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Paul Burkhard
Spiegel das Kätzchen
Es ist gar keine Frage: Wir können auf unser Stadttheater stolz sein! Wir eröffnen
heute eine Saison mit genau sechzig Aufführungen! Also zwei Monate lang jeden
Abend eine Veranstaltung! Welches Theater hat eine derart grosse Stagione? Gewiss,
in den Städten ist das nichts Besonderes. Aber ich versichere Sie, dass Sie in der
Schweiz und wohl auch in ganz Europa weit suchen müssen, bis Sie eine Stadt finden
von der Grösse Langenthals, die ein Theater betreibt mit einem solchen Programm.
Das ist aussergewöhnlich und wir können stolz sein.
Auch dass wir ein drei Sparten-Haus haben mit Sprechtheater, Musiktheater und Ballett ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit! Einen Fidelio, eine Madame Butterfly
zu hören, eine Minna von Barnhem zu sehen, ist sonst nur in grösseren Städten möglich! Wir müssen uns dies einmal wieder bewusst machen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist! Für all das sind wir Langenthaler auch Dank schuldig. Wir schulden
Dank der Stadt Langenthal, dass sie dieses Theater und seine Vielfalt immer wieder
mitfinanziert. Wir schulden aber auch Dank dem Intendanten, dem Theaterleiter Reto
Lang. Es ist nun seine vierte Saison, die er organisiert und betreut. Nicht dass unser
Haus vorher schlecht gewesen wäre, beileibe nicht. Aber in den letzten vier Jahren
haben wir dank Reto Lang doch einen grossen Schritt vorwärts getan, was die Vielfalt
betrifft. Neben dem ordentlichen Spielplan sind einige Kooperationen mit anderen
Bühnenunternehmern dazu gekommen. Mit dem Chrämerhuus, das unser Haus dem
Film geöffnet hat, mit der Organisation „Bühne frei“, vor allem aber mit dem „Theater
Überland“, mit welchem das Stadttheater Langenthal nun auch eine Produktionsbühne geworden ist. Es werden hier Stücke produziert, die nachher auf Tournée gehen. Diesen Sommer hatten wir hier zum ersten Mal eine Opernakademie, eine Ausbildung und Weiterbildung für Opernsängerinnen und Opernsänger zum Thema Mozart. So etwas gibt es, glaube ich, in keiner Stadt von der Grösse Langenthals. Es
gibt eine neue Reihe „CH-Horizonte“: Literatur, Musik und Theater aus der Schweiz,
Auseinandersetzung mit der Kultur unseres Landes. Es gibt die Zusammenarbeit mit
den Kammermusikkonzerten, mit den Schulen und es gibt vieles mehr. Ich übertreibe
keineswegs, wenn ich sage, dass diese Vielfalt im wesentlichen das Werk ist von Reto
Lang, der unermüdlich, aber vor allem auch mit grossem Sachverstand und als Fachmann mit der grossen Theatererfahrung dieses Programm entwirft, verhandelt, organisiert und betreut. Ihm gebührt ein grosser Dank und ein grosser Applaus!
Es ist gewiss auch das Verdienst der Gemeinderätin Frau Paula Schaub, welche die
seltene Grösse besitzt, den Fachmann machen zu lassen! Auch ihr gebührt ein grosser Dank!
Es ist aber auch Ihr Verdienst, meine Damen und Herren! Theater ohne Publikum
wäre zwar bestimmt eine besondere Exklusivität, aber doch völlig sinnlos. Dass wir
diese Theatervielfalt haben, ist denn auch das Verdienst von Ihnen, die Sie sich immer wieder einlassen neben dem Bekannten und Bewährten auf Neues, auf Ungewohntes, auf die Vielfalt eben, ohne die dieses schöne Haus bald einmal erstarren
würde. Dafür schulden wir Ihnen Dank, meine Damen und Herren!
Ich freue mich, dass ich als ein Mitglied der Theaterkommission diese wunderbare
Saison eröffnen darf! Ich lade Sie alle ein zu einem Theaterwinter voller Überraschungen, voller Abwechslung und Vielfalt, vor allem aber auch zu einem Theaterwinter auf
ganz hohem Niveau.
