich über die Isabella-Brücke rannte – der Fluss Po zehn Meter unter mir – und verzweifelt versuchte,
nicht zu stolpern, dachte ich: Manche Menschen haben ein Leben wie der Mississippi: fließend, bedächtig,
fruchtbar. Doch andere wie Tex gehen Tag für Tag das Risiko ein, in der Salzwüste zu verdursten, sich bei
einem Sturz sämtliche Knochen zu brechen oder in einem Schneesturm zu erfrieren.
Warum ausgerechnet ich, Emil Sabau?, dachte ich. Ich bin nicht Tex, auch wenn ich gern wäre wie er. Ich bin
erst dreizehn Jahre alt. Ich muss abhauen, verschwinden, Turin und Assuntas Wohnung verlassen, die ihr
ehrlich gesagt sowieso nicht gehört, sondern dem Architekten.
Und der Architekt?
Heilige Paraskeva, bitte mach, dass er nicht tot ist! Wenn sich das Nasenbein ins Gehirn bohrt, stirbt man, das
weiß ich aus einem Film. Ich muss mich beeilen, einen Pulli, Unterhosen, Comics, Socken, eine Zahnbürste,
Geld, Pflaster und Bepanthen mitnehmen. Das kommt alles in meine Jansport-Tasche. Marek! Heute Abend
kann ich zu ihm gehen.
Und dann würde ich aufbrechen, nach Rumänien zurückkehren. Meinen Vater finden und aus dem Gefängnis
holen. Meinen Vater, Gheorge Vasile Sabau, den größten Klappenkonstrukteur Transsylvaniens. Den Besten
überhaupt.
Und während ich so dahinrannte und verzweifelt versuchte, nicht über die Schnürsenkel meiner braunen BBoy-Etnies zu stolpern, die mir der Architekt zum Geburtstag geschenkt hatte, dachte ich: Die Etnies waren
alles andere als ein gutes Geschäft.
Ich lief den Corso Casal hinunter.
Es war nicht dunkel, aber Licht brannte auch keines.
Auf den Straßen lag Schnee.
Ein Weihnachtsmann, der vor einem Pralinengeschäft saß, lächelte freundlich. Er roch nach Zuckerwatte,
nach all den schönen und süßen Dingen, die es an Weihnachten gibt. Er rief mit einer warmen, tiefen Stimme
nach mir, die sich anhörte wie in einem Kupferkessel gekocht.
Ich sah das Blut des Architekten auf meinem Handrücken.
Wie kommt man verdammt noch mal nach Rumänien?, dachte ich und rannte weiter.
Fabio Geda: Per il resto del viaggio ho sparato agli indiani, Feltrinelli 2007, S. 9-10.
Mentre correvo sul ponte Isabella, l‘acqua del Po dieci metri sotto, tentando disperatamente di non
inciampare, ho pensato: C‘è chi ha una vita come il Mississippi, liquida, lenta, fertile, e chi, come Tex, rischia
ogni giorno di morire di sete nel deserto del sale, di sfracellarsi giù da una scarpata o di congelare sotto una
tormenta.
Ho pensato: Perché io, Emil Sabau? Io non sono Tex. No solo tredici anni. Anche se, certo, vorrei. Ho
pensato: Devo partire, andare via, lasciare Torino, la casa di Assunta. Che poi, a dirla tutta, non è nemmeno
sua: è dell‘Architetto.
E l’Architetto?
Santa Parasceva, fa‘ che non sia morto. Se l’osso del naso buca il cervello muori, lo so perché l’ho visto in un
film. Devo essere veloce. Prendere: maglione, mutande, fumetti, calze, spazzolino, soldi, cerotti, Cicatrene.
Infilare tutto nel Jan-Sport. Ho pensato: Marek, stasera posso andare da lui.
Poi sarei partito, sarei tornato in Romania. Avrei trovato mio padre e lo avrei fatto uscire di prigione. Mio
padre, Gheorghe Vasile Sabau, il più grande costruttore di ventole di tutta la Transilvania. II migliore.
Così, mentre correvo, tentando disperatamente di non inciampare nei lacci delle Etnies marroni da B-Boy,
quelle che l’Architetto mi ha regalato per il compleanno, ho pensato: Davvero, le Etnies non sono state un
buon affare. Anzi.
Sono sceso per corso Casale.
Non era buio. Ma non c’era luce.
