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Das Akutkrankenhaus als GeburtsstaÈtte medizinischer QualitaÈtssicherung
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QualitaÈtsmanagement im Krankenhaus
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Bernhard Badura
inhaltsuÈberblick
QualitaÈtssicherung im Krankenhaus hat noch keine lange
Tradition. Im Unterschied zur industriellen Produktion
werden in der Klinik personenbezogene Dienstleistungen
angeboten. Dies hat Konsequenzen fuÈr das Arzt-Patienten-VerhaÈltnis, das partnerschaftlich orientiert sein sollte.
An dieser Erkenntnis werden 4 AnsaÈtze zum QualitaÈtsmanagement im Krankenhaus gemessen und daraus Kriterien
fuÈr eine patientenorientierte QualitaÈtsstrategie entwickelt.
Ein abschlieûender Blick auf das Krankenhaus im Versorgungsnetz postuliert das Erfordernis der GesamtqualitaÈt.
Das Akutkrankenhaus als GeburtsstaÈtte medizinischer
QualitaÈtssicherung
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Die Geschichte der medizinischen QualitaÈtssicherung
muû erst noch geschrieben werden. FuÈr die Joint Commission on Accreditation of Health Care Organizations,
eine Non-Profit-Organisation, die nach eigenen Angaben
uÈber 80% der US-amerikanischen AkutkrankenhaÈuser einer regelmaÈûigen Bewertung unterzieht, beginnt sie mit
Ernest Codman, einem Chirurgen am Massachusetts
General Hospital in Boston, um die Wende zum 20. Jahrhundert. Er forderte seine Kollegen dazu auf, uÈber die Ergebnisse ihrer Arbeit systematisch Buch zu fuÈhren und
diese Dokumentation der Úffentlichkeit zugaÈnglich zu
machen, damit Patienten bei der Auswahl eines Operateurs informierte Entscheidungen treffen koÈnnen. Diese
ergebnisorientierte QualitaÈtsdokumentation setzte sich
zunaÈchst nicht durch. Das American College of Surgeons
hat sich damals vielmehr fuÈr ein anderes QualitaÈtssiche1
Quantitative Messung
versus Standards
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Das Krankenhaus als personenbezogene Dienstleistungsorganisation
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Die Kontroverse bleibt
unentschieden
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rungsverfahren entschieden: NaÈmlich dafuÈr, die Bewertung der klinischen Praxis ihrer Mitglieder ¹auf Standards statt auf quantitative Meûverfahren zu gruÈndenª
(Joint Commission 1997 S. XI).
Die Kontroverse zwischen den AnhaÈngern des einen
oder anderen Verfahrens ist bis heute nicht abgeklungen.
Die Joint Commission bezieht gegenwaÈrtig folgende Position: Die Messung von Behandlungsergebnissen habe nur
begrenzten Wert, weil sie Informationen uÈber vergangene
oder gegenwaÈrtige LeistungsfaÈhigkeit eines Arztes oder
eines Krankenhauses liefere. Standards bzw. Leitlinien dagegen seien lehr- und lernbar und koÈnnten deshalb auch
zukuÈnftiges Handeln anleiten (Joint Commission 1997).
Einzuwenden waÈre hierzu allerdings, daû das bloûe Einhalten von Behandlungsstandards noch laÈngst keine guten Behandlungsergebnisse garantiert. Die hier zu beruÈcksichtigende EinschraÈnkung lautet: Nur wenn die
Standardentwicklung auf gepruÈften Kausal- und Interventionsmodellen basiert und wenn Standards/Leitlinien angemessen angewandt werden gilt, daû diejenige Organisation, die das Richtige auf die richtige Weise tut, damit
die Wahrscheinlichkeit guter Ergebnisse erhoÈht: ¹Today
the combination of outcomes measurement and assessment of compliance with performance-based standards is
recognized as the definitive state of the art approach to
the evaluation of all types of health care organizations
and systemsª (Joint Commission 1997).
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Das Krankenhaus als personenbezogene
Dienstleistungsorganisation
Die Ûbertragung
industrieller VerhaÈltnisse ist nicht moÈglich
Die Geschichte der modernen QualitaÈtssicherung ist eng
verbunden mit der Geschichte der QualitaÈtssicherung in
der Industrie (Lerner 1994; Badura u. Strodtholz 1998).
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Auch der Total-Quality-Management-Ansatz ist fuÈr die
Fertigung industrieller SachguÈter durch mehr oder weniger gut qualifizierte Arbeiter entwickelt worden. Das moderne Krankenhaus, sei es in Form eines High-Tech-Zentrums, in Form eines Gesundheitszentrums oder in Form
einer Rehabilitationsklinik, unterscheidet sich davon fundamental. Deshalb verbietet sich eine unmodifizierte
Ûbertragung von AnsaÈtzen und Verfahren industrieller
QualitaÈtssicherung auf diesen Gegenstand. Es sind im wesentlichen 2 Unterschiede zwischen industrieller SachguÈterproduktion und dem Leistungsgeschehen im Krankenhaus:
z Die Arbeit im Krankenhaus richtet sich auf Personen.
z Die Kernprozesse im Krankenhaus, also die fu
È r seine
Aufgabenerledigung zentralen Arbeitsschritte, liegen
in HaÈnden hochspezialisierter Experten.
FuÈr ein Akutkrankenhaus darf unterstellt werden, daû zu
den wichtigsten Aufgaben die Behebung eines koÈrperlichen Schadens sowie (faktisch sehr viel haÈufiger zutreffend) die Verlangsamung der Progredienz einer eingetretenen chronischen Krankheit zaÈhlen. Die dazu erforderlichen Leistungen werden nicht wie in der Industrieproduktion an SachguÈtern erbracht, sondern an Menschen.
Deren Vertrauen muû gewonnen werden, damit die Akzeptanz der angebotenen Leistungen gesichert ist, ebenso
wie die Mitarbeit der betroffenen Patientinnen und Patienten bei ihrer Erbringung zur Erzielung erwuÈnschter
Ergebnisse.
Mit anderen Worten: Das Kerngeschehen im Akutkrankenhaus besteht aus personenbezogenen Dienstleistungen, deren Zielfindung, Verlauf und Ergebnis wesentlich auch von Kognition, Emotion, Motivation und Ver3
Leistungserbringung
an Menschen und
nicht an Sachen
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Der Patient ist
gleichzeitig Kunde
und Mitproduzent
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haltensweisen der behandelten PatientInnen abhaÈngt, keineswegs nur von ihrem koÈrperlichen Zustand und den
sich darauf richtenden Arbeitsleistungen der Gesundheitsexperten.
Die Darstellung eines Arbeitssystems in der industriellen GuÈterproduktion ist schematisch in Abb. 1 dargestellt.
Arbeitsobjekte sind hier Rohstoffe, Halbfertigprodukte
oder Informationen. Die Arbeitsaufgabe ist durch den
Auftrag des Kundens und/oder durch Vorgaben des Vorgesetztens definiert. Die wertschoÈpfenden Arbeitsleistungen bestehen in dem sach- und kunstgerechten Einsatz
der gegebenen technischen Arbeitsmittel (Werkzeuge).
Das Arbeitsergebnis (WertschoÈpfung) schlieûlich besteht
in den ± direkt oder indirekt wahrnehmbaren ± werterhoÈhenden VeraÈnderungen am Arbeitsobjekt (z. B. im Wiederfunktionieren eines defekten GeraÈtes nach einer gelungenen Reparatur).
