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Arzneimittelkommission
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Die Krankenhaus-Arzneimittelkommission
Hubert Schneemann
inhaltsüberblick
Hauptaufgabe der Arzneimittelkommission ist es, eine Arzneimittelliste zu erstellen. Aber auch Therapieempfehlungen sind von diesem Gremium zu leisten. Der Beitrag stellt
die Tätigkeit der Kommission mit zahlreichen Hinweisen
für die praktische Arbeit vor. Abschließend wird der Prozess der Entscheidungsfindung vorgestellt und durch ein
ausführliches Beispiel ergänzt.
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September 2000
Arzneimittelkommission
Legitimation
Laut einer Umfrage unter Krankenhausapothekern war
bereits 1986 in 97,3% der befragten Krankenhäuser eine
Arzneimittelkommission etabliert, wobei die meisten
Kommissionen zwischen 1970 und 1984 gegründet wurden (Thürmann et al. 1997; Schütte 1987). Ihre Legitimation erfahren die Arzneimittelkommissionen durch Landesgesetze und die Apothekenbetriebsordnung. In
z § 9 des Krankenhausgesetzes des Landes NordrheinWestfalen (NRW) vom 22. Dezember 1998,
z § 24 des Landeskrankenhausgesetzes Rheinland-Pfalz,
z § 39 des Saarländischen Krankenhausgesetzes,
z § 22 des Sächsischen Krankenhausgesetzes und
z § 21 des Thüringer Krankenhausgesetzes
wird die Einrichtung einer Arzneimittelkommission gefordert. Nach § 27 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung ist
der Leiter der Krankenhausapotheke Mitglied der Arzneimittelkommission des Krankenhauses. Gemäß § 21 Apothekenbetriebsordnung hat er ihm bekannt werdende
Arzneimittelrisiken unverzüglich den leitenden Ärzten
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Landeskrankenhausgesetze, Apothekenbetriebsordnung
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Arzneimittelkommission
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und der Arzneimittelkommission des Krankenhauses mitzuteilen.
Mustervertrag
zwischen ABDA
und DKG
Gesetz gibt nur
den Rahmen vor
§ 22 Abs. 2
Sächsisches
Krankenhausgesetz
Das Krankenhausgesetz NRW und Sachsen sieht weiterhin
vor, dass die Arzneimittelkommission vor der Durchführung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln zu unterrichten ist (s. a. Kap. 14.08). Der zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und
der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vereinbarte Mustervertrag zur Versorgung eines Krankenhauses
mit Arzneimitteln gemäß § 14 Apothekengesetz sieht in
seinem § 11 ebenfalls die vertragliche Verpflichtung des
Krankenhausträgers zur Bildung einer Arzneimittelkommission vor.
Aufgaben
Der Gesetzgeber gibt hinsichtlich der Befugnisse und
Aufgaben der Arzneimittelkommission nur einen Rahmen
vor, so dass der Krankenhausträger bezüglich der Ausgestaltung weitestgehend frei ist. Der § 22 des Sächsischen
Krankenhausgesetzes ist in seiner Aufgabenfestlegung
einschließlich der Informations- und Beratungstätigkeit
sowie der klinischen Pharmazie am umfassendsten (Süß
u. Geisler 1994). Absatz 2 führt aus:
Die Arzneimittelkommission hat insbesondere die Aufgabe,
1. eine Arzneimittelliste, in der die für den laufenden Verbrauch im Krankenhaus bestimmten Arzneimittel aufgeführt sind, nach medizinischen, pharmazeutischen
und wirtschaftlichen Aspekten zu erstellen; dabei sind
auch Gesichtspunkte der Arzneimittelsicherheit zu
berücksichtigen,
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2. die Ärzte in Fragen der Pharmakotherapie und klinischen Pharmazie zu beraten und zu unterstützen sowie die Preiswürdigkeit und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelbeschaffung zu überwachen,
3. Arzneimittelrisiken, insbesondere Nebenwirkungen,
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und Gegenanzeigen zu erfassen sowie die Ärzte des jeweiligen
Krankenhauses und die Arzneimittelkommissionen der
Kammern der Heilberufe hierüber zu unterrichten.
September 2000
Nach dem Landeskrankenhausgesetz NRW hat die Arzneimittelkommission weiterhin durch Beratung an der
Arzneimittelbevorratung für Großschadensereignisse mitzuwirken.
Struktur
Aufgaben und Struktur der Arzneimittelkommission sollten in einer Geschäftsordnung festgeschrieben werden.
Um den medizinischen, pharmazeutischen und ökonomischen Belangen gerecht zu werden, sollten der Arzneimittelkommission der leitende Arzt jeder Fachabteilung,
der leitenden Krankenhausapotheker sowie der Verwaltungsleiter bzw. der Geschäftsführer angehören.
Arzneimittelbevorratung
Geschäftsordnung,
Rekrutierung
der Mitglieder
z! Zur effizienten Umsetzung der Beschlüsse ist darauf
hinzuwirken, dass die Mitgliedschaft persönlich wahrgenommen wird. Regelmäßige Vertretung durch nachgeordnete Mitarbeiter schränkt die Akzeptanz der
Kommissionsbeschlüsse erheblich ein.
Die Anzahl der stimmberechtigten Kommissionsmitglieder hängt damit von der Größe des Krankenhauses ab.
Nach einer Erhebung aus dem Jahr 1995 (Thürmann et al.
