Ausgangssituation Inhalt Suchen 2 z 25 02 Hilfe Treffer 2 z 25 DRGs – Anforderungen an die EDV Thomas Morzinck, Gerhard Sitzler September 2001 inhaltsüberblick Die Abrechnung von Krankenhausleistungen auf der Basis von DRGs ist ohne EDV-Unterstützung nicht vorstellbar. Der Beitrag beleuchtet deshalb die spezifischen Anforderungen an eine entsprechende IT-Umgebung. Dazu gehören die grundsätzlichen Bedingungen, wie sie im Krankenhaus vorhanden sind bzw. sein sollten, aber auch die Ebene des einzelnen Arbeitsplatz wird untersucht. Abschließend folgt ein optimistischer Ausblick: Sicher wird es im EDVBereich Probleme bei der Einführung der DRGs geben, aber sie lassen sich nach dem Stand der Technik lösen. 2 z 25 | 01 Einleitung In diesem Handbuch sind die theoretischen Grundlagen und praktischen Umsetzungserfordernisse der DRGs (Kap. 2.21) sowie die allgemeinen Aspekte des Einsatzes elektronischer Patientenakten (Kap. 10.10) bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt, so dass sich zunächst das Studium dieser Kapitel empfiehlt. Da die Abrechnung von Krankenhausleistungen auf der Basis des in Entwicklung befindlichen DRG-Systems im täglichen Routinebetrieb ohne EDV-Unterstützung kaum vorstellbar ist, ergibt sich die Notwendigkeit, die spezifischen Anforderungen an eine entsprechende IT-Umgebung näher zu beleuchten. DRGs stellen Anforderung an EDV 2 z 25 | 02 Ausgangssituation Die (medizinische) Dokumentation war nie eine bevorzugte Tätigkeit im Kanon ärztlichen und pflegerischen Handelns, sondern wird bis heute überwiegend als be1 Ungeliebte Dokumentation 2 z 25 02 Ausgangssituation Inhalt Entlastung durch EDV? Produkte lösen allein keine Probleme Entlastung durch Dokumentare Suchen Treffer Hilfe rufsfremde und administrative Tätigkeit (Flintrop 2000) empfunden. Das daraus resultierende unterschwellige Vermeidungsverhalten wird bei dem Fehlen einer adäquaten EDV-technischen Unterstützung zusätzlich dadurch gefördert, dass insbesondere auf Grund gesetzlicher Vorgaben Umfang und Frequenz der Dokumentation und die damit verbundenen Qualitätsansprüche an die Dokumentationsgüte steigen. In dieser Situation wird die seit Jahrzehnten allseits angestrebte Entlastung von vordergründig „medizinfernen“ Tätigkeiten durch den Einsatz moderner Informationstechnologie noch dringlicher eingefordert. Diese Diskussion erfährt durch die gesetzlich vorgegebene Einführung des DRG-Systems als Entgeltsystem eine zusätzliche Aktualität. Verantwortlichkeiten/Delegation Zur Vermeidung einer unpräzisen Entscheidungsfindung muss vor der Einführung der EDV darüber Klarheit hergestellt werden, wer zu welcher Dokumentation verpflichtet ist und welche Funktionalitäten darüber hinaus benötigt werden. Verfrühte Diskussionen darüber, ob EDV-Firma A den Grouper „X“ oder „Y“ einbinden kann und ob der „DRG-Arbeitsplatz“ der Firma B „besser“ sei, fördern die Illusion in Medizin und Verwaltung, das DRG-Problem werde sich allein durch die richtige EDV-Produktauswahl schon von selbst lösen. Zunächst soll auf den Wunsch nach einer weitgehenden Unterstützung bei der Dokumentation und insbesondere einer Entlastung von den unbeliebten Kodierungsarbeiten (ICD-10, OPS-301, Qualitätssicherung usw.) eingegangen werden. Vor allem das medizinische Personal würde die vollständige Verlagerung der Dokumentation 2 Ausgangssituation September 2001 Inhalt Suchen 2 z 25 02 Hilfe Treffer auf spezielle Fachleute der Bereitstellung einer EDVLösung – auch wenn sie nutzerorientiert ist – sicherlich vorziehen. Grundsätzlich kommen dazu Berufsgruppen aus dem Bereich der Medizinischen Dokumentation, also Dokumentationsassistenten, Dokumentare und Diplomdokumentare, in Frage (DVMD 2001). In