K06_05.PDF

Das Krankenhaus als Ort von Heilung und Heil
Inhalt
Suchen
06 z 05 01
Hilfe
Treffer
6 z 05
Seelsorge im Krankenhaus
Gerd Fasselt
inhaltsüberblick
Die Sorge um die Kranken in Krankenhaus und Gemeinde
ist eine der zentralen Aufgaben kirchlichen Handelns. Andererseits bedient das moderne Krankenhaus als „Gesundheitsfabrik“ nicht das Bedürfnis nach menschlicher Zuwendung. Hier findet der Seelsorger seinen Platz. Sein Aufgabenfeld reicht vom einfachen Gespräch bis hin zur Sterbebegleitung. Er widmet sich damit Defiziten, um die sich
Ärzte und Pflegekräfte nicht kümmern können.
6 z 05 | 01
Marz 2001
Das Krankenhaus als Ort von Heilung und Heil
Das heutige Krankenhaus
Krankenhäuser sind nach einer langen abendländischchristlichen Tradition heute Bestand des allgemeinen Gesundheitswesens. In ihrer Organisation und Struktur sind
sie bis in die bauliche Gestaltung und die technische Einrichtung nach den Gesetzen von Betrieben aufgebaut. Die
existenzielle Krise des hilfsbedürftigen und hilfesuchenden Patienten droht den betrieblichen Erfordernissen der
Institution untergeordnet zu werden. Viele Patienten hegen heute die Befürchtung, mit der Einlieferung ins Krankenhaus in das Räderwerk einer „Gesundheitsfabrik“ zu
geraten, in der Forschung und Lehre, Wissenschaft und
Ausbildung aus Gründen einer veränderten Zielsetzung,
des Renommees und staatlicher Reglementierung den
Vorrang vor der Krankenfürsorge haben. Diese Entwicklung ist umso bedrängender, je mehr Menschen im Krankenhaus geboren und behandelt werden und auch sterben.
1
Angst vor der
„Gesundheitsfabrik“
06 z 05 01
Das Krankenhaus als Ort von Heilung und Heil
Inhalt
Mitarbeiter
unter dem Zwang
zu funktionieren
Griechische Antike
Jesus bringt
die Wende hin
zum Kranken
Suchen
Treffer
Hilfe
Trotz hoher Motivation vieler Mitarbeiter ist zu fragen, ob die existenziellen Erfahrungen wie Geburt,
Krankheit und Sterben im Krankenhaus Raum haben und
die adäquate Begleitung finden. Unter Mitarbeitern macht
das Wort vom „burning-out“, vom Ausgebranntsein die
Runde, weil die Sachzwänge ihr „Funktionieren“ erfordern, während die Umsetzung von Idealen und Humanität verhindert wird (siehe Kap. 3.05.03). Dieser den Patienten und den Mitarbeiter krankmachende Trend stellt
für alle Krankenhäuser und insbesondere auch für solche
in christlicher Trägerschaft eine nicht zu vernachlässigende Herausforderung dar. Es bedarf dringend einer ethischen Neubesinnung.
Ethische Wurzeln
Das Krankenhaus ist eine ursprünglich christliche Einrichtung. Selbst auf der Höhe griechischen Menschentums in der Philosophie des Platon und Aristoteles blieb
der Kranke und Sieche einer vorpersönlich-biologistischen Bewertung unterworfen. Die Sorge des griechischen Arztes galt nicht dem Kranken als leidendem
Menschen, sondern dem Schutz der durch die Krankheit
gefährdeten vielgliederigen Ordnung der Harmonie. Deshalb soll der Arzt seine Hilfeleistung nicht an Unheilbare
verschwenden, sondern Vorsorge und Fürsorge tragen für
die Gesunden.
Leben und Botschaft Jesu markieren in der Sorge um
den Kranken eine radikale Wendung: „Er heilte alle
Krankheiten und jegliches Gebrechen unter dem Volke“
(Mt. 4,23). Er identifizierte sich selbst mit den Kranken:
„Ich war krank und ihr habt mich besucht“ (Mt. 25,36).
Diese von Jesus praktizierte und von seinen Jüngern geforderte Liebe war für den antiken Menschen etwas über2
Das Krankenhaus als Ort von Heilung und Heil
Marz 2001
Inhalt
Suchen
06 z 05 01
Hilfe
Treffer
raschend Neues. Hier zeigt sich nicht der Eros des Griechentums, sondern die Liebe, die Agape, die sich auf die
geschichtlich-irdische Notsituation des Menschen einlässt
und auf seine Heillosigkeit und Hilfsbedürftigkeit hinweist, der allein Gott abhelfen kann. Diese Verbindung
von Leibsorge und Seelsorge entspricht einem ausdrücklichen Auftrag Jesu an seine Jünger: „Heilt die Kranken,
die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist
euch nahe“ (Lk. 10,9). Wort und Verhalten Jesu sind für
die Glaubenden und die Kirche bleibender Auftrag und
Maßstab.