1997) beträgt sie bei einem Haus
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Problematische Praxis:
Kommission mit
vielen Mitglieder
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z
z
z
Optimale Größe:
kleine aber
arbeitsfähige
Kernkommission
Zusammensetzung
der Kernkommission
Vorsitz
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mit bis zu 500 Betten im Mittel 12 Mitglieder,
bei 500–1000 Betten 15 Mitglieder und
bei mehr als 1000 Betten 17 Mitglieder.
In Anbetracht der Arbeitsfähigkeit der Kommission darf
ihre Größe jedoch eine bestimmte „kritische Masse“
nicht überschreiten. Interessanterweise korrelierten laut
einer Untersuchung zur Effizienz von Arzneimittelkommissionen die Anzahl der Kommissionsmitglieder positiv
mit den Arzneimittelkosten/Tag/Patient (Thürmann et al.
1997). Das muss einerseits als Hinweis auf die zunehmende Größe und damit Spezialisierung der Häuser interpretiert werden, andererseits ist es jedoch ein ernst zu nehmender Hinweis auf die zunehmende Notwendigkeit zur
Findung eher schwacher Kompromisse. Für größere Häuser empfiehlt es sich deshalb, eine kleine arbeitsfähige
Kernkommission aus bis zu maximal 8 Mitgliedern zu
bilden. Zu den Arbeitssitzungen werden dann im Bedarfsfall und themenbezogen weitere Fachabteilungsleiter
als Sachverständige hinzugezogen.
Zu den „geborenen“ Mitgliedern der Kommission zählen u. a. der Ärztliche Direktor, der Geschäftsführer des
Krankenhauses, der Leiter der Apotheke, ein Vertreter des
Faches Innere Medizin sowie je ein in mikrobiologischen
bzw. pharmakologischen Fragestellungen besonders versierter weiterer leitender Mitarbeiter des ärztlichen Personals. Zur Bearbeitung spezieller Fragestellungen, wie
der Erstellung von Therapieleitlinien, sollte die Kommission Arbeitsgruppen bilden, die ihr mit klarer Ziel- und
Terminvorgabe zuarbeiten.
Vorsitzender der Arzneimittelkommission ist im Allgemeinen der Leiter der Apotheke oder der Ärztliche Direktor. Die Entscheidung sollte sich daran orientieren,
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wem die Geschäftsführung des Krankenhauses die Durchsetzung der Ziele der Kommission eher zuordnet. Ist der
Ärztliche Direktor der Vorsitzende, dann führt der Apothekenleiter die Geschäfte der Kommission. In Häusern
bis zu 1000 Betten nimmt überwiegend der Apothekenleiter den Vorsitz der Arzneimittelkommission wahr, in etwa
30% der Häuser der Ärztliche Direktor. In Universitätskliniken geht der Kommissionsvorsitz vom Apothekenleiter
vermehrt über auf den Leiter einer überwiegend pharmakologisch tätigen Abteilung (Thürmann et al. 1997).
Die Arzneimittelkommission sollte regelmäßig zusammentreten, wobei in die Geschäftsordnung ein Hinweis
auf die Mindestanzahl der jährlichen Sitzungen aufzunehmen ist. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 1995 tagt die
Arzneimittelkommission in den meisten Fällen (ca. 40%)
quartalsweise, in Universitätskliniken mit mehreren Arbeitsgruppen im Allgemeinen häufiger und in ca. 30%
der befragten Häuser halbjährlich (Thürmann et al.
1997).
Im Interesse der Zeitökonomie und unter Berücksichtigung des Aufwandes für die Vor- und Nachbereitung
der Sitzungen sollten in der Kommission überwiegend
abteilungsübergreifende Themen diskutiert und entschieden werden. Abteilungsspezifische Wünsche nach Therapieänderungen sollte der Apothekenleiter verantwortlich
und im Auftrag der Kommission aus seiner Sicht zunächst einer wissenschaftlichen Effektivitätsprüfung unterziehen und dabei auch den Aspekt Wirtschaftlichkeit
betrachten. Mit dem beantragenden und budgetverantwortlichen Fachabteilungsleiter hat er bis zur nächsten
fachübergreifenden Kommissionssitzung eine möglichst
einvernehmliche Regelung über die Handhabung des Änderungswunsches zu treffen. Die zwischenzeitlich getrof5
Sitzungsturnus
Themen und
Sitzungsablauf
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Vorbereitung,
Beschlussfassung
Ergebnisinformation
Aufnahmeantrag
in die Arzneimittelliste
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fenen Vorabentscheidungen werden dann auf dieser Sitzung erläutert, ggf. zusammen mit dem jeweiligen Fachabteilungsleiter erneut kurz zur Diskussion gestellt und
mit einem Votum der Kommission endgültig verabschiedet.
Der Geschäftsführer der Arzneimittelkommission lädt
im Namen des Vorsitzenden unter Bekanntgabe einer eindeutigen Tagesordnung und Beilage entscheidungsreifer
bzw. weiterer entscheidungsrelevanter Materialien rechtzeitig (mindestens 14 Tage vorher) zum anberaumten Termin ein. Hinweise auf Art und Umfang der sachlichen
Vorbereitung, die von den Sitzungsteilnehmern erwartet
wird, fördern eine zügige Beratung und Entscheidungsfindung. Beschlüsse werden nach einer Befragung in 46%
der Kommissionen mit überwiegender (Zweidrittel- oder
Dreiviertel-)Mehrheit, in 45% mit einfacher Mehrheit gefasst (Oberpichler-Schwenk 1996).
