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Einleitung
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Hilfe
Treffer
15 z 03
Der Bundesausschuss der Ärzte
und Krankenkassen
September 2000
Kerstin Kamke
inhaltsüberblick
Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen haben die Qualität von normkonkretisierenden Rechtsvorschriften und sind damit für Vertragsärzte und Krankenkassen verbindlich. Der Beitrag beleuchtet
die Aufgaben und die Arbeitsweise dieses Gremiums der
Selbstverwaltung. Grundsätzlich, aber auch am Beispiel
der Richtlinie über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wird der Entscheidungsprozess auf der Grundlage von Evidence Based Medicine vorgestellt. Ein abschließender Blick ist der Gesundheitsreform 2000 gewidmet (Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den Krankenhäusern, neu zu bildender Ausschuss Krankenhaus).
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Einleitung
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
nimmt als wichtiges Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene bestimmte gesetzlich festgelegte Aufgaben wahr und wirkt damit mit bei der Gestaltung der ambulanten Versorgung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (s. Kap. 15.01.04).
Sein Bekanntheitsgrad hat sich mit dem 2. GKV-Neuordnungsgesetz (2. GKV-NOG) vom 23.6.1997 (s. Kap.
16.01.03) verändert. Mit seinem Inkrafttreten sind die
Aufgaben des Bundesausschusses erweitert und dessen
Kompetenzen bei der Gestaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung gestärkt worden. Zu nennen ist hier
insbesondere die Aufgabe, diagnostische und therapeuti1
Seit 1997
erweiterte Kompetenz
und mehr Aufgaben
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Einleitung
Inhalt
Paritätische Besetzung
Unterschiedliche
Auffassungen über
die Rechtsnatur
Suchen
Treffer
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sche Verfahren des bestehenden GKV-Leistungskataloges
einer Prüfung hinsichtlich ihres Nutzens, ihrer medizinischen Notwendigkeit und ihrer Wirtschaftlichkeit zu
unterziehen. War der Ausschuss vor 1997 nahezu unbekannt, wird er jetzt von der Öffentlichkeit insbesondere
deshalb wahrgenommen, weil seine neue Aufgabe – je
nach Interessenlage – mit hohen Erwartungen einerseits
und mit großen Befürchtungen andererseits verbunden ist.
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
besteht – wie der Name schon sagt – aus Vertretern der
Ärzte einerseits und Vertretern der Krankenkassen andererseits, wobei eine paritätische Besetzung beider Seiten
gesetzlich vorgegeben ist. Darüber hinaus hat der Bundesausschuss drei unparteiische Mitglieder. Der Vorsitzende unter ihnen vertritt den Ausschuss nach außen, sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich.
Die Rechtsgrundlagen für den Bundesausschuss finden
sich in den §§ 91 bis 94 des Sozialgesetzbuches V
(SGB V), in der Rechtsverordnung über die Amtsdauer
und die Amtsführung der Mitglieder vom 10.11.1956 und
in der Geschäftsordnung des Ausschusses vom 24.5.1994.
Während Hess und Venter (1955) den Bundesausschuss
noch als „Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung
der Ärzte und Krankenkassen“ und damit als gemeinsame Einrichtung der ihn bildenden Körperschaften (Kassenärztliche Bundesvereinigung und Spitzenverbände der
Krankenkassen) ansehen, bestreitet dies z. B. Hiller eine
Generation später. Nach seiner Auffassung (Hiller 1989)
handelt es sich beim Bundesausschuss um eine „teilrechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts“, die
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen sowie dem Bundesministerium für Gesundheit nebengeordnet ist. Über die
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Geschichtliche Entwicklung
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Hilfe
Treffer
Rechtsnatur des Bundesausschusses bestehen offensichtlich unterschiedliche Auffassungen.
Festzuhalten ist aber:
z Der Bundesausschuss ist ein wichtiges Entscheidungsgremium auf Bundesebene, dem vom Gesetzgeber bestimmte Normsetzungsbefugnisse zugewiesen worden
sind (hoheitliche Funktion).
z Der Bundesausschuss erlässt Richtlinien und regelt
durch sein Handeln das Zusammenwirken von Ärzten,
Krankenkassen, Krankenhäusern und anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der GKV-Versicherten (ordnungspolitische Funktion).
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September 2000
Geschichtliche Entwicklung
Die geschichtliche Entwicklung des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung des Kassenarztrechts. Seine
Vorgänger waren der Zentralausschuss von 1913 und der
Reichsausschuss von 1923. Als der Reichsausschuss nach
1933 nicht mehr vorschriftsmäßig besetzt werden konnte
und deshalb beschlussunfähig war, wurden seine Befugnisse vom Reichsarbeitsminister ausgeübt. Nach 1945
wurde das Kassenarztrecht neu gestaltet.
Durch das Gesetz über das Kassenarztrecht von 1955
wurde der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen geschaffen. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Interessen der Ärzte und Zahnärzte auch nicht mehr gemeinsam
vertreten; neben dem Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen wurde der Bundesausschuss der Zahnärzte
und Krankenkassen eingerichtet.
Nach dem Gesetzentwurf (Döhler u. Manow-Borgwardt 1992; Hess u. Venter 1955) sollte der Bundesaus3
Zentralausschuss,
Reichsausschuss
Zahnärzte mit
eigenem Ausschuss
Keine direkte
staatliche Beteiligung
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Zusammensetzung
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schuss der Ärzte und Krankenkassen die „oberste beschließende Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung von Kassenärzten und Krankenkassen mit autonomer Rechtssetzungskompetenz“ werden. Die z. Z. des
Reichsausschusses entwickelte Differenzierung zwischen
„verbindlichen“ Bestimmungen einerseits und „unverbindlichen“, lediglich beachtenswürdigen Richtlinien andererseits konnte sich schließlich für seinen Nachfolger,
den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, nicht
durchsetzen. Juristische Bedenken standen diesem Vorhaben entgegen, denn die Konzeption des Bundesausschusses sah im Gegensatz zum Reichsausschuss von
vornherein keine direkte staatliche Beteiligung vor. Während die neutralen Mitglieder des Reichsausschusses
durch den Reichsarbeitsminister berufen wurden und somit durch ihn weisungsgebunden waren, sind die unparteiischen Mitglieder des Bundesausschusses heute weisungsungebunden.
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Zusammensetzung
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung einerseits und Vertreter der Spitzenverbände der Krankenkassen andererseits bilden den Bundesausschuss der Ärzte
und Krankenkassen (§ 91 Abs. 1 SGBV). Insgesamt besteht
der Bundesausschuss aus 21 Mitgliedern:
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Zusammensetzung
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September 2000
Zusammensetzung des Bundesausschusses der Ärzte
und Krankenkassen (Kamke u. Hutzler 1999 S. 254)
z Unparteiische: 1 Vorsitzender, 2 weitere Mitglieder
z Ärztevertreter: 9 Mitglieder
z Krankenkassenvertreter: 9 Mitglieder, davon
— AOK-BV: 3 Mitglieder
— VdAK/AEV: 2 Mitglieder
— BKK-BV: 1 Mitglied
— BdI: 1 Mitglied
— BdL: 1 Mitglied
— BKN: 1 Mitglied
Für jedes Mitglied werden fünf Stellvertreter bestellt, zum
einen, um jederzeit die Beschlussfähigkeit des Ausschusses zu gewährleisten, zum anderen, um einen ausreichenden Pool für die Besetzung der zehn Arbeitsausschüsse
des Bundesausschusses zu haben.