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La neve aveva spolverato le strade.
Un Babbo Natale, seduto davanti a un negozio di cioccolatini, ha sorriso gentile. Sapeva di zucchero filato.
Sapeva di tutte le cose belle e dolci che vengono con il Natale. Mi ha chiamato con una voce calda e
profonda, come cotta in un paiolo di rame.
Mi sono accorto di avere il dorso della mano sporco del sangue dell‘Architetto.
Ho pensato: Come cazzo ci si arriva in Romania?
E ho continuato a correre. […]
Fabio Geda: Der Sommer am Ende des Jahrhunderts, Knaus 2013, S. 65-66; S. 84-86; 88-89.
[Großvater, 1942 ]
Die Ortschaft heißt Colle Ferro. Das Haus liegt weitab der Hauptstraße am Rand eines Eichenwalds. Dahinter
beginnt ein Pfad, der quer durchs Unterholz auf den höchsten Berg des ganzen Tals führt. Die Umgebung
besteht aus Wäldern und Wiesen, aus durch schadhafte Straßen miteinander verbundenen
Häuseransammlungen, aus Kiosken und aus von Farn, Ginster und Brombeersträuchern gesäumten Wegen.
Ins Haus gelangt man über eine Holztreppe, die direkt in den ersten Stock führt. Es gibt zwei Zimmer: In
einem schlafen wir alle gemeinsam, das andere dient zum Kochen und Essen. Es gibt auch einen Stall, aber
ohne Tiere. Das Klo befindet sich zwischen den Bäumen. Drei Tage bleiben wir mit Onkel Marcello allein. Von
unserem Großvater und Vater hören wir nichts. Onkel Marcello spielt mit uns. Gabriele und ich nennen ihn
heimlich »den verrückten Onkel«. Er denkt sich Witze aus, überfällt uns aus dem Hinterhalt. Er zieht uns die
Schuhe aus und kitzelt unsere Fußsohlen. Er ahmt Geräusche nach: ein Pferd auf Kopfsteinpflaster, den Laut,
den Fische unter Wasser machen, indem er Luftblasen zwischen den Lippen zerplatzen lässt. Er bringt uns
die hohe Kunst des Gestikulierens bei. Für Was willst du? legt er die fünf Fingerspitzen zusammen, wobei die
Hand nach oben zeigt und geschüttelt wird. Hast du eine Zigarette für mich? sagt man, indem man den
gestreckten Zeige- und Mittelfinger geschlossen an die Lippen führt. Für Ich habe Hunger schlägt man sich mit
der Handkante auf Magenhöhe gegen die Hüfte. Für Komm her! krümmt man den Zeigefinger, wobei die Hand
zum Gerufenen zeigt. Händereiben steht für Zufriedenheit, Respekt drückt man aus, indem man sich mit dem
Daumen über die Wange fährt, Wut, indem man sich auf die Fingerknöchel beißt, Müdigkeit, indem man das
Gesicht in die geöffnete Hand legt, Gefängnis durch zwei sich berührende Handgelenke.
Der Onkel hat eine Pistole. Er erzählt Geschichten von Hinterhalten und Messerstechereien. Er spricht von
Partisanen. Eines Abends verschwindet er mit dem Auto und kommt am nächsten Morgen mit unserem
Großvater und Vater zurück. Er gibt uns falsche Papiere. Aus unserem Vater wird Enrico Carati, aus unserer
Mutter Anna Caracciolo, aus unseren Großeltern Caracciolo und Stoppani. Gabriele und ich heißen Carati,
nach unserem Vater. Die Vornamen bleiben gleich, damit wir uns nicht versprechen und uns dadurch verraten.
»Gefällt dir Gabriele Carati?«, fragt unser Onkel Gabriele.