Deutschland liegen inzwischen „Empfehlungen zum Einsatz von Dokumentaren im DRG-Umfeld“ (DVMD 2001) vor. Aus den USA und Australien sind strukturierte Ausbildungen zum ,Clinical Coder‘ speziell für das DRG-System bekannt. Ein flächendeckender Einsatz von Dokumentationsfachpersonal würde wegen der berufsbedingten IT-Spezialkenntnisse die Ausgestaltung der EDV-Strukturen maßgeblich beeinflussen. Trotz erwägenswerter Vorteile wird die vollständige Delegation von Dokumentation und Kodierung an dieses spezielle – zusätzliche – Personal aber wohl nicht die typische Ausgangssituation bei der Einführung bzw. der Modifikation von EDV werden. Abgesehen von der schwierigen finanziellen Lage vieler Krankenhäuser und der mangelnden Zahl ausgebildeter Fachkräfte können dafür zwei wesentliche Gründe benannt werden: Zum einen wird es gerade in der Frühphase der DRGEinführung entscheidend darauf ankommen, ärztlichen Sachverstand einzubinden, um ein den deutschen Verhältnissen und Therapiegewohnheiten gerecht werdendes System aufzubauen. Die Vorarbeiten etwa auf der Ebene wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften müssen in jedem Krankenhaus durch die Entwicklung einer eigenen ärztlichen „Vor-Ort“-DRG-Fachkenntnis zwingend ergänzt werden. Nur so kann die notwendige Restrukturierung der Dokumentationabläufe, des Leistungsumfangs und der Art und Weise der Leistungserbringung unter 3 Vollständige Delegation nicht möglich Ohne ärztliche Kenntnisse geht es nicht 2 z 25 02 Ausgangssituation Inhalt Inhaltliche Verantwortung Hohe Fehlerquote bei DRG-Einführung Zentrale Clearingstelle Suchen Treffer Hilfe DRG-Aspekten mit ärztlicher Fachkompetenz gestaltet werden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt könnte dann diese ärztliche Mitarbeit durch den Einsatz neuer Berufsgruppen „gelockert“ werden. Zum anderen ließe sich zwar die Arbeit vom ärztlichen auf das Dokumentations- und Kodierfachpersonal, nicht jedoch die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit übertragen (Schlottmann u. Raskop 2001; zur Dokumentationspflicht gem. Berufsordnung Ratzel u. Lippert 1999); gleiches gilt auch im angelsächsischen Umfeld. Letztlich muss bei fortbestehender Endverantwortlichkeit eine patientennahe und wegen der Abrechnungsrelevanz auch zeitnahe Dokumentation organisiert werden, die sinnvollerweise von erfahrenen und geschulten Ärzte geleistet und ggf. einer internen Expertenüberprüfung unterworfen wird (König et al. 1994). Ausländische Erfahrungen zeigen DRG-Fehlzuordnung vor allem in der Einführungsphase des Systems von mindestens 20% der Fälle (Hsai et al. 1988). Einflussfaktoren für die elektronische Datenverarbeitung Die neugefassten und bereits gültigen gesetzlichen Bestimmungen erfordern eine zeitnahe elektronische Übermittlung von Abrechnungsdaten. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass nicht nur die lokale Erfassung der am Patienten erbrachten Diagnosen und Leistungen zu unterstützen ist, sondern auch eine zentrale Funktionseinheit im Sinne einer Clearingstelle geschaffen werden muss, in der Problemfälle analysiert werden. Dies begründet sich zum einen in der Entgeltrelevanz mangelnder Dokumentationsqualität und den Prüferfordernissen externer Stellen (Medizinischer Dienst der Krankenkassen, Krankenversicherer etc.). Es entspricht aber auch der Logik „ein 4 Ausgangssituation September 2001 Inhalt Suchen 2 z 25 02 Hilfe Treffer Fall – eine DRG“, so dass nach internen Verlegungen zwischen verschiedenen Fachabteilungen eines Krankenhauses eine endgültige Zuordnung des Falls zu einer Hauptdiagnose erfolgen muss. Diese Aufgaben werden sich im täglichen DRG-Routinegeschäft EDV-gestützt nur unter folgenden