Wir eröffnen diese Saison mit einer Exklusivität und einer Rarität, auf die wir alle
gespannt sein können.
Der grosse Schweizer Komponist Paul Burkhard wäre im Dezember dieses Jahres 100
Jahre alt geworden. Wir gedenken seiner in dieser Saison mit zwei Aufführungen,
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heute Abend mit seinem Singspiel, Musical oder seiner Spieloper „Spiegel das Kätzchen“ und im März mit seinem bekanntesten Werk, „dem schwarzen Hecht“, allerdings in der hochdeutschen Fassung unter dem Titel „Feuerwerk“. Sie alle kennen
den Schlager „O mein Papa“, ein Welthit, den heute noch jedes Kind sofort singen
kann. Er ist von Paul Burkhard – eben aus dem Schwarzen Hecht. Es ist das Schicksal
von Künstlern, denen ein ganz grosser Wurf gelingt, dass sie späterhin auf diesen Hit
reduziert werden. So auch mit Paul Burkhard. Wir kennen den „schwarzen Hecht“,
vielleicht noch die Zeller Weihnacht, das ist alles. Paul Burkhard war aber weit mehr
als „o mein Papa“. Deswegen zu Beginn, bevor wir zum Werk des heutigen Abends
kommen, ein paar Worte zu Paul Burkhard.
Paul Burkhard wurde am 21. Dezember 1911 in Zürich geboren. Der Welthit "O
mein Papa", das musikalische Theaterstück "Der Schwarze Hecht" / "Feuerwerk"
und das Kinder-Oratorium "D Zäller Wiehnacht" sind Paul Burkhards grösste Erfolge.
Seine Famile wohnte in Zürich am Zeltweg, gleich hinter dem Schauspielhaus.
Richard Wagner hat in seiner Zürcher Zeit nur drei Häuser weiter weg gewohnt.
Burkhard galt als Wunderkind und konnte das Konservatorium Zürich vorzeitig besuchen. Er war hervorragend am Klavier und hätte auch als Pianist Karriere machen
können. Er wurde aber nach dem Abschluss Solorepetitor am Stadttheater Bern und
widmete sich der Komposition von Operetten, mit denen er von Anfang an erfolgreich war.
1939 wurde er Hauskomponist am Zürcher Schauspielhaus und im selben Jahr
schrieb er das Mundart-Musikwerk "Der Schwarze Hecht", das ab 1950 in der hochdeutschen Neufassung als "Feuerwerk" zu einem internationalen Erfolg und mit Lilli
Palmer verfilmt wurde. "Feuerwerk" gilt im gesamten deutschsprachigen Raum bis
heute als eines der beliebtesten musikalischen Lustspiele. Das "Hecht/Feuerwerk"Chanson "O mein Papa" machte die Sängerin Lys Assia berühmt und wurde zum
Welthit, der bis heute in weit über hundert Aufnahmen präsent ist.
1945 übernahm Paul Burkhard als Dirigent das Radio-Sinfonieorchester Beromünster. Der "Feuerwerk"-Erfolg ermöglichte ihm in den 50er Jahren den Sprung ins freie
Kunstschaffen. "Die kleine Niederdorf-Oper" (1951) mit Ruedi Walter in der Hauptrolle des Bäuerleins, das sein Kalb verkauft hat und sein Geld im Sündenpfuhl Zürich
wieder verliert, wurde zu einem Schweizer Musical-Klassiker.
Für "Frank V.", die gesellschaftskritische „Oper einer Privatbank“, arbeitete Burkhard 1959 mit dem Dramatiker Friedrich Dürrenmatt zusammen. Mit mehreren Kinder-Oratorien setzte der Komponist Massstäbe im Schultheaterschaffen: Obwohl für
Schweizer Dorfschüler konzipiert, gelang ihm 1960 mit der "Zäller Wiehnacht" ein
Welterfolg, der bis heute anhält. Mit seinen späteren kammermusikalischen und
religiösen Werken sowie mit seinem letzten Musical "Regenbogen" konnte Paul
Burkhard nicht mehr an seine Grosserfolge anknüpfen. Paul Burkhard starb 1977.