»Besser als salaud und traître«, erwidert mein Bruder. »Aber er ist eben nicht Coifmann.«
[Enkel, 1999]
[…] Im Haus roch es nach Moder, Harz und Suppe. Es war dunkel, dunkler als gedacht, weil die Mauern dick
waren und das Licht, das schräg durch die Fenster einfiel, auf Staubflocken traf. Ein sperriger weißer Ofen
nahm einen Winkel des größten und gleichzeitig gemütlichsten Zimmers ein. Darin standen ein Tisch, Stühle,
ein Sofa und verschiedene Möbel, die nicht aus ästhetischen, sondern aus praktischen Gründen miteinander
kombiniert worden waren. An der linken Wand entdeckte ich zwei Türen. Die erste führte ins Bad, die zweite in
den Keller. In einem Holzregal zwischen den Türen standen etwa zwanzig Klassiker – Anna Karenina,
Madame Bovary, Moby Dick –‚ Erzählbände von Tschechow, Hemingway und Calvino sowie Krimis und ein
paar Science-Fiction-Romane. Einige Bücher wirkten ziemlich verstaubt. Auf einem kleinen Tisch lag ein Heft
mit einem geblümten Einband und zwischen seinen Seiten ein angekauter Bleistift. Ich griff danach, wollte es
gerade aufschlagen, als mich Großvaters heisere Stimme am Schlafittchen packte.
»Was tust du da?«
Ich ließ das Heft fallen. Der Bleistift rollte erst zwischen die auf dem Tisch ausgebreiteten Blätter, dann
zwischen zwei Whiskeygläser und fiel schließlich auf den Boden. Ich bückte mich, um ihn aufzuheben und
wieder zurückzulegen.
»Komm mit.«
Im ersten Stock befanden sich die Schlafzimmer. Es waren genau zwei, und beide gingen auf die Wiese vor
dem Haus, sprich auf das Tal, den See und den Staudamm hinaus, den man von dort aus besser sehen
konnte.
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»Pack deine Sachen aus!«, sagte Großvater und stellte die Tasche aufs Bett. »Im Schrank findest du
Bettlaken, Kopfkissenbezüge und Decken.« Mit diesen Worten verließ er den Raum. Ich setzte mich aufs Bett,
das unter meinem Gewicht ächzte, schaute mich um und erblickte die kahlsten, deprimierendsten Wände, die
ich je gesehen hatte. Ich ließ mich rücklings aufs Bett fallen und breitete die Arme aus. Feuchte Flecken
verunzierten die Decke. In einer Ecke neben dem Fenster versetzte der Luftzug ein Spinnennetz in
Bewegung. Ich schloss die Augen und schlief ein. Als ich sie wieder aufschlug, war es bereits dunkel. Keine
Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte. Ich besaß keine Uhr, trug generell keine, weil mich das störte. Ich sah
auf dem unbrauchbaren StarTAC nach, wie spät es war: Viertel nach sieben. Ich stand auf, öffnete die Tür und
trat auf den Balkon hinaus. Das Wasser des Sees war matt, stählern. Am Badeplatz packten Erwachsene und
Kinder ihre Sachen zusammen, vermutlich fuhren sie zurück an die Küste oder nach Hause. Unweit des
großen Felsens konnte ich die Dächer des Ortes, einen Teil der Piazza, die Kirche, das Pfarrhaus und ein
Stück Straße erkennen. Ich folgte ihr und entdeckte ein Mädchen. Es stand reglos am Feldrand, unweit einer
Ansammlung von Heidekraut. Es trug ein blaues Kleid mit einem weißen Stoffgürtel, schien weder zu lächeln
noch zu weinen, sondern blickte ungerührt in meine Richtung. Vielleicht schaute es den Berg an, das Haus
meines Großvaters, die Wand unter dem Balkon, den Balkon. Doch warum sollte es den Balkon anschauen?
Was, wenn es nicht den Balkon anschaute? Ich hob die Hand, bewegte sie langsam von links nach rechts.
Das Mädchen sah zwar weiterhin in meine Richtung, reagierte jedoch nicht.
»Alles in Ordnung?«
Ich fuhr herum. Großvater stand in der Tür und spielte nervös mit einer Meerschaumpfeife.