Die neun Vertreter der Ärzte werden von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die neun Vertreter der
Krankenkassen werden von ihren jeweiligen Spitzenverbänden für die Dauer von 4 Jahren bestellt, die benannten Vertreter sind jedoch nicht weisungsgebunden.
Wesentlich für die Zusammensetzung ist, dass die Vertreter der Ärzte und Krankenkassen in gleicher Zahl repräsentiert sind und sich aufgrund paritätischer Besetzung
gleichberechtigt gegenüberstehen. Die unterschiedliche
Repräsentanz der verschiedenen Krankenkassenarten ist
beabsichtigt. Der Gesetzgeber hat hiermit den Versuch
unternommen, die Krankenkassenarten nach ihrem Gewicht, d. h. nach ihrer Mitgliederzahl, im Bundesausschuss zu berücksichtigen.
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Stellvertreter
Mitglieder sind nicht
weisungsgebunden
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Zusammensetzung
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Unparteiische
Mitglieder
im Ehrenamt
Zusammentreffen
bei Bedarf
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Über die unparteiischen Mitglieder sollen sich die
Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen einigen. In der 11. Amtsperiode
des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen
(Beginn am 1.1.1997; Ende am 31.12.2000) führt Karl Jung,
ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, den Vorsitz im Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen; die beiden weiteren unparteiischen Mitglieder sind Dr. jur. Jürgen W. Bösche und
Dr. jur. Franz Josef Oldiges. Alle Mitglieder des Bundesausschusses nehmen ihr Amt als Ehrenamt wahr, somit
sind auch die unparteiischen Mitglieder nicht hauptamtlich, sondern ehrenamtlich tätig. Sie erhalten keine
Vergütung, sondern eine Aufwandsentschädigung.
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
für Fragen der Psychotherapie
Im Juni 1998 hat sich der Bundesausschuss in seiner besonderen Zusammensetzung für Fragen der Psychotherapie konstitutiert. Die vom Gesetzgeber durch das Psychotherapeutengesetz vom 16.6.1998 vorgegebene Zusammensetzung unterscheidet sich von der üblichen Zusammensetzung des Bundesausschusses insofern, als die Leistungserbringerseite durch fünf psychotherapeutisch tätige
Ärzte und fünf psychologische Psychotherapeuten repräsentiert wird (wobei jeweils ein Mitglied die Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapie vertritt). Der Gesetzgeber
erhöhte die Mitgliederzahl bei den Ersatzkassen von zwei
auf drei, um das Gleichgewicht von 10:10 wieder herzustellen. Die Gesamtzahl der Mitglieder beträgt somit 23.
Auch wenn die Zusammensetzung des Ausschusses geändert wurde, so handelt es sich dennoch nicht um einen
zweiten Bundesausschuss. Der Ausschuss tritt in dieser
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Aufgaben
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Besetzung zusammen, wenn psychotherapeutische Fragen
zur Beratung anstehen. Seine erste Aufgabe bestand darin, bis zum 31.12.1998 eine Neufassung der Psychotherapie-Richtlinien zu erarbeiten. Sie sind fristgerecht zum
1.1.1999 in Kraft getreten.
Zusammensetzung des Bundesausschusses der Ärzte
und Krankenkassen für Fragen der Psychotherapie
(Kamke u. Hutzler 1999 S. 256)
z Unparteiische: 1 Vorsitzender, 2 weitere Mitglieder
z Ärztevertreter: 5 psychotherapeutisch tätige Ärzte, 5 Psychotherapeuten
z Krankenkassenvertreter: 10 Mitglieder, davon
— AOK-BV: 3 Mitglieder
— VdAK/AEV: 3 Mitglieder
— BKK-BV: 1 Mitglied
— BdI: 1 Mitglied
— BdL: 1 Mitglied
— BKN: 1 Mitglied
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Aufgaben
Gesetzliche Aufgaben
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der
Versicherten (§ 92 SGB V). Der Bundesausschuss soll insbesondere Richtlinien beschließen über
z Ärztliche Behandlung;
z Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten;
z die ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft;
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Sicherung der
ärztlichen Versorgung
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Aufgaben
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Hilfe
z
die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden;
z die Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und
Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher
Krankenpflege und Soziotherapie;
z die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit;
z die Verordnung von im Einzelfall gebotenen medizinischen Leistungen und die Beratung über die medizinischen, berufsfördernden und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation;
z die Bedarfsplanung;
z Medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft;
z Maßnahmen nach den §§ 24 a (Empfängnisverhütung)
und 24 b (Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation).
Mit der Erarbeitung und Verabschiedung von verbindlichen Richtlinien hat der Ausschuss die Aufgabe, in einem
letzten Schritt den Leistungsanspruch des GKV-Versicherten im Hinblick auf die generellen Vorgaben des Gesetzgebers zu konkretisieren.
Drei neue Aufgaben
Erweiterte Aufgaben durch das 2. GKV-NOG
Auf der Basis des 2. GKV-NOG von 1997 hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die folgenden
drei neuen Aufgaben wahrzunehmen:
z Beschlussfassung über neue Richtlinien;
z Beteiligung von nicht-ärztlichen Leistungserbringern
vor der Verabschiedung von Richtlinien;
z ständiger Prüf- und Bewertungsauftrag neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und bereits erbrachter vertragsärztlicher Leistungen.
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Aufgaben
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Neue Richtlinien
Nach dem 2. GKV-NOG waren erstmals Richtlinien über
die häusliche Krankenpflege zu beschließen. Die Richtlinien, die am 14. Mai 2000 in Kraft getreten sind, legen
erstmals bundeseinheitlich fest, welche Maßnahmen der
häuslichen Krankenpflege als Behandlungspflege den gesetzlichen Krankenkassen und welche Einzelleistungen als
Grundpflege den Pflegekassen zuzuordnen sind. Sie regeln
z die Verordnung der häuslichen Krankenpflege durch
den Vertragsarzt,
z die Dauer der Pflege und deren Genehmigung durch
die Krankenkassen und
z die Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes
mit den ambulanten Pflegediensten und dem Krankenhaus.
Darüber hinaus waren die Heilmittel-Richtlinien und die
Rehabilitations-Richtlinien des Bundesausschusses komplett zu überarbeiten.
Nach dem 2. GKV-NOG besteht der Gesetzesauftrag
für die Modifikation der Heilmittel-Richtlinien in der
z Erstellung eines Kataloges verordnungsfähiger Heilmittel;
z Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen;
z Regelung der Besonderheiten bei Wiederholungsverordnungen;
z Bestimmung des Inhalts und des Umfangs der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem
jeweiligen Heilmittelerbringer. Die Überarbeitung der
Heilmittel-Richtlinien wird voraussichtlich im Sommer
2000 abgeschlossen sein.
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Häusliche
Krankenpflege
Heilmittel-Richtlinien
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Aufgaben
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Ambulante
Rehabilitation
Das Partnerschaftsmodell
Einbeziehung in das
Anhörungsverfahren
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Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände beraten derzeit, wie in den Bundesmantelverträgen insbesondere dem Erfordernis nach Rehabilitation bei komplexen Gesundheitsstörungen in der ambulanten Versorgung Rechnung zu tragen ist. Auf der
Grundlage dieser Regelungen sollen dann in den RehaRichtlinien des Bundesausschusses die Grundlagen für
die Verordnung und Durchführung der ambulanten Rehabilitation festgelegt werden.