Von jeder Sitzung wird ein vom Vorsitzenden unterzeichnetes Beschlussprotokoll gefertigt, das allen Kommissionsmitgliedern und den weiteren Fachabteilungsleitern umgehend zugestellt wird. Das Pflegepersonal, die
weiteren Mitarbeiter der Apotheke und zuständige Mitarbeiter der Verwaltung werden mit einem erläuternden
Schreiben über die Ergebnisse der Sitzung der Arzneimittelkommission informiert.
Aufnahmeanträge für Arzneimitteln in die Arzneimittelliste (s. nächstes Kap.) sind schriftlich und ausreichend
wissenschaftlich begründet vom jeweiligen Fachabteilungsleiter an den Vorsitzenden der Arzneimittelkommission zu richten. Dieser formale Weg soll dazu beitragen,
keine „spontanen“ und möglichst nur sachlich zu rechtfertigende Anträge an die Arzneimittelkommission zu
richten. Die Geschäftsordnung sollte einen Hinweis ent6
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halten, dass Einführungsanträge regelmäßig mit einem
Vorschlag zur Streichung eines bisher gelisteten Präparates zu verbinden sind.
Die Arzneimittelkommission entscheidet über Arzneimittelwirkstoffe. Die Auswahl des Warenzeichens trifft
der leitende Apotheker nach qualitativen und ökonomischen Gesichtspunkten, wobei zur Beurteilung von Generika das Kriterium „Bioäquivalenz“ an vorderster Stelle
stehen muss. Bei Qualitäts- und Preisgleichheit können
wissenschaftliche Interessen der medizinischen Fachabteilungen in die Einkaufsentscheidungen mit einbezogen
werden. Ansonsten verfolgt die in einigen Landeskrankenhausgesetzen vorgesehene Unterrichtung der Arzneimittelkommission über klinische Prüfungen von Arzneimitteln im Wesentlichen auch den Zweck, die Kommission möglichst keinem von ökonomischen Interessen geprägten externen Entscheidungsdruck auszusetzen.
Entscheidungskriterien
für die Aufnahme
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Arzneimittelliste
Nach § 30 Apothekenbetriebsordnung sind die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung
der Patienten des Krankenhauses notwendigen Arzneimittel vorrätig zu halten und aufzulisten (Arzneimittelliste).
In der amtlichen Begründung verzichtet der Gesetzgeber
bewusst auf die Festschreibung der Präparate und trägt
damit den Besonderheiten Rechnung, die sich aus der
Größe, Art und Funktion des jeweiligen Krankenhauses
ergeben. Aus diesem Grund ist es auch weder sinnvoll
und noch möglich, eine für viele Krankenhäuser einheitliche, verbindliche Arzneimittelliste zu erstellen. Die Arzneimittelliste ist im Idealfall eine auf das besondere Leistungsspektrum des Krankenhauses ausgerichtete individuelle „Positivliste“.
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Der Idealfall:
individuelle
„Positivliste“
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Rationeller und
wirtschaftlicher
Gebrauch
der Präparate
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Nutzen der Arzneimittelliste
Die Arzneimittelliste stellt nicht nur die einfache Auflistung verordnungsfähiger Medikamente dar, sondern leistet einen entscheidenden Beitrag zum rationellen und
wirtschaftlichen Gebrauch der Präparate unter Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten (Woodhouse 1994;
Smedt 1994; Frölich 1997):
z Die ausgewählten Präparate wurden von der hauseigenen Arzneimittelkommission einer ausführlichen Kosten/Nutzen/Risiko-Betrachtung unterzogen.
z Die begrenzte Anzahl frei verordnungsfähiger Präparate fördert die detaillierte Kenntnis der einzelnen
Medikamente bei allen Mitarbeitern des Krankenhauses die mit Arzneimitteln umgehen: bei den verschreibenden Ärzten, bei den pharmazeutischen Mitarbeitern und beim verabreichenden Pflegepersonal.
z Die Verwendung wirtschaftlicher Generika wird unterstützt.
z Die breite Anwendung wenig untersuchter Medikamente wird eingeschränkt.
z Es wird ermöglicht, die Verordnungsfähigkeit extrem
teurer oder auch sehr spezieller Therapien, wie beispielsweise die Behandlung mit besonderen Antibiotika, auf bestimmte Spezialisten zu beschränken.
z Der Einkauf der Arzneimittel lässt sich kostengünstig
bündeln.
z Die Anzahl ständig vorrätig zu haltender Medikamente in der Apotheke und auf den Stationen ist überschaubar niedrig, die Lieferfähigkeit ist hoch und der
Verfall wird gemindert.
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z! Eine vergleichende Untersuchung zur Bedeutung von
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Arzneimittelkommissionen in den USA ergab, dass die
Arzneimittelkosten in Häusern mit effizienten Arzneimittellisten etwa 13% niedriger sind als in denen ohne
Liste (Hazlet u. Hu 1992).
Der Nutzen der Arzneimittelliste wird jedoch z. T. erheblich eingeschränkt durch eine zu geringe Flexibilität. Verhindert eine zu strikte oder formalistische Handhabung
beispielsweise bei Antibiotika den rechtzeitigen Einsatz
der wirksamsten Präparate, so ist als Folge mit deutlich
erhöhten Kosten zu rechnen durch verlängerte Liegezeiten
auf Intensivstationen oder durch eine insgesamt verlängerte Verweildauer (Sloan et al. 1997). Gleiche Konsequenzen können aus der verzögerten Verfügbarkeit
neuer und besserer Arzneimittel resultieren. Hier kommt
also der dynamischen Fortschreibung und Handhabung
der Liste eine große Bedeutung zu.