Aber auch christlicher Geist hatte ungeheure Widerstände gegen die Abwertung des Kranken zu überwinden,
wie die unmenschlichen Quälereien an Geisteskranken
bis in die Neuzeit hinein belegen. Noch Friedrich Nietzsche hat die Minderwertigkeit der Schwachen und Kranken herausgestellt und die Haltung Jesu und die gebotene
Liebe als dekadent bezeichnet. Im gleichen Sinne der Entwertung des Einzelnen wirkt jene Entwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin, die den kranken Einzelmenschen in seiner Personalität aus ihrer Betrachtungsweise
ausklammerte. Die „Liebe zur Sache“ vor der „Liebe zum
Menschen“ führte zu einer biologistischen Umwertung,
in der der Kranke zum Objekt wurde und seinen persönlichen Eigenwert an den absolut gesetzten Wert eines Kollektivums, sei es des „Volkes“, sei es der „Rasse“ verlor.
Neben dieser vom klassischen Altertum geprägten
Heilkunde bricht sich dann aber auch die neue, vom
Geist des Christentums geprägte Sorge um die Kranken
Bahn, für die jeder Mensch auch als Kranker einen einmaligen Wert darstellt und mit Personwürde ausgestattet
ist. In einzelnen Durchbrüchen und von Heiligen wie Benedikt von Nursia (480–543), Hildegard von Bingen
3
Der Kranke als Objekt
oder als Mensch?
Die christliche Sorge
um den Schwachen
06 z 05 01
Das Krankenhaus als Ort von Heilung und Heil
Inhalt
Suchen
Treffer
Hilfe
(1098–1179), Elisabeth von Thüringen (1207–1231), Camillus von Lellis (1550–1640) und Vinzenz von Paul
(1581–1660) ausgehend, wuchs in der Kirche das volle
Verständnis für die Lehre Jesu. So verdanken die ersten
Hospitäler des Mittelalters kirchlichen Einrichtungen ihr
Entstehen. Deshalb kann das Christentum ohne Hochmut
für sich in Anspruch nehmen, dass es das Krankenhaus
als Zusammenfassung pflegerischer Bemühungen zunächst „erfunden“ und dann durch eine wechselvolle Geschichte bis zur Entwicklung des modernen Gesundheitsinstitutes geprägt hat. Als ursprünglich christliche Einrichtung ist das Krankenhaus wesentlich ein Ort des Heilens und des Heiles, wobei Krankheit und Leid in ihrem
Wesen als christliche Aufgabe zur persönlichen Reifung
des ganzen Menschen gesehen werden und somit auch
der Seelsorger neben Ärzten und Pflegenden seinen unverzichtbaren Beitrag zu leisten hat.
„Leib-Seele-GeistEinheit“ geht verloren
Die gegenwärtige Krise und Perspektiven
für die Zukunft
Seit langem ist das Krankenhaus wie vieles andere ein
Stück „weltliche Welt“ geworden, geprägt von versachlichender Verwissenschaftlichung, überhandnehmender
Technisierung, zunehmender Spezialisierung auf Kosten
der menschlichen Beziehungen. Dazu kommt das ökonomische Problem der beständig wachsenden Kosten. Die
schon lange währende und aus ihrer eigenen Entwicklung
seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Krise der
Medizin hält bis heute an. Durch den Ausschluss von Seele und Person aus dem wissenschaftlichen Denken in der
Medizin und durch die ausschließliche Betrachtung von
Krankheit als biologisch-technische oder auch psychosomatische Betriebsstörung verliert das Krankenhaus sei4
Das Krankenhaus als Ort von Heilung und Heil
Marz 2001
Inhalt
Suchen
06 z 05 01
Hilfe
Treffer
nen aus der christlichen Tradition vorgegebenen Charakter. Dem Kranken als Person, als Leib-Seele-Geist-Einheit
wird Gewalt angetan, das Bild des Arztes wird mehr und
mehr geprägt durch moderne Titel wie „perfekter Techniker“ und „virtuoser Organisator“, während der Seelsorger zu einem „Außenseiter im Getriebe“ und zum „Statthalter des Absurden“ wird.
Die gegenwärtige Krise der Krankenhäuser lässt sich
mit der Lösung des ungeheuren Kostenaufwandes allein
nicht beheben, solange „die Medizin Untreue übt gegen
die eigenen Erinnerungen“ (Schipperges). Ohne zu wissen, wohin sich das Krankenhaus unserer Zeit entwickelt,
da es sich rasch nach einer inneren Eigengesetzlichkeit
und Eigendynamik wandelt, tut eine ethische Neubesinnung auf die Tradition, auf das Wesen des kranken Menschen, auf das Selbstverständnis von Krankenhaus, Medizin, Krankenpflege und Krankenseelsorge Not. Und das
umso mehr, als die heutige Struktur und Ausrichtung der
Krankenhäuser und insbesondere der Großkliniken in
vielen Menschen eher Angst und Missbehagen als Zustimmung und Vertrauen auslösen.
Alle Reformvorschläge dürfen sich nicht in einer Kosten-Nutzen-Analyse, in einer Strukturreform des Gesundheitswesens oder in Organisationsfragen erschöpfen, sondern bedingen eine an der Tradition orientierte ethische
Neubesinnung: Die Suche nach einer Lösung der vielschichtigen Probleme des heutigen Krankenhauses ist allen Beteiligten aufgegeben. Nur so wird das Krankenhaus
ein Ort des Heilens und des Heiles bleiben, der Kranke
ganzheitliche Sorge erfahren und auch der Seelsorger im
Konzert aller therapeutischen Berufe und Dienste seinen
unaufgebbaren Platz behalten.