Die analoge, schematisierte Darstellung eines Arbeitssystems in der kurativen Medizin ist in Abb. 2 gezeigt.
Abb. 1: Das Arbeitssystem in der Industrieproduktion. (Luczak 1997 S. 13)
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Abb. 2: Das Arbeitssystem in der kurativen Medizin (Koproduktionsthese)
Das Arbeitsobjekt ± und darin liegt der grundlegende Unterschied zwischen Industrieproduktion und Erstellung
personenbezogener Dienstleistung ± ist ein Mensch, kein
Gegenstand und keine Information. Arbeitsaufgabe und
die angestrebten Ergebnisse sind nicht extern vorgegeben,
sondern muÈssen mit dem Patienten ausgehandelt werden,
da der Patient/die Patientin zugleich Kunde und Koproduzent ist, d. h. zugleich Arbeitsobjekt und Mitarbeiter/
in. Daraus folgt, daû Arbeitsprozesse nicht nur technikvermittelt erfolgen, sondern immer auch (und oft auch
zuerst) aus Interaktionen, d. h. zwischenmenschlichen
Prozessen, bestehen. Beispielhaft seien genannt die Vorbereitung technikintensiver Interventionen (z. B. zur
wechselseitigen Information und Motivation), die FuÈhrung des Patienten waÈhrend ihrer kunstgerechten DurchfuÈhrung (z. B. zur Korrektur seiner/ihrer KoÈrperhaltung
beim RoÈntgen) und die Information, Motivation und
Schulung des Patienten zur Mitarbeit bei der weiteren
AbklaÈrung oder Bearbeitung seiner Problemstellung und
bei der Vorbereitung zur Ûberweisung oder Entlassung.
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Die Erfolgsbedingungen kurativer Leistungen im
Krankenhaus liegen somit nicht alleine in evidenzbasierten professionellen Standards und technisch kunstgerechter BerufsausuÈbung.
z! Kernprozesse der gesundheitlichen Leistungserstellung
vollziehen sich vielmehr in der direkten Kommunikation zwischen Anbietern und Patienten.
Groûe KenntnisluÈcken
der empirischen
Krankenhausforschung
Hier verbindet sich professionelles Handeln mit dem koproduktiven Potential auf seiten der Patienten und ihrer
AngehoÈrigen, die meist erheblich zur Prozeû- und ErgebnisqualitaÈt der erbrachten Leistungen beitragen.
SorgfaÈltige Beobachtungsstudien und Beschreibungen
der Krankenhausarbeit liegen hierzulande bisher kaum
vor. Aus der Sicht der empirischen Organisationsforschung ist das Akutkrankenhaus eine ¹black boxª. Hier
besteht erheblicher Forschungsbedarf. Soweit das vorliegende Wissen erkennen laÈût, koÈnnen im Akutkrankenhaus folgende 4 Kernprozesse identifiziert werden:
z Entwicklung und Pflege einer vertrauensvollen Beziehung zu Patienten und AngehoÈrigen zur Mobilisierung ihrer koproduktiven Potentiale;
z ausreichende Information, Beratung und ggf. auch
Schulung der Patienten und AngehoÈrigen zur Mitarbeit und zum selbstbestimmten Handeln;
z angemessene und kunstgerechte Anwendung gepru
È fter
technikintensiver Leistungen;
z angemessene und kunstgerechte Anwendung pflegerischer Leistungen zur physischen, emotionalen und
praktischen BewaÈltigung der Folgen von Krankheit
und Behandlung.
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Auf die Erfordernisse dieser 4 Kernprozesse waÈren Arbeit
und Organisation, waÈren Qualifizierung, Arbeitsbedingungen, ArbeitsablaÈufe und Aufbauorganisation, waÈren
QualitaÈts- und Risikomanagement eigentlich auszurichten. Oft sieht die heutige KrankenhausrealitaÈt allerdings
ganz anders aus. Das gesamte Geschehen ist auf technikintensive Arbeitsleistungen konzentriert. Alles andere ist
zweit- oder drittrangig oder wird gaÈnzlich unterlassen.
Patienten werden zumeist eher passiviert und marginalisiert, statt als Mitproduzenten anerkannt und entsprechend motiviert und qualifiziert (Badura u. Feuerstein
1996; Badura et al. 1995; Badura et al. 1987, MuÈller et al.
1997).
BemuÈhungen zur exakten Bestimmung des Eigenanteils der Patienten bei der DurchfuÈhrung einzelner diagnostischer und therapeutischer Prozeduren und beim erreichten Ergebnis sowie bei der Prozeûgestaltung im
Krankenhaus liegen meines Wissens weltweit noch nicht
vor. Derartige Arbeiten haÈtten nicht nur wesentliche Bedeutung fuÈr eine Neubewertung der Rolle der Patienten
als Koproduzenten. Sie wuÈrden auch exakte Hinweise darauf geben, durch welche Leistungen speziell der Eigenbeitrag der Patienten zur WertschoÈpfung gesteigert werden
koÈnnte. Bei Behandlung und Rehabilitation chronisch
Kranker erscheinen BemuÈhungen zur Erfassung und FoÈrderung der koproduktiven BeitraÈge besonders geboten
(vgl. Badura et al. 1987).
Der Verlauf chronischer Erkrankungen und die Verschmelzung der produktiven und konsumtiven Funktionen wirft zahlreiche, bisher wenig beachtete Probleme
auf, insbesondere bei der zeitlichen Abgrenzung von
Krankenhausleistungen und bei ihrer Ergebnismessung.
Wann beispielsweise findet die Dienstleistung ¹Versor7
KrankenhausrealitaÈt:
Der Patient wird
passiviert
Die Leistung
des Patienten als Teil
der Gesamtleistung
begreifen
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Vom paternalistischen zum partnerschaftlichen Arzt-Patienten-VerstaÈndnis
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gung eines chronisch kranken Herzpatienten nach akutem Herzinfarktª ihr zeitliches Ende? Ist das Ziel die Verlangsamung der Krankheitsprogredienz, dann ist die
Phase der akutmedizinischen Behandlung keinesfalls ausreichend zur Zielerreichung. Hier stellt sich zwangslaÈufig
die Frage: Sollten nicht auch die mehr oder weniger erfolgreichen Versuche der Expatienten zur Selbstversorgung, d. h. zur RisikofaktorenbekaÈmpfung, zur StreûbewaÈltigung, zur sozialen Integration und zu manchem anderen mehr, sollten nicht eben diese weitgehend vom Patienten selbst und seinen AngehoÈrigen zu bewaÈltigenden
Aufgaben als Teil jenes gesamten LeistungsbuÈndels zu begreifen sein, das zur Zielerreichung notwendig wird?
Dann gilt es aber, den Patienten konsequenterweise bereits im Krankenhaus dazu zu befaÈhigen.
Festzuhalten bleibt, daû im Falle chronisch Kranker
wesentliche BeitraÈge zur Erreichung von Behandlungszielen erst nach dem zeitlichen Ende der Krankenhausleistungen anfallen. Wie wir aus eigenen Studien wissen
(Badura et al. 1987; Badura et al. 1995), ist der Zeitpunkt
der Ergebnismessung von erheblicher Bedeutung fuÈr die
gemessene ErgebnisqualitaÈt. Eine Behandlung, die auf
eine laÈngerfristige Stabilisierung der Krankheitsprogredienz ausgerichtet ist, erfordert entsprechend laÈngerfristige Zielsetzungen. Wie geht das Akutkrankenhaus heute
damit um? Die Antwort auf diese Frage bleibt dem sachkundigen Leser uÈberlassen.