»Ja, warum?«
»Weil du nicht runtergekommen bist.«
»Ich hin eingeschlafen.«
[…]
Ich strich über den Tisch, um die Krümel zusammenzufegen, und sagte: »Wusstest du über mich Bescheid?«
»Wie meinst du das?«
»Wusstest du, dass ich geboren bin?«
Großvater deutete mit dem Mundstück seiner Pfeife auf eine Wandnische links von mir. Halb versteckt
zwischen Vorhang und Fenster hing eine Pinnwand aus Kork, an der mit Reißzwecken mehrere Fotos
befestigt waren. Drei davon zeigten meine Mutter und elf mich: für jedes Lebensjahr ein Foto, mein Leben bis
zu diesem Moment, Bilddokumente meiner Entwicklung. Ich war verblüfft. »Warum hast du mir nie
geschrieben?«
»Ich nehme an, deine Mutter hat dir meine Briefe nie gegeben. «
»Welche Briefe?«
»Die Briefe, die ich dir geschrieben habe. Viele sind es zugegebenermaßen nicht gewesen. Einer pro Jahr,
würde ich sagen. Ich habe mich darin nach dir erkundigt, dich gebeten, mir ein Foto zu schicken. Und das hat
sie immer getan, auch wenn der Briefumschlag nur Bilder enthielt und keine einzige Zeile von ihr... Dachtest
du, ich bin tot?«
»Ja.«
Er lachte, behielt den Rauch lange im Mund und blies dann einen großen Ring in die Luft. »Womit du gar nicht
so unrecht hattest.« Er nahm den Pfeifenstopfer und drückte den Tabak in den Pfeifenkopf. »So war es nun
mal«, sagte er. »Viel gibt es dem nicht hinzuzufügen.« […]
Fabio Geda: L’estate alla fine del secolo, Baldini Castoldi 2011, S. 67-68; 84-86; 88-89.
[Nonno, 1942]
[...]Il borgo si chiama Colle Ferro. La casa è isolata, è lontana dalle altre e dalla strada principale, ai margini di
un bosco di lecci. Dietro, nel sottobosco, c’è una mulattiera die sale al monte più alto di tutta la valle. Attorno
boschi e prati, frazioni collegate da strade dissestate, edicole, sentieri fiancheggiati da felci, ginepri e rovi di
more. Alla casa si accede da una scaletta di legno che porta direttamente al primo piano. Ci sono due stanze:
in una dormiamo tutti insieme, l‘altra per cucinare e mangiare. C’è anche una stalla, ma non ci sono animali. II
gabinetto è tra gli alberi.
Per tre giorni restiamo soli con lo zio Marcello. Non abbiamo notizie di nostro nonno e nostro padre. Lo zio
Marcello gioca con noi. Io e Gabriele, di nascosto, lo chiamiamo lo zio matto. Inventa scherzi, ci fa gli agguati.
Ci toglie le scarpe e ci fa il solletico sotto la pianta dei piedi. Emette suoni con la bocca: un cavallo sul selciato,
il verso dei pesci sott‘acqua, come una bolla fra le labbra. Ci insegna la raffinata arte della gesticolazione. Dire
che vuoi unendo le estremità delle cinque dita a pigna, il vertice in alto, la mano nervosa. Dire hai una
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sigaretta accostando alla bocca l’indice e il medio, dritti, quasi uniti. Dire ho fame battendo la mano di taglio
contro il fianco, all’altezza dello stomaco. Dire vieni qui l’indice a uncino, la mano rivolta verso la persona da
chiamare. Esprimere soddisfazione sfregando le mani tra loro; stima nei confronti di qualcuno tracciando un
segno sulla guancia con il pollice; rabbia mordendosi la nocca con un dito; sonno appoggiando il viso al
palmo; prigione unendo i polsi.
Lo zio ha una pistola. Racconta storie di appostamenti e pugnalate. Parla di partigiani. Una sera parte con la
macchina e torna la martina dopo con il nonno e nostro padre. Ci consegna dei documenti falsi. Nostro padre
diventa Enrico Carati, nostra madre Anna Caracciolo, i nostri nonni Caracciolo e Stoppani. Io e Gabriele,
Carati come nostro padre. I nomi restano gli stessi, per non confonderci e farci scoprire.
Nostro zio chiede a Gabriele: Ti piace Gabriele Carati?
Lui risponde: È meglio di salaud e di traître. Ma non è Coifmann. [...]
[Nipote, 1999]
[...] In casa c’era odore di umido, resina e minestra. Era buia, più di quello che avevo pensato, perché i muri
erano spessi e la luce filtrava dalle finestre tracciando diagonali polverose. Una stufa bianca, ingombrante,
occupava un angolo della stanza principale, la più spaziosa e accogliente: c’era un tavolo, delle sedie, un
divano, e mobili di diverse dimensioni accostati non per gusto ma per necessità. Oltre un arco si apriva la
cucina. Contro la parete sinistra,
due porte: la prima era quella del bagno, la seconda dava su una scala che scendeva in cantina. In una
libreria di legno tra la due porte, una ventina di classici – Anna Karenina, Madame Bovary, Moby Dick – delle
raccolte di racconti – Čechov, Hemingway, Calvino – una serie di gialli da edicola e qualche Urania. Alcuni
volumi erano coperti di polvere. Su un tavolino c’era un quaderno con un motivo floreale; aveva una matita
pizzicata tra le pagine. Lo presi in mano. Stavo per aprirlo quando la voce roca del nonno mi sollevi per il collo
della maglietta.