„Spiegel das Kätzchen“ ist eine Novelle von Gottfried Keller, aus dem ersten Band der
zwei Novellenbände „Die Leute von Seldwyla“.
„Spiegel das Kätzchen“ erzählt, wie zwei Tiere, ein Kater und eine Eule, von einem
Hexenmeister und einer Hexe gefangen gehalten werden und sich befreien, zur Rache
jedoch die zwei bösen Menschen miteinander verheiraten and damit eine üble Ehe
stiften. Die Hauptgestalt ist Spiegel. Er wird so genannt, wegen seines glänzenden
Fells, aber wohl auch – ich komme noch darauf – um uns einen Spiegel vorzuhalten.
Er lebt in der Obhut eines alten Fräuleins und verbringt seine Tage in Behagen und
philosophischer Beschaulichkeit, ein rechter bürgerlicher Faulpelz und Geniesser. Nur
von Zeit zu Zeit reisst ihn die Leidenschaft für schöne Katzen aus seiner Beschaulichkeit, und dann zieht er auf Abenteuer und besteht – wie es sich für einen Kater gehört
- die gefährlichsten Rivalenkämpfe, kostet die Freuden der Körperlichkeit bis auf den
Grund aus und kehrt jeweilen nach acht Tagen völlig heruntergewirtschaftet, mager
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und zerzaust nach Hause zurück.
Schliesslich stirbt das Fräulein, und Spiegel sieht sich der Not des Hungers ausgesetzt.
Da ist es vorbei mit seiner philosophischen Beschaulichkeit. Mit der Zeit ist er so
ausgemergelt, dass er das Angebot des Seldwyler Stadthexenmeisters Pineiss annimmt, sich von ihm herausfüttern zu lassen und, wenn er dick genug sei, ihm sein
Fett zu opfern, das er, Pineiss, für seine Hexenkünste brauche. Und wirklich: Pineiss
füttert Spiegel mit allen Raffinessen der Küche! Doch mit zurückkehrender Leibesfülle
stellt sich bei Spiegel auch wieder seine philosophische Gabe und die Vernunft ein,
und er hält mit Essen so weise Mass, dass er die erforderliche Beleibtheit immer um
eine Haar nicht erreicht. Schliesslich entscheidet Pineiss, den Kater auch so zu töten.
Doch Spiegel, in seiner Sattheit auch wieder Herr über seine Gedanken und seine
Schlauheit, kommt auf einen Einfall und erzählt seinem Peiniger die Geschichte von
einem grossen Schatz, den er für Pineiss heben wolle. Den Schatz gibt es nun tatsächlich, aber die folgende Geschichte, die Spiegel erzählt, ist natürlich erfunden.
Gottfried Keller fügt nun eine Binnengeschichte ein in das Märchen, die Geschichte
vom misstrauischen Fräulein. Spiegel erzählt diese Geschichte genüsslich und lässt
sich von den erfundenen Ereignissen förmlich mitreissen. Er erzählt:
Seine selige Herrin sei in ihrer Jugend ein schönes und wohlhabendes Fräulein gewesen, umworben von vielen, aber misstrauisch gegen jeden. Sie habe sich nämlich
eingebildet, alle begehrten nur ihren Reichtum, keiner wolle sie allein wegen ihrer
Schönheit und guten Sitten zur Frau. Um sich die Qual der Wahl zu erleichtern, sei
sie darauf verfallen, die Uneigennützigkeit und Selbstlosigkeit ihrer Freier auf die
Probe zu stellen, etwa indem sie sie zu großen Spenden für mildtätige Zwecke veranlasst habe. Doch vergeblich; denn nun hätten sich die ehrlichen Bewerber zurückgezogen und bald sei sie nur noch von gerissenen Heiratsspekulanten umgeben
gewesen.
Verzweifelt – so Spiegel – schloss sie ihr Haus und floh über den Gotthard nach
Mailand, wo sie sich zum ersten Mal wirklich verliebte, und zwar in einen jungen
Landsmann, der dort als Seidenhändler tätig war. Diesem schönen Jüngling und
aufrichtigen Menschen zeigte sie so deutlich ihr Wohlgefallen, dass er in tiefer Liebe
zu ihr entbrannte. Beglückt genoss sie das Gefühl, endlich um ihrer selbst willen
geliebt zu werden.