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Vom paternalistischen zum partnerschaftlichen
Arzt-Patienten-VerstaÈndnis
Paternalismus:
Der Arzt entscheidet
Geht man vom Modell einer paternalistisch gestalteten
Arzt-Patienten-Beziehung aus, liegt die volle Kompetenz
zur Festlegung der Behandlungsziele und zur Auswahl
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Vom paternalistischen zum partnerschaftlichen Arzt-Patienten-VerstaÈndnis
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der therapeutischen Mittel bei dem jeweiligen behandelnden Arzt. Arzt und Patient unterscheiden sich in diesem
Modell nicht in ihren PraÈferenzen. Sollte dies doch der
Fall sein, dann hat das mit uÈberlegenem Sachverstand
ausgestattete Arzturteil ein hoÈheres Gewicht. Dem Patient
faÈllt die Rolle zu, Informationen zu geben und den aÈrztlichen Anweisungen zu folgen, d. h. ¹compliantª zu sein.
In einem partnerschaftlich gestalteten Arzt-PatientenVerhaÈltnis wirken dagegen beide, Arzt und Patient,
grundsaÈtzlich gleichberechtigt mit an der Festlegung der
Therapieziele, an der Auswahl der Therapieschritte, ihrer
AusfuÈhrung und Evaluation. Daû Ørzte und Patienten unterschiedliche Perspektiven und PraÈferenzen haben koÈnnen, wird hier als selbstverstaÈndlich vorausgesetzt. Da es
um Person und Schicksal des Patienten geht, haben in einem partnerschaftlichen Arzt-Patienten-VerhaÈltnis die PatientenpraÈferenzen besonderes Gewicht. GesundheitsfoÈrderung, intelligente Nutzung des Gesundheitswesens, aktive Mitarbeit bei Diagnostik und Therapie, gesundheitsbewuûtes Handeln im Rahmen der LangzeitbewaÈltigung
einer chronischen Krankheit ± fuÈr all dies sind Motivation, Qualifikation und aktive Mitarbeit der Patienten von
entscheidender Bedeutung. Daher laÈût sich auch so etwas
wie ein ¹ehernesª Gesetz personenbezogener Dienstleistungen wie folgt formulieren:
z! Bei der Erbringung personenbezogener Dienstleistun-
gen lassen sich angestrebte Ergebnisse zumeist nicht
ohne, auch nicht gegen, sondern nur gemeinsam mit dem
Patienten erreichen.
Angemessene organisatorische Voraussetzungen fuÈr ein
partnerschaftliches VerstaÈndnis sind prozeû- und nicht
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Partnertschaft:
Der Patient
entscheidet mit
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AnsaÈtze zum QualitaÈtsmanagement im Krankenhaus
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QualitaÈt der Leistung
und Zufriedenheit
der Patienten
haÈngen zusammen
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funktionsorientierte
Arbeitsgestaltung,
ausreichende
Handlungs- und EntscheidungsspielraÈume, teamartige
Zusammenarbeit der unterschiedlichen Berufsgruppen
und der Abbau arbeitsbehindernder Hierarchien.
Die vorliegenden Erkenntnisse sprechen dafuÈr, daû
die Patienten zufriedener sein werden, wenn sie ihren
WuÈnschen entsprechend in die sie betreffenden Entscheidungen einbezogen werden und wenn sie auf die DurchfuÈhrung klinischer Prozesse ausreichend vorbereitet, d. h.
beraten und informiert, werden. Zahlreiche Befunde sprechen dafuÈr, daû die QualitaÈt der erbrachten Leistungen
besser sein wird, wenn die Patienten ausreichend motiviert und qualifiziert die Klinik verlassen und wenn sie
befaÈhigt worden sind, ihr Schicksal wieder ganz oder
weitgehend in ihre eigenen HaÈnde zu nehmen (Blum
1998; Ruprecht 1998).
AnsaÈtze zum QualitaÈtsmanagement im Krankenhaus
Die besonderen Merkmale der Organisation Krankenhaus
sind
z ihr hoher Grad an Arbeitsteilung, Spezialisierung und
Technisierung,
z die Tatsache, daû zur Bewa
È ltigung der Aufgabenstellung zahlreiche unterschiedliche Berufsgruppen zusammenarbeiten muÈssen und dabei einer Kontrolle durch in
der Regel ebenso steile wie starre Hierarchien unterliegen,
z die teilweise hohe Ungewiûheit u
È ber das Vorgehen im
Einzelfall und die damit verbundenen teilweise hohen Risiken fuÈr die Patienten,
z die Notwendigkeit der engen Verknu
È pfung von Kernprozessen einerseits und Service- und FuÈhrungsprozessen
andererseits.
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AnsaÈtze zum QualitaÈtsmanagement im Krankenhaus
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Dies alles hat dazu beigetragen, daû wir heute lernen
muÈssen, mit mindestens 4 unterschiedlichen Verfahren
zum QualitaÈtsmanagement im Krankenhaus umzugehen:
z mit dem prozeû- und standardorientierten Vorgehen
der einzelnen Berufsgruppen,
z mit dem die gesamte Organisation einbeziehenden
Total-Quality-Management-Ansatz (TQM),
z mit dem Pru
È finstrumentarium der klinischen Epidemiologie,
z mit der Beurteilung einzelner Arbeitsleistungen, Organisationen oder ganzer Gesundheitssysteme durch empirischen Vergleich mit Hilfe standardisierter Kennziffern bzw. Indikatoren.
Zu einer detaillierten Darstellung der LeistungsfaÈhigkeit
dieser AnsaÈtze vgl. Badura u. Siegrist (1999).
Der berufsgruppenorientierte Ansatz
Der berufsgruppenorientierte Ansatz zur QualitaÈtssicherung bzw. QualitaÈtsentwicklung hat die laÈngste Tradition
und verbindet sich vor allem mit dem Namen des Amerikaners Avedis Donabedian (z. B. Donabedian 1966). QualitaÈt haÈngt hier im wesentlichen von zweierlei ab:
z der Qualifikation, Berufserfahrung und Motivation der
Dienstleister und
z der QualitaÈt des ihnen zur kunstgerechten Durchfu
È hrung ihrer Arbeit zur VerfuÈgung stehenden Wissens.
Zu beachten ist, daû hier nicht die erzielte Wirkung im
Zentrum der Betrachtung steht, sondern der Grad der
Ûbereinstimmung der ausgefuÈhrten Leistungen mit den
neuesten Erkenntnissen. Die Verwissenschaftlichung von
Ausbildung und Praxis ist das zugrunde liegende Leitbild
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Einsatz von Richtund Leitlinien
sowie Empfehlungen
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AnsaÈtze zum QualitaÈtsmanagement im Krankenhaus
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Schwachpunkte des
berufsgruppenorientierten Ansatzes
GraÈben zwischen
den Berufsgruppen
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sowie die Annahme, daû wissenschaftliche Fortbildung,
verbunden mit kontinuierlicher Weiterbildung, eine sich
kontinuierlich verbessernde LeistungsqualitaÈt gewaÈhrleistet. In diesem Modell wird verstaÈrkt auf Richtlinien,
Leitlinien oder Empfehlungen Wert gelegt, die von wissenschaftlichen Fachgesellschaften praxisgerecht entwikkelt und fortgeschrieben werden sollen.