Beteiligung von nicht-ärztlichen Leistungserbringern
vor der Verabschiedung von Richtlinien
Die Einführung des 2. GKV-NOG im Juli 1997 stand unter
dem Motto „Vorfahrt für die Selbstverwaltung“. Darüber
hinaus wurde die Einführung des 2. GKV-NOG stark mit
der Einführung des sog. Partnerschaftsmodells in Verbindung gebracht. Gemeint hiermit ist die Einbindung Dritter (nicht-ärztlicher Leistungserbringer) in die Entscheidungen der Vertragspartner der gemeinsamen Selbstverwaltung und damit in die Gestaltung von ambulanten Gesundheitsleistungen. Das Partnerschaftsmodell besteht
aus zwei Säulen, nämlich aus:
z den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen (§ 92 SGBV) und
z den Rahmenempfehlungen (§§ 111 a, 125, 132 a SGBV).
Beide Säulen sind durch wechselseitige Beteiligung miteinander verzahnt. Während die nicht-ärztlichen Leistungserbringer bei den Richtlinien des Bundesausschusses zu beteiligen sind, ist die Ärzteschaft wiederum bei
den Rahmenempfehlungen zu beteiligen. Vor dem 2.
GKV-NOG war eine Beteiligung Dritter bei den Richtlinien des Bundesausschusses lediglich vorgesehen bei der
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Aufgaben
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15 z 03 04
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Treffer
Erstellung der Preisvergleichsliste und bei der Bildung
von Festbetragsgruppen. Heute sind bei insgesamt 6
Richtlinien (Arzneimittel-Richtlinien, RehabilitationsRichtlinien, Richtlinien über häusliche Krankenpflege,
Heilmittel-Richtlinien, Hilfsmittel-Richtlinien, Mutterschafts-Richtlinien) die maßgeblichen Spitzenverbände
der jeweiligen Bereiche auf Bundesebene zwingend in die
gesetzlich vorgesehenen Anhörungen einzubeziehen.
Da die Rahmenempfehlungen „unter Berücksichtigung
der Richtlinien“ abzugeben sind, haben die Richtlinien
sowohl vom Inhalt als auch vom Zeitaspekt her Vorrang
vor den Rahmenempfehlungen. Während die Richtlinien
verbindlich sind für Ärzte und Krankenkassen, haben die
Rahmenempfehlungen keine rechtliche Verbindlichkeit.
Hinsichtlich der Inhalte gibt es bei den Richtlinien keine
gesetzlichen Einschränkungen in § 92 SGBV, vielmehr ist
in den Richtlinien des Bundesausschusses all das zu regeln, was für ein wirtschaftliches Verhalten der Ärzte bei
der Behandlung, der Veranlassung von Leistungen und
der Verordnung erforderlich ist. Dennoch ist mit Blick
auf die „Abhängigkeit“ der Rahmenempfehlungen von
den Richtlinien eine inhaltliche Übereinstimmung in
wichtigen Fragen anzustreben.
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
hat bereits im Oktober 1997 durch Beschlussfassung über
eine eigene Verfahrensordnung für Anhörungen eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung des Partnerschaftsmodells geschaffen. Die Verfahrensordnung bestimmt, wie Anhörungen für neue Richtlinienentwürfe
oder Richtlinienänderungen durchgeführt werden sollen,
wenn die Bereiche Arzneimittel, Rehabilitation, häusliche
Krankenpflege, Heilmittel, Hilfsmittel und Ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft betroffen
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Verbindliche
Richtlinien,
unverbindliche
Rahmenempfehlungen
Verfahrensordnung
regelt Anhörungsverfahren
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Aufgaben
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sind. In seiner Verfahrensordnung hat der Bundesausschuss die gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsregelung
im Interesse der nicht-ärztlichen Leistungserbringer ausgeweitet: So können Anhörungen auch zu allen anderen
Richtlinien durchgeführt und der Kreis der anzuhörenden
Organisationen im Einzelfall vergrößert werden.
Neben schriftlichen Anhörungen gibt die Verfahrensordnung dem Bundesausschuss die Möglichkeit, darüber
hinaus mündliche Anhörungen durchzuführen. Mit der
Verfahrensordnung ist damit sichergestellt, dass die Interessenvertretungen der am Gesundheitswesen beteiligten
Organisationen vor dem Gremium Gehör finden werden.
Der Kreis der anhörungsberechtigten Organisationen für
die Bereiche Arzneimittel, Rehabilitation, häusliche Krankenpflege und Heilmittel ist durch Beschluss vom
18.2.1998 vom Bundesausschuss nach gesetzlichen Vorgaben festgelegt worden (Verfahrensordnung, BAnz 1998
S. 5998), die Festlegung für die anderen Bereiche erfolgt
in Kürze.
Auch therapeutische
und diagnostische
Verfahren
Ständiger Prüf- und Bewertungsauftrag
neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
und bereits erbrachter vertragsärztlicher Leistungen
Mit dem 2. GKV-NOG wurde der Prüf- und Bewertungsauftrag für diagnostische und therapeutische ärztliche
Verfahren ausgeweitet. Von 1989 bis Mitte 1997 bezog sich
der Auftrag lediglich auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, d. h. auf all das, was noch nicht als
abrechenbare Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthalten ist. Seit Inkrafttreten des 2. GKVNOG schließt der Auftrag auch bereits erbrachte vertragsärztliche Leistungen und damit all die Leistungen mit ein,
die derzeitig im EBM enthalten sind. Bei der
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Arbeitsweise
September 2000
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15 z 03 05
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Überprüfung bzw. Erstprüfung von Leistungen stehen in
beiden Fällen die Kriterien therapeutischer Nutzen, medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. Wird eine Leistung negativ bewertet, darf sie nicht
bzw. nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden.
In den Jahren 1998 und 1999 konnte auf der Basis der
neuen Richtlinien die Prüfung von acht Verfahren abgeschlossen werden. Zwei wurden positiv, sechs negativ bewertet. Bei den positiv bewerteten handelt es sich um die
„Viruslastbestimmung bei HIV-Infizierten“ und die „Osteodensitometrie“. Während das erste Verfahren ein neues
und damit ein erstmals zu prüfendes Verfahren war, wurde die Knochendichtemessung als etabliertes Verfahren
vom Ausschuss überprüft. Als Ergebnis wurde die Indikation für die Anwendung der Osteodensitometrie eingeschränkt. Als negativ und damit als nicht zu Lasten der
Gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzierende Verfahren wertete der Ausschuss die „Colon-Hydro-Therapie
und ihre Modifikationen“, die „Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) bei orthopädischen, chirurgischen
und schmerztherapeutischen Indikationen“, die „pulsierende Signaltherapie (PST)“, den „niedrigdosierten, gepulsten Ultraschall“, die „neurotopische Therapie nach
Desnizza“ und die „asynchrone Balneophototherapie und
Bade-Puva-Therapie“.
Anerkannte und
abgelehnte Verfahren
Arbeitsweise
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Der Bundesausschuss fasst seine Beschlüsse – von wenigen
Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich in Sitzungen. Sitzungen des Bundesausschusses finden je nach Beratungsbedarf statt. Im Jahr 1999 trat der Bundesausschuss in
der üblichen Besetzung insgesamt siebenmal zusammen.
Sitzungsturnus
nach Bedarf
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15 z 03 05
Arbeitsweise
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Ausschüsse für
z. Z. 21 Richtlinien
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Arbeitsausschüsse des Bundesausschusses
Zur Vorbereitung seiner Beratungen und Beschlussfassungen hat der Bundesausschuss zehn Arbeitsausschüsse eingesetzt, deren Aufgabengebiet und Zuständigkeit sich an
den in § 92 SGBV aufgeführten Themen orientieren. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die derzeitigen Arbeitsausschüsse des Bundesausschusses und beschreibt, für
welche Richtlinien sie jeweils zuständig sind. Einige Arbeitsausschüsse setzen Unterausschüsse oder Arbeitsgrup-
Tabelle 1: Die Arbeitsausschüsse des Bundesausschusses.
