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Einleitung
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Managed-Care-Strategien
für den stationären Versorgungssektor
Mai 2000
Klaus J. Preuß
inhaltsüberblick
Die Krankenhauslandschaft in Deutschland wird sich in
den nächsten zehn Jahren erheblich verändern. Ein Grund
ist die Gesundheitsreform 2000, die den Weg für die Einführung von Managed-Care-Modellen und -Instrumenten
geebnet hat. Aber um das volle Potenzial einer Integrationsversorgung auszuschöpfen bedarf es noch weiterer Reformen. Der Beitrag zeigt die erforderlichen politischen,
medizinischen und datentechnischen Rahmenbedingungen
auf. Am stärksten von diese Veränderungen betroffen ist
der Patient. Informationssysteme, die den Prinzipien evidenzbasierter Medizin Rechnung tragen, müssen deshalb
nicht nur den Erfordernissen von Versorgern und Versicherern gerecht werden, sondern vor allem auch denen der Patienten.
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Einleitung
Durch das seit Januar 1993 in Kraft befindliche Gesundheitsstrukturgesetz wurden vom Gesetzgeber erste Impulse für eine Weiterentwicklung des Krankenhaussektors
gesetzt. Seit 1996 wurde ein neues Entgeltsystem mit Fallpauschalen, Sonderentgelten, Abteilungspflegesätzen und
Basispflegesätzen wirksam (s. Kap. 2.01.03). Die Reform
der Krankenhausfinanzierung, d. h. die Abkehr von der
dualen und der Einzug der monistischen Finanzierung,
war über die Gesundheitsreform 2000 geplant, wurde
dann im letzten Moment noch zurückgestellt. Hingegen
wurden die Integrationsversorgung und die Qualitätssicherung durch die Gesundheitsreform 2000 gesetzlich
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Gesundheitsreform 2000
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Die Rationalisierung
ist der Rationierung
vorzuziehen
Interessenskonflikte
zwingen zu
politischen
Entscheidungen
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im SGBV festgeschrieben (s. Kap. 11.03.02). Ziel aller bisherigen gesetzgeberischen Aktivitäten ist die Veränderung
der Strukturen, der Kapazitäten sowie der Anreizmechanismen der Effizienz und Effektivität der Versorgung im
stationären Sektor.
Im Spannungsfeld von Rationalisierung und Rationierung wird gerade dem Krankenhaussektor mit dem absolut höchsten Ausgabenvolumen bei den Gesundheitskosten oberste Priorität zukommen, sowohl seitens des Gesetzgebers als auch aus Sicht der Kostenträger. Rationierung orientiert sich generell mehr an den Kosten, Rationalisierung hingegen eher am Nutzen von medizinischen
Leistungen. Rationierung kann man als Verweigerung von
medizinischen Leistungen mit unbestrittenem Nutzen definieren. Rationalisierung hingegen zielt auf die Verweigerung von Maßnahmen mit umstrittenem Nutzen. Rationierung beeinflusst oft direkt die Lebensqualität und auch
Lebensdauer von betroffenen Patienten. Rationalisierung
hingegen vermeidet den Einsatz von strittigen medizinischen Verfahren und erhöht im schlechtesten Falle das
relative Risiko für Patienten durch Unterlassung von
wirksamen Leistungen. Folglich ist es wünschenswert,
Maßnahmen zur Rationierung durch solche der Rationalisierung zu ersetzen.
In einem System, das Leistungen vergütet, werden
Leistungserbringer zur Optimierung des eigenen Nutzens
das Maximum der vom System zugelassenen Leistungen
erbringen. Kostenträger werden die Angemessenheit von
stationären Leistungen nach der Effizienz und Effektivität
der Leistungserbringung beurteilen. Patienten hingegen
werden die Angemessenheit von Krankenhausleistungen
vor allem über die subjektive Zufriedenheit bewerten. Interessenkonflikte und divergierende Motivationen werden
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Mai 2000
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sich nicht freiwillig auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Es ist unschwer zu erkennen, dass Entscheidungen über das medizinisch und wirtschaftlich Angemessene nicht mit wissenschaftlichen Methoden begründet werden können (Brook et al. 1990). Entscheidungen in einem derartig komplexen Umfeld müssen nach
dem Willen aller Beteiligten – also politisch – getroffen
werden.
Die neue Architektur des Gesundheitswesens ist erst
in Ansätzen erkennbar. Es entstehen eine Vielzahl von
Ärztenetzen mit unterschiedlichen Strukturen und Zielen.
Die Integrationsversorgung unter Einbezug des Krankenhauses wird der nächste entscheidende Schritt auf dem
Weg zu einer Neuorientierung sein. Die Neudefinition
des Begriffes der Rehabilitation, die Umallokationen von
Mitteln weg von der Kuration hin zur Prävention, der
verkürzte Abgabeweg für Arzneimittel und Hilfsmittel etc.
werden weitere Schritte zu einer anderen Versorgungsrealität darstellen.
Zwar wurde in den letzten Jahren durch Managed-CareAnsätze vieles bewegt, doch wurde erst wenig Konkretes erreicht. Ziel der Modelle ist die Beseitigung der bisherigen
strukturellen Schwachstellen der medizinischen Versorgung, die Reduktion der Schnittstellenprobleme zwischen
den historisch gewachsenen Versorgungssektoren sowie
die Optimierung der Versorgungsqualität. Aus heutigen
Schnittstellen sollen durch die Integrationsversorgung,
die man auch als zweite Generation von Managed-CareModellen bezeichen kann, zukünftige Nahtstellen werden.
Ein kurzfristiges Ziel der Gesundheitspolitik liegt insbesondere in der Ausschöpfung vielfach postulierter Wirtschaftlichkeitsreserven. Managed-Care-Strategien können
Beiträge sowohl zu den kurz- als auch zu den langfristigen
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Managed Care,
Integrationsversorgung:
Aus Schnittstellen
werden Nahtstellen
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Szenario: Der Krankenhaussektor im Jahr 2010
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Zielsetzungen liefern. Aber eine Integrationsversorgung
ohne die Einbindung von Managed-Care-Elementen und
-Instrumenten wird auch nur wenig bewirken. Hingegen
könnten sich durch differenzierte Managed-Care-Modelle
im Sinne der anzustrebenden Integrationsversorgung eine
bedarfsgerechte und auch ökonomisch tragfähige Versorgung, insbesondere chronisch Kranker, realisieren lassen.
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Szenario: Der Krankenhaussektor im Jahr 2010
Das Krankenhaus
in der Geschichte
Krankenhäuser sind seit der Antike bekannt. Allerdings
waren sie bis zur Neuzeit mehr ein Ort der Barmherzigkeit als ein Zentrum der medizinischen Versorgung. Vornehmlich leisteten sie Pflege und Unterkunft für die Siechen und Kranken. Das Krankenhaus von heute und erst
recht das von morgen ist kein Ort mehr für die Armen.
Das Krankenhaus wird zum Leistungszentrum für diejenigen Patienten, die aufgrund der Schwere, Kompliziertheit oder Chronifizierung ihrer Erkrankung der speziellen
Behandlungsmöglichkeiten durch eine solche Institution
bedürfen. Alle anderen Patienten werden möglichst nicht
mehr in Krankenhäusern behandelt werden, sondern in
anderen, besser für ihre Versorgung geeigneten Einrichtungen.
Daher werden die historisch gewachsenen Krankenhausstrukturen in den nächsten zehn Jahren einem dramatischen Wandel unterworfen. Weder die bestehenden
Trägerstrukturen, noch die heutigen Finanzierungsmechanismen werden sich langfristig als zukunftsfähig
erweisen. Auch die gültige medizinische Leistungseinteilung (z. B. Akut- und Sonderkrankenhäuser oder – nach
Versorgungsstufen – Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung, Schwerpunktkrankenhäuser und Zentralkrankenhäuser) wird sich radikal den veränderten medi-
Dramatischer
Wandel in den
nächsten zehn Jahren
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Szenario: Der Krankenhaussektor im Jahr 2010
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Mai 2000
zinischen und medizintechnischen Möglichkeiten sowie
dem durch die demographische Entwicklung, Überalterung der Bevölkerung mit konsekutiver Multimorbidität
veränderten Krankheitsspektrum anpassen müssen, um
zukunftsfähig zu bleiben. Es lassen sich fünf wesentliche
Zukunftstrends im Krankenhaussektor für die nächsten
zehn Jahre voraussehen.
Strukturelle Veränderungen in Richtung Reduktion
Die Zahl der Krankenhäuser wird in den nächsten zehn
Jahren, je nach Quelle, um ca. 10% bis 30% abnehmen,
die Zahl der Krankenhausbetten aber nur zwischen 10%
und 20%. Der Anteil der privaten Krankenhäuser wird
von heute ca. 15% auf mehr als 30% ansteigen und die
Zahl der privaten Krankenhausbetten wird von heute ca.
6% auf ungefähr 20% ansteigen. Waren in der Vergangenheit Krankenhäuser in der Größenklasse unter 100 Betten
und von 100–200 Betten die Domäne der privaten Träger,
so werden zukünftig auch vermehrt Krankenhäuser mit
Bettenkapazitäten von 200–500 Betten und Krankenhäuser über 500 Betten durch private Träger geführt werden.
Der erste große Trend für die Zukunft des Krankenhaussektors weist also in Richtung Privatisierung der Einrichtungen.