Doch kaum hatte dieser seinen ganzen Mut zusammengenommen und ihr seine
Liebe gestanden, überfiel sie das alte Misstrauen. Um seine Selbstlosigkeit zu prüfen,
verbarg sie ihr Herz und stellte sich so, als ob sie einen anderen liebe. Mit diesem,
erzählte sie dem Jüngling, sei sie verlobt und die Hochzeit schon anberaumt; doch
gebe es neuerdings ein Hindernis, das ihr großen Kummer bereite: Ihr Bräutigam
sei ein Kaufmann, aber so arm wie eine Maus; darum hätten sie den Plan gefasst,
dass er aus den Mitteln der Braut einen Handel begründen solle. Eben diese Mittel
fehlten jetzt, da sie wegen eines Gerichtsprozesses nicht auf ihr Vermögen zugreifen
könne. Auch sei ihr Verlobter bereits Verbindlichkeiten in Höhe von zehntausend
Goldgülden eingegangen. So stehe seine Kaufmannsehre, ihrer beider Heirat und
damit ihr ganzes Lebensglück auf dem Spiel.
Der junge Mann erbleichte und glaubte ihr jedes Wort. Dann eilte er traurig auf den
Handelsplatz, verkaufte sein eben gegründetes Geschäft, kehrte zu ihr zurück und
bot ihr die erlösten zehntausend Goldgülden an. Sie dankte ihm überschwänglich,
erklärte aber, sie werde das Opfer nur annehmen, wenn er ihr bei seiner ewigen
Seligkeit schwöre, als Ehrengast und treuster Freund an ihrer Hochzeit teilzunehmen. Er flehte sie an, ihm dies zu erlassen, doch sie bestand darauf, wies sogar
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sein Gold zurück, so dass er endlich einwilligte. Darauf reiste sie hocherfreut heimwärts, schmückte ihr Haus und konnte den Tag, an dem ihr Liebster eintreffen sollte,
kaum erwarten.
Doch er blieb aus. Denn er hatte sich von seinem letzten Stück Seide ein Kriegskleid
machen lassen, war unter die Reisläufer gegangen und in der Schlacht bei Pavia
tödlich verwundet worden. Sterbend sandte er ihr die Botschaft: „Betet nicht etwa
für mich, schönstes Fräulein, denn ich kann und werde nie selig werden ohne Euch,
sei es hier oder dort, und somit lebt glücklich und seid gegrüßt!“ Als sie dies vernahm, war sie vor Schmerz viele Tage wie von Sinnen, weinte und schrie, küsste
und liebkoste die Goldstücke, als ob der verlorene Geliebte darin zugegen wäre.
Dann raffte sie den Schatz zusammen, warf ihn in den Brunnen hinter ihrem Haus,
und verfluchte ihn, damit ihn niemals mehr jemand anderes besitzen solle.
Auf ihrem Sterbebett habe das Fräulein den Fluch bereut und angeordnet, dass das
Gold einer schönen, sittsamen, aber unbemittelten Jungfrau gehören solle, der es
wegen ihrer Armut an Aussicht fehle, einen verständigen, rechtlichen und hübschen
Mann zu bekommen, der sie aus reiner Liebe heirate. Ihn, Spiegel, habe sie beauftragt ein solches Paar zusammenzubringen, damit die Braut den Bräutigam am
Hochzeitsmorgen mit einer Mitgift von zehntausend Goldgülden überraschen könne.