Der berufsgruppenorientierte Ansatz bemuÈht sich um
eine Optimierung der patientenbezogenen Kernprozesse
im Krankenhaus. Auûerdem: Je wichtiger die wissenschaftliche Wissensbasis fuÈr die QualitaÈt einer Dienstleistung, desto unverzichtbarer ist auch das von Fachgesellschaften aufgearbeitete und in Leitlinien verdichtete Wissen. Hauptfehlerquelle im berufsgruppenorientierten Ansatz sind LuÈcken und MaÈngel im Grundlagenwissen sowie
schlecht qualifizierte, unmotivierte, uÈberarbeitete oder
schlecht gefuÈhrte Ørzte oder PflegekraÈfte. Fehler werden
in diesem Ansatz zunaÈchst einmal nahezu automatisch
mit persoÈnlichem Verschulden gleichgesetzt (z. B. Nagel u.
Fuchs 1997).
Dieser berufsgruppenorientierte Ansatz ist unverzichtbar, wenngleich auch ergaÈnzungsbeduÈrftig:
z Wo mehrere unterschiedliche Berufsgruppen gemeinsam mit und am Patienten arbeiten, stellt sich das Problem der VerknuÈpfung diverser Leitlinien unterschiedlicher Herkunft. Soll ein Herzpatient beispielsweise nach
den Leitlinien der Chirurgen, Kardiologen oder nach denen der mitverantwortlich taÈtigen PflegekraÈfte behandelt
werden? Damit ein Krankenhaus gute Leistungen erbringen kann, d. h. die GraÈben zwischen den Berufsgruppen
nicht vertieft, sondern uÈberbruÈckt werden, muÈûte eigentlich an der Entwicklung berufsgruppenuÈbergreifender
Leitlinien gearbeitet werden. Hier muû das Krankenhaus
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AnsaÈtze zum QualitaÈtsmanagement im Krankenhaus
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also wesentliche ErgaÈnzungsarbeiten leisten, um mit den
vorhandenen Leitlinien umgehen zu koÈnnen.
z Wo mehrere Berufsgruppen in einer komplexen Organisation zusammenarbeiten, muû das prozeûorientierte
Arbeiten uÈber die Grenzen von Berufsgruppen, aber auch
uÈber die Grenzen unterschiedlicher Abteilungen bzw. Kliniken hinweg gewaÈhrleistet sein ± in einer von Hierarchie
und Arbeitsteilung gepraÈgten Organisation ist dies eine
besondere Herausforderung.
z Die Anwendung von Leitlinien garantiert weder die
Angemessenheit einer Leistung noch die Erreichung der
angestrebten Ziele. Leitlinien erlauben Aussagen daruÈber,
ob das, was getan wird, kunstgerecht getan wird. Sie erlauben aber keine Aussagen daruÈber, ob auch das Richtige getan wird und die angestrebten Ergebnisse auch tatsaÈchlich erreicht werden.
z Daru
È ber hinaus sind die koÈrperlichen, psychischen
und sozialen Voraussetzungen der betroffenen Patienten
mitverantwortlich fuÈr die QualitaÈt der erbrachten Prozesse und die dadurch erzielten Ergebnisse. Auch wenn
die behandelnden Expertinnen und Experten aus ihrer
Letztverantwortung fuÈr das Leistungsgeschehen nicht entlassen werden duÈrfen, ist dieser Sachverhalt bisher zu
haÈufig uÈbersehen worden bzw. verdient eine deutlich staÈrkere Beachtung. Beobachtung und Bewertung personenbezogener Dienstleistungen erfordert daher nicht nur die
Erfassung der Arbeitsleistungen der Experten, sondern
auch die Erfassung der koproduktiven Leistungen der Patienten, deren QualitaÈt und QuantitaÈt zumindest teilweise
wieder von QuantitaÈt und QualitaÈt der insbesondere interaktionsintensiven Arbeitsleistungen der Experten abhaÈngt.
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Prozeûorientiertes
Arbeiten
Kunstgerecht ist nicht
automatisch richtig
Erfassung der
koproduktiven
Leistungen der
Patienten fehlt
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Bestehende Patientendokumentation ist
unzureichend
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Bei der Erstellung personenbezogener Gesundheitsdienstleistung ist der Patient zugleich Objekt und Subjekt der
Arbeit, ist der Experte zugleich Handwerker, PaÈdagoge
und Partner, kommt es auf die kunstgerechte Anwendung
nicht nur angemessener und gepruÈfter technischer Verfahren an, sondern auch auf die kunstgerechte Teilnahme
an zwischenmenschlichen Prozessen. Ein Urteil uÈber die
ProzeûqualitaÈt kann entweder auf direkter Beobachtung
der Arzt-Patienten-Interaktion beruhen oder ± mit erheblichem Informationsverlust, was insbesondere den Beitrag
der Patienten betrifft ± auf von Ørzten oder PflegekraÈften
dokumentierten Informationen (in der Regel Krankenblatt bzw. Patientendokumentationssystem):
z« Es ist falsch zu behaupten, daû Anbieter Leistun-
gen erbringen und Patienten Leistungen empfangen. Realistischer waÈre es, davon auszugehen, daû
beide gemeinsam das Leistungsgeschehen gestalten. Die QualitaÈt der BeitraÈge der Patienten haÈngt
in erheblichem Maûe davon ab, was Ørzte ihnen
beizutragen erlauben und wie gut sie ihre Patienten zur Mitarbeit befaÈhigen (Donabedian 1992
S. 250, Ûbersetzung durch den Verfasser).
Die Erfassung der ErgebnisqualitaÈt klinischer Leistungen
und ihre Attribuierung zu bestimmten Prozessen ist nur
mit dem Instrumentarium der klinischen Epidemiologie
im Sinne von Wahrscheinlichkeitsaussagen moÈglich.
TQM hat 2 Wurzeln
Der organisationsbezogene Ansatz (TQM)
Der organisationsbezogene Ansatz hat zwei Wurzeln. Die
eine liegt in der industriellen Massenfertigung der 30er
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Jahre und im BemuÈhen von Fertigungsingenieuren, Fehlerraten und Ausschuûproduktion durch statistische QualitaÈtskontrollen zu verringern, um dadurch zur Senkung
der Produktionskosten beizutragen. Die zweite liegt im
BemuÈhen insbesondere japanischer Unternehmen nach
dem Zweiten Weltkrieg, die statistische Endpunktkontrolle um einen praÈventiven Ansatz zur FruÈherkennung und
Vermeidung von Fehlern und Verschwendung in der gesamten Produktionskette zu ergaÈnzen und die KundenbeduÈrfnisse bereits bei der Konstruktion und Entwicklung
eines Produktes zu beruÈcksichtigen.