Strukturelle Veränderungen in Richtung Konzentration
Der zweite wesentliche Zukunftstrend führt zur Aggregation, d. h. zur Kettenbildung von Krankenhäusern. Die
Zahl der privaten Krankenhausketten nimmt seit Jahren
zu (SANA, Asklepios, Rhön, Maternus, Marseille, Hurrle,
Helios u. a.), und dieser Trend wird in der nächsten Dekade anhalten. Aber auch die Krankenhäuser der kommunalen Träger und der freigemeinnützigen Träger bil5
Privatisierung
der Einrichtungen
Verstärkte
Kettenbildung
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Szenario: Der Krankenhaussektor im Jahr 2010
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Ein Drittel
in privater
Trägerschaft
Positionierung,
Spezialisierung
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den verstärkt Aggregationsformen. Verbunden mit dem
Ausbau der Krankenhausketten ist eine Änderung der
Rechtsform (entweder als GmbH oder als AG), um am
Kapitalmarkt teilnehmen zu können. Durch die Bildung
von Krankenhausketten können Vorteile bei der Materialund Personalbeschaffung realisiert werden, und es
kommt zur Ausbildung professioneller Managementstrukturen, was für die Gestaltung der vor der Tür stehenden
Integrationsversorgung sicher nicht von Nachteil sein
wird.
Führende private Krankenhausketten werden im Jahre
2010 über mehrere hundert Krankenhäuser verfügen und
der Anteil der Krankenhausketten am Gesamtmarkt wird
auf ca. ein Drittel ansteigen. Eine Prognose der Philips
Healthcare Services geht für das Jahr 2015 von folgender
Situation aus: Insgesamt wird es nur noch ca. 1700 Krankenhäuser geben, davon 700 in freigemeinnütziger Trägerschaft, 600 in privater Trägerschaft und 400 in öffentlicher Trägerschaft. Hinsichtlich der Kettenbildung geht
man von 3 bis 5 überregionalen bis nationalen Ketten
(evtl. auch eine amerikanische Kette) und ca. 30 kleineren
lokalen bis regionalen Ketten aus, jeweils mit ausgewählter medizinischer Positionierung.
Als nächster Schritt, nach der Realisierung von „economy of scale“-Effekten, wird es auf die Positionierung
der unterschiedlichen Krankenhausketten ankommen, um
im Wettbewerb eine Spitzenrolle übernehmen zu können.
Die Spezialisierung auf Akutmedizin, auf spezielle Interventionstechniken („Hi-end-Kardiologie“), auf die optimale Behandlung und Führung von chronisch kranken
Patienten, auf bestimmte Indikationsfelder (Onkologie)
und manch anderes kommt hierbei in Frage. Verbunden
mit der Positionierung der Kliniken wird es auch in zu6
Szenario: Der Krankenhaussektor im Jahr 2010
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nehmendem Maße zu einer Markenbildung kommen. Stiftungen, Orden oder kommunale Einrichtungen als Träger
von Krankenhäusern und die mit ihnen verbundenen
Rechtsformen und „Managementstrukturen“ werden
zukünftig im Wettbewerb unterliegen und voraussichtlich
stark abnehmen.
Veränderungen in Richtung
der medizinischen Differenzierung und Spezialisierung
Durch die Fortschritte in der medizinischen Behandlung
wie z. B. der Minimal Invasive Chirurgie (MIC) und insbesondere der Medizintechnik wird sich die Zahl und
Möglichkeit des ambulanten Eingriffs weiter erhöhen. Der
Bundesverband ambulantes Operieren (BAO) verweist auf
einen ständig sich ausweitenden Katalog ambulant durchzuführender Eingriffe. Durch die in Deutschland vorherrschende strikte Trennung von ambulantem und stationärem Sektor ist die Zahl der Indikationen und Eingriffe
für ambulante Behandlungen statt stationärer Aufnahmen
im internationalen Vergleich verschwindend klein. Hier
stehen historisch gewachsene Versorgungsstrukturen den
medizinisch optimalen Versorgungsmöglichkeiten entgegen. Ein großer Teil dieses sich stürmisch entwickelnden Marktsegmentes wird nicht durch die traditionellen
Krankenhäuser der Regelversorgung abgedeckt werden.
Zur Zeit entstehen eine Vielzahl von Praxiskliniken, Endokliniken, Tageskliniken, onkologischen Schwerpunktpraxen, Diagnosezentren und anderen Einrichtungen, die
sich auf dieses Segment speziell ausgerichtet haben. Auch
die Entstehung von Leistungszentren, deren angestrebte
durchschnittliche Verweildauer bei unter 3 Tagen liegen
soll, zeigt in dieselbe Richtung. Das traditionelle Krankenhaus wird nur noch als medizinisches Hochleistungs7
Expansion
der ambulanten
Behandlung
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Szenario: Der Krankenhaussektor im Jahr 2010
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zentrum seine Berechtigung haben und das auch nur für
bestimmte Indikationen und Prozeduren und darüber hinaus nur noch für möglichst wenige Tage.
Runter von der Insel,
rein in die vertikale
Leistungskette
Verzahnung von Akutund Reha-Medizin
Veränderungen in Richtung der Integration
von medizinischen Leistungsketten
Das Krankenhaus als versorgungstechnische Insel gehört
der Vergangenheit an. Zukünftig werden nur Krankenhäuser überleben, die sich rechtzeitig als Teil einer vertikal integrierten medizinischen Leistungskette verstehen.
Die Schnittstellen vom Krankenhaus zum hausärztlichen
und fachärztlichen Sektor, zur Rehabilitation und zur
Pflege bedürfen einer dringenden Revision und Neudefinition. Hierzu gehört die Erweiterung der Leistungskette
in den ambulanten Bereich durch die Integration in Ärztenetze einerseits und die Zuverfügungstellung von medizinischem Gerät und Kapazitäten für den fachärztlichen
Sektor am Krankenhaus (Belegarztsystem) andererseits.
Durch die Neudefinition des Rehabilitationsbegriffes
wird insbesondere der professionelle Reha-Sektor in den
nächsten Jahren weiter wachsen. Hierzu ist allerdings der
endgültige Abschied vom historischen Kur- und Sanatoriumswesen notwendig und eine strikte Ausrichtung nach
den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin, nach Leitlinien und an erzielten Outcomes. Die phasengerechte
Verzahnung von Akut- und Reha-Medizin ist daher eine
weitere interessante Schnittstelle mit großem Rationalisierungs- und auch medizinischem Optimierungspotenzial.
Gleiches gilt für die Schnittstelle zur Pflege und von hier
wird der Übergang zum Hospiz als letzter Strecke der
medizinischen Versorgungskette beinahe fließend. Nur
durch Erweiterung der bestehenden Leistungskette durch
Partner im hausärztlichen, fachärztlichen, rehabilitativen
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Szenario: Der Krankenhaussektor im Jahr 2010
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und pflegerischen Bereich und eine durch die Partnerschaft mögliche Reduktion der Schnittstellenproblematik
wird das Krankenhaus auch zukünftig seinen Platz in der
medizinischen Versorgungskette sichern können.
Ein weiterer wichtiger Trend in der Veränderung der
Krankenhauslandschaft wird die Spezialisierung von Einrichtungen auf die Versorgung von chronisch Kranken
darstellen. Bereits heute beträgt der Anteil der Personen
von 65 Jahren und älter mehr als 16% der Bevölkerung.
Diese Gruppe stellt aber mehr als 36% der Patienten in
den Krankenhäusern, ist für mehr als 47% der Pflegetage
verantwortlich und weist zugleich die durchschnittlich
höchste Verweildauer mit 14,3 Tagen auf. Für diese Gruppe von Patienten, d. h. die optimierte Versorgung von
chronisch Kranken, entstehen z. Z. eine Vielzahl innovativer Konzepte.
Veränderungen im Rahmen der Europäischen Union
Bisher wurden die Gesundheitssysteme als nationale Systeme geführt. In jedem europäischen Land haben sich
spezifische Eigenheiten und Charakteristika herausgebildet. Dabei ist die medizinische Versorgung im Grunde
genommen ein lokales oder allenfalls ein regionales Geschäft. Allerdings ergeben sich durch die fortschreitende
Integration Europas und die Globalisierung der Wirtschaft zunehmend internationale Erwerbsbiographien
(Ex-Patriates). Diese Entwicklung wird noch durch andere Faktoren vorangetrieben:
z Der Anteil der Menschen, die ihren Ruhestand in einem anderen Land als dem Geburtsland verbringen,
steigt ständig an. Der Trend zur „Rente am Mittelmeer“ ist ungebrochen.
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Versorgung chronisch
Kranker
Ein lokales Geschäft
wird international
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Politische Rahmenbedingungen, Planungs-, Finanzierungs- und Vergütungsmechanismen
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z
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Darüber hinaus machen Unzulänglichkeiten und Mangelkapazitäten des Krankenhaussektors den skandinavischen, britischen, aber auch den niederländischen
Kliniken zu schaffen. Lange Wartelisten für medizinisch notwendige Eingriffe und eine Rationierung von
medizinisch erforderlichen Leistungen führen zu einem zunehmenden „Krankenhaus-Tourismus“.
Des Weiteren weisen die Urteile des Europäischen Gerichtshofes EuGH in Richtung des freien Verkehrs von
Personen, Waren und auch medizinischen Dienstleistungen in Europa (Urteile Decker, Kohll und Molenaar). Das anstehende Urteil zur Krankenhausbehandlung im Ausland wird voraussichtlich diese Tendenz
bestätigen.