5
Die Krise ist kein
Kostenproblem
Die Lösungssuche ist
das Problem von allen
06 z 05 02
Der Patient im Krankenhaus
Inhalt
6 z 05 | 02
Was erwartet
der Kranke?
Maßlose Erwartungen
an die Medizin
Suchen
Treffer
Hilfe
Der Patient im Krankenhaus
Zur Situation und Einstellung des Patienten
In einer Standortbestimmung zu ihrer Aufgabe für Kranke können Kirche und Seelsorge nicht allein vom kirchlichen Selbstanspruch, von der Theologie oder der biblischen Heilsbotschaft ausgehen, sondern müssen zunächst auf die Wirklichkeit des kranken Menschen schauen. Sie müssen darum wissen, dass gerade auch in der
Welt des Kranken das Organische und Psychische die tragenden Schichten des Geistigen sind. Ansonsten findet
ihr Handeln weder Verständnis noch Annahme. So muss
es dem Seelsorger darum gehen, herauszufinden, was eigentlich der Kranke von ihm erwartet. Er muss die Realität des kranken Menschen kennen und verstehen lernen,
dem sein Dienst und seine Sorge gelten sollen. Nur so
werden Empathie und Verstehen, Gespräch und hilfreiche
Begegnung möglich.
Krankwerden und Kranksein bedeuten für die meisten
Menschen in unserer Leistungsgesellschaft, deren vorrangige Devise „Hauptsache gesund“ lautet, die Vorstellung
von einer unangenehmen Ausnahmesituation untauglichen Lebens, die sie weit von sich weg schieben. Das vorherrschende „technomorphe“ Krankheitsverständnis führt
zu einer maßlosen Erwartung an die scheinbar allmächtige Medizin. Krankheit wird zu einem behebbaren Reparaturschaden und Gesundheit zu einem Konsumgut, auf das
man unter den heutigen Bedingungen der Sozialmedizin
und Krankenversicherung einen Anspruch zu haben
glaubt. Diese Einstellung wird durch die fortschreitende
Spezialisierung und Technisierung der Medizin, die Zweckrationalität der Krankenhausabläufe und die seit langem
spürbaren ökonomischen Zwänge gefördert. Die immer
kürzer werdende Verweildauer und die zahlenmäßige Zu6
Der Patient im Krankenhaus
Marz 2001
Inhalt
Suchen
06 z 05 02
Hilfe
Treffer
nahme der Schwerkranken und die entsprechende Intensivierung der Pflege lassen für die persönlichen Probleme
und Bedürfnisse kaum Raum und der Seelsorger scheint
zunächst in diesem Umfeld keinen Platz zu haben.
Wenn die Gesundheit nicht mehr wiederherzustellen
ist, werden „austherapierte“ Patienten nicht selten als
„frustrierend“ empfunden. Als Reaktion auf die unvermeidbaren Erfahrungen der unheilbaren Krankheit und
des Sterbenmüssens bleiben oft nur Verdrängung, Flucht
und „Machen“. Durch die Entwicklung der Medizin selbst
und die fortschreitende Säkularisierung ist die Einheit
von Gesundheit, Krankheit und rechter Sinngebung des
Lebens und das Ineinander von Leiblichem und GeistigGeistlich-Seelischem weithin zerbrochen. Glaube, Tugenden und metaphysische Deutungen des Krankseins und
Sterbens geben im Unterschied zu früher oft weder dem
Arzt noch dem Patienten die Möglichkeit und die Hilfe,
sich den Grenzerfahrungen des menschlichen Lebens zu
stellen und sie zu meistern, erst recht nicht, wenn in einer Zeit unübersehbarer Vergötzung des Leibes Gesundheit fast ausschließlich auf körperliche Gesundheit reduziert wird. Der Seelsorger, der jeden Tag im Krankenhaus
dieser Einstellung begegnet, kann sich durchaus als „Außenseiter im Getriebe“ empfinden, so dass er im Wissen
um die wahre Beschaffenheit des Menschen immer neu
tiefer hinschauen und hören lernen muss.
Krankheitserleben als Herausforderung an die Seelsorge
Jede ernsthafte Erkrankung betrifft immer den ganzen
Menschen und bleibt nie nur ein Organschaden, worauf
sie eine rein somatische Medizin und auch die Verdrängungsmechanismen mancher Betroffener reduzieren wollen. Je länger eine Krankheit geht und je schwerer sie ist,
7
Verdrängen aus Frust
Die Krankheit
verändert die
Lebenseinstellung
06 z 05 02
Der Patient im Krankenhaus
Inhalt
Menschliche und
geistliche Zuwendung
sind gefragt
Ärzte und Pflegekräfte
sind überfordert
Suchen
Treffer
Hilfe
umso mehr verändert sie Leben und Einstellung. Lebensbedrohliche Diagnosen, das Ausgeliefertsein an Verordnungen, Untersuchungen, Apparate und Medikamente,
die Abhängigkeit von anderen Menschen, das Erleben
körperlicher Schwäche und Hilflosigkeit, stürzen viele
Kranke in eine bedrückende Krise ihres gewohnten Seins.
Viele erleben ihre Leiden, ihre Verluste und ihre Bedrohung als eine starke Beeinträchtigung ihres Selbstwertgefühls, als eine bedrängende Infragestellung ihres bisherigen Lebenssinns und Lebensinhalts und auch ihres religiösen Glaubens.