Der Leitsatz ¹Nur verbesserte Prozesse ermoÈglichen
verbesserte Ergebnisseª motivierte hier zu einer Betrachtung, die umfassend ist d. h. die gesamte Organisation,
auch FuÈhrungssysteme und Arbeitsbedingungen, einbezieht. Zentrales Motiv ist auch in diesem Vorgehen neben
mehr Kundenorientierung die Senkung der Betriebskosten. Die zahlreichen Warnungen in der einschlaÈgigen Literatur, QualitaÈtsfoÈrderung nicht nur aus KostengruÈnden
zu betreiben, zeigen, wie sehr hier von Fall zu Fall um
das Eigengewicht des QualitaÈtsmotivs gerungen werden
muû (z. B. Imai 1992). Hauptfehlerquellen im organisationsbezogenen Ansatz liegen in einer ausufernden Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie im traditionellen Denken entlang vertikaler ZustaÈndigkeitspyramiden oder
MachtdomaÈnen in der dadurch erzeugten Vielzahl von
Schnittstellen und der daraus resultierenden mangelhaften Verzahnung der ArbeitsablaÈufe.
Hinter der Kontroverse, ob dem professions- oder
dem organisationsbezogenen Ansatz der Vorrang einzuraÈumen ist, verbirgt sich nicht selten ein Machtkampf
zwischen Medizinern und Krankenhausmanagern. Kliniker wollen die Kontrolle uÈber klinische Prozesse behalten;
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QualitaÈtsfoÈrderung
sollte mehr als nur
Kostenbremse sein
Machtkampf
zwischen Klinikern
und Managern
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Der Blick fuÈr
nichtpekuniaÈre
Ergebnisse fehlt
Schnittstelle zwischen
klinischer Forschung
und Praxis
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Manager, die sich fuÈr die Gesamtorganisation verantwortlich fuÈhlen, machen sie ihnen streitig.
FuÈr die QualitaÈtsbewertung entscheidend sind die gesetzten Ziele, die Situationsanalyse und Projektplanung.
Wesentlich sind ferner die Sorgfalt und Ûbersicht bei der
DurchfuÈhrung einzelner Projekte (z. B. Weiterbildungsmaûnahmen, QualitaÈtszirkel, Fehlzeitenanalyse) und vor
allem inwieweit die vorab festgelegten Ergebnisse auch
tatsaÈchlich erreicht werden bzw. falls nicht, warum dies
der Fall ist. TQM-Experten sind Organisationsexperten,
die dem Kostenaspekt meist eine hoÈhere PrioritaÈt als den
Fragen nach der QualitaÈt beimessen und in der Regel wenig von einer epidemiologisch betriebenen PruÈfung der
Behandlungsergebnisse halten (z. B. Graf et al. 1998; Jaster
1996; Kaltenbach 1993).
Der epidemiologische Ansatz
Diesem Ansatz kommt in der Krankenhauspraxis von
heute insbesondere dort eine hervorgehobene Rolle zu,
wo einzelne Gesundheitsexperten oder Abteilungen neben
Versorgungs- und Ausbildungsaufgaben auch AuftraÈge in
der klinischen Forschung bearbeiten, z. B. in der ArzneimittelpruÈfung oder im Health-Technology-Assessment.
Eine zentrale Rolle spielt die klinische Forschung an Medizinischen FakultaÈten und in ausgewaÈhlten KrankenhaÈusern der Maximalversorgung. Zur RoutinetaÈtigkeit eines
Krankenhauses zaÈhlt sie sicherlich nicht. Gleichwohl ist
der epidemiologische Ansatz hier aber auf eine indirekte
Weise von erheblicher Bedeutung, weil die Ergebnisse der
klinischen Forschung in Form wissenschaftlicher Evidenz
eine wesentliche Voraussetzung auch fuÈr die QualitaÈt des
Routinehandelns bilden und fuÈr die Weiterentwicklung
von Leitlinien. Die heute weltweit unter dem Stichwort
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¹evidenzbasierte Medizinª gefuÈhrte Diskussion zeigt, wie
wichtig die Schnittstelle zwischen der klinischen Forschung und dem Alltag der klinischen Praxis im Krankenhaus geworden, wie wichtig die staÈndige AbklaÈrung
des hausinternen Wissens mit dem externen Sachverstand
ist (Perleth u. Antes 1998).
So wie sich der berufsgruppenorientierte Ansatz zur
QualitaÈtsfoÈrderung vor allem mit dem Namen des Amerikaners Avedis Donabedian verbindet (z. B. Donabedian
1966), ist der epidemiologische Ansatz mit dem des britischen Sozialmediziners Archibald Cochrane verknuÈpft.
Cochrane war u. a. mehrere Jahre als Direktor der epidemiologischen Sektion des Medical Research Council taÈtig
und erkannte als einer der ersten das groûe Potential der
epidemiologischen Methodik fuÈr die Evaluation medizinischer Dienstleistungen. In seiner beruÈhmten Studie mit
dem Titel ¹Effectiveness and Efficiency: Random Reflections on Health Servicesª, die in erster Auflage 1972
(Cochrane 1972) erschien, beschaÈftigte er sich mit der
Wirksamkeit von PraÈventivmedizin, Diagnostik und Therapie.
Die zentrale These seines Buches lautet: Der englische
National Health Service habe seit seiner EinfuÈhrung am
Ende des Zweiten Weltkriegs ein inflationaÈres, d. h. in
weiten Bereichen medizinisch unbegruÈndetes Wachstum
durchlaufen. Die Gesundheitsausgaben naÈhmen sehr viel
schneller zu als der ¹Outputª an nachweisbarem Gesundheitsgewinn dies rechtfertige. Cochrane behauptet mit
anderen Worten, daû die erbrachten Leistungen seien
zu einem wesentlichen Teil bloûer Gesundheitskonsum
und nur zu einem relativ geringen Teil wirklich investiv,
d. h. nachweislich wirksam. Als wirksam bezeichnet Cochrane eine Intervention dann, wenn sie geeignet ist, den
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Archibald Cochrane
± Vater der
epidemiologischen
Methodik
Gesundheitsleistung
werde nur konsumiert
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Medizinische Leistung
gemessen an den
SelbstheilungskraÈften
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natuÈrlichen Verlauf einer Krankheit zum Besseren zu
wenden.
An dieser Formulierung wird deutlich, daû als ideale
Kontrollgruppe jeder Interventionsstudie das unbehandelte Patientenkollektiv gilt, weil es auf den Nachweis ankommt, daû eine Intervention mehr an Gesundheitsgewinn erreicht als die natuÈrlich wirkenden SelbstheilungskraÈfte des unbehandelten Organismus zu leisten vermoÈgen. Nur die flaÈchendeckende Verwendung randomisierter Kontrollstudien, also das experimentelle Design bzw.
die experimentelle Epidemiologie gewaÈhrleiste eine unverzerrte Evaluation klinischer Praxis. Die herkoÈmmliche
QualitaÈtspruÈfung durch Selbstbeurteilung oder Leistungsvergleiche, wie sie bis heute im berufsgruppenorientierten Ansatz dominieren, seien voÈllig unbefriedigend, weil
mit zu vielen methodischen MaÈngeln behaftet. Es fehle
z. B. beim Vergleich der Ergebnisse unterschiedlicher
Ørzte oder Kliniken der Vergleich mit einer Kontrollgruppe aus grundsaÈtzlich vergleichbaren unbehandelten Patienten, weil sich nur dadurch zeigen laÈût, ob die betrachtete Intervention tatsaÈchlich der Nichtintervention, also
dem ¹natuÈrlichen Krankheitsverlaufª, uÈberlegen ist.
Diese Anforderung erscheint heute zwar unrealistisch.