Mindestanforderungen abwickeln lassen: z Die Möglichkeit, die relevanten Parameter wie Diagnosen und Leistungen lokal überwiegend durch medizinisches Personal zeit- und patientennah auch ohne umfangreiche EDV-Kenntnisse erfassen zu können. z Die Möglichkeit, die dokumentierten Diagnosen und Leistungen mit speziellem „DRG-Sachverstand“ zentral im Hinblick auf Güte, Vollständigkeit und Zuordnungsfähigkeit zu bewerten. Hieraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, die im Bereich der Krankenversorgung gesammelten Informationen mit den „administrativen“ EDV-Systemen vor allem der Abrechnung und des Berichtswesens im Sinne einer Datenintegration auszutauschen. Falsche Hoffnung 1: IT-basierte „Abrechnungs-Optimierung“ Bei der Diskussion entsprechender Vorgaben und der daraus resultierenden Anforderungen an eine IT-Lösung wird mit dem Hinweis auf betriebswirtschaftliche Steuerungsfunktionalitäten von Arztpraxis-EDV-Systemen oft der Wunsch nach einem „Vor-Ort-Grouper für Alle“ zur Optimierung des Abrechnungsergebnisses (z. B. durch Permutation von Haupt- und Nebendiagnosen) geäußert. Basierend auf dem automatisch generierten Vorschlag eines speziell konfigurierten Groupersoftwaremoduls könnte sich der Dokumentationsverantwortliche damit 5 Zwei Mindestanforderungen Es wäre schön . . . 2 z 25 02 Ausgangssituation Inhalt . . . ist aber verboten Führung lässt sich nicht automatisieren Überwachung nur mit Kompetenz Suchen Treffer Hilfe für die (aus DRG-Entgelt-Sicht) „beste“ Konstellation entscheiden, um (ökonomisch) vermeintlich „Gutes“ für das Krankenhaus zu tun. Da im deutschen Umfeld erstmalig auf der Welt eine Vergütung aller stationären und teilstationären Fälle (Ausnahme: Geltungsbereich der PsychPV) allein nach dem DRG-System erfolgen soll, liegt diese Idee vordergründig nahe („Der dokumentierende Arzt schreibt eine Rechnung“, Simborg 1984). Allerdings steht dem ein im Aufbau befindlicher Prüfapparat der Kostenträger und – analog zu etwa US-amerikanischen Systemen – eine erhebliche Sanktionsbewehrung entgegen (siehe Referentenentwurf des BMG vom 12. 7. 2001 zum Gesetz zur Einführung des DRG-Vergütungssytems für Krankenhäuser). Falsche Hoffnung 2: Der Computer als automatischer Kodierer Während also ein derartiges Up-coding (Kap. 2.21.10) bereits an der Wahrheitspflicht und an den Kodierrichtlinien scheitern muss, ist die Forderung nach einer guten, EDV-basierten Unterstützung bei der Kodierung von Diagnosen und Prozeduren zweifellos berechtigt. Diese informationstechnologische Hilfe wird aber auch bei bester Produktauswahl wegen der direkten Entgeltwirksamkeit und der Aspekte der Unternehmenssteuerung nicht dazu führen, die DRG-relevanten Aufgaben nun doch ärztlichen Berufsanfängern oder Hilfskräften übertragen zu können. Die Überwachung der Dokumentation am Patienten erhobener Diagnosen und erbrachter Leistungen bleibt eine Führungsaufgabe in ärztlicher Endverantwortlichkeit mit hohem Anspruch an die klinisch-fachliche Kompetenz. 6 Grundbedingungen der EDV-unterstützten Dokumentation Inhalt Suchen Hilfe Treffer 2 z 25 | 03 Grundbedingungen der EDV-unterstützten Dokumentation September 2001 2 z 25 03 Viele Diskussionen über den Einsatz von EDV bei der DRG-Einführung enden mit Vorschlägen, kurzfristig parallel zur ggfs. schon vorhandenen Datenverarbeitung ein unabhängiges DRG-Dokumentations- und Kodierungssystem zur Bedienung durch „DRG-Ärzte/-Beauftragte/-Verantwortliche“ zu installieren. Eine solche „Insellösung“ widerspricht jedoch dem Konzept einer integrierten EDVUmgebung, die Doppelerfassungen möglichst vermeidet. Immerhin werden die von den Leistungserbringern zu dokumentierenden DRG-relevanten Parameter (eine Teilmenge der erforderlichen Parameter nach § 301 SGBV) zum Teil auch für andere gesetzlich vorgeschriebene Dokumentationen benötigt. Beispielhaft seien die Dokumentation bei Fallpauschalen und Sonderentgelten gemäß § 137 SGBV oder die von den Landesämtern für Statistik geforderten Angaben genannt. Die Liste der Parameter zur DRG-Findung, die direkt im Bereich der Leistungserbringer d. h. in klinischer Umgebung, erhoben werden müssen, ist relativ kurz. Viele der im § 301 SGBV vorgeschriebenen Parameter werden bereits jetzt in sehr guter Qualität in den administrativen Bereichen des Krankenhauses erfasst und können als „Stammdaten“ und „Bewegungsdaten“ über integrierende EDV-Strukturen den Leistungserbringern zur Verfügung gestellt werden. Als Schwachpunkte bei der DRG-bezogenen Dokumentation lassen sich nicht die Daten über Liegezeiten, Lebensalter oder Entlassarten, sondern die klinischen Informationen wie Diagnosen, Prozeduren, Beatmungsstunden oder Aufnahmegewichte identifizieren. Dies entspricht ausländischen Erfahrungen bei der Einführung des DRG-Systems (Institute of Medicine 1977). 7 Eine „DRG-Insellösung“ ist nicht sinnvoll Die meisten Daten sind schon da Schwachpunkte 2 z 25 03 Grundbedingungen der EDV-unterstützten Dokumentation Inhalt Suchen Treffer Hilfe Tabelle 1: Grouper-Variablen für das australische DRG-System Grouper-Variable Diagnosen (ICD 10) Prozeduren (OPS-301) Geschlecht Alter Entlassart Aufenthaltsdauer Beurlaubungstage Aufnahmegewicht mental health legal status Ein-Tages-Fall Beatmungsstunden Bewertung der schon erfolgten Dokumentation Knackpunkt patientenbezogene Datensätze Bewertung vorhanden (mäßige Qualität) vorhanden (mäßige Qualität) vorhanden (gute Qualität) vorhanden (gute Qualität) vorhanden (gute Qualität) vorhanden (gute Qualität) vorhanden (gute Qualität) oft nicht fallbezogen verfügbar (voraussichtlich nicht relevant) vorhanden (gute Qualität) problematisch Die Tabelle 1 zeigt DRG-relevante Grouper-Variablen. Die mit „vorhanden (mäßige Qualität)“ bezeichneten Variablen zeigen an, dass hier zwar schon seit geraumer Zeit eine Dokumentation, aber tendenziell in schlechter Qualität erfolgt. Die anderen „vorhandenen“ Parameter werden in der Regel administrativ erhoben („Stammdaten“ und „Bewegungsdaten“ im weiteren Sinne) und liegen in guter Qualität vor. Neue bzw. modifizierende Dokumentationsanforderungen entstehen also primär im Bereich patientenbezogener Datensätze. Insbesondere Diagnosen und Prozeduren waren schon in der Vergangenheit dokumentationspflichtig. Eine Entgeltrelevanz und damit ein besonders hoher Anspruch an die Kodiergüte bestand bisher aber vor allem im Bereich der Fallpauschalen und Sonderentgelte. Körpergewichte wurden häufig erfasst, jedoch nur für Perinatalstatistiken u. ä. genutzt und stehen daher häufig in den Entgeltsystemen nicht fallbezogen zur Verfügung. Die Erfassung von Beatmungszeiten erfolgte über Zeiträume aggregiert zur Ermittlung des Personal8 Technische Umsetzung Inhalt Suchen Hilfe Treffer bedarfs, aber nicht fallbezogen (in DRG-Sicht „problematische“ Datensätze). Angaben zum „mental health status“ (entspricht etwa einer Zwangseinweisung) werden im deutschen System voraussichtlich keine Rolle spielen. Aus Tabelle 1 wird deutlich, dass die DRG-relevanten Parameter Teil der Basisdokumentation sind und daher in den allgemeinen „workflow“ der Dokumentation und Kodierung integriert werden sollten. Integration in den „workflow“ 2 z 25 | 04 Technische Umsetzung Angesichts der erheblichen Unterschiede in den Ausbauund Integrationsständen der IT-Systeme in deutschen Krankenhäusern soll an dieser Stelle vorwiegend auf die grundlegenden gemeinsamen Anforderungen