Der Schritt
über die Grenzen
Deutsche Krankenhäuser stehen bereit zur Behandlung
europäischer Bürger. Mit der Liberalisierung und Privatisierung des Krankenhaussektors und einem Absinken der
Markteintrittsschwelle werden auch amerikanische Krankenhausketten gewillt sein, sich in diesem Markt zu engagieren. Zugleich werden die gerade formierenden nationalen Krankenhausketten sich ihrerseits ins Ausland wagen. Aus deutscher Sicht werden hier zunächst einmal die
Balearen und Kanaren im Zentrum der Expansion stehen,
später werden auch andere Regionen folgen.
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Politische Rahmenbedingungen, Planungs-,
Finanzierungs- und Vergütungsmechanismen
Planung:
unzureichend
mit Tendenz
zum Besseren
Die Krankenhausplanung erfolgt in Deutschland, mangels
unzureichender wissenschaftlicher Grundlagen, noch immer überwiegend pragmatisch. Die fehlenden epidemiologischen Grundlagen und die erst in Anfängen gegebene
Gesundheitsberichterstellung für eine sinnvolle Kapazi10
Politische Rahmenbedingungen, Planungs-, Finanzierungs- und Vergütungsmechanismen
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18 z 02 03
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tätsplanung werden auch nicht in den nächsten zehn Jahren derart verbessert werden, dass damit eine rationale
Krankenhauskapazitätsplanung ermöglicht wird. Trotz
verbesserter Datenlage wird ein gehöriger politischer Einfluss auf regionaler und nationaler Ebene auch zukünftig
die Krankenhausplanung bestimmen. Allerdings wird
man sich zukünftig schrittweise einer stärker auf Morbiditäts- und demographischen Daten beruhenden Planung
zuwenden.
Durch die Übertragung einer Vielzahl von kommunalen und freigemeinnützigen Krankenhäusern in private
Trägerschaft und durch die Professionalisierung des
Krankenhausmanagements, insbesondere in den privaten
Krankenhausketten, wird sich eine rationale Planungsmethodik durchsetzen. Die zukünftige Angebotsstruktur
wird mehr auf den tatsächlichen Bedarf und die tatsächlichen Bedürfnisse abgestellt werden. Bestehende Überkapazitäten werden weiter abgebaut werden müssen, um
die ausufernden Kosten in den Griff zu bekommen. Die
Planungsverantwortung wird in den nächsten Jahren
schrittweise von den Bundesländern, parallel mit der Veränderung der Finanzierungsmechanismen, auf die Kostenträger und auch private Investoren übertragen werden.
Die bestehenden Finanzierungsmechanismen werden
die nächsten zehn Jahre gleichfalls nicht überleben. Die
duale Krankenhausfinanzierung wird durch eine monistische abgelöst werden. Den Kostenträgern werden zukünftig sowohl die Investitionskosten als auch die Behandlungs- und Betriebskosten aufgebürdet. Der Staat wird
sich auf eine mehr den Grundrahmen setzende Rolle bei
der Krankenhausplanung und -finanzierung zurückziehen.
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Verantwortung
der Planung wird
weniger in öffentlicher
und mehr in
privater Hand sein
Finanzierung:
Der Staat zieht
sich zurück
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Politische Rahmenbedingungen, Planungs-, Finanzierungs- und Vergütungsmechanismen
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Vergütung:
Einführung
ökonomischer
Prinzipien
Ab 2003 Diagnosis
Related Groups (DRG)
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Darüber hinaus wird in Deutschland zunehmend erkannt, dass es sich auch bei einem Krankenhaus, unbeschadet seines humanitären Auftrages, um einen Wirtschaftsbetrieb handelt, der eine Führung nach ökonomischen Grundprinzipien erfordert. Die vorherrschenden
Vergütungsmechanismen über Basispflegesätze und Abteilungspflegesätze (s. Kap. 2.30.03) tragen diesen Prinzipien
nur eingeschränkt Rechnung. Zukünftig wird man die
Vergütung von Krankenhausleistungen vor allem auf Fallund Komplexpauschalen für spezifische Diagnosen, auf
Sonderentgelte für spezielle Prozeduren, aber auch durch
ergebnisabhängige Vergütungen umstellen, um mehr
Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.
Die Einführung eines neuen Entgeltsystems nach amerikanischem Muster ist bereits in der Gesundheitsreform
2000 für das Jahr 2003 festgeschrieben worden. Die bisherige Vergütung nach Fallpauschalen soll durch eine Orientierung an so genannten Diagnosis Related Groups (DRG)
abgelöst werden. Die Umstellung vom heutigen Mischsystem auf eine DRG-basierte Vergütung wird einerseits erhebliche Auswirkungen auf die Art der Leistungsabrechnung haben, andererseits auf die interne Organisation der
Krankenhäuser, deren Betriebsziele und deren Wettbewerb
untereinander sich durch die Einführung dieses neuen
Vergütungssystems verändern werden (Lauterbach u.
Lüngen 2000). In den USA wird die Vergütung der Investitionskosten durch einen Zuschlag auf die Patientenvergütung vorgenommen (Capitation-Vergütung). Unter einem
DRG-basierten Vergütungsmodell ließe sich dies auch in
Deutschland leicht umsetzen, so könnte die in der Gesundheitsreform 2000 vorerst zurückgestellte Einführung der
monistischen Krankenhausfinanzierung über das neue
Vergütungsmodell versetzt eingeführt werden.
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Politische Rahmenbedingungen, Planungs-, Finanzierungs- und Vergütungsmechanismen
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18 z 02 03
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z Grundsätzlich
Mai 2000
lässt sich feststellen, dass Einzelleistungsvergütungssysteme eher zu einer Überversorgung
führen, wohingegen Capitation-Vergütungen eher die Gefahr einer Unterversorgung oder Unterlassung von medizinisch notwendigen Leistungen mit sich bringen.
Nicht nur die USA als dem Mutterland der Managed-CareBewegung bieten neue Ansichten und Einsichten; auch der
Blick in die Schweiz zeigt neue Möglichkeiten auf: Tar Med,
die neue gesamtschweizerische Arzttarifstruktur, steht vor
der Einführung. Hiernach werden Tarife und Preise zwischen Leistungserbringern und Versicherern grundsätzlich
in Verträgen vereinbart. Die Entwicklung des Systems Tar
Med hat über 12 Jahre gedauert, berücksichtigt und gewichtet eine Vielzahl von Parametern und hat ca. 8 Mio.
Schweizer Franken Entwicklungskosten verursacht. Ergebnis ist eine Tarifstruktur mit mehr als 4000 Positionen.
Im Kanton Wallis wird der Tar-Med-Tarif bereits im Feldeinsatz getestet. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung
(KBV) hat die Tarifstruktur von Tar Med inzwischen käuflich erworben und möchte sie als Grundlage für eine Revision des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) verwenden.
Auch die Revision der Gebührenordnung für Ärzte
bzw. für Zahnärzte GOÄ und GOZ steht an vorderster
Stelle der zukünftigen gesundheitspolitischen Agenda.
Die in der GOÄ und GOZ zementierte Einzelleistungsvergütung führt zu falschen Anreizen. Beide bedürfen
dringend einer Neufassung mit Integration von Komplexund Pauschal-Gebührenziffern. Darüber hinaus ist auch
das Verfahren der Analog-Ziffern sicherlich nicht mehr
zukunftsfähig. Grundsätzlich muss es nach einer Neufas13
Tar Med
in der Schweiz –
und auch in
Deutschland?
Neufassung von GOÄ
und GOZ überfällig
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Rahmenbedingungen, evidenzbas. Medizin, Leitlinien, Qualitätssicherung, Zertifizierung
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sung von GOÄ und GOZ auch Optionen für eine Vertrags-GOÄ bzw. Vertrags-GOZ geben. Ohne derartige Öffnungsklauseln wäre die private Krankenversicherung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen mit zu starken
Wettbewerbsnachteilen behaftet; denn Modellversuche
und Strukturverträge gelten bislang nur für den SGBVBereich.
z Ungeachtet dieser sektoralen Innovationen der Vergü-
tungssysteme muss es in den nächsten Jahren zur Einführung von bereichsübergreifenden Vergütungssystemen
kommen, damit die Überwindung der sektoralen Versorgungsstrukturen endlich Realität werden kann.
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Medizinische Rahmenbedingungen, evidenzbasierte
Medizin, Leitlinien, Qualitätssicherung
und Zertifizierung
Zum Begriff
der Evidenz
Kurzgefasst kann man Evidenz als Nachweis des Nutzens
einer Intervention definieren. Trotz der überall geforderten Nachweise von Evidenz sollten wir uns nicht darüber
hinweg täuschen lassen, dass für die meisten Gesundheitsleistungen, die wir heute erbringen, diese Evidenz in
der Vergangenheit nicht erbracht worden ist.
Ähnlich kritisch muss man sich an die Beurteilung
des Nutzens von Leitlinien heranwagen. Prinzipiell sind
Leitlinien und Protokolle ein wirksames Instrument zur
Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung. Positive Effekte durch Leitlinieneinsatz konnten in einem systematischen Review nachgewiesen werden (Grimshaw et al. 1995).