In dieser umfassenden Erschütterung des Daseins bedarf der Kranke notwendig einer verständnisvollen Begleitung, damit er im wiedergewonnenen Selbstvertrauen
und in der Entdeckung seiner inneren Kräfte den Mut
zum Weitergehen finden kann: die einen, um durch die
Bejahung notwendiger Therapien wieder gesund zu werden, die anderen, um mit einer chronischen Erkrankung
und den damit gegebenen Grenzen leben zu lernen, und
wiederum viele, um den Verlust von allem und das Sterben annehmen zu können. Menschliche und geistliche
Zuwendung sind gefragt, damit die notwendigen Wege
gangbar werden und der in vielfacher Weise leidende
Mensch Heilung und Heil finden kann.
Wer geht diesen Weg des Kranken mit? Allen, die den
Kranken begegnen, kann die Aufgabe der Begleitung zuwachsen, wobei der Respekt vor der Freiheit der Person
gerade in ihrer jetzigen Abhängigkeit jede Aufdringlichkeit und jede professionelle Anspruchshaltung verbietet.
Angehörigen, Ärzten, Schwestern und Pflegern kommt in
der Begleitung eine besondere Bedeutung zu, da sie den
Kranken täglich und unmittelbar begegnen. Allerdings
zeigt der Alltag, dass viele von ihnen aufgrund der Aus8
Der Patient im Krankenhaus
Marz 2001
Inhalt
Suchen
06 z 05 02
Hilfe
Treffer
einandersetzung mit der eigenen persönlichen Betroffenheit und Infragestellung mit der intensiven Begleitung,
wie sie die Situation des Patienten verlangt, überfordert
sind. Erschwerend kommen auch die häufig bedrängende
Personalsituation und die hohe Spezialisierung der therapeutischen Berufe hinzu.
Hier hat dem Tun und der Weisung Jesu entsprechend
der Seelsorger seinen Platz an der Seite des Kranken.
Und das umso mehr, als die Fragen, die viele Patienten
bewegen, ganz unmittelbar in die Transzendenz hineinreichen. Es sind durchaus religiöse Fragen, die immer wieder gestellt werden: „Warum trifft mich dieses Schicksal?“
„Wer und was trösten mich?“ „Wie soll nur alles weitergehen?“ „Worauf kann ich hoffen?“ Bei aller Distanz zur
Kirche und aller Fremdheit der Glaubenssprache richtet
sich die Suche vieler Menschen nach dem Warum des
Leids, nach der Möglichkeit einer positiven Leidannahme,
nach geistlichem Trost und nach der Hoffnung über alle
menschlichen Hoffnungen hinaus auch heute an den
Glaubenden, Hoffenden und Liebenden, den er im Seelsorger zu finden hofft.
Über die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich
anerkannte „institutionelle Gewährleistung von Krankenhausseelsorge“ (Art. 140 GG, Art. 141 WRV) hinaus gibt
diese ganze Wirklichkeit des kranken Menschen dem
Seelsorger im Krankenhaus seinen spezifischen und unverzichtbaren Platz zur Bewahrung des Humanum in der
ganzheitlichen Sicht des Menschen und der Verantwortung für Heilung und Heil. Dabei muss es dem Seelsorger
um Transparenz, um das Wissen um seinen spezifischen
Auftrag und um Zusammenarbeit mit den übrigen therapeutischen Diensten gehen, damit sein Tun verstanden
und als notwendig und hilfreich erfahren werden kann.
9
Hier findet
der Seelsorger
seine Aufgabe
Grundgesetzliche
Anerkennung
06 z 05 03
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Inhalt
6 z 05 | 03
Auch Seelsorge ist
nicht grenzenlos
Notsituation niemals
ausnützen
Suchen
Treffer
Hilfe
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Der Seelsorger als Begleiter im Gespräch
Auch der Seelsorger muss darum wissen, dass er nicht
die alleinige Kompetenz zur Begleitung besitzt, wohl aber
die entsprechende Sendung und den Auftrag, Kranke zu
besuchen (vgl. Mt. 5,36 u. a.). Es leitet und motiviert ihn
das Wissen um den notwendigen Zusammenhang von
Heilung und Heil. Wegen des häufig ungünstigen Personalschlüssels (1 Seelsorger auf 500 bis 600 Patienten)
und dem hohen Maß an Erwartung erlebt mancher Seelsorger schmerzlich die eigene Begrenztheit. Sie kann ihn
aber öffnen für die Zusammenarbeit mit den anderen
therapeutischen Diensten und ihn immer neu verweisen
auf die Mitte des biblischen Glaubens, dass es Gott selbst
ist, der immer schon mit den Menschen auf dem Wege
ist. Der Glaube an den mitgehenden Gott, der sich dem
Moses offenbart als der „Ich bin der Ich-bin-da“ (Ex.
3,14), der sich in Jesus mit den Leidenden und Kranken
verbindet, trägt den Seelsorger in seinem Tun und will
von ihm bezeugt werden. Das bedeutet konkret, hinzugehen, den Kranken zu besuchen und ihm ein offenes Gesprächsangebot zu machen.