Entscheidungen der Arzneimittelkommission über die
Listung von Präparaten wirken sich über die Entlassmedikation des Patienten oder über die Empfehlung im Arztbrief auch auf das Verordnungsverhalten im ambulanten
Bereich aus. Nach einer gezielten Untersuchung in Wiesbaden stieg der Marktanteil eines zuvor im Zentralklinikum neu gelisteten H2-Rezeptorantagonisten innerhalb
von 12 Monaten gegenüber dem Bundesdurchschnitt um
80%. Das Ergebnis legt nahe, die Folgekosten im niedergelassenen Bereich ebenfalls in die Entscheidungen der
Arzneimittelkommission einfließen zu lassen (Kämmerer
1995).
Vom Krankenhaus empfohlene Arzneimitteltherapien
werden im ambulanten Bereich aus Budgetgründen oder
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Fehlende Flexibilität
steigert die Kosten
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Deshalb den
amulanten Bereich
informieren
Formales
Preisangaben
Weitere Informationen
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auch aufgrund mangelnder Information häufig geändert.
Um dem entgegenzuwirken, wurden in einem Pilotprojekt
zur Information über den Prozess der Erstellung einer
Arzneimittelliste die niedergelassenen Ärzte und Apotheker zu den Sitzungen der Arzneimittelkommission des
Krankenhauses geladen. In Basel kann die Arzneimittelliste des Krankenhauses bereits von den niedergelassenen
Ärzten angefordert werden (Oberpichler-Schwenk 1996).
Aufbau
Entscheidendes Kriterium für den Aufbau der Arzneimittelliste ist die Nutzerfreundlichkeit und ihre Akzeptanz.
Sie muss handlich sein, höchstens DIN-A5-Format, besser
ist DIN-A6, und sie muss klar gegliedert sein, um den
schnellen Zugriff zu den gewünschten Informationen zu
ermöglichen. Ein Inhaltsverzeichnis muss vorhanden sein
sowie ein an die ROTE LISTE angelehntes Indikationsverzeichnis. Die Gruppierung erfolgt nach Indikationsgruppen mit der INN-Bezeichnung als Sortierkriterium. Das
vorrätig gehaltene Warenzeichen wird ebenfalls aufgeführt, sowie besondere Aufbewahrungshinweise.
Der gerundete Apothekeneinkaufspreis incl. MwSt. pro
Einheit (z. B. pro Tablette, Ampulle) fördert beim ärztlichen Personal ein kostenbewusstes Verordnungsverhalten und beim Pflegepersonal die kostenbewusste Handhabung der Arzneimittel. Die Angabe des Verkaufspreises
der öffentlichen Apotheken oder des Preises pro Packung
führt leicht zu ökonomisch falschen Therapieentscheidungen und sollte deshalb strikt unterbleiben.
Weiterhin sind die hausinternen Richtlinien zum Umgang mit Arzneimitteln (Anforderung, Sonderanforderungen, Aufbewahrung auf der Station, Betäubungsmittel,
Notfalldepot usw.) Bestandteil des Arzneimittelverzeich10
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nisses. Seinen besonderen Gebrauchswert bekommt die
Arzneimittelliste durch die Aufnahme der von der Arzneimittelkommission erarbeiteten Therapieempfehlungen
sowie von Informationen, welche die Stationsarbeit erleichtern.
Die Anzahl der gelisteten Substanzen und Zubereitungen hängt wiederum von der Art und Größe des Krankenhauses ab. In Krankenhäusern mit 500–1000 Betten
sind im Mittel etwa 600 Wirkstoffe in etwa 1100 Zubereitungen gelistet, in Universitätskliniken etwa 700 Wirkstoffe in ca. 1600 Zubereitungen (Thürmann et al. 1997).
Die zunehmende elektronische Vernetzung innerhalb
des Krankenhauses bietet die einfache Möglichkeit, die
Arzneimittelliste neben der gedruckten, gebundenen
Form auch im Intranet anzubieten (Goldinger et al. 1997;
Brumhardt u. Bürkle 1998; Bornmann u. Cordoni 1998;
s. a. Kap. 10.11.08). Bei kontinuierlicher Pflege stehen die
Informationen somit zeitnah und hochaktuell zur Verfügung. Die Verwendung didaktischer Gestaltungselemente
wie Schriftgrößen, Farben, Hintergrund, Signalbuttons
u. ä. erhöhen den Aufmerksamkeitswert und Nutzungsgrad weiter. Inwieweit sich die gebundene Form der Arzneimittelliste zukünftig durch die elektronische wird ersetzen lassen, müssen weitere Erfahrungen zeigen.
Einen hochinteressanten Zusatznutzen bekommt die
elektronische Arzneimittelliste, wenn sie nicht nur als Informationsmedium, sondern zusätzlich als elektronisches
System für online-Bestellungen der Station genutzt werden kann. Damit wird das aufwendige und fehlerträchtige
manuelle Ausfüllen von Arzneimittelanforderungen ersetzt durch einen einfachen Mausklick auf die entsprechende Datenzeile der Arzneimittelliste (Bornmann 1999).
Die bereits realisierten ersten Entwicklungen auf diesem
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Anzahl der Mittel
Elektronische contra
gebundene Version
Online-Bestellung
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zukunftsträchtigen Gebiet sollte man interessiert weiterverfolgen.
Inhaltliche
Ausgestaltung einer
Arzneimittelliste
Zulassungsunterlagen
z! TIPP 1: Anregungen sowie weitere gut recherchierte
und beurteilte Informationen zur inhaltlichen Ausgestaltung einer Arzneimittelliste finden sich auch
im Internet unter der Adresse www.druglist.com.