Bei der bestehenden und auch in Zukunft anhaltenden
Verknappung der Mittel für die Gesundheitsversorgung
werden Leitlinien bereits vorschnell als „Hoffnungsträger“
Zum Begriff
der Leitlinien
Es geht um das Wie,
nicht um das Ob
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Rahmenbedingungen, evidenzbas. Medizin, Leitlinien, Qualitätssicherung, Zertifizierung
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angesehen. Evidenzbasierte Leitlinien sollen der Beliebigkeit der medizinischen Versorgung ein Ende setzen, diese
auf hohem Niveau stabilisieren und mithelfen, vermutete
Einsparpotenziale zu realisieren (Selbmann 1996). Andererseits existieren auch eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die nur einen geringfügigen oder gar keinen Nutzen
durch Leitlinienanwendung aufzeigen. Die Wirkung von
Leitlinien hängt stark von den strukturellen Alltagsbedingungen, der spezifischen klinischen Situation und einer
Reihe weiterer Faktoren ab. Grundsätzlich geht es heute
weniger um die Frage, ob man Leitlinien einsetzen soll,
sondern mehr darum, wie man sie effektiv in den Praxisalltag bringt.
Auf Grund der hohen Kosten, die die Entwicklung
von qualitativ hochwertigen Leitlinien mit sich bringt, ist
es nicht angebracht, ungerichtet und ohne klare Prioritäten das Kontinuum der medizinischen Versorgung abzuarbeiten. Gerade auf dem Sektor der chronischen Erkrankungen sollte ein Schwerpunkt der Leitlinienentwicklung
und Implementation liegen. Die Prävalenz der chronischen Erkrankungen in einer demographisch zur Überalterung neigenden Gesellschaft, die durch sie bedingten
Kosten und die bestehenden Versorgungsmängel lassen
dies angezeigt erscheinen. Hierzu gehören die koronare
Herzkrankheit, das Asthma bronchiale, der Diabetes mellitus, die Osteoporose, die Depression und die Neurosen
(Schwartz et al. 1998).
Um Leitlinien letztlich in der klinischen Versorgungsrealität wirksam werden zu lassen, bedarf es einerseits
der Einbindung von Leitlinien und Protokollen in bereits
bestehende Strukturen des internen Qualitätsmanagements (Kibbe et al. 1994) und andererseits adäquater
Vergütungs- und Anreizsysteme. Eine solche leitlinienori15
Schwergewicht
bei den chronischen
Erkrankungen
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Rahmenbedingungen, evidenzbas. Medizin, Leitlinien, Qualitätssicherung, Zertifizierung
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entierte Vergütung sollte einerseits eine medizinisch unangemessene Über- bzw. Unterversorgung wirksam beheben und andererseits flexibel genug sein, dass medizinisch begründete Abweichungen von dem in der Leitlinie
vorgegebenen Vorgehen problemlos möglich sind (Krauth
et al. 1998).
Von Leitlinien soll
man sich leiten lassen
Leitlinien auf dem
Weg in die Praxis
z Generell gilt: Von Leitlinien soll man sich leiten las-
sen. Sie geben einen Handlungskorridor vor, der sich in
rationalen Grenzen bewegt und der Mehrzahl der Patienten unter Leitlinienbedingungen eine sichere Versorgungsqualität gewährleistet. Die Grenzen der Leitlinienvorgabe können durch den behandelnden Arzt im Einzelfall durchaus überschritten werden, wobei es allerdings
einer Begründung bedarf, die diese Abweichung rechtfertigt.
Insbesondere im stationären Bereich befindet sich die
Leitlinienanwendung erst noch in den Kinderschuhen. Im
Krankenhausbereich wurden in vielen Kliniken durch die
Einführung eines professionellen Qualitätsmanagementsystems die Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden Leitlinieneinsatz inzwischen geschaffen (Schubert
1999). Aber von großer Bedeutung ist die konsequente
Einbindung von Leitlinien in die Aus-, Weiter- und Fortbildung der Mitarbeiter von Krankenhäusern. Einige private Krankenhausketten experimentieren inzwischen mit
der Leitlinieneinbindung in ihre bestehenden Qualitätssysteme. Darüber hinaus machen sich private Krankenversicherungen Gedanken über neue Tarife und Versorgungsangebote auf der Basis von Leitlinien. Generell ist
die Generierung von evidenzbasierten Leitlinien die notwendige Bedingung für eine Verbesserung der Versor16
Rahmenbedingungen, evidenzbas. Medizin, Leitlinien, Qualitätssicherung, Zertifizierung
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gung, aber die hinreichende Bedingung liegt in ihrer
breiten Einführung in den Klinikalltag. Für den Erfolg
von Leitlinien in der Klinik sind sieben Voraussetzungen
wichtig:
z einfache und verständliche Sprache mit Abbildungen
und Flussdiagrammen,
z Verfügbarkeit einer PC- oder Netzwerk-Version der
Leitlinie,
z Patienten- und Pflegedienstversion der Leitlinie neben
der ärztlichen Version,
z konsequente Einbindung von Leitlinien in die Aus-,
Fort- und Weiterbildung,
z Einbindung von Leitlinien in das bestehende Qualitätsmangementsystem der Klinik,
z Bezug der Leitlinienanwendung zu bestehenden Motivations- und Vergütungssystemen,
z Maßnahmen der Kostenträger zur Sicherstellung des
Leitlinieneinsatzes.
Parallel zu den noch zu entwickelnden und den bereits
verfügbaren Leitlinien für chronische Erkrankungen sollten vermehrt und gezielt Leitlinien zur Rehabilitation
gefördert werden (Helou et al. 1998). Der bestehende Fokus von Leitlinien auf akutmedizinische und kurative
Aspekte der Versorgung sollte durch einen entsprechenden rehabilitativen Schwerpunkt erweitert werden. Auf
dem Deutschen Ärztetag 1999 in Cottbus wurde dementsprechend auch die Schaffung gemeinsamer Qualitätskriterien und die Entwicklung bedarfsgerechter indikationsspezifischer Rehabilitationskonzepte und Rehabilitationsleitlinien durch eine breite Mehrheit gefordert.
Durch das bestehende Leitlinien-Clearing-Verfahren
bei der Ärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung (ÄZQ)
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Leitlinien zur
Rehabilitation fehlen
Wichtige Rolle
der ÄZQ
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Rahmenbedingungen, evidenzbas. Medizin, Leitlinien, Qualitätssicherung, Zertifizierung
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in Köln wird sich die Zahl qualitativ hochwertiger Leitlinien in Deutschland verbessern. Generell ist eine Fokussierung der Leitlinienentwicklung auf prioritäre Gesundheits- und Versorgungsprobleme angezeigt. Es könnten
im Rahmen der zukünftigen Mittelallokation auch ähnliche Kriterien berücksichtigt werden, die bei der Prioritätensetzung bei der Bewertung medizinischer Technologien (Health Technology Assessment HTA) verwandt werden. Grundsätzlich bestimmen drei übergreifende Komplexe die Prioritätensetzung der zukünftigen Leitlinienentwicklung: Die gesundheitliche Bedeutung eines Gesundheits- oder Versorgungsproblems, die ökonomische
Bedeutung des Problems und der zu erwartende Impact
der Leitlinienentwicklung und -umsetzung (Helou et al.
2000). Darüber hinaus wird ein wichtiger Beitrag der
ÄZQ in der Koordination und Abstimmung der zahlreichen in Deutschland initiierten Aktivitäten der Leitlinienentwicklung und des Qualitätsmanagements bestehen,
um Redundanzen und Doppelarbeiten zu minimieren.
z Es gilt: Leitlinien sind keine Zauberstäbe, durch deren
Berührung es bereits zur Verbesserung von medizinischer
Qualität und Wirtschaftlichkeit kommt! Nur durch praxisgerechte Implementationsprogramme, gezielte Anreizmechanismen und adäquate Vergütungsmechanismen
wird man Leitlinien zum Durchbruch in Klinik und Praxis verhelfen können und die erwarteten qualitativen Verbesserungen und Einsparungen auch realisieren können.
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Daten- u. informationstechn. Rahmenbed., Datenverfügbarkeit, -schutz, Telematik
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Daten- und informationstechnische
Rahmenbedingungen, Datenverfügbarkeit,
Datenschutz und Telematik
Mai 2000
18 z 02 05
Viele der angestrebten Verbesserungen im Gesundheitswesen und in der medizinischen Versorgung, seien sie
qualitativer oder nur ökonomischer Natur, beruhen auf
möglichst ubiquitärer also allumfassender Datenverfügbarkeit und dem Einsatz neuer innovativer Technologien.
Umgekehrt sind bestehende Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsdefizite auf eine ungenügende Nutzung moderner
Informationssysteme und mangelnde Datentransparenz
zurückzuführen.
Insbesondere von dem breiten Einsatz der Telematik
verspricht man sich eine Steigerung der Produktivität der
Versorgung. Durch innovative Telematikinstrumente erhofft man sich eine verbesserte Dokumentation von Patientendaten, eine direktere Kommunikation der an der
Versorgung beteiligten Professionals und auch eine effizientere und effektivere Organisation der medizinischen
Versorgungsketten über bestehende sektorale Grenzen
hinweg. Die durch den Telematikeinsatz zu erwartenden
Kosteneinsparungen sind erheblich. Beispielsweise wurde
durch Studien gezeigt, dass telematisch gestützte Leistungen bei gleicher Qualität die Kosten um ein Drittel zu
senken vermögen. Auch ein bislang bestehendes StadtLand-Gefälle in der medizinischen Versorgung könnte
durch Teleradiologie oder Telekonsile nivelliert werden,
ohne wesentliche Kostensteigerungen durch Investitionen
in anderenfalls erforderliche Infrastrukturen nach sich zu
ziehen. Darüber hinaus benötigt die Mehrzahl der innovativen Managed-Care-Instrumente möglichst vollständige
Daten, sowie Datentransparenz und den Online-Zugriff
eben auf diese Daten.