Spiegel verspricht nicht nur, um den Preis seiner Freiheit den Schatz für Pineiss ans
Tageslicht zu fördern, sondern er will ihm auch die anmutige Frau beschaffen, die es
braucht, um des Schatzes habhaft zu werden und deren Vorzüge er so verführerisch
zu schildern weiss, dass dem Stadthexenmeister der Mund nach solchen Herrlichkeiten wässert. Gottfried Keller schildert nun auf unnachahmliche Weise, wie Pineiss sich
die Ehe mit einer Frau vorstellt, die er gleichzeitig mit dem Schatz zu gewinnen meint:
„Wenn sie nur halbwegs was taugt, - so Gottfried Keller – dann ist eine gute Hausfrau
etwa weiss am Leibe, sorgfältig im Sinne, zutulich von Sitten, treu von herzen, sparsam im Verwalten , aber verschwenderisch n der Pflege ihres Mannes, kurzweilig in
Worten und angenehm in ihren Taten, einschmeichelnd in ihren Handlungen! Sie
küsst den Mann mit ihrem Munde und streichelt ihm den Bart, sie umschliesst ihn mit
ihren Armen und kraut ihm hinter den Ohren, wie er es wünscht, kurz, sie tut tausend
Dinge, die nicht zu verwerfen sind. Sie hält sich izhm ganz nah zu oder in bescheidener Entfernung, je nach seiner Stimmung, und wenn er seinen Geschäften nachgeht,
so stört sie ihn nicht, sondern verbreitet unterdessen sein Lob in und ausser dem
Hause; denn sie lässt nichts an ihn kommen und rühmt alles, was an ihm ist. Aber
das Anmutigste ist die wunderbare Beschaffenheit ihres zarten leiblichen Daseins,
welches die Natur so verscheiden gemacht von unserem Wesen bei anscheinender
Menschenähnlichkeit, dass es ein fortwährendes Meerwunder in einer glückhaften
Ehe bewirkt.“ Da erkennen Sie, meine Damen und Herren, oder vielmehr meine Damen, den hohen Anspruch einer idealen Ehe!
Der Schluss ist nun schnell erzählt. Den Schatz gibt es märchenhafter Weise tatsächlich, Spiegel führt Pineiss zu dem Brunnen. Pineiss ist vom möglichen Besitz des
Schatzes, mehr aber noch von der Möglichkeit eine anmutige Gattin zu gewinnen,
völlig eingenommen.
Spiegel hat für ihn aber Pineiss Nachbarin ausgesucht, eine hässliche, alte, bösartige
Begine, also eine Betschwester. Er zwingt sie - zusammen mit der Eule - die bei ihr
gefangen gehalten wird, zum Einverständnis in diese Ehe, indem er sie mit einem
Netz gefangen nimmt und erst wieder frei gibt, nachdem sie versprochen hat, Pineiss
zu heiraten. Aufgrund ihrer Zauberkünste verwandelt sie sich für den Tag der Hochzeit in eine wunderschöne Braut, Pineiss ist hingerissen, aber kurz nach dem Jawort
verwandelt sie sich zurück und den Rest können Sie sich denken.
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Es ist eine amüsante Geschichte, ein wunderbares Lügenmärchen, auch eine grossartige Novelle. Aber sie ist weit mehr. Vergessen wir nicht, dass „Spiegel das Kätzchen“ den ersten Band der „Leute von Seldwyla“ abschliesst. Die Novellensammlung
gehört zum Besten, was die Deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts kennt. Zwei
Grundzüge gehen durch die beiden Novellenbände. Erstens ist es die Abrechnung
Kellers mit der Romantik und ihrer Scheinhaftigkeit, mit dem romantischen Künstlertum, mit Mondenschein, Vagantentum und Posthornklang. Schon seinen grosser Roman, „den Grünen Heinrich“, hat Keller umgearbeitet. Die erste Fassung war ein romantischer Künstlerroman, die zweite Fassung dann überwindet das romantische
Künstlertum und die Hauptfigur, der grüne Heinrich eben, wird vom Künstler zum
Bürger, zu einem nützlichen und ehrenwerten Glied der bürgerlichen Gesellschaft.