eingegangen werden. September 2001 2 z 25 04 Zentrale Installation Ein DRG-unterstützendes EDV-System basiert grundsätzlich auf einer zentralen Datenbasis, die zumindest die DRG-relevanten Eingangsdaten enthalten muss. Auf dieser Grundlage können die vorhandenen Dokumentationen und Kodierungen zunächst auf Vollständigkeit, Plausibilität und Verlaufsabhängigkeit überprüft und ggfs. korrigiert werden, um dann mit Hilfe eines speziellen Softwaremoduls – dem sog. „Grouper“ – die Entgeltfindung vorzunehmen. Soweit der EDV-Produktmarkt zu übersehen ist, haben sich – nicht zuletzt unter dem Druck der Kunden – inzwischen fast alle namhaften Anbieter von Klinischen Arbeitsplatzsystemen, „elektronischen Krankenakten“, Patientendatenmanagement- und Abrechnungssystemen usw. mit der Integration der zusätzlichen Parameter und der Einbindung externer Kodiersoftware sowie eines 9 Die grundlegenden gemeinsamen Anforderungen Grouper heißt das Softwaremodul Meist ist eine Ausgangsposition vorhanden 2 z 25 04 Technische Umsetzung Inhalt Zeitnot bei nur geringem Umfang der Installation Daten aus der Umgebung übernehmen Mehrfacherfassungen unbedingt vermeiden Suchen Treffer Hilfe Groupers beschäftigt. Daher wird in Krankenhäusern mit gängigen und gepflegten EDV-Systemen kurzfristig zumindest eine IT-„Notlösung“ rechtzeitig realisierbar sein. Zwar sind die gesetzlichen Fristen zur Einführung einer DRG-basierten Abrechnung so kurz, dass bis dahin in großen Krankenhäusern die erstmalige flächendeckende und voll funktionale Einführung einer „elektronischen Krankenakte“ (Roetman u. Zumtobel 2001) nicht mehr geleistet werden kann; deren umfassende Funktionalitäten werden angesichts des geringen Umfangs der für die DRG-Einführung notwendigen Erweiterungen streng genommen im Hinblick lediglich auf die gesetzlich definierten Ansprüche aber auch nicht benötigt. Mit der Hilfe eines skalier- und parametrierbaren Klinischen Arbeitsplatzsystems sollten (bereits deutlich unterhalb der Ebene komplexer „elektronischer Krankenakten“) alle benötigten Funktionen für die Dokumentation DRG-relevanter Parameter durch die Leistungserbringer (Diagnosen, Prozeduren, Beatmungsstunden, Aufnahmegewichte) aus der klinischen Umgebung heraus kurzfristig bereitgestellt werden können. Diese Lösung ist auch angesichts der lean computing-Faustregel, dass bereits elektronisch erfasste Informationen auch elektronisch weiterverarbeitet werden sollen, sehr sinnvoll. Eine andauernde Mehrfacherfassung derselben Parameter – erst recht in EDV-Systeme – wird nach aller Erfahrung von dokumentationsverantwortlichem Personal ohnehin kaum toleriert und sollte zum Erhalt der erforderlichen Akzeptanz und Motivation (Kap. 10.10.02) unterbleiben. 10 Technische Umsetzung Inhalt Suchen Hilfe Treffer z Wenn die Vermeidung überflüssiger Doppeluntersuchungen die Wirtschaftlichkeit in der Krankenversorgung erhöht, gilt dies auch für die Doppeldokumentation und -kodierung. Daher sind Krankenhäuser, die bereits über ein Klinisches Arbeitsplatzsystem verfügen, das vom medizinischen Personal funktional und ergonomisch angenommen wird, sicherlich gut beraten, diese Systeme um die DRG-relevanten Funktionalitäten ergänzen zu lassen und von vorneherein von Notlösungen im Sinne von nichtintegrierten EDV-Zusatzsystemen Abstand zu nehmen. September 2001 2 z 25 04 Zentrale Datenbank Den erweiterten Auswertungsbedürfnissen (Medizinisches Controlling, Qualitätssicherung, Managementinformationssysteme usw.) kommt der in den letzten Jahren vollzogene technologische Paradigmenwechsel sehr entgegen, für die medizinische Routinedokumentation in Polikliniken, bettenführenden Stationen und Operationsräumen Systeme auf der Basis