Auf keinen Fall darf der Seelsorger die Notsituation
des Patienten dazu missbrauchen, ihn mit frommen Worten zuzuschütten oder die eigene Überzeugung und Sinngebung aufzudrängen. In Offenheit muss der Seelsorger
dem Kranken begegnen: mehr als Hörender denn als Redender, mehr gegenwärtig im Empfangen als zweckorientiert. In der Begegnung mit leidenden Menschen, mit den
quälenden Fragen nach dem Warum und dem Sinn, bewahrheitet sich mehr als in anderen Lebenszusammenhängen das Sprichwort: „Reden ist Silber, Schweigen ist
Gold.“ Das Beispiel des alttestamentarischen Hiob macht
10
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Marz 2001
Inhalt
Suchen
06 z 05 03
Hilfe
Treffer
hinreichend deutlich, dass in aller Klage, Auflehnung und
Hoffnungslosigkeit Verstehen, Mittragen, Zuwendung,
Fürbitte und Annahme hilfreicher sind als große theologische und theoretische Erklärungen. Gerade wenn der
Kranke den „Schauplatz des Eigentlichen“ betritt, gilt es,
nicht zu flüchten, sondern standzuhalten.
Solches Dasein im Zuhören und Verstehen kennzeichnet die seelsorgerliche Begleitung und lässt sie konkret
werden. Damit ist eine patientenzentrierte Seelsorge gemeint, wenn auch „das seelsorgerliche Gespräch mit
Kranken nicht auf eine bestimmte Methode festgelegt“
(Meyer-Scheu 1977) ist. Der so miteinander geteilte Weg
eröffnet in sich bereits die theologische Dimension: Die
erfahrene Annahme und Nähe mindert die Ängste und
schafft Vertrauen. Die glaubwürdige Zuwendung ermöglicht einen neuen Lebens- und Glaubenshorizont, der
dem Kranken menschliche und geistliche Kräfte zur Bewältigung seiner umfassenden Krise zuwachsen lässt. Sie
kann ihn befähigen, zu neuem Gottvertrauen zu finden
und den Weg zum Leben oder zum Sterben weiterzugehen und ein Hoffender zu bleiben.
Die Aufgabe solcher Begleitung verbindet den Seelsorger mit allen anderen, die dem Kranken Begleiter sein
sollen und wollen. Darüber hinaus machen die vielen Patienten, die zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens von sich
aus gerade den Kontakt mit dem Seelsorger suchen, deutlich, dass es für sie das Proprium des Seelsorgers gibt
und dass es ihnen in ihrer jetzigen Situation noch um
mehr geht als um zwischenmenschliche Kommunikation
und verständnisvolle Begleitung, so sehr diese auch
Grundvoraussetzung seelsorgerlichen Handelns sein
müssen.
11
Patientenzentrierte
Seelsorge
06 z 05 03
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Inhalt
Gebet kann
trostreicher als
ein Gespräch sein
Verkündigung sucht
das Du und ist Dialog
Suchen
Treffer
Hilfe
Gebet, Verkündigung, Feier der Sakramente
Aus der Begegnung mit dem Kranken und dem „Reden
über Gott“ können das gemeinsame und auch das fürbittende Gebet erwachsen. Vom Seelsorger werden auch dabei Behutsamkeit und Fingerspitzengefühl, vor allem aber
Glaubwürdigkeit und lebensbezogene Frömmigkeit erwartet. Mehr als im Gespräch kann er im Gebet dem Kranken tiefe Quellen des Trostes, der Hingabe und der Hoffnung erschließen. Psalmverse, Apostelworte, biografische
Texte und Zeugnisse können dabei eine gute Gebetshilfe
sein. Das gemeinsame Gebet hat seinen Ort beim Krankenbesuch, bei der Feier der Gottesdienste, bei der Krankenkommunion bzw. dem Abendmahl und für katholische
Christen besonders auch bei der Spendung und dem
Empfang der Sakramente.
Vor der ausdrücklichen Verkündigung der inhaltlichen
Botschaft des Glaubens durch den Seelsorger muss das
gelebte Zeugnis für den Gott stehen, der uns in Krankheit, Leiden und Sterben begleitet. Auf dem Hintergrund
dieser Erfahrbarkeit will und kann dann auch das Wort
von Jesus, von Heilung und Heil, zur Sprache kommen:
„Heilend, tröstend, rettend und richtend.“ Dazu ist der
Seelsorger berufen und gesandt. Seine Verkündigung
sucht das Du und ist Dialog. Große Reden und gekonnte
Rhetorik sind am Krankenbett unangebracht, weil sie die
Wirklichkeit dieses Kranken nicht treffen. Der Zuspruch
aus dem Glauben soll dem Kranken zu einem tieferen
Glaubensverständnis helfen, ihm Frieden und Trost, Geborgenheit und Zuversicht, Besinnlichkeit und Anstoß geben.
Dann kann in ihm der Glaube aufkeimen: Gott schaut auf
mich, er geht seinen Weg mit mir. Er ist mein Gott. Das
Wort erweist seine Wahrheit nicht allein in Tröstung, sondern darin, dass die Wirklichkeit des Lebens Raum hat,
12
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Marz 2001
Inhalt
Suchen
06 z 05 03
Hilfe
Treffer
dass Gesundheit nicht alles und Leistung nicht alleiniger
Maßstab für den Wert eines Menschen darstellt. So kann
der Kranke sein Kranksein vielleicht auch als Anruf zu neuen Einstellungen und Wertigkeiten annehmen und die jetzige Krankheitserfahrung als Weg zu größerer Reife und
zu tieferer Gottesliebe erkennen. Auch die Wahrheit des
Sterbenmüssens kann so angenommen werden im Vertrauen auf den Gott, der über allem Schweren steht, unser
Schicksal in seinen guten Händen hält und unser Leben
auch im äußeren Zusammenbruch bewahrt.