(Kamke u. Hutzler 1999 S. 259)
Arbeitsausschuss
Ausschuss „Prävention“
Ausschuss „Familienplanung“
Ausschuss „Ärztliche Behandlung“
Ausschuss „Psychotherapie“
Ausschuss „Arzneimittel“
Ausschuss „Heil- und Hilfsmittel/
Häusliche Krankenpflege/
Rehabilitation/Arbeitsunfähigkeit“
Ausschuss „Krankenhaus“
Ausschuss „Qualitätsbeurteilung“
Ausschuss „Bedarfsplanung“
Ausschuss „Soziotherapie“
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Aufgaben
Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinien
Jugendgesundheitsuntersuchungs-Richtlinien
Kinder-Richtlinien
Krebsfrüherkennungs-Richtlinien
Mutterschafts-Richtlinien
Richtlinien zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch
Richtlinien über künstliche Befruchtung
Ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
Psychotherapie-Richtlinien
Arzneimittel-Richtlinien
Heilmittel-Richtlinien
Hilfsmittel-Richtlinien
Häusliche KrankenpflegeRichtlinien
Rehabilitations-Richtlinien
Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien
Krankenhausbehandlungs-Richtlinien
Krankentransport-Richtlinien
Qualitätsbeurteilungs-Richtlinien
Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte
Angestellte-Ärzte-Richtlinien
Soziotherapie-Richtlinien
Arbeitsweise
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pen ein, um bestimmte Themen parallel bearbeiten zu
können.
In den Arbeitsausschüssen sitzen sich ebenfalls etwa
10 Vertreter der Ärzte und 10 Vertreter der Krankenkassen gegenüber, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen
aus dem Pool ihrer jeweils 54 Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder im Bundesausschuss benannt werden.
Eine paritätische Besetzung ist in den Arbeitsausschüssen
nicht immer gegeben. Dies ist auch nicht erforderlich, da
es sich bei den Beschlussvorlagen für den Bundesausschuss um vom Arbeitsausschuss konsentierte Beratungsunterlagen handelt.
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Geschäftsordnung des Bundesausschusses
Der Bundesausschuss hat zur Durchführung seiner Geschäfte eine Geschäftsordnung aufgestellt. Die Geschäftsordnung regelt Formalien über die Ladung zu und das
Abhalten von Sitzungen, Beschlussfassungen, Presseveröffentlichungen, Niederschriften etc. Nach der gültigen Geschäftsordnung führt der Vorsitzende des Bundesausschusses die laufenden Geschäfte des Bundesausschusses.
Er bedient sich hierzu einer Geschäftsstelle, die – historisch begründet – der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zugeordnet ist.
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Parität nicht
erforderlich
Der Vorsitzende
führt die laufenden
Geschäfte
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Die Richtlinien des Bundesausschusses als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
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15 z 03 | 06
Synonyme
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Die Richtlinien des Bundesausschusses
als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
Erläuterung des Begriffs „Richtlinien“
Für den Terminus „Richtlinie“ bietet Wahrigs Deutsches
Wörterbuch die Begriffe „Anweisung“, „Grundsatz“ und
„Vorschrift“ an. Weitere Synonyme sind die Begriffe
„Richtschnur“, „Maßstab“ oder „Regel“ (Andreas 1975).
So ließe sich die Reihe der Synonyme beliebig fortsetzen.
Was nun aber macht eine Richtlinie aus?
Zweck der Richtlinien
Zweck der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte
und Krankenkassen ist die Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung; die Richtlinien sollen die Gewähr für
eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der GKV-Versicherten bieten. In den Richtlinien
wird das Wirtschaftlichkeitsgebot für deren Adressaten
deutlich gemacht (s. Kap. 11.03.02). Sie konkretisieren damit
z die Leistungsverpflichtung des Vertragsarztes;
z den Leistungsumfang der Krankenkassen;
z das Leistungsrecht der Versicherten.
Der Gesetzgeber beschränkt sich darauf, die zu beschließenden Richtlinien beispielhaft aufzuzählen. Genauere
Angaben über den Inhalt der Richtlinien bzw. eigene konkrete Regelungen des Gesetzgebers enthält das SGB V nur
bezüglich einiger Richtlinien.
Geänderter
Rechtscharakter
Verbindlichkeit der Richtlinien
Seit dem 1.1.1989 – auf der Basis des Gesundheitsreformgesetzes – hat sich der Rechtscharakter der Richtlinien
von Grund auf geändert. Die Richtlinien des Bundesaus16
Die Richtlinien des Bundesausschusses als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
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15 z 03 06
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schusses der Ärzte und Krankenkassen sind heute Bestandteil der Bundesmantelverträge (§ 92 Abs. 8 SGBV)
und damit wiederum Bestandteil der Gesamtverträge zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und
den Landesverbänden der Krankenkassen. Hieraus ergibt
sich, dass die Richtlinien des Bundesausschusses über die
Gesamtverträge für den einzelnen Vertragsarzt und die
einzelne Krankenkasse unmittelbar verbindlich sind. Auch
nach den Satzungen der KVen und der Landesverbände
der Krankenkassen sind die Richtlinien des Bundesausschusses für die jeweiligen Mitglieder verbindlich. Bei
den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen handelt es sich um Rechtsnormen mit unmittelbarer Außenwirkung (Hiller 1989). Dass es sich bei
den Richtlinien des Bundesausschusses um verbindliche
Rechtsnormen handelt, wurde schließlich in einem
Grundsatzurteil des 6. Senats des Bundessozialgerichts
vom 20.3.1996 ausdrücklich erklärt und durch ein weiteres Urteil des 1. Senats des Bundessozialgerichts vom
16.9.1997 bestätigt (Kamke 1998).
Richtlinien können die Behandlungsmethode eines
Arztes zwar nicht strikt festlegen, sie sind jedoch richtungsweisend und liefern dem Arzt allgemeine Leitlinien
und Anhaltspunkte für seine vertragsärztliche Tätigkeit.
Durch die abstrakte Formulierung kann nicht jeder Einzelfall exakt geregelt werden (Andreas 1975).
Dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
obliegt es daher, die Richtlinien ihrem Charakter nach als
Soll- oder Kann-Vorschriften zu formulieren. Eine Durchsicht der bisher erlassenen Richtlinien bestätigt, dass diese im allgemeinen in der Soll- oder Kann-Form abgefasst
sind oder ähnliche Wendungen enthalten wie
17
Keine
Einzelfallregelung
Soll- oder
Kann-Vorschriften
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Die Richtlinien des Bundesausschusses als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
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z
z
z
z
z
Muss-Vorschriften
Treffer
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„der Arzt soll prüfen“;
„der Arzt soll vornehmen“;
„der Arzt soll in Erwägung ziehen“;
„der Arzt kann verordnen“;
„es empfiehlt sich“.
Soll-Vorschriften lassen für die Ärzte und Krankenkassen
ein Abweichen von der Regel in atypischen Ausnahmefällen
zu. Kann-Vorschriften räumen den Ärzten und Krankenkassen einen Ermessensspielraum ein. Die Richtlinien des
Bundesausschusses enthalten neben den Kann- und SollVorschriften auch Muss-Vorschriften. Muss-Vorschriften
sind für die Ärzte und Krankenkassen zwingend.
Das Zustandekommen der Richtlinien
Richtlinien kommen durch Beschluss des Bundesausschusses zustande. Wie kommt es aber dazu? Oder anders
gefragt: Was geht einer Beschlussfassung im Plenum voraus? Abbildung 1 gibt einen Überblick über das Zustandekommen von Richtlinien. Das Procedere gilt auch für
die inhaltliche Ergänzung oder Änderung einer Richtlinie.