Das „PCS clinical formulary“ ist von unabhängigen
Ärzten und klinischen Pharmazeuten nach ausführlicher Literaturrecherche erarbeitet und wird
jährlich aktualisiert. Zusätzlich zu der Auswahl der
Arzneimittel und einer symbolhaften Kostenbeurteilung ($, $ $ usw.) enthält die Liste zu jeder
Arzneimittelgruppe in knapper Form relevante Verordnungshinweise.
z! TIPP 2: Unter der Internet-Adresse www.eudra.org
stellt die zentrale europäische Zulassungsstelle
EMEA (European Agency for the Evaluation of Medicinal Products) ihre Zulassungsunterlagen und
die zugehörigen Gutachten zur öffentlichen Einsichtnahme zur Verfügung. Bei der Beratung von
Listungsanträgen zentral zugelassener Arzneimittel
ist diese Informationsquelle außerordentlich hilfreich.
Krankenhausapotheker
als Clearingstelle
Nicht gelistete Präparate – Substitutionsmöglichkeit
Eine flexibel gehandhabte Arzneimittelliste hat einerseits
auch die Verordnung nicht gelisteter Präparate zu ermöglichen. Andererseits führt der unnötige Einsatz nicht gelisteter Präparate zu einer außerordentlich kostenträchtigen Präparatevielfalt. Diese ist verbunden mit dem Ein12
Arzneimittelliste
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satz von Medikamenten zweifelhafter Wirksamkeit, mit
einer aufgeblähten Lagerhaltung, einem deutlich erhöhten
Verfall und dem unwirtschaftlichen Einkauf von Kleinstmengen. An dieser Stelle kann die Arzneimittelkommission den Krankenhausapotheker vor der Belieferung als
Clearingstelle zwischenschalten und ihn beauftragen, jede
Sonderanforderung zunächst mit seinem pharmakologischen Sachverstand verantwortlich nach gelisteten Alternativen zu überprüfen.
Hauptanlass für die Verordnung nicht gelisteter Präparate sind die Dauermedikationen stationär neu aufgenommer Patienten. Günstigenfalls nimmt der Apotheker
die Arzneimittelanamnese dieser Patienten direkt auf der
Station auf und stellt die Dauermedikationen, als Therapievorschlag an den behandelnden Arzt, direkt auf die gelisteten Präparate um (Hofmann u. Scherbel 1997). Ist das aus
Gründen personeller Kapazität nicht möglich, dann bietet
sich dazu ein Faxverfahren an. Auf einem selbsterklärenden patientenbezogenen Faxvordruck (Abb. 1) notiert der
aufnehmende Arzt die Dauermedikationen und bittet die
Apotheke auf dem Faxweg um Alternativvorschläge. Liegt
bereits eine substituierbare Arzneimittelbestellung in der
Apotheke vor, wird dem behandelnden Arzt ebenfalls mit
Hilfe eines allgemeinen Vordrucks ein entsprechender Therapievorschlag gemacht (Abb. 2).
Für die wenigen verbleibenden Fälle, bei denen aus
zwingenden medizinischen Gründen der Einsatz eines
nicht gelisteten Arzneimittels notwendig ist, wird dieses
patientenbezogen mit der Unterschrift des budgetverantwortlichen leitenden Arztes oder seines stellvertretenden
Oberarztes umgehend beschafft. Auf diese Art lässt sich
der Anteil der Sonderanforderungen auf 1–2% des Arzneimittelumsatzes beschränken.
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Substitution durch
gelistete Arzneimittel
Beschaffung nicht
gelisteter Arzneimittel
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Abb. 1: Patientenbezogener Faxvordruck zur Substitution nicht gelisteter Medikamente durch Präparate der Arzneimittelliste
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Arzneimittelliste
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Abb. 2: Vordruck zur Substitution von Sonderanforderungen durch Präparate der Arzneimittelliste
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Therapieempfehlungen
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Therapieempfehlungen
Wichtige Aufgabe im
Qualitätsmanagement
Gesetzlicher Auftrag der Arzneimittelkommission ist die
Beratung und Unterstützung der Ärzte in Fragen der
Pharmakotherapie und die Förderung des rationellen
Arzneimittelgebrauchs. Damit hat sie eine entscheidende
Aufgabe innerhalb des Qualitätsmanagmentsystems des
Krankenhauses übertragen bekommen. Neben der Auswahl der zur Arzneimitteltherapie verfügbaren Präparate
in der Arzneimittelliste hat sie innerhalb des Krankenhauses die Qualität der Therapie mit diesen Arzneimitteln
durch geeignete Maßnahmen zu sichern und weiter zu
verbessern (s. a. Kap. 11.03.02).
Die tägliche Informationsflut über neue Studienergebnisse, (Neu-)Bewertung von (neuen) Arzneimitteln und
Therapieprinzipien erfordert ein gewisses Maß an Standardisierung mit den Zielen (Lasek u. Müller-Oerlinghaus
1997)
z Hilfestellung zu geben zur rationellen ärztlichen Verordnungsweise als sichere Grundlage einer ökonomisch und haftungsrechtlich vertretbaren Therapie,
z Vermeidung obsoleter therapeutischer Prinzipien und
der damit verbundenen Kosten,
z Erzielung einer weitgehend vergleichbaren, optimalen
und konstanten therapeutischen Qualität.