Die Bedrohung durch Krankheit und Leid steht in einem tiefen und wesensmäßigen Zusammenhang mit der
theologischen Bedeutung der Sakramente als den besonderen „Zeichen der Nähe Gottes“, in denen dem glaubenden Menschen das in Tod und Auferstehung Jesu Christi
geschenkte Heil zugesagt wird: Die Gemeinschaft mit
Christus im Sakrament der Eucharistie gibt dem kranken
Menschen Geduld, Trost und Hoffnung. Die in schwerer
Krankheit erteilte Firmung kann dem Noch-nicht-Gefirmten Starkmut verleihen und ihn zur Glaubensbewährung
in der jetzigen Krise befähigen. Die Spendung der Taufe
an neugeborene lebensbedrohte Kinder wird den betroffenen Eltern und auch dem Krankenhauspersonal Vergewisserung unserer Berufung zum Ewigen Leben. Diese österliche Wirklichkeit mit ihrem Trost und ihrer Hoffnung
im Sakrament der Taufe zu bezeugen ist Aufgabe des
Priesters und Diakons im Krankenhaus. Es ist heute nicht
unnötig, daran zu erinnern, dass im Notfall aber auch
Laien in der Krankenhausseelsorge, Ärzte, Schwestern
und Angehörige, mit der entsprechenden Intention und
in der rechten Weise die Taufe spenden können und sollen, wie es im Alltag eines großen Krankenhauses auch
immer wieder geschah und geschieht.
13
Sakrament,
Firmung, Taufe
06 z 05 03
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Inhalt
Bußsakrament
als Erfahrung der
befreienden Wirkung
Krankensalbung ist
mehr als „letzte
Ölung“
Suchen
Treffer
Hilfe
In ihrer pastoralen Handreichung zur Seelsorge im
Krankenhaus und am Kranken betonen die deutschen
Bischöfe: „In den ,Sakramenten der Heilung und Versöhnung‘, dem Bußsakrament und der Krankensalbung, begegnet Jesus den Kranken als Arzt der Seele und des Leibes“ (Die deutschen Bischöfe 1998). Nur mit äußerster
Behutsamkeit wird heute der Priester, auch wenn er sehr
wohl um die friedenschaffende Wirkung und die heilbringende Versöhnung weiß, einen Kranken auf den Empfang
des Bußsakramentes hinweisen können. Für viele ist das
Bußsakrament fremd geworden und der Hinweis darauf
kann insbesondere kranke Menschen, die nicht selten ihre
Krankheit als Strafe empfinden, in noch tiefere seelische
Konflikte und Glaubenszweifel bringen. Andererseits tragen Menschen durchaus schwere Schuld durch ihr Leben,
so dass die im Sakrament der Versöhnung geschenkte
Vergebung im tiefsten Sinne heil machen kann. Vielleicht
gehört gerade auch diese Erfahrung der befreienden Wirkung des Bußsakramentes zu den beglückendsten Erfahrungen eines Klinikseelsorgers in der Begegnung mit so
vielen mühseligen und beladenen Menschen.
Wie das Bußsakrament begegnet auch das Sakrament
der Krankensalbung, das der besonderen Lebens- und
Glaubenssituation Kranker zugeordnet ist, wegen seiner
jahrhundertelangen Geschichte und Praxis als „letzte
Ölung“ einer Reihe von Schwierigkeiten. Nach wie vor
zeigt sich eine große Verlegenheit im Umgang mit diesem
Sakrament. Viele Patienten, Angehörige, Schwestern und
Ärzte finden nur schwer den angemessenen Zugang zu
ihm. Diesen Schwierigkeiten begegnet der Seelsorger jeden Tag, zumal Krankheit, Behinderung, Alter und jede
ernsthafte Bedrohung bis zuletzt verdrängt und geleugnet
werden. Die Spendung der Krankensalbung bedarf – ab14
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Marz 2001
Inhalt
Suchen
06 z 05 03
Hilfe
Treffer
gesehen von der Akutsituation – des Gespräches und der
Vorbereitung, um die angemessene Disposition bei den
Empfängern und den Angehörigen zu wecken. Dem, der
die Endlichkeit und Gebrochenheit seines Lebens als Herausforderung seines Glaubens erfährt, sollen Gespräch,
Zuspruch, Gebet, Handauflegung und Salbung die Wahrheit der Situation, die Solidarität der Gemeinde und vor
allem die aufrichtende Nähe des Heilandes Jesus Christus
glaubwürdig bezeugen. So kann der Glaube an den mitgehenden und rettenden Gott Geborgenheit und Hoffnung schenken. Angehörige und Krankenhauspersonal,
ambulante Dienste und Gemeindeglieder können in der
Hinführung zur Krankensalbung wichtige Wegbereiter
und Brückenbauer sein, indem sie die Disposition des
Kranken erspüren und den Kontakt zum Seelsorger herstellen. Tote können kein Sakrament empfangen.