Bei Bedarf
Sachverständige
einbeziehen
Beratung im Arbeitsausschuss
Der Beschlussfassung im Bundesausschuss über eine Neufassung oder eine inhaltliche Änderung bzw. Ergänzung
von Richtlinien geht eine eingehende und zum Teil zeitintensive Beratung im jeweils zuständigen Arbeitsausschuss voraus. In Analogie zur Bundesausschuss-Besetzung beraten im Arbeitsausschuss Vertreter der Krankenkassen einerseits und Vertreter der Ärzte andererseits; außerdem werden bei Bedarf Sachverständige hinzugezogen.
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Die Richtlinien des Bundesausschusses als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
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Beratung im
Arbeitsausschuss
Erstellung der
Beschlussvorlage
Beratung im
Bundesausschuss
Beschlussfassung
Prüfung durch BMG
September 2000
gem. § 94 Abs. 1 SGB V
Nichtbeanstandung
Beanstandung
Bekanntmachung
im Bundesanzeiger
gem. § 94 Abs. 2 SGB V
Inkrafttreten
Abb. 1: Das Zustandekommen von Richtlinien. (Kamke u. Hutzler 1999 S.
264)
Nach dem Partnerschaftsmodell des 2. GKV-NOG und
der daraufhin beschlossenen Verfahrensordnung des Bundesausschusses sind bei den
z Arzneimittel-Richtlinien einschließlich ihrer Anlagen
z Rehabilitations-Richtlinien,
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Schriftliche
Anhörungen
15 z 03 06
Die Richtlinien des Bundesausschusses als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
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z
Richtlinien über häusliche Krankenpflege,
z Heilmittel-Richtlinien,
z Hilfsmittel-Richtlinien und den
z Mutterschafts-Richtlinien
schriftliche Anhörungen durchzuführen und die auf Bundesebene tätigen maßgeblichen Verbände der jeweiligen
Interessenvertreter in diese Anhörungen einzubinden.
Konkret bedeutet dies, dass die jeweiligen anhörungsberechtigten Organisationen die Entwürfe über Richtlinien-Neufassungen oder Änderungen zugeschickt bekommen und sich dann schriftlich gegenüber dem Bundesausschuss äußern können.
Die Entscheidung
trifft der Ausschuss
Sitzungsturnus
Absolute Mehrheit
entscheidet
Sämtliche Stellungnahmen werden in die Entscheidung
des Bundesausschusses einbezogen. Die Letztentscheidung
liegt allerdings beim Bundesausschuss. Im Rahmen einer
Kann-Vorschrift können mündliche Anhörungen durchgeführt werden. Auch ist es möglich, weitere Organisationen oder Personen beim schriftlichen Anhörungsverfahren zu beteiligen. Während das Anhörungsverfahren für
die sechs oben genannten Richtlinien gesetzlich vorschrieben ist, ist es dem Bundesausschuss bei den übrigen 15 Richtlinien freigestellt, eine Anhörung durchzuführen.
Beratung und Beschlussfassung im Bundesausschuss
Der Bundesausschuss hat keine festen Sitzungsperioden.
Eine Sitzung des Bundesausschusses wird einberufen,
wenn eine genügende Anzahl von Beratungsgegenständen
vorhanden ist. Im Jahre 1999 war dies siebenmal der Fall.
Der Bundesausschuss kann Richtlinien nur verabschieden, wenn er beschlussfähig ist, d. h. wenn seine Mitglieder oder deren stimmberechtigte Stellvertreter anwesend
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Die Richtlinien des Bundesausschusses als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
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15 z 03 06
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September 2000
sind. Der Bundesausschuss beschließt die Richtlinien mit
der absoluten Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten (§ 10 der Geschäftsordnung). Bei Stimmengleichheit
entscheidet nicht die Stimme des Vorsitzenden, sondern
der Antrag ist abgelehnt.
Prüfung der Richtlinien durch das Bundesministerium
für Gesundheit
Die vom Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien bzw.
Richtlinienänderungen sind dem Bundesminister für Gesundheit (BMG) vorzulegen (§ 94 Abs. 1 SGBV). Der Bundesminister für Gesundheit prüft die Rechtmäßigkeit der
beschlossenen Richtlinien und kann von seinem Beanstandungsrecht Gebrauch machen.
Im Falle der Nichtbeanstandung gelten die Richtlinien
als genehmigt. Sie werden unmittelbar nach einer positiven Antwort seitens des BMG im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Im Falle der Beanstandung müssen die
Richtlinien erneut im Bundesausschuss bzw. zuständigen
Arbeitsausschuss beraten werden. Die Beanstandung der
Richtlinien durch den Bundesminister für Gesundheit
kann sich sowohl auf einzelne Teile (Teilbeanstandung)
als auch auf die Richtlinien als Ganzes beziehen.
Der Bundesminister für Gesundheit kann Richtlinien
sogar selbst erlassen, wenn
z die für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung
erforderlichen Beschlüsse nicht oder nicht innerhalb
einer von ihm gesetzten Frist zustandekommen;
z die Beanstandungen des Bundesministers für Gesundheit nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben werden.
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Beanstandungsrecht
Beanstandung auch
nur von Teilen
Ersatzvornahme
15 z 03 06
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Man spricht hier von der sog. Ersatzvornahme. In der
Praxis hat der Bundesminister für Gesundheit von seinem
Recht der Ersatzvornahme noch nie Gebrauch machen
müssen.
Veröffentlichung
Zeitpunkt des
Inkrafttretens
Formale Adressaten
Bekanntmachung und Inkrafttreten
Die Richtlinien werden rechtskräftig durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger (BAnz), einem täglich erscheinenden Amtsblatt der Bundesministerien. Sie
können damit über den internen Bereich des Bundesausschusses hinaus als verbindliche Rechtsnormen Wirkungen entfalten. Die Bekanntmachung wird von der Geschäftsstelle des Bundesausschusses veranlasst, sobald die
Nichtbeanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit vorliegt.
Für das Datum des Inkrafttretens gibt es keinerlei
Vorgaben. Veröffentlichung und Inkrafttreten sollten allerdings zeitlich etwas auseinander liegen. Dies hat seinen
Grund darin, dass die Richtlinien des Bundesausschusses
ihrem Charakter nach in die Zukunft weisen und das
Handeln ihrer Adressaten anleiten sollen. Bei neuen oder
vollständig überarbeiteten Richtlinien ist es üblich, diese
zu einem festen Zeitpunkt in Kraft treten zu lassen. Für
den Fall, dass abrechnungstechnische Änderungen mit einem solchen Inkrafttreten einhergehen, bietet sich der
Beginn eines Quartals an. Änderungen oder Ergänzungen
von bereits bestehenden Richtlinien treten üblicherweise
am Tage nach ihrer Bekanntmachung im Bundesanzeiger
in Kraft.
Adressaten der Richtlinien
Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen wenden sich formal an die Kassenärzt22
Die Richtlinien des Bundesausschusses als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
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15 z 03 06
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lichen Vereinigungen einerseits und die Verbände der
Krankenkassen andererseits. Ihre Satzungen müssen Bestimmungen enthalten, die die Verbindlichkeit der Richtlinien für die Mitglieder der KVen und der Krankenkassenverbände unterstreichen. In den gültigen Satzungen
findet man oft Formulierungen wie „sind für die Mitglieder. . . verbindlich“.