«Cosa stai facendo?»
Lasciai cadere il quaderno. La matita rotolò tra i fogli sparsi sul tavolo, tra due bicchieri, poi a terra. Mi chinai
per raccoglierla e rimetterla a posto.
«Seguimi.»
Al primo piano c’erano le camere da Ietto. Due. Entrambe affacciavano sul prato antistante la casa, quindi
sulla valle, sul lago e sulla diga, che da lì si vedeva meglio.
«Sistemati», disse nonno, posando la borsa sul letto. «Nell’armadio trovi lenzuola, federe e coperte.» E uscì.
Mi sedetti stil letto. Cigolò sotto il mio peso. Mi guardai attorno e attorno avevo la mura più vuote e desolate su
cui avessi mai posato gli occhi. Mi lasciai cadere di schiena, a braccia larghe. Spruzzi di umidità macchiavano
ii soffitto. In un angolo, vicino alla finestra, la corrente faceva oscillare una ragnatela. Chiusi gli occhi. Mi
addormentai. Quando li riaprii la luce era cambiata. Non sapevo quanto tempo avessi dormito. Non avevo
l‘orologio, non lo portavo, mi dava fastidio; controllai l’ora sullo StarTAC inutilizzabile: erano le sette e un
quarto. Mi alzai, aprii la porta e uscii sui ballatoio. L’acqua del lago era spenta, solida; lì dov‘era possibile
accostarsi alla riva e fare il bagno, un gruppo di adulti e bambini stava raccogliendo gli avanzi della giornata,
forse per tornare sulla costa, forse per tornare a casa. Verso la grande roccia, si intravedevano i tetti del
paese, parte della piazza, la chiesa, la canonica, e segmenti della strada. Scendendo con lo sguardo intravidi
una bambina. Era immobile sul limitare dei campi, vicino a una macchia di erica. Indossava un vestito azzurro
stretto in vita con una fascia bianca. Non sembrava sorridere né piangere, piuttosto guardare tranquilla nella
mia direzione: la montagna, forse, o la casa del nonno, il muro sotto il ballatoio, il ballatoio. Perché mai
dovrebbe guardare il ballatoio? pensai. E poi: E se non stesse guardando il ballatoio? Se stesse guardando
me? Sollevai una mano, la mossi da destra verso sinistra, lenta. La bambina, pur continuando a guardare
nella mia direzione, non rispose.
«Tutto bene?»
Mi voltai di scatto. Nonno, sulla porta, giocava nervoso con una pipa di schiuma.
«Sì. Perché?»
«Non sei più sceso.»
«Mi sono addormentato.»
[…]
Raschiando il tavolo con la mano per raccogliere le briciole, dissi: «Tu sapevi di me?»
«Cosa?»
«Sapevi che ero nato?»
I1 nonno indicò con il bocchino della pipa un angolo della parete alla mia sinistra. Seminascosto dalla tenda
della finestra c’era un pannello di sughero dove, con le puntine da disegno, aveva attaccato un certo numero
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di foto: tre erano di mamma, undici mie, una foto per anno, la mia vita fino a quel momento, un grafico dello
sviluppo.
Ero sbalordito. «Perché non mi hai mai scritto?»
«Suppongo che tua madre non ti abbia mai fatto leggere le mie lettere.»
«Quali lettere?»
«Quelle che ho scritto. Oh, non molte, certo. Una all‘anno, direi. Le chiedevo di te, e di spedirmi una tua foto.
Cosa che lei, devo dire, ha sempre fatto. Anche se nella busta trovavo soltanto la foto, nemmeno una riga...
Pensavi fossi morto?»
«Sì»
Rise. Trattenne il fumo a lungo prima di soffiare un grosso anello. «Non avevi tutti i torti.» Prese lo stiletto e
rimescolò il tabacco dentro il fornello. «É andata così», disse. «E non c’é molto da aggiungere.» [...]
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