Standardisierung
erforderlich
Hauseigene Standards
Die Arzneimittelkommission berücksichtigt die hauseigenen Belange bei der Formulierung dieser Standards. Hinsichtlich der Themenauswahl kann sie sich orientieren an
der ABC-Analyse der kostenträchtigen Behandlungsstrategien oder an Therapien, die zwischen den medizinischen
Fachabteilungen üblicherweise eine große Variabilität aufweisen, wie z. B. die Schmerztherapie oder die Therapie
mit Antibiotika. Diese hauseigenen Standards sollten im
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Therapieempfehlungen
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Auftrag der Arzneimittelkommission von themenbezogenen, jeweils neu zu berufenden Untergruppen mit maximal 8 Teilnehmern erarbeitet werden, in denen Experten
aus den hauptsächlich betroffenen Fachabteilungen vertreten sind. Diese Interessengruppenbeteiligung vermittelt
das Gefühl der Teilhaberschaft und erhöht die Akzeptanz
und Durchsetzung der Standards wesentlich. Der Arbeitsauftrag sollte bereits eine Aussage enthalten zur Verbindlichkeit des zu erarbeitenden Standards. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer unterscheidet
hierzu vier Kategorien, die in Tabelle 1 aufgelistet sind.
Bei der Therapieempfehlung handelt es sich um einen
Handlungskorridor, der noch nicht die Verbindlichkeit einer Richtlinie erreicht. Der Übergang zu einer Leitlinie
ist fließend, wobei diese folgender weitergehenden Definition genügen sollte (Lasek u. Müller-Oerlinghaus 1997).
Die Leitlinie
z ist eine systematisch entwickelte Entscheidungshilfe,
z stellt den nach einem definierten, transparent gemachten Vorgehen erzielten Konsens mehrere Experten aus
unterschiedlichen Fachgebieten dar,
Tabelle 1: Die vier Kategorien der Papiere des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer. (Lasek u. MüllerOerlinghaus 1997)
Definition
Memorandum
Empfehlung,
Stellungnahme
Leitlinie
Richtlinie
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Berufsrechtliche Bedeutung
Information, Handreichung zur Urteilsbildung des Arztes
Information, Handlungsvorschlag
„Standard“ für diagnostische und/oder
therapeutische Verfahren
Verbindliche Regel der ärztlichen Kunst
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Therapieempfehlungen
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z
z
Durchsetzung
der Standards
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ist wissenschaftlich begründet,
ist eine Orientierungshilfe im Sinn von „Handlungsund Entscheidungskorridor“, von dem im begründeten
Fall abgewichen werden kann oder muss,
wird regelmäßig auf Aktualität hin geprüft.
Die Durchsetzung der von der Arzneimittelkommission
formulierten Standards hängt entscheidend ab von der
Qualität dieser Standards selbst, dem Maß an enthaltenem Konsens und dem Grad an Verbindlichkeit. Über die
Analyse der Arzneimittelverbrauchsdaten lässt sich die
„compliance“ mit den Standards durch den Krankenhausapotheker leicht beurteilen.
Beurteilung der Qualität von Therapieleitlinien
Eine Befragung von Arzneimittelkommissionen (Thürmann et al. 1997) ergab: Bei der Erstellung hausinterner
Therapiestandards orientiert sich etwa die Hälfte an bereits
anderweitig publizierten Leitlinien. Der Auswahl qualitativ
hochstehender Leitlinien kommt daher eine besondere Bedeutung zu, zumal in letzter Zeit wiederholt Zweifel an der
Qualität eines großen Teils der veröffentlichen Leitlinien
geäußert wurde (Ollenschläger et al. 1998). Es gilt durchaus, eine gesunde Skepsis zu entwickeln und zu hinterfragen, welche Interessengruppe hinter der Erstellung einer
publizierten Therapieempfehlung stehen mag. Die Vorstände von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung haben „Beurteilungskriterien für Leitlinien in
der medizinischen Versorgung“ festgelegt (Ollenschläger
et al. 1998). Struktur und Inhalt der Checkliste sind im Folgenden als ausgewählte Kriterien zur systematischen Erfassung der Qualität von Leitlinien auszugsweise wiedergegeben (modifiziert nach Helou et al. 1998).
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Therapieempfehlungen
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Dimension 1.
Dokumentation der Leitlinienentwicklung
z Klare Nennung der verantwortlichen Institution
z Angaben über finanzielle oder andere Formen
der Unterstützung durch Dritte
z Repräsentative Zusammensetzung des Leitliniengremiums (Multidisziplinarität)
z Nachvollziehbare Dokumentation der Literaturrecherche
z Nennung der Kriterien für die Auswahl der
wissenschaftlichen und klinischen Belege (Evidenz)
z Nennung von Bereichen unklarer Evidenz und
Identifizierung von Forschungsbedarf
z Nennung der zur Formulierung der Empfehlung eingesetzten Methoden
z Ausdrücklicher Hinweis auf eine geplante Aktualisierung und Überarbeitung der Leitlinie
Dimension 2.
Format und Inhalt des Leitliniendokuments
z Klare Nennung der Gründe für die Leitlinienerstellung und Auswahl des Themas
z Eindeutige Definition der Ziele der Leitlinie
z Ausreichende Nennung der Patienten unter
Berücksichtigung von Kriterien wie klinische
Symptomatik, Stadium der Krankheit, Schweregrad der Krankheit
z Beschreibung klinischer und nicht-klinischer
Umstände eines begründeten Abweichens von
der Leitlinienempfehlung
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Therapieempfehlungen
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z
z
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z
Treffer
Eindeutige Beschreibung des behandelten Gesundheits- und Versorgungsproblems
Aussprache konkreter Empfehlungen
Übersichtliche Präsentation der Empfehlungen
Klare Auflistung der in Frage kommenden
Handlungsalternativen
Nennung notwendiger Entscheidungskriterien
für die Auswahl einer bestimmten Handlungsmöglichkeit
Differenzierte Empfehlung zur Entscheidung
hinsichtlich ambulanter und stationärer Versorgung
Nennung notwendiger Maßnahmen
Nennung überflüssiger oder obsoleter Maßnahmen
Schätzung objektiver Ergebnisparameter (Morbidität, Mortalität, klinische Symptome) des erwarteten gesundheitlichen Nutzens
Beschreibung möglicher gesundheitlicher Risiken und Nebenwirkungen
Schätzung der voraussichtlichen Kosten und
Ausgaben
Dimension 3.