Doch auch im Todesfall darf kein Seelsorger sein
Kommen verweigern. Alle in der Seelsorge Tätigen
können die Angehörigen in ihrer Trauer begleiten, mit ihnen für den Verstorbenen beten, für die Lebenden um
Mut zum Weitergehen bitten und so mit dazu beitragen,
dass der schwere Abschied möglich wird. Gebet, Verkündigung, Sakramente bezeugen in den Tagen der Krankheit das Wort des heiligen Paulus: „Leben wir, so leben
wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn.
Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem
Herrn“ (Röm. 14,8).
Seelsorge auf der Intensivstation
und in der Sterbebegleitung
Neben den Krankenbesuchen, den Gottesdiensten und
der Feier der Sakramente erfordern insbesondere die Intensivpflegestationen die regelmäßige Präsenz des Kran15
Im Todesfall Beistand
für die Angehörigen
Ruhe in die Hektik
der Intensivmedizin
bringen
06 z 05 03
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Inhalt
Bemühung um die
„Kunst des Sterbens“
Suchen
Treffer
Hilfe
kenhausseelsorgers. Dabei sind die Patienten, die Angehörigen und das therapeutische Team in gleicher Weise seiner Aufmerksamkeit und seiner Sorge anvertraut. Der regelmäßige Besuch auf der Intensivstation kann den Seelsorger zu einem entlastenden Begleiter und Gesprächspartner für alle Beteiligten werden lassen und die Fremdheit vor dem „Todesboten“ oder dem „Statthalter des Absurden“ nehmen. „Obwohl sein Dienst meist nur in einem kurzen Ansprechen, dem verstehenden Blick, der gehaltenen Hand und einem kurzen Gebet besteht, ergänzt
er beispielhaft den oft hektischen Betrieb der notwendig
technischen Dienste.“ (Meyer-Scheu 1975 Sp. 595). Nicht
selten kann er auch ein Brückenbauer und Vermittler
zwischen Patienten bzw. deren Angehörigen und Ärzten
und Stationspersonal sein.
Eine besondere Bedeutung kommt dem Seelsorger in
der Sterbebegleitung zu. Unsicherheit, Verleugnung, Verlustängste bei Angehörigen und ein einseitiges Rollenverständnis bei Ärzten und Krankenpflegepersonal führen
nicht selten dazu, dass unheilbar Kranke und Sterbende
sich in ihrem emotionalen Erleben allein gelassen erfahren.
Vom Seelsorger darf erwartet werden, dass er sich um die
„Kunst des Sterbens“, die ars moriendi des Mittelalters,
bemüht und so dem Sterbenden angstfreier, standhaltend,
einfühlsam und hilfreich begegnen kann. Durch die verschiedenen Phasen des schweren Weges von der ersten
Konfrontation mit der Erkrankung bis zum Sterben und
in all seinen existenziellen und religiösen Fragen ist der
seelsorgerliche Dienst besonders gefragt. Und immer geht
es dabei um ein offenes Angebot. Allerdings ist es auch
heute so, dass Schwerkranke und Sterbende in ihrer existenziellen Betroffenheit über die Kategorie gelungener zwischenmenschlicher Beziehung hinaus durchaus nach seel16
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Inhalt
Suchen
06 z 05 03
Hilfe
Treffer
Marz 2001
sorgerlichem Beistand suchen und fragen. In ihren Ängsten
und Verlusten erwarten sie Unterstützung und Hilfe aus
dem Mittragen und dem Zuspruch, dem Gebet und den Sakramenten. Sie suchen Tröstung und Stärkung aus dem
Glauben an den Gott, der uns auch im Sterben die Würde
bewahrt. So kann der Seelsorger in einem tiefen Sinn,
wie er in unserer Zeit vielen nicht mehr bewusst ist, zu einem Sterben, das des Menschen würdig ist, beitragen.
Der Seelsorger in der Zusammenarbeit
mit den therapeutischen Diensten
Unverzichtbare Voraussetzung für das Verständnis und die
Annahme des seelsorgerlichen Dienstes durch Ärzte und
Schwestern sind die Transparenz, die Kooperationsbereitschaft, die geistliche und geistige Bildung, die
Glaubwürdigkeit und Sensibilität, die Wahrnehmung- und
Gesprächsfähigkeit des Krankenhausseelsorgers. Nur so
kann er in das Gesamt von Heilung und Heil seinen kritischen und ergänzenden Beitrag im Sinne von Ganzheitlichkeit, Humanität und Transzendenz einbringen und als Partner gesucht sein. Ärzte stehen jeden Tag vor schwierigen
Entscheidungssituationen, insbesondere, wenn es um Therapieverlängerung und Therapiereduktion, um Überleben
und Sterben geht. In diesen bedrängenden medizin-ethischen Fragen darf sich der Seelsorger nicht entziehen.
Darüber hinaus soll er es als seine Aufgabe betrachten, durch eigene Bildungsangebote Krankenhauspersonal,
Studenten, Schülerinnen und Schüler, Ärzte und Gemeindeseelsorger mit ethischen Fragestellungen zum Lebensanfang und Lebensende, zu menschlicher und christlicher
Kranken- und Sterbebegleitung vertraut zu machen und
auch das Wesen und das Selbstverständnis von Krankenund Krankenhausseelsorge zu verdeutlichen.