19
Besonders
die Telematik bringt
Verbesserungen
18 z 02 05
Daten- u. informationstechn. Rahmenbed., Datenverfügbarkeit, -schutz, Telematik
Inhalt
Die Papierflut
wird eingedämmt
Bei der Umsetzung
der Telematik
hapert es
Ohne Transparenz
kein Managed Care
Suchen
Treffer
Hilfe
Ärztenetze, Kliniken und Reha-Einrichtungen könnten
durch den vernetzten Daten- und Informationsfluss untereinander interne Abläufe besser koordinieren und so mittels einer konzertierten Aktion zum Wohle des Patienten
beitragen. Auch die Papierberge von Arztbriefen, Befundberichten, Abrechnungsbelegen und Rezepten könnten
durch die digitale Dokumentation und vor allem durch
Übermittlung zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern aus der Versorgungsrealität verschwinden. Hierdurch wären erhebliche qualitative Verbesserungen der
Versorgung zu erzielen, ganz abgesehen von den Kosteneinsparungen durch Medienbrüche und das umständliche
Handling.
Aber diesen heute schon machbaren technologischen
Visionen steht bisher eine fehlende Dynamik in der Umsetzung entgegen. In Deutschland stehen starre, veraltete
und auf den technologischen Wandel unvorbereitete
Strukturen beinahe jedem Fortschritt durch Telematikanwendungen entgegen. Was hierdurch nicht verzögert oder
verhindert wurde, scheitert dann gewiss an den Bedenken
eines Landes- oder Bundesdatenschützers. Jede Gesundheitsreform der letzten zehn Jahre hatte einzelne Verbesserungen zur Datensammlung, Datenspeicherung und
zum Datenaustausch zum Ziel. Allerdings konnte durch
diese gesetzgeberischen Aktivitäten die weithin bestehende Intransparenz nur unwesentlich behoben werden. Aus
Datenschutzgründen erhalten die Krankenkassen keine
versichertenbezogenen Informationen über die ambulante
ärztliche Behandlung.
Dabei ist Transparenz über das ambulante Versorgungsgeschehen entscheidend für Managed-Care-Strategien, die auf Hausarztmodellen beruhen. Managed-CareStrategien wie vernetzte Praxen oder die Fallsteuerung in
20
Daten- u. informationstechn. Rahmenbed., Datenverfügbarkeit, -schutz, Telematik
Mai 2000
Inhalt
Suchen
18 z 02 05
Hilfe
Treffer
der Klinik oder der Reha-Einrichtung sind nur durch innovative Telematikanwendungen realisierbar. Der Erfolg
von Managed-Care-Instrumenten hängt ganz wesentlich
von der Verfügbarkeit von medizinischen Schlüsselinformationen auf den entscheidenden Ebenen ab. Versicherungs- und Versorgungsprodukte mit Managed-Care-Elementen erfordern weitreichende Daten und Informationen
zu ihrer Konzipierung.
Darüber hinaus bestehen innerhalb der unterschiedlichen Versorgungssektoren auch unterschiedliche Datenstandards und Standards der verwendeten EDV-Systeme.
Stellvertretend für das Dilemma der mangelhaften Standardisierung und Koordinierung soll dieses Beispiel
genügen: So ist das Datenformat für Praxiscomputersysteme, der xDT-Standard, nicht direkt interoperabel mit
dem in der Klinik verwendeten Format HL-7.
z
Über die Standardisierung der technischen Plattformen hinaus brauchen wir eindeutige und einheitliche
Nummerierungs- und Klassifizierungssysteme, eine breite
Kodifizierung von Diagnosen auf der Basis des ICD-10
und eine standardisierte Struktur von möglichen elektronischen Patientenakten. Das deutsche Gesundheitswesen
benötigt dringend eine einheitliche Telematik- bzw. Gesundheitsplattform.
Einheitliche Plattform
tut höchste Not
Den größten Nutzen durch Telematikanwendungen werden auf dem Sektor der Verwaltungs- und Abrechnungssysteme, der Unterstützung von Forschung, Lehre und
Fortbildung, der Schaffung einer elektronischen Patientenakte (s. Kap. 10.10) und auf dem Gebiet der medizinischen Expertensysteme erwartet. Aber auch Anwendungen im Home-Care-Sektor, definiert als eine gesundheitli-
Bereiche, in denen
Telematik einiges
bewirken kann
21
18 z 02 05
Daten- u. informationstechn. Rahmenbed., Datenverfügbarkeit, -schutz, Telematik
Inhalt
Datenschutzgesetze
an die Erfordernisse
anpassen
Suchen
Treffer
Hilfe
che Fernbetreuung zwischen medizinischen Einrichtungen und einem im häuslichen Umfeld lebenden Patienten,
versprechen qualitative Optimierungen und Kostenreduzierungen. Hier ist insbesondere an die Fernbetreuung
von postakuten und chronisch kranken Risikopatienten
zu denken.
Die durch das Beratungsunternehmen Roland Berger
1998 initiierte Studie „Telematik im Gesundheitswesen –
Perspektiven der Telemedizin in Deutschland“ bietet einen Überblick über die Erfahrungen, die in den unterschiedlichen Anwendungsfeldern gemacht wurden. Sie beschreibt in ihrem Anhang konkrete Modellerfahrungen
und zeigt darüber hinaus zukünftige Einsatzmöglichkeiten der neuen Technologien auf. Der Telemedizinführer
Deutschland 2000 bietet eine gute Übersicht zu technischen, sozialen, ökonomischen und rechtlichen Aspekten von Telematik-Anwendungen im Gesundheitswesen.
In den nächsten Jahren werden die folgenden Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen im Vordergrund stehen: Das elektronische Rezept, die elektronische Patientenakte, der Einsatz von Health Cards als medizinische
Datenträger und als Heilberufsausweise (Health Care Professional Card), der Aufbau von sektoralen und regionalen Netzen sowie die Schaffung von Patienten- und Gesundheitsinformationssystemen.
Parallel zu diesen Pilotanwendungen müssen die gesetzlichen Grundlagen zur Datensammlung, Datenspeicherung und zum Datenschutz den Erfordernissen eines
modernen Gesundheitswesens anpasst werden. Zweifelsohne ist Datenschutz eine wichtige Sache, aber ohne Daten ist in der medizinischen Versorgung alles nichts. In
einer Zeit, in der voyeuristischen TV-Sendungen wie „Big
Brother“ datenschutzrechtlich anscheinend nicht bei22
Integrierte Versorgungsansätze und Portfolio
Inhalt
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18 z 02 06
Hilfe
Treffer
zukommen ist, sollte sich die volle Härte des Datenschutzes nicht ersatzweise auf den Gesundheitssektor konzentrieren.
18 z 02 | 06
Mai 2000
Integrierte Versorgungsansätze und Portfolio
der Managed-Care-Ansätze und -Instrumente
Im Krankenhaussektor werden in Deutschland die meisten Betten (9,6 pro 1000 Einwohner) vorgehalten, die
durchschnittliche Verweildauer liegt im internationalen
Vergleich mit 11,5 Tagen gleichfalls an der Spitze. Dennoch schneidet Deutschland hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Bevölkerung nicht besser ab als die Länder,
die mit viel weniger Vorhaltekapazitäten und viel geringeren Verweildauern auskommen. Wir leben mit kostentreibenden, medizinisch und epidemiologisch nicht zu
rechtfertigenden Überkapazitäten. Die bisherige Finanzierung von Krankenhäusern über Subventionen und QuasiDefizitgarantien hat sicherlich nicht unerheblich zum unkontrollierten Wachstum in diesem Sektor beigetragen.
Alle Bemühungen zur Optimierung des Versorgungsgeschehens im stationären Sektor werden sich zukünftig
an dem Ausmaß der Integration von einzelnen Versorgungsansätzen messen lassen. Von der Prävention über
die Kuration zur Rehabilitation und Palliation sollte die
medizinische Versorgung als integraler Ansatz begriffen
werden, der durch einen Teamansatz unter Hinzuziehung
medizinischer und nicht-medizinischer Spezialisten zu erbringen ist. Dieser Ansatz nimmt Abschied von dem vorherrschenden linearen Modell der medizinischen Versorgung. Die einfache Ursache-Wirkung-Kette wird von einem multidimensionales Modell abgelöst. Insbesondere
die demographisch bedingte Zunahme von chronischen
Erkrankungen und die Multimorbidität vieler Senioren
23
Deutsches
Gesundheitswesen:
teuer, aber nicht
besser
Ein Paradigmenwandel ist notwendig
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Integrierte Versorgungsansätze und Portfolio
Inhalt
Managed
Competition im
Versicherungsbereich
Ziele der
Managed-CareModelle
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Treffer
Hilfe
trägt einem einfachen Reiz-Reaktions-Modell nicht mehr
Rechnung. Durch diesen Wandel des Krankheitsspektrums und die daraus folgende Anpassung der Versorgungsrealität brauchen wir letztendlich einen Paradigmenwandel und damit auch eine Neustrukturierung des
Versorgungssystems.
Der Begriff Managed Care bezieht sich vorrangig auf
die Vertragsbeziehungen zwischen Leistungserbringern
und Kostenträgern (Paeger 1999). Unbestritten der Wichtigkeit der Einführung von Managed-Care-Instrumenten
und -Konzepten in die deutsche Krankenhauslandschaft
bedarf es einer weiteren Maßnahme, der Managed Competition (Emanuel u. Brett 1993). Managed Competition
bezieht sich auf die Vertragsbeziehung oder auch Mitgliedschaft zwischen Versichertem und Kostenträger. Nur
durch die Möglichkeit, das Versicherungsunternehmen
einfach wechseln zu können, kommt es auch zu einen
echten Wettbewerb zwischen den verschiedenen Managed-Care-Anbietern.