Anwendbarkeit der Leitlinie
z Verbreitung und Implementierung
z Anwendungsprüfung
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Therapieempfehlungen
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Treffer
Nach einer Auswertung von 329 veröffentlichten Leitlinien
(Helou et al. 1998) zeigten sich große Schwächen u. a. hinsichtlich der Unabhängigkeit und der Multidisziplinarität.
Es wurden keine Angaben gemacht, ob für die Erstellung
der Leitlinien eine finanzielle oder andere Form der Unterstützung durch Dritte erfolgte oder ob Vertreter anderer relevanter Gruppen an der Erstellung beteiligt waren. Die
Quellen und Methoden zu den wissenschaftlichen Belegen
der Empfehlungen fehlen weitestgehend. Der Zusammenhang zwischen Evidenzstärke (methodische Qualität und
klinische Relevanz der wissenschaftlichen Belege) und
den daraus abgeleiteten Empfehlungen wird ebenfalls nicht
deutlich. Umstände, die ein Abweichen von der Leitlinie erlauben, werden fast ausnahmslos nicht genannt, ebenso
werden Kostengesichtspunkte nicht thematisiert.
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Therapieleitlinien im Internet
Die Erstellung systematisch entwickelter, evidenzbasierter
Leitlinien, die international geforderten Qualitätskriterien
genügen ist methodisch anspruchsvoll, arbeits- und kostenintensiv (Helou et al. 1998, s. a. Kap. 18.02.04). Daher
gewinnt das Internet als allgemein und weltweit leicht zugängliche sowie zeitnahe Publikations- und Informationsquelle auch in diesem Bereich überragende Bedeutung.
Anregungen für die Erstellung hausspezifischer Therapieempfehlungen kann man mittlerweile unter zahlreichen
Adressen finden.
z Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ermöglicht unter www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF den umfassenden Online-Zugriff auf mittlerweile 1064 Leitlinien
von Fachgesellschaften für Diagnostik und Therapie
(Stand 12/99). Die Steigerung der monatlichen Seiten21
Leitlinien mit
deutlichen Schwächen
Anspruchsvolle
Qualitätskriterien
Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen
Medizinischen
Fachgesellschaften
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Therapieempfehlungen
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Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft
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National Guideline
Clearinghouse
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abrufe von ca. 5000 im Januar 1997 über 25 000 im Januar 1998 auf 140 000 im November 1999 belegt die
rasant zunehmende Bedeutung des Internets für die
Information über Therapieleitlinien.
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission
der deutschen Ärzteschaft können unter www.akdae.de
als Volldokument abgerufen werden.
Seit Januar 1999 ist das National Guideline Clearinghouse (NGC) mit der Adresse www.guideline.gov im
Internet mit z. Z. etwa 300 Leitlinien und dem Ziel,
bis Ende 2001 über 3500 Leitlinien zusammenzutragen.
Das NGC wird betrieben vom U. S. Dept. of Health and
Human Services, der Agency for Health Care Policy and
Research mit Unterstützung der American Medical
Association und der American Association of Health
Plans. Den Leitlinien ist ein ausführliches Abstract vorangestellt. Es enthält bereits Aussagen zur Evidenzstärke (5 Kategorien von „good evidence to support a
recommendation for use“ bis hin zu „good evidence
to support a recommendation against use“) und zum
Zusammenhang zwischen der Evidenzstärke und der
Intensität der Empfehlung (Grade I: Evidence from at
least one properly randomized, controlled trial; Grade
II: Evidence from at least one well-designed clinical
trial without randomisation; Grade III: Evidence from
opinions of respected authorities, based on clinical
experience, descriptive studies, or reports of expert
committees). Mit der Funktion „Create a guideline
comparison“ lassen sich sogar die einzelnen Leitlinien
miteinander vergleichen. Diese Datenbank ist eine wesentliche Hilfe zur Erstellung wissenschaftlich begründeter Therapieempfehlungen (evidence-based
pharmacotherapy).
Methoden wissenschaftlich begründeter Entscheidungsfindung in Kommissionen
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Medscape (www.medscape.com) ist ein weiterer hochaktueller, gut recherchierender medizinischer Internetdienst mit einer Vielzahl therapeutischer Leitlinien.