Andererseits muû man sich aber auch die Frage stellen,
was es bedeutet, wenn man die Anforderung aufgibt, daû
ein neues Verfahren nicht nur anderen Verfahren, sondern auch der Nichtintervention uÈberlegen sein muû. Experimentelle Verfahren zur PruÈfung von ¹usual careª gelten als nicht praktikabel. Deshalb sollten zukuÈnftig quasiexperimentelle Verfahren verstaÈrkt zum Einsatz kommen
oder der empirische Vergleich (Badura et al. 1995).
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Der empirische Vergleich
Was ist die ¹idealeª MortalitaÈtsrate eines Krankenhauses,
eines bestimmten Therapieverfahrens oder einer bestimmten BevoÈlkerungsgruppe? Was der ¹idealeª Krankenstand eines Krankenhauses oder einer Abteilung? Welche Komplikationsraten sind bei einem bestimmten klinischen Verfahren tolerabel, welche nicht mehr? Diese und
zahlreiche aÈhnliche Fragen werden gestellt und heute immer haÈufiger mangels alternativer MoÈglichkeiten mit einem empirischen Vergleich beantwortet. Durch empirische Vergleiche standardisierter Kennziffern wissen wir
inzwischen, daû die Japaner die hoÈchste Lebenserwartung
weltweit haben und Island die hoÈchste Krankenhausbettendichte aller OECD-LaÈnder. Wir wissen, daû die Deutschen mit vergleichsweise wenig PflegekraÈften im Gesundheitswesen auskommen, dafuÈr weit uÈber dem Durchschnitt der OECD-LaÈndern mit Ørzten und Krankenhausbetten ausgestattet sind (OECD 1997). Wo die MaûstaÈbe
fehlen, greifen wir also auf empirische Vergleiche zuruÈck,
errechnen Durchschnittszahlen oder Mittelwerte. Geht es
um die QualitaÈtsbeurteilung von Routineleistungen (EffectivenesspruÈfung), bestehender Einrichtungen oder Versorgungssysteme, dann sind vergleichende Informationen
uÈber deren Strukturen, Prozesse und Ergebnisse heute eines der wichtigsten Instrumente zur ErhoÈhung der
Transparenz im Gesundheitswesen und zur Optimierung
seiner LeistungsfaÈhigkeit.
Der Vergleich von Strukturdaten war bis in die juÈngste Zeit hinein das am haÈufigsten angewendete Verfahren
in der nationalen und internationalen Gesundheitsforschung und -planung. Der Vergleich von Hospitalbetten
war lange Zeit die vielleicht wichtigste singulaÈre Indikatorengruppe in der Gesundheitsplanung uÈberhaupt. Auch
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Wenn MaûstaÈbe
fehlen bedient man
sich Durchschnittszahlen
Strukturdaten
beherrschen
die Planung
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Erfassung der
Kernprozesse soll
Transparenz schaffen
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Art und Einsatz der BeschaÈftigten, ihre Qualifikation und
selbstverstaÈndlich die fuÈr das Gesundheitswesen und
seine einzelnen Einrichtungen bzw. Sektoren aufgewendeten Mittel gehoÈren zu den am leichtesten verfuÈgbaren,
aber nicht immer nuÈtzlichen oder leicht interpretierbaren
Daten. Nationale und internationale Vergleiche dieser
oder aÈhnlicher Strukturindikatoren gehoÈren heute zum
Alltag in der Planungsdiskussion. Diese Daten sagen aber
allenfalls etwas aus uÈber KapazitaÈten bzw. Potentiale einer
Region oder einer Gesellschaft, nichts daruÈber, wie diese
KapazitaÈten oder Potentiale tatsaÈchlich genutzt werden
und mit welchen Ergebnissen.
Bei weitgehender Intransparenz des Leistungsgeschehens in den meisten personenbezogenen Dienstleistungsorganisationen, wie z. B. KrankenhaÈusern, und bei gleichzeitig steigenden Kosten und Wettbewerbsdruck scheint
es naheliegend, sich zunaÈchst einmal der Betrachtung
und Bewertung der Kernprozesse eines Krankenhauses zuzuwenden. Als Kernprozesse werden gemeinhin diejenigen Arbeitsschritte bzw. ArbeitsablaÈufe bezeichnet, die
fuÈr die AufgabenerfuÈllung einer Einrichtung, eines Systems oder eines Akteurs besonders wichtig sind. In der
kurativen Versorgung sind das insbesondere Diagnose
und Behandlung von Patienten, deren Aufnahme, Ûberweisung und Entlassung. Ein weiteres Kriterium zur Auswahl vordringlich zu beobachtender Prozesse bildet ihre
HaÈufigkeit, ihre Kosten und RisikotraÈchtigkeit. Der Einsatz von Medikamenten und von hochinvasiven Techniken verdient in diesem Zusammenhang besondere Beachtung. Die quantitative Erfassung dieser Prozesse geschieht
uÈber Indikatoren, d. h. reliable und valide Prozeûmaûe,
die Aussagen erlauben z. B. uÈber den Grad der Angemessenheit, der QualitaÈt oder Effizienz eines Prozesses, seiner
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Sicherheit oder KontinuitaÈt. Prozesse koÈnnen aus der
Sicht der behandelnden Experten oder aber aus der Sicht
der Patienten beobachtet und bewertet werden mit Hilfe
objektiver Daten oder subjektiver Deutungen und Wertungen (vgl. dazu z. B. Joint Commission 1994).
Ein Vergleich von Prozeûindikatoren kann in mehreren Formen vorgenommen werden:
z als zeitlicher Vergleich einer Organisation bzw. eines
sozialen Systems mit sich selbst, z. B. durch Jahres- oder
Monatsstatistiken zur Feststellung zeitabhaÈngiger Schwankungen,
z als Vergleich einzelner Prozeûindikatoren zwischen
vergleichbaren Organisationen bzw. sozialen Systemen,
z als Lernen von Organisationen bzw. sozialen Systemen, die auf bestimmten Gebieten als vorbildlich (¹best
praticeª) gelten, auch ¹benchmarkingª genannt ± ein Verfahren, bei dem es darauf ankommt, die ¹coping secretsª,
also die eher verdeckten Erfolgsfaktoren als besonders erfolgreich geltender Organisationen zu verstehen, um daraus SchluÈsse fuÈr die eigene Arbeits- und Organisationsgestaltung zu ziehen (Tabelle 1).
Welche Ergebnisindikatoren als qualitaÈtsrelevant erachtet
werden, haÈngt von den jeweils akzeptierten wissenschaftlichen Paradigmen und Denktraditionen ab. Hier gibt es
bekanntlich erhebliche Unterschiede insbesondere zwischen Sozial- und Naturwissenschaftlern und zwischen
den Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Das biomedizinische Paradigma ist heute laÈngst nicht mehr unumstritten, sobald man den Bereich der Akut- und Notfallversorgung verlaÈût; dies traÈgt zwingendermaûen zu Kontroversen bei der Auswahl und Festlegung erwuÈnschter Ergebnismaûe bei (Abb. 3). Auch die Patienten und Versi21
Kontroversen um
Ergebnismaûe
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Tabelle 1: Internationales ¹benchmarkingª von KrankenhausPerformance. (Naschold 1998)
Kriterium
TatsaÈchliche Nutzung von
OperationsraÈumen (%)
Zeit zwischen
Operationen (min)
Bettenbelegung (%)
Anteil ambulanter
Behandlungen (%)
Zeitanteil fuÈr direkte
Patientenbehandlung (%)
Karolinska
Hospital
40
59
87
20±30
20±30
Bestes Ergebnis
88
(Mayo Clinic, USA)
12
(Mayo Clinic, USA)
98 (Sahlgrenska,
Sweden)
50 (Potential)
60
(Henry Ford, USA)
Abb. 3: Model for Validating Quality Indicators. (Salzer et al. 1997)
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cherten werden sich ihrer koproduktiven Rolle immer
mehr bewuût, werden Mitsprache bei der Identifikation
qualitaÈtsrelevanter Merkmale bei der Festlegung von QualitaÈtsmaûstaÈben wie auch bei der Definition ihnen wichtig
erscheinender Ergebnisse fordern (Macbeth 1996; Badura
et al. 1999).