Der Darstellung dieser Entwicklungen gilt der ganze Novellenzyklus „die Leute von
Seldwyla“. Aus dem Träumer Strapinksky, der sich gerne für einen polnischen Grafen
halten lässt, wird in „Kleider machen Leute“ ein tüchtiger Schneidermeister, der
schwärmerische Lehrer in den „missbrauchten Liebesbriefen“ wird zum bestandenen
Schulmann, der romantische Pseudokünstler Viggi Störteler verkommt und geht mit
seiner ganzen lächerlichen Poesie zu Grunde. Das ist jedoch nur ein Grundzug im
Werk von Gottfried Keller. Keller war 1848 ein glühender Verehrer und Anhänger der
neuen Verfassung, des Bundesstaates. Doch erkannte er in den kommenden Jahren
mehr und mehr, dass der Bundesstaat Schweiz kein idealer Staat war. So sehr er das
Bürgertum mit seinem Fleiss und seiner Sittlichkeit als Voraussetzung für einen Staat
verherrlichte, so sehr geisselte er die Entartungen. Sein letzter Roman „Martin Salander“ zeigt mit schrecklicher Deutlichkeit, was geschieht, wenn Bürgertum nur noch
Geiz, Habgier und Suche nach dem eigenen Vorteil ist. Martin Salander ist ein prophetischer Roman. Diese Tendenz der Darstelltung der Entartung des Bürgertums
findet sich nun schon in den Leuten von Seldwyla. Und eben auch in „Spiegel das
Kätzchen“. Es ist letztlich eine sehr sozialkritische Novelle, nur bedient sie sich des
Mittels der Parodie. Die Novelle ist eine geniale Satire auf die Gesellschaft seiner Zeit.
Spiegel der Kater tritt auf als hônnete homme, als vordergründig idealer Bürger, der
durch Masshalten, Vernunft, Klugheit und Fleiss sich auszeichnet. Die Katze gilt in
aller Literatur als ein Symbol der Weisheit, der Klugheit und des Glücks. In vielen
Mythologien sind die Katzen es, welche die Geheimnisse von Tod und Wiedergeburt
hüten. Spiegel ist aber doch ein recht bürgerlicher Kater. Bemerkenswert ist es, dass
Keller diese bürgerlichen Tugenden einem Tier zuweist und nicht einem Menschen..
Das ist wohl der erste Seitenhieb auf die Gesellschaft seiner Zeit. Die Katze, nicht der
Mensch, hat diese Qualitäten. Zwar hat Spiegel auch unbürgerliche Züge, er lebt
seine Triebe zeitweilig hemmungslos aus und lebt auch als Junggeselle und damit
gegen die Familienstrukturen seiner Zeit. Aber das sieht man ihm gerne nach. Satirisch bedeutend ist nun aber, dass Spiegel alle diese Tugenden verliert, wenn ihm die
materielle Grundlage dazu entzogen wird. Hat er nichts mehr zu essen, gibt er die
Philosophie billig. Das ist ein weit härterer zweiter Seitenhieb: Vernunft und Tugend
sind abhängig von der ausreichenden materiellen Grundlage, geht sie verloren, dann
gibt es auch keine Tugend mehr. Also das hehre Bürgertum mit seinen hohen Werten
ist nichts weiter als eine Freizeitbeschäftigung am Sonntag; wenn es zu teuer wird,
dann lässt der Bürger seine Maske fallen und wird zum knallharten Materialisten. Die
zweite Hauptfigur – Pineiss – ist dies von Anfang an. Er verdient mit Hexenkünsten
schlecht und recht seinen Lebensunterhalt – als er Aussicht bekommt, einen Schatz
zu heben, vergisst er alle Tugend und Menschlichkeit. Allerdings ist in unserer Novelle
am Schluss der schlechte Bürger der geprellte Verlierer. Nur der Kater bewahrt sich,
bei aller Fragwürdigkeit auch bei ihm, einen Rest von Würde und menschlichem Anstand. Letztlich ist es, bei allem Spass und bei allem Humor, eine traurige Geschichte.