September 2000
Methoden wissenschaftlich begründeter Entscheidungsfindung in Arzneimittelkommissionen
Der Prozess der Entscheidungsfindung in Arzneimittelkommissionen sollte objektiv und nachvollziehbar sein
und rationalen wissenschaftlichen Kriterien genügen. Die
SOJA-Methode (System of Objective Judgement Analysis)
arbeitet im Rahmen des Entscheidungsfindungsprozesses
mit Selektionskriterien, denen nach dem Urteil der Entscheidungsträger relative Gewichte zugeordnet werden
(Janknegt 1994). Dieses Verfahren hat den Vorteil der Objektivität und bietet gerade sehr unterschiedlich zusammengesetzten Arzneimittelkommissionen eine gute
Möglichkeit zur wissenschaftlichen Diskussion anhand
einheitlicher Kriterien. Die Tabelle 2 soll beispielhaft für
Tabelle 2: Selektionskriterien und Gewichtungsfaktoren für
Fluorochinolone (Janknegt 1994)
Selektionskriterien
Anzahl zugelassener Indikationen
Anzahl der Darreichungsformen
Variabilität in der Bioverfügbarkeit
AUC/MIC90 Verhältnis
Interaktionen
Anzahl der Tabletten/Infusionen/Tag
Häufigkeit der Dosierung
Identische oral/peroral Dosierung
Resistenzentwicklung
Effektivität
Verträglichkeit
Kosten des Präparates
Dokumentation
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Gewichtungsfaktoren
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10
20
120
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60
10
60
280
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100
60
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Medscape
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Die SOJA-Methode
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Methoden wissenschaftlich begründeter Entscheidungsfindung in Kommissionen
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PHARMA DECISION
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die Antibiotikagruppe der Fluorochinolone einen Eindruck von der Art der Selektionskriterien und Gewichtungsfaktoren vermitteln. Im Rahmen des Entscheidungsprozesses wird jedes Kriterium diskutiert und hinsichtlich
seiner Bedeutung für jede zur Entscheidung anstehende
Substanz von den Kommissionsmitgliedern gewichtet. Die
unterschiedlich hohen Gesamtscores der einzelnen Substanzen erleichtern eine objektive Entscheidung. Hinsichtlich weiterer Details der Methode sei an dieser Stelle auf
Janknegt (1994) verwiesen.
Ein EDV-Programm als Instrument der Entscheidungsfindung ist die Software PHARMA DECISION. Sie
wurde 1998 von französischen und belgischen Krankenhausapothekern in Zusammenarbeit mit der Pharmafirma
Pharmacia & Upjohn entwickelt. Das Programm benutzt
sowohl wissenschaftliche als auch Managementmethoden
und berücksichtigt, gestützt auf eine interne Datenbank,
Kosten-/Effektivitätsgesichtspunkte. Budgetkonsequenzen
der Entscheidungen lassen sich leicht simulieren. Das
Programm fördert objektive Entscheidungen, die weitestgehend frei von Verzerrungen (Bias) sind. Es ist jedoch
zeitaufwendig und somit hilfreich nur in den Entscheidungsprozessen, in denen Unterschiede zwischen Präparaten sehr gering sind oder ein Konsens ansonsten nur
schwer zu finden ist. Es ist eine deutschsprachige Version
über Pharmacia & Upjohn verfügbar.
Bei der Substanzauswahl für einzelne Indikationen erleichtert die Anwendung auf Evidenz basierender Prinzipien (z. B. evidence-based pharmacotherapy) die objektive
Beurteilung therapeutischer und ökonomischer Konsequenzen. Das Verfahren soll im Folgenden durch ein Beispiel verdeutlicht werden. Es ist entnommen aus Etminan
et al. (1998), für Einzelheiten sei auf diese Quelle verwiesen.
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Methoden wissenschaftlich begründeter Entscheidungsfindung in Kommissionen
September 2000
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14 z 07 04
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Evidenzbasierte Beurteilung des Nutzens von Misoprostol zur Verhinderung schwerer gastrointestinaler Komplikationen bei der Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAIDs)
z MedLine-Suche (Adressen s. Kap. 10.11.07) mit
den Schlagworten: Misoprostol, Arthritis.
z Ergebnis: insgesamt 50 Arbeiten; eine Arbeit
mit einer randomisierten placebokontrollierten
Doppelblinduntersuchung über 6 Monate, mit
definiertem Endpunkt und klar definierten gastrointestinalen Komplikationen.
z Verumgruppe: 4404 Patienten mit 25 gastrointestinalen Komplikationen
z Plazebogruppe: 4439 Patienten mit 42 gastrointestinalen Komplikationen
z Reduktion des Komplikationsrisikos um 40%
([25/4404]/[42/4439] = 0,0057/0,0095 = 0,6;
1–0,6´100 = 40)
z Reduktion des absoluten Risikos auf 0,38%
(0,95%–0,57%)
z Studienabbrecher wegen Nebenwirkungen: 20%
in der Misoprostol- und 15% in der Plazebogruppe.
z Nach dem Studienergebnis müssten 263 Patienten (number need to treat [NNT]=263), von denen 12 wegen Nebenwirkungen die Behandlung
abbrechen, ein halbes Jahr lang Misoprostol im
Wert von ca. 75 000 $ einnehmen, um bei einem Patienten starke Magen-Darm-Blutungen
zu verhindern.
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14 z 07 04
Methoden wissenschaftlich begründeter Entscheidungsfindung in Kommissionen
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z
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Populationsrisiko für gastrointestinale Blutungen mit NSAIDs bei ansonsten gesunden Patienten: 2%
Reduktion des Populationsrisikos mit Misoprostol um 40% auf 1,2% (2–2´40/100 = 1,2%);
NNT = 125 (100/0,8 = 125)
entscheidung: In Anbetracht des minimalen
Nutzens von Misoprostol als Kombinationspartner von NSAIDs bei ansonsten gesunden Patienten und unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen sowie der Kosten kann die Kombinationstherapie für diese Patientengruppe nicht
empfohlen werden. Anders könnte die Entscheidung lauten bei alten Patienten mit einem
10%igen Populationsrisiko für schwere gastrointestinale Komplikationen (NNT = 25).
Literatur
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Krankenhauspharmazie 20: 65–68
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Methoden wissenschaftlich begründeter Entscheidungsfindung in Kommissionen
September 2000
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Ollenschläger G et al. (1998) Die Checkliste zur methodischen
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