Das Angebot an Indikatoren zur QualitaÈtsberichterstattung im Krankenhaussektor ist in den USA im raschen Anwachsen begriffen. Diese Entwicklung war urspruÈnglich stark motiviert durch die in der abgelehnten
Gesundheitsreform von US-PraÈsident Clinton vorgesehene
bundesweite QualitaÈtsberichterstattung; sie wird mittlerweile verstaÈrkt motiviert durch die Erwartungen der
Managed-Care-Einrichtungen in Richtung Zertifizierung.
Besondere Beachtung verdienen die Entwicklungsarbeiten
an ¹Performance indikatorsª der Joint Commission (z. B.
Joint Commission 1997) und die Arbeiten an sog. ¹Report
cardsª des National Committee for Quality Assurance
(z. B. Epstein 1997).
Die mehrfach erwaÈhnte Joint Commission unterscheidet Indikatoren, die einzelne besonders unerwuÈnschte Ereignisse anzeigen (¹sentinel eventsª), z. B. unerwartet
schwere Komplikationen oder TodesfaÈlle, d. h. Ereignisse,
die eine sofortige AufklaÈrung bzw. EroÈrterung erfordern
und Indikatoren, die Prozesse und Ergebnisse zu einer
groûen Zahl von FaÈllen aggregieren (aggregate-data), z. B.
Anzahl der Fehlmedikationen oder Anzahl der Hospitalinfektionen. Sog. ¹externeª Verfahren zur QualitaÈtskontrolle wie Zertifizierung oder Akkreditierung bedienen
sich solcher empirisch vergleichender Verfahren in Verbindung mit der PruÈfung der FunktionsfaÈhigkeit ¹internerª Verfahren des QualitaÈtsmanagements (Swertz et al.
1998).
23
Indikatoren
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Abb. 4: QualitaÈtsrelevante Merkmale eines Akutkrankenhauses
Erheblicher
Forschungsbedarf
Bestehende GraÈben
gilt es zu uÈberwinden
Einen Ûberblick uÈber qualitaÈtsrelevante Merkmale eines Akutkrankenhauses gibt Abb. 4. Diese Ûbersicht ist
sehr unvollstaÈndig. Sie vermittelt aber einen kleinen Einblick in die erheblichen Herausforderungen, welche sich
fuÈr die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der
KrankenhausqualitaÈt stellen. Mit dem Modell der linearen
KausalitaÈt, wie es z. B. aus der ArzneimittelpruÈfung bekannt ist, werden wir dieser Probleme nicht Herr werden
und auch nicht mit einem alleine naturwissenschaftlichen
VerstaÈndnis von EinfluÈssen und Wechselwirkungen (Badura u. Siegrist 1999).
In KrankenhaÈusern stehen sich heute 3 unterschiedliche QualitaÈtskulturen ziemlich unversoÈhnlich gegenuÈber:
z die Kultur des klinisch-medizinischen QualitaÈtsverstaÈndnisses kurativer Kernprozesse,
z die Kultur der Pflegekra
È fte und pflegerischer Kernprozesse und
z die Kultur der Organisationsexperten.
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Eine patientenorientierte QualitaÈtsstrategie
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Die GraÈben zwischen diesen drei Kulturen sind eine wesentliche Ursache fuÈr die mangelhafte Patientenorientierung moderner KrankenhaÈuser. Ihre Ûberwindung liegt
im Interesse der Patienten und bildet ein dringendes humanitaÈres, aber auch ein dringendes Wettbewerbsmotiv.
Eine patientenorientierte QualitaÈtsstrategie
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Eine patientenorientierte QualitaÈtsstrategie im Krankenhaus laÈût sich mit den 3 Worten ,befaÈhigen`, ,schuÈtzen`
und ,beteiligen` umreiûen. Patienten muÈssen befaÈhigt
werden, ihre Rolle als Koproduzenten wirksam wahrzunehmen. Dazu muÈssen sie ausreichend informiert, beraten und ggf. geschult (z. B. zum Leben mit einer chronischen Krankheit) werden (Badura et al. 1987; Badura et
al. 1999).
BefaÈhigung
Studien zeigen, daû Patienten, die ausreichend aufgeklaÈrt
werden uÈber moÈgliche Risiken und Nebenwirkungen unterschiedlicher BehandlungsmoÈglichkeiten, weniger aufwendige und risikoaÈrmere Behandlungsstrategien waÈhlen,
wenn diese mit ihren eigenen wohlverstandenen BeduÈrfnissen uÈbereinstimmen (vgl. dazu Mannebach 1999). Die
BefaÈhigung zum Mitentscheiden in einer klinischen Situation setzt dreierlei voraus:
z Informationen, die Experten und Patienten als notwendig erachten, um bei der Behandlung und den dabei erforderlichen Entscheidungen mitwirken zu koÈnnen,
z ein angemessenes Versta
È ndnis der uÈberantworteten Informationen und die FaÈhigkeit, sie auf die Eigensituation anzuwenden,
25
BefaÈhigen, schuÈtzen,
beteiligen
Mitentscheiden
des Patienten
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Eine patientenorientierte QualitaÈtsstrategie
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z
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ausreichende MoÈglichkeiten und FaÈhigkeiten zur Mitentscheidung bzw. zur partnerschaftlichen Aushandlung von Zielen, Leistungen und angestrebten Ergebnissen.
Die entscheidende Frage lautet hier: Weiû der Patient genug uÈber seine Situation, insbesondere uÈber seinen koÈrperlichen Zustand? Ist er sich klar geworden uÈber seine
PraÈferenzen, und versteht er dieses Wissen bei seiner Entscheidung fuÈr oder gegen eine Therapie sinnvoll zu nutzen? Interessant in diesem Zusammenhang sind die Ergebnisse der WHO-Tagung ¹Citizen Participation. A
Challenge to Different Health Care Systemsª, die am 4.±5.
Februar 1999 in Bonn stattfand (WHO-Tagung; Loring
1996).
OrganisationsmaÈngel
sind haÈufiger
als Einzelfehler
Schutz
Der Patient muû auch vor schlechter QualitaÈt geschuÈtzt
werden. Das geschieht wahrscheinlich am besten uÈber die
EinfuÈhrung eines bewaÈhrten QualitaÈtsmanagement-Systems und durch regelmaÈûige externe PruÈfung, ob dieses
System auch richtig genutzt und weiterentwickelt wird
(z. B. Kolkmann 1998). Ein wesentliches Element einer
solchen internen QualitaÈtsentwicklung ist die Herstellung
von Transparenz uÈber das Leistungsgeschehen und eine
hausinterne Diskussion seiner MaÈngel und VerbesserungsmoÈglichkeiten.