Managed Care bedeutet immer eine gewisse Melange
aus vergütungstechnischen, leistungsbezogenen und patientenzentrierten Instrumenten. Auch eine Klassifizierung
der Managed-Care-Ansätze nach Prozess- und StrukturMaßnahmen ist möglich. Bei vielen Managed-Care-Programmen kommt der Einschränkung der freien Arztwahl
eine große Bedeutung zu. Dies gilt sowohl für Ärztenetze
(relative Einschränkung) als auch für Hausarztmodelle
(eher absolute Einschränkung). Managed-Care-Modelle
im Krankenhaussektor haben unterschiedliche Zielsetzungen. Die folgenden wesentlichen Stoßrichtungen lassen sich
unterscheiden:
z Neue Vergütungsmechanismen: Integrale Vergütungsmodelle wie Fall-, Komplex- und Kopfpauschalen, Bo24
Integrierte Versorgungsansätze und Portfolio
Inhalt
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18 z 02 06
Hilfe
Treffer
nus- und Malus-Regelungen, DRG-ähnliche Modelle
und zukünftig auch ergebnisorientierte Vergütungssysteme, Einführung des Risk-Sharing in die Vergütung.
Integration der Behandlungskette: Eine vertikale Vernetzung der medizinischen Versorgung mit dem Ziel,
die richtige qualitative Behandlung durch die richtige
Versorgungsstufe in der kosteneffizientesten Einrichtung zu gewährleisten.
Leistungsgestaltung mit Qualitätsverbesserung der Behandlung: Eine Behandlung nach den Prinzipien der
evidenzbasierten Medizin über diagnostische und therapeutische Leitlinien und sog. „clinical pathways“;
die Einrichtung von Disease-Management-Programmen für chronisch verlaufende Erkrankungen; Zweitmeinungsverfahren und Utilization Review.
Patienteninformation und Patientensteuerung: Eine
Orientierung an Patientenpräferenzen und die Lenkung der Patienten durch geeignete Informationssysteme zu den „richtigen“ Versorgungsstufen und Einrichtungen.
Schaffung neuer Versicherungsangebote: Integration
von Managed-Care-Elementen und entsprechenden Instrumenten zur Leistungs-, Kosten- und Patientensteuerung; Wahltarife mit Zuzahlungen und Eigenbehalten und Selbstbeteiligungen. Eine weitere Variante
der Vertragsgestaltung besteht in der Festlegung von
Maximalbeträgen für bestimmte Leistungsarten.
Die folgenden Einzelstrategien oder Instrumente werden
heute bereits in Deutschland, zumeist im Rahmen von
Modellvorhaben erprobt:
25
Modelle
im Praxisversuch
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Integrierte Versorgungsansätze und Portfolio
Inhalt
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Integrierte
Versorgungsformen
Treffer
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Ambulantes Operieren, d. h. Verlagerung von Eingriffen aus dem stationären in den ambulanten Sektor.
Teilstationäre Konzepte durch Beleg-Ärzte.
Das Krankenhaus als Gesundheitszentrum.
Die Einholung einer Zweitmeinung vor Krankenhausaufnahme.
Zweitmeinung vor Operationen, d. h. Bevorzugung
nicht-operativer Verfahren.
Zweitmeinung vor weitreichender invasiver Diagnostik
(z. B. „Hi-end-Kardiologie“).
Rechtzeitige Verlagerung in geeignete Rehabilitationseinrichtungen (AHB-Verfahren).
Reduktion der Verweildauer durch Case-ManagementAnsätze.
Verlagerung von „hospitalisierten“ Patienten in geeignete Pflegeeinrichtungen.
Verlagerung von „totkranken“ Patienten in Hospizeinrichtungen mit adäquaten palliativ-medizinischen Versorgungsmöglichkeiten.
Einbindung von Krankenhaus-Ambulanzen im Rahmen von Disease Management Programmen, z. B. Diabetes mellitus.
Case Management bei voraussehbar komplizierten
Krankenhausfällen.
Zukünftig wird man sich vermehrt der Schaffung von integrierten Versorgungsmodellen zuwenden. Hierbei wird
dem Krankenhaus aufgrund seiner breiten und auch tiefen Leistungskette eine Schlüsselrolle zufallen. Die Einbindung von Krankenhäusern in ambulante Ärztenetze, die
Verzahnung von Hochleistungskliniken mit ambulanten
oder stationären Reha-Einrichtungen oder die Vernetzung
von Hospitälern mit Hospizen und Pflegeeinrichtungen
26
Integrierte Versorgungsansätze und Portfolio
Mai 2000
Inhalt
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18 z 02 06
Hilfe
Treffer
gehört zu diesem Ansatz. Durch integrierte Versorgungsformen wird es auch zu einer Neuausrichtung des Disease
Management kommen. Diese neue Richtung wird in der
Literatur auch als „population based health management“
bezeichnet (Peterson u. Kane 1997).
Vorrangiges Ziel ist hierbei nicht mehr die Beseitigung von Krankheit und Krankheitsfolgen, sondern die
Aufrechterhaltung der Gesundheit eines Versichertenkollektives durch Senkung der Risikofaktoren, Screening,
Verhaltensmodifikation und Prävention. Bei diesem Vorgehen kommt der Erfassung der Gesundheitsrisiken eine
große Bedeutung zu. Die hier zur Anwendung kommende
Methode des „health risk appraisal“ zielt auf die Erfassung und Bewertung des Krankheitsrisikos für eine Person über einen bestimmten Zeitraum ab. Man versucht,
die Krankheitslast von Versichertenkollektiven proaktiv
zu managen. Ansätze des proaktiven Gesundheitsmanagements finden sich in den USA bei Lovelace Health Systems, der Mayoklinik oder bei Kaiser Permanente (Bernard 1997).
z Zur Verhaltenssteuerung sind innovative Vergütungs-
systeme zwar unverzichtbar, dennoch reichen sie alleine
nicht aus. Sie müssen durch Patientensteuerungsmechanismen, ein ausgefeiltes Qualitätsmanagement, einen regelmäßigen Utilization Review der eingesetzten Leistungen und durch die Möglichkeit von selektiver Auswahl
der Leistungserbringer flankiert werden, um ihre volle
Wirkung entfalten zu können.
Die breite Einführung von Managed-Care-Modellen, d. h.
die Überwindung der Phase der Modellversuche und
Strukturverträge, wird auf Seiten der Krankenkassen und
27
Erfassung
der Gesundheitsrisiken
mit großer Bedeutung
Nur neue
Vergütungssysteme
reichen nicht aus
Höhere Verwaltungskosten durch
Managed Care
18 z 02 06
Integrierte Versorgungsansätze und Portfolio
Inhalt
Gesundheitsreform
2000 ist erst der
Anfang
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Treffer
Hilfe
Krankenversicherungen zunächst erhebliche Kosten schaffen. Der heutige Verwaltungskostenanteil von 5 bis 7%
wird sich unter einer breiten Managed-Care-Versorgung
nicht beibehalten lassen. Ob allerdings die in ManagedCare-Organisationen in den USA durchaus üblichen Verwaltungskosten von 20 bis 30% als Maßstab gelten sollten, muss bezweifelt werden. Mittelfristig wird allerdings
durch Managed-Care-Versorgung bei den Kostenträgern
ein anderer Personalaufbau, ein anderer Qualitätslevel der
Mitarbeiter und auch versorgungsadäquate Strukturen
einzuführen sein, dies wird trotz der durch Managed Care
zu erwartenden Einsparungen nicht kostenneutral
möglich sein. Die Verwaltungskostenquote wird mittelfristig daher gegen 10% tendieren.
Die Gesundheitsreform 2000 hat durch den § 140 SGBV
das Fenster für die Einführung von Managed-Care-Modellen und -Instrumenten insbesondere für den Krankenhaussektor weiter geöffnet. Aber eine Reihe notwendiger
Reformen steht noch aus, um das volle Potenzial der Integrationsversorgung zu erschließen. Die Vertrags- und die
Budgetverantwortung sind nicht kongruent. Es sollte daher
zukünftig die Vertragsverantwortung bis auf die Ebene der
Einzelkasse delegiert werden. Die bestehenden Überkapazitäten und die angebotsinduzierte Nachfrage dürfen nicht
wie bisher gesetzlich geschützt werden, sondern müssen
sich in einem deregulierten Wettbewerb behaupten lernen.
Der Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehört nachhaltig auf den Prüfstand. Das
Prinzip „Allen wohl und keinem wehe“ wird sich nicht
mehr lange durchhalten lassen, wohlwissend, dass Sozialpolitik auch in erster Linie Wahlpolitik ist. Doch letztlich
geht es um die Versorgung von Patienten und nicht um
die Versorgung von Leistungserbringern.