17
Partnerschaft
mit Ärzten und
Pflegekräften
Information
und Weiterbildung
anbieten
06 z 05 03
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Inhalt
Hirntod und
Organspende
als sensible Bereiche
Krankheit als Chance
Spezielle Ausbildung
von mehr Kräften
Suchen
Treffer
Hilfe
In dem sensiblen Umfeld von Hirntod und evtl. Organspende muss der Seelsorger besonders in einem Transplantationszentrum ein wacher Gesprächspartner der Angehörigen in ihrer Trauer, ihrer schweren Entscheidungssituation und ihrem Abschied sein. Gerade weil er vielen Angehörigen ein unverdächtiger Zeuge ist, hat der Seelsorger die
Möglichkeit, das Unfassbare des Todes durch Hirntod näherzubringen und auch ein Anwalt der Leidenden als potenzielle Organempfänger zu sein. Gerade auch in diesen
sensiblen Gesprächen und Prozessen wird die Mitwirkung
des Seelsorgers durch Ärzte hoch geschätzt.
Wünsche des Krankenhausseelsorgers
Wünsche an die Medizin
Es muss die Aufgabe des Arztes und aller im Krankenhaus
Tätigen bleiben, Krankheit nicht als behebbare Reparatur,
sondern als Chance und Aufgabe zur Selbstfindung zu begreifen, wenn es um das Heilwerden des ganzen Menschen
geht. Der kranke Mensch ist nie nur biologisches Substrat,
sondern immer eine freie, geistige und zeitliche Person.
Deshalb muss es neben der „Wissenschaft der Krankheiten“ um die „Wissenschaft vom kranken Menschen“ gehen.
Dazu gehört eben auch die Bezogenheit des Menschen auf
Gott. Wegen dieser Beschaffenheit des Menschen und zur
Förderung von Heilung und Heil des Patienten sollten Ärzte und Pflegepersonal den Krankenhausseelsorger nicht
nur freundlich dulden, sondern seinen spezifischen Beitrag
zur Therapie achten, fördern und suchen.
Wünsche an die Kirchen
Die Vorliebe Jesu für die Kranken (vgl. Mt. 9,12: „Denn
nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die
Kranken.“) sollten die Kirchen veranlassen, tüchtige und
18
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Inhalt
Suchen
Hilfe
Treffer
glaubwürdige Menschen mit der Krankenhausseelsorge zu
betrauen. Dazu bedarf es neben einer geistlichen, theologischen und humanwissenschaftlichen Bildung einer
spezifischen Ausbildung in der klinischen Seelsorge
(KSA), wie sie in verschiedenen Zentren Deutschlands
vermittelt wird. Zu wünschen ist auch die Anhebung des
Personalschlüssels, damit auch in Zukunft eine fruchtbare
Seelsorge im Krankenhaus möglich bleibt.
z zusammenfassung
Marz 2001
06 z 05 03
Die Sorge um die Kranken in Krankenhaus und
Gemeinde ist eine der zentralen Aufgaben kirchlichen Handelns: in der Verkündigung, in der Feier
der Liturgie und der Sakramente sowie in der diakonischen Zuwendung zum Menschen in Not. In
dieser Sorge verdichtet sich der Auftrag Jesu, dem
Kranken Heil und Heilung zuteil werden zu lassen.
Das Bild von Jesus als dem göttlichen Arzt zeigt,
dass im Zusammenwirken der verschiedenen Dienste am kranken und leidenden Menschen das Reich
Gottes erfahrbar wird. Die für diesen Dienst erforderliche menschlich-geistliche wie theologisch-psychologische Kompetenz und der persönliche, mit
vielen Belastungen, aber auch wertvollen persönlichen Erfahrungen verbundene Einsatz der Seelsorger machen deutlich: Der Beruf des Krankenhausseelsorgers verdient höchste Anerkennung und
Förderung in der kirchlichen und gesellschaftlichen
Öffentlichkeit. Diese Aufmerksamkeit sollten Seelsorger auch im Krankenhaus selbst erfahren
können. (Die deutschen Bischöfe 1998)
19
06 z 05 03
Kranken- und Krankenhausseelsorge
Inhalt
Suchen
Hilfe
Treffer
Literatur
Die deutschen Bischöfe (1998) Die Sorge der Kirche um die
Kranken. Seelsorge im Krankenhaus. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg) Bonn
Fasselt G (1999) Und der Herr wird ihn aufrichten. Zur Heilssorge der Kirche für die Kranken. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart
Gerhardt A (1996) Die Kranken besuchen. Ein Werkbuch. LahnVerlag, Limburg
Meyer-Scheu J (1975) Krankenhausseelsorge. In: Gastager H,
Gastgeber K, Griese G et al. (Hrsg) Praktisches Wörterbuch
der Pastoral-Anthropologie. Herder, Wien Freiburg Basel,
Spalte 588–592
Meyer-Scheu J (1977) Seelsorge im Krankenhaus. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz
Reiner A (1992) Seelsorger und Patient. In: Eser A, Luterotti Mv
et al. (Hrsg) Lexikon Medizin Ethik Recht. Herder, Freiburg
Basel Wien, Spalte 1001–1011
Sporken P (1981) Die Sorge um den kranken Menschen. Grundlagen einer neuen medizinischen Ethik. Patmos, Düsseldorf
Szekely A (1987) Das Krankenhaus – Ort der Heilung und des
Heiles. In: Arzt und Christ 33/2
Weiter
20