Von der inhaltlichen Seite her betrachtet sind die eigentlichen oder direkten Adressaten der Richtlinien die
Vertragsärzte und die Krankenkassen. Vertragsärzte, die
verbindliche Richtlinien nicht beachten, können ggf. dadurch ihre vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzen.
Ihnen drohen Disziplinarmaßnahmen. Was die Krankenkassen betrifft, so bestimmen die Richtlinien den Leistungsumfang gegenüber ihren Versicherten. Aus Sicht der
Versicherten wird deren Leistungsrecht durch die Richtlinien konkretisiert.
Neben den direkten Adressaten sind einige indirekte
Adressaten zu nennen, auf die die Richtlinien mittelbaren
Einfluss nehmen. Zu erwähnen sind hier insbesondere
Leistungserbringer wie z. B. ambulante Pflegedienste, ambulante Rehabilitationseinrichtungen sowie Heilmittelerbringer wie Masseure und Krankengymnasten. Zu erwähnen sind ferner die Hersteller von Arznei- und Hilfsmitteln, deren Produkte nach den Richtlinien von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen werden oder
nur noch eingeschränkt (z. B. bei bestimmten Indikationen) zu Lasten der GKV verordnet werden können. In
diesem Fall stehen diese Produkte den Versicherten nur
noch über ein Privatrezept zur Verfügung mit der Konsequenz, dass die Kosten auch vom Versicherten zu tragen sind.
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Inhaltliche Adressaten
Indirekte Adressaten
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Es stehen
21 Richtlinien an
Kategorisierung nach
Inhalt und Ziel
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Überblick über die Richtlinien des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen
Tabelle 2 gibt einen Überblick über die 21 Richtlinien des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Infolge
des 2. GKV-NOG hat sich die Anzahl der vom Bundesausschuss zu beschließenden Richtlinien erhöht. Erstmalig waren z. B. Richtlinien über häusliche Krankenpflege zu erstellen. Darüber hinaus hat es der Bundesausschuss als notwendig erachtet, Qualitätsbeurteilungs- und
Krankentransport-Richtlinien sowie Richtlinien zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch zu
erlassen, obwohl der Gesetzgeber hier gar keine Vorgaben
im § 92 SGBV gemacht hatte.
Wenn man den Versuch unternimmt, die 21 Richtlinien des Bundesausschusses nach Inhalten und Zielsetzungen zu unterteilen, so lassen sich 6 Gruppen von Richtlinien unterscheiden.
z Gruppe 1: Richtlinien, die Früherkennungsmaßnahmen
mit vorgeschriebenen Untersuchungskatalogen regeln
(Gesundheitsuntersuchungs-, Jugendgesundheitsuntersuchungs-, Krebsfrüherkennungs- und Kinder-Richtlinien);
z Gruppe 2: Richtlinien, die besondere Behandlungsund Betreuungsverfahren im Rahmen der Familienplanung regeln (Mutterschafts-Richtlinien, Richtlinien
zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch, Richtlinien über künstliche Befruchtung);
z Gruppe 3: Richtlinien zur Verordnungsweise in der
vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-, Heilmittel-, Hilfsmittel-Richtlinien, Häusliche KrankenpflegeRichtlinien, Rehabilitations-Richtlinien);
z Gruppe 4: Richtlinien, die das Verfahren und die Voraussetzungen für die Veranlassung von Leistungen in
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Die Richtlinien des Bundesausschusses als Regelungsinstrument des Kassenarztrechts
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Tabelle 2: Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen
(Kamke u. Hutzler 1999 S. 267)
September 2000
Kurzname
Angestellte-Ärzte-Richtlinien
Vollständiger Name
Richtlinien über die Beschäftigung von angestellten
Praxisärzten in der Vertragsarztpraxis
Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien Richtlinien über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit
und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung
Arzneimittel-Richtlinien
Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln
in der vertragsärztlichen Versorgung
Bedarfsplanungs-RichtlinienRichtlinien über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe
Ärzte
zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung
in der vertragsärztlichen Versorgung
BUB-Richtlinien
Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs(Verfahrens-Richtlinie
und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V
„Ärztliche Behandlung“)
GesundheitsuntersuchungsRichtlinien über die Gesundheitsuntersuchung
Richtlinien
zur Früherkennung von Krankheiten
Häusliche KrankenpflegeRichtlinien über die Verordnung von häuslicher
Richtlinien
Krankenpflege
Heilmittel-Richtlinien
Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln
in der vertragsärztlichen Versorgung
Hilfsmittel-Richtlinien
Richtlinien über die Verordnung von Hilfsmitteln
in der vertragsärztlichen Versorgung
JugendgesundheitsRichtlinien zur Jugendgesundheitsuntersuchung
untersuchungs-Richtlinien
Kinder-Richtlinien
Richtlinien über die Früherkennung von Krankheiten
bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres
KrankenhausbehandlungsRichtlinien über die Verordnung von KrankenhausRichtlinien
behandlung
Krankentransport-Richtlinien
Richtlinien über die Verordnung von Krankenfahrten
und Krankentransportleistungen
KrebsfrüherkennungsRichtlinien über die Früherkennung von Krebserkrankungen
Richtlinien
Mutterschafts-Richtlinien
Richtlinien über die ärztliche Betreuung während
der Schwangerschaft und nach der Entbindung
Psychotherapie-Richtlinien
Richtlinien über die Durchführung der Psychotherapie
in der vertragsärztlichen Versorgung
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Rationierungsentscheidungen auf der Grundlage von Evidence Based Medicine
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Tabelle 2 (Fortsetzung)
Kurzname
QualitätsbeurteilungsRichtlinien
Rehabilitations-Richtlinien
Richtlinien über künstliche
Befruchtung
Richtlinien zur Empfängnisregelung und zum
Schwangerschaftsabbruch
Soziotherapie-Richtlinien
z
z
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Vollständiger Name
Richtlinien über Kriterien zur Qualitätsbeurteilung
in der Radiologischen Diagnostik gemäß § 136 SGB V
Richtlinien über medizinische, berufsfördernde
und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation
Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen
Befruchtung
Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur Empfängnisregelung, zum Schwangerschaftsabbruch und zur Sterilisation
Richtlinien über die Durchführung der Soziotherapie
in der vertragsärztlichen Versorgung
der Krankenversicherung regeln (Arbeitsunfähigkeits-,
Krankenhausbehandlungs-, Krankentransport-, Psychotherapie-, Soziotherapie-Richtlinien);
Gruppe 5: Richtlinien, auf deren Basis die Niederlassung von Vertragsärzten gesteuert und das JobSharing geregelt wird (Bedarfsplanungs-RichtlinienÄrzte, Angestellte-Ärzte-Richtlinien);
Gruppe 6: Richtlinien, die die Einführung und Qualitätssicherung neuer Verfahren betreffen und erbrachte
vertragsärztliche Leistungen überprüfen (Richtlinien
über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden, Qualitätsbeurteilungs-Richtlinien).
Ein Beispiel: Rationierungsentscheidungen
auf der Grundlage von Evidence Based Medicine
Wie bereits in Abschnitt 4 erwähnt, sind die Aufgaben
des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen erweitert und seine Kompetenzen bei der Gestaltung der
ambulanten ärztlichen Versorgung mit Inkrafttreten des
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Rationierungsentscheidungen auf der Grundlage von Evidence Based Medicine
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15 z 03 07
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2. GKV-NOG gestärkt worden. Im Folgenden soll die Aufgabe, neue diagnostische und therapeutische Verfahren
sowie Verfahren des bestehenden GKV-Leistungskataloges
einer Prüfung hinsichtlich ihres Nutzens, ihrer medizinischen Notwendigkeit und ihrer Wirtschaftlichkeit zu
unterziehen, näher beleuchtet werden.