28
Die Patientenperspektive
Inhalt
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Hilfe
Treffer
Als letzter Schritt in der eingeleiteten Deregulierung
wird die teilweise oder sogar konsequente Abschaffung
des Kontrahierungszwanges stehen müssen, denn nur
durch gezielte Auswahl der Leistungsanbieter und eine
gewisse Einschränkung der Wahlfreiheit lassen sich langfristige Kosteneinsparungen erzielen. Es ist eine wohl bekannte Tatsache, dass die Prozessqualität mit der Zahl
der Operationen steigt. Gleichzeitig sinken die Fallkosten
(Woods et al. 1992). Die Möglichkeit, durch selektive Verträge Patienten in Einrichtungen zu lenken, die eine gewisse kritische Zahl von Operationen überschreiten, ist
deshalb eine entscheidende Strategie zur Senkung der
Kosten und gleichzeitigen Verbesserung der Versorgungsqualität.
Mai 2000
18 z 02 07
Abschaffung
des Kontrahierungszwanges
18 z 02 | 07
Die Patientenperspektive
In unserem Gesundheitswesen kommt der Hauptakteur,
nämlich der Patient, immer erst zuletzt zum Zuge. Er ist
nur in seltenen Fällen Subjekt in der Versorgungsrealität,
sondern wird durch Ärzte, Pflegekräfte und Kostenträger
zumeist als Objekt betrachtet und behandelt. Der Patient
ist aufgrund der Asymmetrie des Informationsstandes in
der Medizin, der Arzt weiß alles, der Patient fast nichts,
immer im Nachteil. Es besteht ein gravierender Mangel
an Informationen, Hilfen und auch Rechten seitens der
Patienten, um zum gleichberechtigten Partner und damit
auch zum Ko-Produzenten seiner Gesundung zu werden.
Dabei sind informierte Versicherte und Patienten durchaus mitentscheidungsfähig und stellen darüber hinaus
wahrscheinlich eine der effektivsten Waffen im Kampf gegen Unwissenheit, Qualitätsmängel und Ressourcenverschwendung im Gesundheitswesen dar (s. Kap. 11.01.03).
29
Der Patient
als Partner
18 z 02 07
Die Patientenperspektive
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Rationierung,
Rationalisierung
Wer erfüllt
den Wunsch
nach Information?
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Hilfe
Vor die Wahl zwischen Rationierung und Rationalisierung gestellt wird sich wohl nur eine Minderzahl von Patienten bewusst für die Rationierung von Leistungen entscheiden. Auch Rationalisierungen werden nur dann auf
Zustimmung stossen, wenn sie mit nur geringer Wahrscheinlichkeit einen selbst betreffen. Die ungelöste Frage
der richtigen Breite und Tiefe des Leistungskataloges in
der GKV steht beispielhaft für die grundsätzliche Problematik des fehlenden Konsens. Managed-Care-Instrumente, die ja zumindest teilweise eine Rationierung oder aber
wenigstens eine Rationalisierung des Versorgungsgeschehens zum Ziel haben, werden aus der Patientenperspektive mit dem gleichen Misstrauen betrachtet werden.
Zunächst wird es in den nächsten Jahren darum gehen, den Wunsch vieler Patienten nach Informationen
über die Leistungserbringer, die medizinischen Einrichtungen, die Qualität und Kosten der Behandlung, aber
auch über die üblicherweise durch bestimmte Verfahren
und die sie anwendenden Mediziner erzielten Ergebnisse
zu befriedigen. Der Streit darüber, wer solche Informationen erstellen und verteilen darf, ist bereits voll im Gange.
Zum einen sehen sich die Ärztekammern als „Gralshüter“
der Patienteninformation, zum anderen meinen die Kostenträger sich hier positionieren zu müssen. Der Konsumerismusansatz setzt mehr auf unbeteiligte Dritte, z. B.
Verbraucherberatungsstellen, um die gegebene Befangenheit der beiden erstgenannten Stellen auszuschalten. Umfragen bescheinigen den Verbraucherzentralen eine höhere Objektivität als den professionellen medizinischen Beratungseinrichtungen. Nicht zu unterschätzen sind die
mit dem Aufbau von qualitativ hochwertigen Informationsbasen und -instrumenten verbundenen Kosten. Aller30
Die Patientenperspektive
Mai 2000
Inhalt
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18 z 02 07
Hilfe
Treffer
dings winken dann auch „gesunde Geschäfte“ mit diesen
Informationen. Die Zeitschriften der Stiftung Warentest,
das Magazin Focus und viele andere Publikationen veröffentlichen mit hoher Leserakzeptanz Ärzte- und Kliniklisten.
In den USA und auch in England werden regelmäßig
Krankenhausvergleiche publiziert. Beispielsweise veröffentlicht die Zeitschrift „U. S. News & Word Reports“ regelmäßig Vergleiche der besten Hospitäler und Rehakliniken. Die amerikanischen Krankenhausvergleiche bleiben
nicht auf der Ebene der „weichen Faktoren“ wie Service,
medizinische Ausrüstung, fachliche Qualifikation der Ärzte und des Pflegepersonals, sondern veröffentlichen „harte“ Erfolgszahlen für chirurgische Eingriffe oder Sterberaten bei Herzinfarktpatienten. In Deutschland sind wir
hiervon zwar noch ein gutes Stück weit entfernt, aber die
Richtung ist auch für uns vorgegeben.
Zunächst gilt es allerdings, auf zwei grundlegende
Fragen gute Antworten zu finden: Welche Informationen
braucht der Patient? Wo findet der Patient die richtigen
Informationen? Insbesondere die Patientenversion der
Leitlinien erfüllen einen legitimen Wunsch der Patienten
nach Information. Auch die allgemein zugängliche Publikation von Leitlinien über das Internet kommt diesem
Bedürfnis entgegen. Die Vielzahl der Patienteninformationen in Publikumszeitschriften hilft zwar weiter, führt
aber im Einzelfall eher zu weiterer Irritation, denn die
entscheidenden Antworten auf die individuellen Fragen
der Patienten werden dort nur selten gegeben.
Woran es mangelt ist die evidenzbasierte Patienten-,
Klienten- und Konsumenten-Information über medizinische Sachverhalte und Versorgungsoptionen als Basis
von informierten Entscheidungen zu Krankheits- und Ge31
Krankenhausvergleiche
in USA und England
Welche Informationen
braucht der Patient,
wo findet er sie?
Es fehlen
evidenzbasierte
Informationssysteme!
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Die Patientenperspektive
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Erste Ansätze
evidenzbasierter
Informationssysteme
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Treffer
Hilfe
sundheitsfragen. Durch Entwicklung innovativer Informationssysteme wäre eine Grundlage für eine stärkere Miteinbeziehung der Patienten geschaffen. Wissenschaftsbasierte Patienten- bzw. Konsumenten-Entscheidungen
(evidence-based patient choice) gehen weit über das hinaus, was bislang unter Patientenmitbestimmung verstanden wurde, beispielsweise bei der Zustimmung zu diagnostischen Maßnahmen oder chirurgischen Eingriffen.
Traditionelle Informationssysteme stützen sich auf die
Einschätzung von medizinischen Experten. Eine objektive
Einschätzung eines möglichen persönlichen Nutzens oder
Risikos ist dem Laien hierdurch nicht möglich. Informierte Patientenentscheidungen erfordern ein Informationssystem, das wissenschaftliche Erkenntnisse und Ergebnisse Laien zugängig und verständlich macht. Derartige Informationssysteme werden gefordert, sind aber bisher nicht in Deutschland in der Entwicklung. Analysen
von traditionellen Informationsbroschüren zu ausgewählten medizinischen Themen zeigen, dass die Kriterien einer wissenschaftsbasierten und unvoreingenommenen
Darstellung nicht erfüllt werden (Coulter et al. 1999; Slaytor u. Ward 1998). Auch die über das Internet angebotenen medizinischen Informationen und speziell zum Suchen, Auffinden und Bewerten entwickelten Systeme
erfüllen bisher nicht die erforderlichen Qualitätskriterien
(Jadad u. Gagliardi 1998).
Von ersten Ansätzen mit evidenzbasierten PatientenInformationssystemen wird aus England berichtet (Milne
u. Oliver 1996; Mulrow 1998). In Deutschland beschäftigt
sich eine Arbeitsgruppe um Mühlhauser an der Universität Hamburg mit der Entwicklung solcher innovativen
Instrumente und ihrer Validierung in der Praxis. Ziel des
Vorhabens ist die Entwicklung und Validierung eines evi32
Die Patientenperspektive
Mai 2000
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18 z 02 07
Hilfe
Treffer
denzbasierten Informationssystems, das Laien unter
Berücksichtigung ihrer sozialen Bedingungen eine informierte Entscheidung zu krankheits- und gesundheitsrelevanten Themen ermöglicht. Zur Erreichung dieses Zieles
müssen die Laien komplexe wissenschaftliche Informationen reduzieren und auf ihre persönliche Situation beziehen können. Die Evaluation der Informationsmaterialien
erfolgt unter Benutzung des DISCERN-Instruments
(Charnock et al. 1999) bzw. durch Einsatz der CoulterEvaluationskriterien. Eine autorisierte deutsche Übersetzung des Instrumentes wurde inzwischen durch eine Arbeitsgruppe der Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin
und Gesundheitssystemforschung in Hannover und der
Ärztlichen Zentralstelle Qualitätssicherung in Köln vorgelegt.
Durch das neue evidenzbasierte Informationssystem
soll insbesondere auch eine ausgewogene Information angeboten werden. Möglicher Nutzen, möglicher Schaden
oder fehlender Nutzen sollten mit gleicher Betonung und
Gewichtung dargestellt werden. Unter Berücksichtigung
moderner Methoden der Didaktik der Erwachsenenbildung und der Informationstechnologie sollen medizinische Sachverhalte so dargestellt werden, dass sie für
Laien eine objektive Meinungsbildung und informierte
Entscheidungen ermöglichen. Hierzu müssen neue innovative Instrumente geschaffen werden. Auch eine Internetversion ist geplant. Langfristig soll eine Online-Datenbank, ähnlich der Cochrane-Datenbank (s. Kap. 10.11.05),
eingerichtet werden.