Ein zweites Element besteht in der laufenden VeroÈffentlichung eines QualitaÈtsberichts, dem die BuÈrger und
hilfesuchenden Patienten entnehmen koÈnnen, welche Leistungen mit welchen Ergebnissen erbracht werden. Diese
zweite Forderung ist gewiû gegenwaÈrtig sehr viel weniger
konsensfaÈhig als die erste, weil die Frage, welche Ergeb26
Eine patientenorientierte QualitaÈtsstrategie
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11 z 01 05
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nisse in welcher Form oÈffentlich gemacht werden sollen,
noch mit einer Reihe auch methodischer Schwierigkeiten
und ungeloÈster organisatorischer Probleme behaftet ist.
OrganisationsmaÈngel sind heute vermutlich haÈufiger verantwortlich fuÈr die Erbringung uÈberfluÈssiger, fehlerhafter
oder unwirksamer Leistungen als persoÈnliches Fehlverhalten Einzelner (Vincent 1995). Schutz vor uÈberfluÈssigen,
fehlerhaften und unwirksamen Leistungen muû gesetzlich
ausreichend abgesichert und durch permanente BemuÈhungen zur Personal- und Organisationsentwicklung gewaÈhrleistet werden.
Beteiligung
Beteiligung hat in der Regel 2 Funktionen:
z Man mo
È chte Betroffenen die MoÈglichkeit geben, ihr
Wissen und ihre persoÈnlichen Erfahrungen einzubringen in die BewaÈltigung eines Problems oder einer
Aufgabenstellung.
z Die Pra
È ferenzen und BeduÈrfnisse der Patienten gilt es
staÈrker zu beruÈcksichtigen, beispielsweise bei der
PrioritaÈtensetzung oder bei der Zieldiskussion in einer Organisation.
Beides scheint mit Blick auf die Patienten, Versicherten
und BuÈrger im Gesundheitswesen insgesamt und insbesondere mit Blick auf das Krankenhaus sehr viel staÈrker
als bisher geboten. Welches Wissen und welche Erfahrungen haben Patienten, Versicherte und BuÈrger anzubieten
und wofuÈr? Patienten, Versicherte und BuÈrger sammeln
Wissen und Erfahrungen uÈber ihre eigene Gesundheit
und uÈber ihre Kontakte mit dem Gesundheitswesen. Beides sollten sie mehr als bisher einbringen zur Optimierung klinischer Kernprozesse, z. B. einzelner diagnosti27
Patienten und
Versicherte muÈssen
sich einbringen
11 z 01 05
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scher und therapeutischer Verfahren, zur Optimierung
der Krankenhausorganisation und schlieûlich auch zur
Weiterentwicklung von PrioritaÈten und Schwerpunkten
im Gesundheitswesen. Wissen und Erfahrungen von Versicherten und Patienten koÈnnen z. B. durch Befragungen
nach Abschluû eines Klinikaufenthaltes, sie koÈnnen stellvertretend durch Ombudsfrauen oder -maÈnner oder auch
mit Hilfe von Marketinginstrumenten (Focusgruppen,
BuÈrgerbefragung usw.) erschlossen werden (z. B. Ruprecht
1998).
SystemqualitaÈt: Das Krankenhaus im vernetzten
Versorgungsgeschehen
Experten und Einrichtungen sehen sich primaÈr verantwortlich fuÈr die QualitaÈt einzelner Leistungen oder einzelner Organisationen. FuÈr den chronisch kranken Patienten
bildet eine Behandlungssequenz oder der Aufenthalt in
einem Krankenhaus indessen nur eine Episode in einer
ganzen Kette von Leistungsprozessen im Gesundheitswesen wie beispielsweise Leistungen des Hausarztes, des
Akutkrankenhauses, eines speziellen High-Tech-Zentrums
oder einer Rehabilitationsklinik. Chronisch Kranke
durchlaufen in der Regel eine ¹Karriereª als Patienten, in
deren Verlauf sie Erfahrungen mit ihrer Krankheit sammeln und daher zu Spezialisten ihres eigenen Falles und
ihrer eigenen Krankheit werden. Sie sammeln daruÈber
hinaus aber auch Erfahrungen mit zahlreichen Experten,
Berufsgruppen und Einrichtungen, die zur Behandlung
von Patienten eigentlich zusammenarbeiten muÈûten, dies
aber immer noch viel zu selten tun. Der Patient moÈchte
z. B. mit seiner koronaren Herzkrankheit insgesamt gut
behandelt werden, so daû er am Ende nachhaltige positive Effekte auf seinen koÈrperlichen und psychischen Zu28
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stand und bei seiner Wiedereingliederung in Familie und
Arbeitswelt festellen kann.
Entscheidend fuÈr den Patienten ist deshalb die GesamtqualitaÈt der erbrachten Leistungen, zu der auch Bewertungskriterien wie KontinuitaÈt, ZuÈgigkeit und Angepaûtheit an seine persoÈnliche Situation beruÈcksichtigt
werden sollten. FuÈr diese GesamtqualitaÈt ist aber heute
niemand verantwortlich. Die Frage ist, wer zukuÈnftig
diese Rolle einnehmen wird: der dafuÈr besonders geschulte Patient selbst bzw. seine AngehoÈrigen, sein Hausarzt, sein regional zustaÈndiges Krankenhaus oder seine
Krankenkasse? Das isolierte Krankenhaus, das sich gleichsam solipsistisch nur auf seine Arbeit innerhalb festgefuÈgter Mauern zur Auûenwelt konzentriert, duÈrfte der
Vergangenheit angehoÈren (Eichhorn u. Schmidt-Rettig
1998).
Ûberleben werden dauerhaft nur KrankenhaÈuser, deren Wissensbasis staÈndig uÈberpruÈft und weiterentwickelt
wird, die kontinuierlich an der Verbesserung ihre Aufbau- und Ablauforganisation arbeiten, ihre Mitarbeiter
zur wirksamen Teamarbeit ermutigen und sich aktiv vernetzen mit den uÈbrigen Leistungsanbietern in ihrer Region. Heute vielfaÈltig zu beobachtende BemuÈhungen zur
aktiven Vernetzung werden haÈufig zum Existenzerhalt aus
KostengruÈnden unternommen. Sie sind aber auch aus
GruÈnden der QualitaÈtsoptimierung geboten zur Vermeidung uÈberfluÈssiger Leistungen, zur prozeû- und kundenorientierten Verkettung einzelner Leistungen unterschiedlicher Einrichtungen und zur Herstellung des Bewuûtseins fuÈr die GesamtqualitaÈt von Versorgungsprozessen ±
und dies nicht nur fuÈr die jeweiligen TeilqualitaÈten, fuÈr
die eine unmittelbare ZustaÈndigkeit besteht. Auch das
sog. ¹Laiensystemª, das heute oft aus hochgebildeten Ex29
Es mangelt an
Verantwortlichkeit
Bewuûtsein fuÈr
die GesamtqualitaÈt
schaffen
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perten fuÈr ihre Krankheit besteht, wie Selbsthilfegruppen,
Patientenorganisationen und AngehoÈrige, sollten zur Mobilisierung ihrer koproduktiven Potentiale in einer solchen Vernetzungsstrategie eine staÈrkere Rolle spielen.
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