Der Bundesausschuss hat in Reaktion auf die oben beschriebene erweiterte Aufgabenstellung am 1.1.1998 Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden sowie über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen gemäß § 135 Abs. 1
SGBV (jetzt Richtlinien über die Bewertung ärztlicher
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135
Abs. 1 SGBV [BUB-Richtlinien], auch bekannt als Verfahrensrichtlinie „Ärztliche Behandlung“) in Kraft gesetzt,
die das Verfahren und die Kriterien präzisieren, die für
die Überprüfung ärztlicher Leistungen herangezogen werden. Die Prüfung von neuen bzw. Überprüfung von bereits eingeführten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden orientiert sich dabei an nachvollziehbaren wissenschaftlichen Bewertungskriterien, die insbesondere die
Qualität der Studienmethodik und die daraus resultierende Glaubwürdigkeit untersuchen.
Auf der Grundlage seiner Verfahrensrichtlinie „Ärztliche Behandlung“ hat der Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen am 24.4.1998 die ersten Beschlüsse zum
Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung
gefasst. So wurden die Verfahren
z Colon-Hydro-Therapie und ihre Modifikationen,
z Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen
Indikationen,
z pulsierende Signaltherapie (PST) und
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Grundlage Verfahrensrichtlinie „Ärztliche
Behandlung“
Beschlüsse zum
Leistungskatalog
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Rationierungsentscheidungen auf der Grundlage von Evidence Based Medicine
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z
niedrigdosierter, gepulster Ultraschall
in die Anlage B der Verfahrensrichtlinie aufgenommen
und damit als Verfahren gewertet, die von Vertragsärzten
nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht
werden dürfen. Der Bundesausschuss war nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit der vier neuen Verfahren weder vollständig noch
teilweise belegt sind.
„Anlegen
der Messlatte“
Evidence Based
Medicine als
Entscheidungsgrundlage
Auf welcher Grundlage kam nun der Bundesausschuss zu
diesem Ergebnis? Die Verfahrensrichtlinie „Ärztliche Behandlung“ sieht eine kritische Beurteilung der zur Entscheidung anstehenden Verfahren vor und regelt im Detail, wie das Prüfverfahren abzulaufen hat und welche
Unterlagen und Studienergebnisse für eine Anerkennung
verlangt werden. Die Messlatte wird dabei deutlich höher
angelegt als es bisher üblich war. Eine ärztliche Methode
wird bewertet, indem die zur Verfügung stehenden Materialien und Studien auf Relevanz und Glaubwürdigkeit
(Validität) auf wissenschaftlicher Grundlage beurteilt werden. Die existierenden Studientypen (randomisierte, kontrollierte Studie; Kohortenstudie; Fallstudie) und Methoden (Expertenmeinung; Konsensuskonferenzen) werden
dabei in Evidenzstufen bzw. „Levels of Evidence“ eingeteilt. Evidenzstufe I spiegelt den Studientyp bzw. die Methode wider, welche die glaubwürdigsten, überzeugendsten Ergebnisse („Evidence“) liefert. Als Goldstandard
(Evidenzklasse I) bei therapeutischen Methoden wird die
randomisierte, kontrollierte Studie gewertet.
Ist eine zur Beurteilung anstehende diagnostische
oder therapeutische Methode mit harten Daten hinsichtlich des Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und
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Rationierungsentscheidungen auf der Grundlage von Evidence Based Medicine
September 2000
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15 z 03 07
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der Wirtschaftlichkeit gesichert und damit „evidencebased“, so wird sie vom Bundesausschuss positiv beurteilt
und darf zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen in
der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden. Bei
den vier genannten neuen Verfahren (als „neu“ wird all
das bezeichnet, was bisher noch nicht als abrechenbare
Leistung im EBM enthalten war) fiel die Entscheidung
aufgrund der vorliegenden Materialien und Studien ganz
klar negativ und damit zu Ungunsten des GKV-Leistungskataloges aus. Auch wenn es sich noch nicht um „echte“
Rationierungsentscheidungen handelt – die Verfahren waren in der Vergangenheit nicht Gegenstand des GKV-Leistungskataloges –, so hat der Bundesausschuss mit seinen
Entscheidungen den Leistungskatalog nicht ausgeweitet
und damit dessen Grenzen aufgezeigt. Die schwierige
Aufgabe des Bundesausschusses, Entscheidungen hinsichtlich Prioritätensetzung und Rationierung zu treffen,
wird sicherlich nicht einfacher durch die Hinzuziehung
von Evidence Based Medicine; die Entscheidungen werden aber auf eine rationale Basis mit besserer Transparenz gestellt, soweit es die Entscheidungsgrundlagen
wie auch den Prozess der Entscheidungsfindung betrifft.
Nachdem die Beschlüsse vom 24.4.1998 rechtskräftig
geworden waren, wurden gegen den Beschluss zur Extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) beim Sozialgericht (SG) Köln Klagen eingereicht von zwei auf diesem
Gebiet tätigen Gerätevermietungsgesellschaften. Zum Hintergrund: Nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz haben die von
den Richtlinien betroffenen Leistungserbringer verordneter Leistungen die Möglichkeit, eine Feststellungs- oder
Leistungsklage zu erheben mit dem Ziel, die Richtlinien
des Bundesausschusses aufzuheben oder zu ändern. Zulässig ist die Klage dann, wenn ein Leistungserbringer be29
Klage gegen die
Entscheidung
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Gesundheitsreform 2000
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Klageabweisung
15 z 03 | 08
Künftig Selbstverwaltung über die
Einführung neuer
Methoden in
Krankenhäusern
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hauptet, in seinen Rechten verletzt worden zu sein (Jung
1998). Ziel der beiden Klagen vor dem SG Köln war die
Feststellung, dass die Aufnahme der ESWT in die Anlage
B der Richtlinien des Bundesausschusses (Anlage der
nicht anerkannten Methoden) rechtswidrig sei. Darüber
hinaus wollten die Kläger erreichen, dass ihnen volle Akteneinsicht in die Beschlussunterlagen des Bundesausschusses gewährt würde.
Am 2.12.1998 fand die mündliche Verhandlung vor
dem Sozialgericht Köln statt. Das Gericht bestätigte mit
beiden Urteilen (S19 KA 30/98 und S19 KA 29/98) die Entscheidung des Bundesausschusses, wonach die Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) bei orthopädischen,
chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen
nicht als Behandlungsmethode in die vertragsärztliche
Versorgung aufzunehmen ist. Die Klagen wurden in allen
Punkten vom Sozialgericht abgewiesen. Das Gericht sah
keinen Anlass, die Entscheidung des Bundesausschusses
zur ESWT oder das Bewertungsverfahren des Ausschusses
zu beanstanden; auch die dem Verfahren zugrundeliegende Verfahrensrichtlinie des Bundesausschusses vom
1.10.1997 fand die Billigung des Gerichts. Das Gesamturteil ist für den Bundesausschuss von elementarer Bedeutung, handelte es sich doch bei seiner Entscheidung
um die erstmalige Anwendung seiner neuen Kompetenzen auf der Grundlage des 2. GKV-NOG.
Gesundheitsreform 2000
z! Analog zum Bundesausschuss der Ärzte und Kranken-
kassen soll ein entsprechendes Gremium für den stationären Bereich gebildet werden. So sieht es das Gesundheitsreformgesetz von Januar 2000 vor. Die Spit-
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Gesundheitsreform 2000
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zenverbände der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Bundesärztekammer hatten als Trägerorganisationen die Aufgabe, diesen Ausschuss bis zum 31.8.2000 zu bilden. Seine Aufgabe
wird es sein, zu überprüfen, ob neue medizinische
Verfahren und Methoden in die stationäre Regelversorgung eingeführt werden sollen. Damit wird – ähnlich wie im ambulanten Bereich – künftig die Selbstverwaltung über die Einführung neuer Untersuchungsund Behandlungsmethoden in den Krankenhäusern
entscheiden. Der Ausschuss soll darüber hinaus bereits etablierte Verfahren einer Prüfung unterziehen.