Die Verfügbarkeit der Versicherten- und Patienten-Informationssysteme wird sich ähnlich wie die Entwicklung
der Managed-Care-Instrumente und -Modelle über drei
Generationen hin erstrecken. Die erste Generation der In33
Drei Generationen von
Informationssystemen
18 z 02 07
Die Patientenperspektive
Inhalt
Die Information auch
für den Patient
transparent machen
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Hilfe
formationssysteme leistete vorrangig nur Informationen
über Struktur und Einrichtungen, beispielsweise Arztund Krankenhausadressen, Reha-Einrichtungen und Pflegeheime, etc. Die zweite Generation der Informationssysteme wird über die allgemeinen Angaben hinaus bereits
mehr qualitative Informationen über Prozesse, Leistungsspektren, diagnostische und therapeutische Verfahren anbieten. Hier erfährt der Information und Hilfe suchende
Patient nicht nur, wo etwas von wem oder durch welche
Institution gemacht wird, sondern er erhält die oft viel
wichtigeren Informationen, wie es gemacht wird, wie oft
es gemacht wird und welche Konsequenzen ein Verfahren
oder eine Behandlung mit sich bringen könnte. Die dritte
Generation von Informationssystemen wird dann auch
Antworten über die erzielten Ergebnisse liefern, beispielsweise mit welchen Erfolgsquoten zu rechnen ist, wieviele
Komplikationen auftreten, aber auch, wie hoch die Sterblichkeit ist.
Zentrales Anliegen aller Initiativen ist es, mehr Transparenz für die Patienten zu schaffen. Zukünftig werden
Versicherte und Patienten allerdings diese Transparenz
über Managed-Care-Modelle und -Instrumente auch für
sich fordern. Ähnlich wie bei der klinischen Forschung
(s. Kap. 14.08.03) wird man Managed-Care-Modelle
zukünftig nicht mehr einseitig zwischen Leistungserbringern und Kostenträgen verabreden können. Analog zur
Teilnahme an einer klinischen Prüfung wird es des „informed consent“ der Versicherten und Patienten bedürfen,
wenn sie an Managed-Care-Programmen und -Modellen
teilnehmen oder Managed-Care-Instrumenten unterworfen werden. Andererseits werden nur informierte und
aufgeklärte Versicherte und Patienten ihre Gesundheit
fördern und in der Lage sein, die Einrichtungen des Ge34
Zusammenfassung
Inhalt
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18 z 02 08
Hilfe
Treffer
sundheitswesens sinnvoll zu nutzen und zum Erfolg ihrer
Behandlung beizutragen.
z Wenn das Geld der Leistung folgen soll, und die Leis-
tung dort erbracht werden soll, wo sie zugleich wirksam
und kosteneffizient angeboten wird, dann setzt dies einen
entsprechenden Informationsstand über die Qualität der
Anbieter und Angebote voraus.
18 z 02 | 08
Zusammenfassung
Mai 2000
z
Im Spannungsfeld zwischen Rationierung und Rationalisierung erscheint es in Deutschland z. Z. unstrittig,
dass eine Zwei-Klassen-Medizin nicht durchsetzbar ist,
bei der einem Teil der Gesellschaft Maßnahmen mit
nachgewiesenem Nutzen vorenthalten werden. Hingegen
könnte als „zweitbeste“ Lösung eine auf Rationalisierung
beruhende Zwei-Klassen-Medizin durchaus denkbar und
durchsetzbar sein, bei der die teure Abwendung marginaler Risiken und die kostspielige Anwendung von Maßnahmen mit fraglichem Nutzen (IGEL-Leistungen) nicht im
Leistungsumfang eingeschlossen sind, aber jenen angeboten werden, die diese Leistungen wünschen und bereit
sind, dafür zu zahlen (Porsolt 1998). Eine Ausrichtung
der Versorgung – aber auch der Versicherung – nach den
Kriterien und Prinzipien der evidenzbasierten Medizin,
in Richtung der vertikalen Integration von medizinischen
Versorgungsschritten im Sinne der durch den Gesetzgeber
angestrebten Integrationsversorgung und durch die intelligente Integration von Managed-Care-Modellen und
-Techniken könnte hierzu wesentliche Beiträge leisten.
z Der Krankenhaussektor wird zukünftig erhebliche
Veränderungen erfahren. Traditionelle Strukturen, die bestehenden Finanzierungs- und Vergütungsmechanismen,
35
Managed Care
unterstützt
Rationalisierungsbemühungen
Neue Strukturen
im Krankenhausbereich
18 z 02 08
Zusammenfassung
Inhalt
Leitlinien verbessern
medizinische
Prozesse
und Ergebnisse
Hindernisse
auf dem Weg
zur Integrationsversorgung
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aber auch die Art und Weise der medizinischen Leistungserbringung werden sich fundamental verändern.
Das Spektrum der Veränderungen reicht von der Konzentration bis zur Differenzierung von Krankenhäusern.
Durch Kettenbildungen und die zunehmende Internationalisierung werden neue Organisationsformen entstehen
und die zukünftige Versorgungslandschaft verändern.
z Durch Einsatz von klar definierten Diagnose- und Behandlungsleitlinien für den stationären Versorgungssektor
wird man zukünftig einen hochwertigen, qualitativen und
auch ökonomischen Versorgungskorridor definieren
können. Durch konsequente Anwendung von Leitlinien
wird die rationale und auf Evidenz basierende Festlegung
eines bestimmten Niveaus medizinischer Versogung
möglich, in dem auch die Leerformel von der „medizinischen Angemessenheit und Notwendigkeit“ inhaltlich
fassbar gemacht wird. Leitlinien weisen ein großes Potenzial auf, das die qualitative Verbesserung medizinischer
Prozesse und letztlich auch der durch sie erzielten Ergebnisse ermöglichen könnte. Die Entwicklung von neuen
Leitlinien muss zukünftig expliziten Kriterien folgen und
ihrer umfassenden Implementation und Evaluation sollte
eine vergleichbare Aufmerksamkeit gewidmet werden wie
ihrer Entstehung.
z Durch die im § 140 SGBV festgeschriebene Einführung
der Integrationsversorgung werden sich zukünftig neue
Versorgungsmodelle mit vertikaler Integration der medizinischen Leistungskette herausbilden. Hierdurch könnte
sich mittelfristig auch die Versorgung von chronisch
Kranken verbessern. Allerdings lassen sich die Verzahnung und funktionelle Integration der unterschiedlichen
Behandlungsansätze nur schwer verwirklichen, solange
die bestehenden Leistungsgesetze, Trägerschaften, Ange36
Zusammenfassung
Mai 2000
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18 z 02 08
Hilfe
Treffer
bote und Finanzierungsmechanismen im Sinne des traditionellen Modells zeitlich, räumlich, rechtlich und finanziell voneinander getrennt bleiben. Der Einsatz von Managed-Care-Instrumenten im Krankenhaussektor wird
weiter zunehmen, wobei sowohl finanzielle Steuerungsmöglichkeiten als auch die innovative Gestaltung
der Leistungspakete und Leistungsprozesse Beachtung
finden werden.
z Die Diffusion neuer Managed-Care-Modelle und -Instrumente ist wesentlich von der Verfügbarkeit der relevanten medizinischen und ökonomischen Daten abhängig. Ohne eine gewisse Liberalisierung des Datenschutzes werden
wir nur sehr begrenzte Fortschritte erzielen können. Getreu der Prämisse amerikanischer Controller „You manage
only what you measure!“, stellt die Erhebung, Zusammenführung und Auswertung aller notwendigen Daten eine unabdingbare Voraussetzung für ein effizientes und effektives Versorgungsmanagement dar. Darüber hinaus bieten die inzwischen verfügbaren innovativen Technologien
im Gesundheitswesen wie beispielsweise Health Cards, Online-Netze, das elektronische Rezept und auch die elektronische Patientenakte ein bisher viel zu wenig genutztes Potenzial für die Verbesserung der Versorgung. Durch elektronische Datenübermittlung zwischen Leistungserbringern und zu den Kostenträgern ließen sich darüber hinaus
unzählige Doppeluntersuchungen und Verwaltungskosten
in Millionenhöhe einsparen.
z Der Patient wird durch die Veränderungen der Versorgungslandschaft direkt betroffen. Nicht immer sind Managed-Care-Modelle ausschließlich zu seinem Vorteil konzipiert worden, daher ist Vorsicht angebracht. Mit der
auch im Gesundheitswesen eingeleiteten Liberalisierung
und Deregulierung werden sich die bestehenden Macht37
Managed Care
braucht Daten
und bringt
Einsparungen
Evidenzbasierte
Informationssysteme
stärken die
Patientenmacht
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verhältnisse einschneidend verändern. Nach der Dominanz der Leistungserbringer wird nun die Ära der Kostenerstatter und letztendlich der Versicherten und Patienten anbrechen. Auf dem Weg zu dieser Umkehr der
Machtverhältnisse werden gute und verständliche Informationsquellen die Wegweiser darstellen. Durch Versicherten-, Konsumenten- und Patienten-Informationssysteme, die den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin
Rechnung tragen, die Transparenz schaffen und damit
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Patienten als Kunde des Krankenhauses die Rolle als
„König“ Kunde zufallen.
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