Nicht zuletzt auch in der Binnenerzählung vom verliebten Fräulein. Gottfried Keller
hat diese Geschichte ganz im Stile der italienischen Renaissance-Novelle geschrieben,
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sie könnte direkt aus Boccacios Decamerone kommen. Und bei aller Unglaubwürdigkeit, Verrücktheit der Handlungsweise des Fräuleins, ist es eine sehr tragische Geschichte. Sie erzählt von einem Menschen, der nicht zu seiner Liebe stehen kann, der
es nicht schafft, sich der Liebe zu öffnen, frei und unbefangen und der an dieser
Unfähigkeit zu Grunde geht, eingeschlossen bleibt in seinem Ich. Es ist dies ein häufiges Thema bei Gottfried Keller – selten findet ein Paar sich in glücklicher Liebe zusammen. Glückliche Liebe bleibt eine unerreichbare Sehnsucht, im ganzen Werk von
Gottfried Keller. Und auch in seinem Leben; es ist erschütternd in Gottfried Kellers
Briefen zu lesen.
„Spiegel das Kätzchen“ steht also – obwohl es als Märchen daher kommt, keineswegs
ausserhalb der Grundtendenzen des Erzählzyklus’. Keller bedient sich hier virtuos der
Mittel der Satire, greift romantische Elemente auf zum Zwecke der Parodie.
Paul Burkhard nun hat sich in den fünfziger Jahren an diesen Stoff gewagt und aus
diesem Märchen eine Oper gemacht. Man kann sein Werk nicht so recht einordnen
in die Gattung Oper. Ist es eine Spieloper, eine Märchenoper, ein Singspiel oder
sogar ein Musical? Wir müssen diese Frage nicht entscheiden, es liegt nicht viel
daran. Es war Paul Burkards Streben in seinem ganzen Werk eine Verbindung zu
suchen zwischen sogenannt ernster Musik und der Unterhaltungsmusik, zu zeigen,
dass beide Gattungen ernst zu nehmen sind.
Das Libretto schrieb Fridolin Tschudi, der damals als Kabarettist grosse Erfolge feierte.
Uraufgeführt wurde Das Werk am 20. November 1956 im Gärtnertheater in München. Paul Burkhard schrieb im Programmheft:
„Genau vor zwei Jahren fielen mir in derselben Sekunde als Idee zu einem Libretto
Gottfried Kellers ‚Spiegel das Kätzchen’ und Fridolin Tschudi ein; ich sah das Ganze
plastisch im Geist vor mir, nicht anders als es sich nun nach zweijähriger Arbeit mit
hundert Umwegen heute darstellt. Fridolin Tschudi, des Wortes mächtig, wie heute
wenige, mit feinstem Unterscheidungsvermögen für Ironie, Gefühl, Gewichtverteilung in Prosa und Versen, ist mir ein idealer Mitarbeiter, und Kennern verrate ich
gerne, dass ich das ganze Libretto mit der Ausnahme eines kleinen Liedes auf Text
komponiert habe. Die Welt von ‚Spiegel das Kätzchen’, das Städtchen Seldwyla mit
seinen skurrilen Menschen und menschlichen Katzen, der Eule, der Hexe, die Figuren der feinen und traurigen Geschichte von dem jungen, schönen und reichen
Fräulein, diese Welt, den dichterischen Gehalt der Novelle, der Bühne zuzuführen,
war unser Plan.“
Es ist eine Musik voller Humor, die Burkhard auf Tschudis Libretto geschaffen hat.
Die Katze ist ja in der Musik durchaus präsent, es gibt viel Musik von und über
Katzen, am berühmtesten vielleicht Rossinis Katzen Duett. Und auch der Begriff der
„Katzenmusik“ ist Ihnen geläufig. Sie werden hören, dass Burkhard damit intensiv
gearbeitet hat.
Allerdings, die Premiere in München 1956 war ein Reinfall. Die Oper fiel durch und
hatte keinen Erfolg. Auch die Kritiken in der Presse waren vernichtend. Woran es
lag, ist schwer zu sagen. Vielleicht daran, dass viele gute und hervorragende Werke
an der Uraufführung durchfielen, Verdis Traviata etwa. Vielleicht auch, weil die
Münchner Aufführung vieles, was man nicht ernst nehmen durfte, zu ernst nahm.
Jedenfalls hat Matthias Spohr für eine Aufführung des Opernhauses Zürich 1990 das
Stück musikalisch überarbeitet und ihm zum grossen Erfolg verholfen, den es verdient. Wir hören diese Version heute Abend!
Ich wünsche Ihnen einen vergnüglichen Abend!
15. Oktober 2011