Weiterhin sieht das Gesundheitsreformgesetz 2000 die Errichtung eines Koordinierungsausschusses vor, der dem
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, dem
Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen und
dem noch zu bildenden Ausschuss Krankenhaus übergeordnet werden soll. Er wird von den Spitzenorganisationen, die die Bundesausschüsse und den neu zu bildenden Ausschuss Krankenhaus tragen, als Arbeitsgemeinschaft gebildet. Dies geschieht zum Zwecke der Absicherung der sektorenübergreifenden Verzahnung und einer
einheitlichen Methodik bei der Sichtung und Aufbereitung des wissenschaftlichen Datenmaterials für die Bewertung der Wirksamkeit sowie der Kosten medizinischer
Verfahren und Technologien (s. a. Kap. 11.03.04).
Der Koordinierungsausschuss setzt sich zusammen
aus den Vorsitzenden der Bundesausschüsse und des Ausschusses Krankenhaus sowie paritätisch aus 9 Vertretern
der Leistungserbringer (ambulant und stationär) und 9
Vertretern der Krankenkassen. Die Funktion des Koordinierungsausschusses ist nach der Gesetzesbegründung
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Koordinierungsausschuss, neu zu
bildender Ausschuss
Krankenhaus
Funktion des
Koordinierungsausschusses
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Gesundheitsreform 2000
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z
z
z
Gundlage: evidenzbasierte Leitlinien
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die Gewährleistung einer gemeinsamen Geschäftsführung der Bundesausschüsse und des Ausschusses
Krankenhaus,
die Abgabe von Empfehlungen in Angelegenheiten, die
mindestens 2 Ausschüsse betreffen und vor allem
die Erarbeitung von Kriterien für eine zweckmäßige
und wirtschaftliche Leistungserbringung in der vertragsärztlichen und stationären Versorgung.
Bezogen auf den letzten Punkt sieht das Gesetz vor, dass
der Koordinierungsausschuss auf der Gundlage evidenzbasierter Leitlinien Kriterien für die Leistungserbringung
der Vertragsärzte und der Krankenhäuser festlegt für
mindestens 10 Krankheiten pro Jahr, und zwar für solche,
bei denen Hinweise auf unzureichende, fehlerhafte oder
übermäßige Versorgung bestehen. Für die Erarbeitung
dieser Kriterien ist die Einrichtung einer sachverständigen Stabsstelle beim Koordinierungsausschuss vorgesehen, die sich externen wissenschaftlichen Sachverstands
bedienen kann. Näheres hierzu wird erst in der noch zu
erarbeitenden Geschäftsordnung geregelt.
Das Gesetz sieht keine Fristen für die Einrichtung eines Koordinierungsausschusses vor. Im Sommer 2000 waren die Beratungen über die zukünftige Ausgestaltung des
Koordinierungsausschusses noch nicht abgeschlossen.
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Gesundheitsreform 2000
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z zusammenfassung
September 2000
15 z 03 08
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat die Aufgabe, mit der Erarbeitung und Verabschiedung von verbindlichen Richtlinien für Vertragsärzte und Krankenkassen in einem letzten
Schritt den Leistungsanspruch der GKV-Versicherten zu konkretisieren, und zwar unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenvorgaben des Gesetzgebers. Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebotes steht dabei im Vordergrund des Geschehens. 21 Richtlinien zu unterschiedlichen Themen hat der Bundesausschuss erlassen bzw. ist im
Begriff sie zu erlassen. Mit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes 1989 haben die Richtlinien des Bundesausschusses die Qualität von normkonkretisierenden Rechtsvorschriften und sind damit für ihre direkten Adressaten – Vertragsärzte
und Krankenkassen – verbindlich. Seit 1997 (mit
Inkrafttreten des 2. GKV-NOG) sind die Aufgaben
des Bundesausschusses erweitert und seine Kompetenzen bei der Gestaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung gestärkt worden. Zu nennen ist
hier insbesondere die Aufgabe, diagnostische und
therapeutische Verfahren des bestehenden GKVLeistungskataloges einer Prüfung hinsichtlich ihres
Nutzens, ihrer medizinischen Notwendigkeit und
ihrer Wirtschaftlichkeit zu unterziehen. Bisher
wurde noch kein etabliertes Verfahren insgesamt
negativ beurteilt, die Überprüfung der Knochendichtemessung führte allerdings zu einer Präzisierung der Indikation im Sinne einer Anwendungseinschränkung. Der gesetzliche Prüf- und Bewer-
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15 z 03 08
Gesundheitsreform 2000
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tungsauftrag ist – je nach Interessenlage – mit hohen
Erwartungen oder großen Befürchtungen verknüpft.
Von der Gesundheitsreform 2000 ist zu erwarten,
dass der Selbstverwaltung durch die Erweiterung des
Prüfungsauftrages auf den stationären Bereich weitere Kompetenzen übertragen werden.
Literaturverzeichnis
Andreas M (1975) Die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen. Asgard, Bonn-Bad Godesberg
Döhler M, Manow-Borgwardt P (1992) Gesundheitspolitische
Steuerung zwischen Hierarchie und Verhandlung, MPIFG
Discussion Paper 92/7, Köln
Geschäftsordnung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (1998). BAnz 1994: 7093; BAnz 1997: 13662; BAnz
1998: 4085, 15657
Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab
dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom
22. Dezember 1999. BGBl I 1999: 2626–2658
Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz – GKV-SolG)
vom 19.12.1998. BGBl I 1998/85: 3853–3863
Hess, Venter (1955) Handbuch des Kassenarztrechts, Bd I, Das Gesetz über Kassenarztrecht, 1. Aufl, Ärzte-Verlag GmbH, Köln
Hiller A (1989) Verbindlichkeit und Verfassungsmäßigkeit der
Richtlinien für Ärzte und Krankenkassen, 1. Aufl. Nomos,
Baden-Baden
Jung K (1998) Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen –
Entscheidungsgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung
in der vertragsärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Gesellschaftspolitische Kommentare
gpk 9: 3–42
Kamke K (1998) Bundesausschuß gewinnt an Bedeutung. Deutsches Ärzteblatt 95/1-2 (A27)
Kamke K, Hutzler D (1999) Die Richtlinien des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen. In: Berner B et al. (Hrsg) Die
vertragsärztliche Versorgung im Überblick. Deutscher ÄrzteVerlag, Köln, S 251–331
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Gesundheitsreform 2000
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15 z 03 08
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Rechtsverordnung über die Amtsdauer, Amtsführung und Entschädigung der Mitglieder der Bundesausschüsse und Landesausschüsse der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen
vom 10. November 1956. BGBl I 1956: 861; BGBl I 1980: 282
Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGBV (BUB-Richtlinien, auch: Verfahrensrichtlinie „Ärztliche Behandlung“)
i. d. F. vom 10. Dezember 1999. BAnz 2000: 4602
Sozialgesetzbuch (1998), 24. vollst. überarbeitete Aufl. dtv, Nördlingen
Verfahrensordnung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. BAnz 1997: 13722, 14566; BAnz 1998: 7569 i. V. m.
BAnz 1998: 5998, BAnz 2000: 8182
September 2000
Weiter
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