einer zentralen Datenbank einzusetzen. Diese kann bei kleinen Krankenhäusern als einheitlich medizinisch/administrative Datenbank ausgelegt sein; bei erweiterten Anforderungen (elektronische Krankenakte als Ersatz der Papierakte, gute Parametrierungsfähigkeit zur Gewinnung zusätzlicher Funktionalitäten und hoher Akzeptanz durch medizinisches Personal) ist – wie z. B. in Universitätskliniken – auch der Aufbau einer zentralen medizinischen Datenbank neben einer administrativen sinnvoll (vgl. Abb. 1). Zum einen erfüllt derzeit kein Softwareprodukt alle Anforderungen an medizinische und kaufmännische Funktionalitäten, so dass in diesen Fällen eine ressour11 Ergänzender Ausbau besser als isolierter Neuanfang Hilfreicher Paradigmawechsel Medizinische neben der Verwaltungs-Datenbank Die Gründe 2 z 25 04 Technische Umsetzung Inhalt Suchen Treffer Hilfe Abb. 1: Zentrale medizinische und administrative Datenbank nebeneinander Technische Machbarkeit gegeben cenbindende „Paralleldatenverarbeitung“ auf ärztlicher Seite beobachtet werden kann; zum anderen steigen die Ansprüche an die Ausfallsicherheit (und die dafür erforderlichen Aufwendungen) sehr stark an, wenn Medizin und Verwaltung – d. h. das gesamte Krankenhaus – in seiner Funktion von einem einzigen EDV-System abhängig gemacht werden. Soweit jeweils eine zentrale Datenbank in „Medizin“ und „Verwaltung“ bestehen, ist ein gegenseitiger Austausch nicht nur gesetzlich vorgeschriebener Parameter technologisch möglich. Daher sollte die Einführung des DRG-Systems i.d.R. in diesem Umfeld keine größeren strukturellen und kostenintensiven Restrukturierungen der EDV-Landschaft erfordern. Die früher physikalisch selbstständigen (medizinischen) „Abteilungssysteme“ existieren in derartigen 12 Technische Umsetzung September 2001 Inhalt Suchen 2 z 25 04 Hilfe Treffer Umgebungen jetzt in Form einer fachabteilungsabhängigen Parametrierung des zentralen Systems weiter; der Einsatz eigenständiger OP-Dokumentationssysteme wird inzwischen zugunsten der durchgängigen Anwendung des Klinischen Arbeitsplatzsystems in Polikliniken, auf bettenführenden Stationen und in Operationsräumen aufgegeben. Eine weitere in diesem Zusammenhang interessante Option bietet die Implementierung einer verordnungsnahen medizinischen Leistungssteuerung (z. B. auf der Basis von Leitlinien, Schneichel u. Morzinck 2001). Jedenfalls kann durch die zentralisierte Datenbasis insbesondere den Experten im medizinischen Controlling und im Qualitätsmanagement – über die konkreten DRGbezogenen Parameter hinaus – die gesamte elektronisch erfasste medizinische Dokumentation zur Verfügung gestellt werden. Integration von Subsystemen? Soweit in großen Häusern der datenverarbeitungstechnische dem medizinischen Diversifizierungsgrad gefolgt ist, besteht die Möglichkeit, relevante Parameter (z. B. Stunden der Beatmung) mit Hilfe des herstellerunabhängigen Schnittstellenstandards HL7 aus speziellen Subsystemen (z. B. der Intensivstation) in die zentrale Datenbank zu übermitteln. Auch hier gilt wieder der Grundsatz, einmal elektronisch erfasste Informationen elektronisch weiterzuverarbeiten. Die Notwendigkeit einer am lean computing orientierten IT-Gesamtstruktur in Krankenhäusern (vgl. Schonlau 1996) wird durch die DRG-Einführung nicht außer Kraft gesetzt. 13 Daten für Controlling und QM Schnittstellen nutzen 2 z 25 05 Lokale Arbeitsplätze Inhalt Suchen Treffer Hilfe 2 z 25 | 05 Lokale Arbeitsplätze Beschreibung kritischer Faktoren Bei der IT-basierten Erfassung von Parametern zur DRGFindung handelt es sich wegen der Entgeltrelevanz um eine unternehmenskritische Anwendung, die bis auf weiteres ganz wesentlich von der Qualität menschlicher Zuarbeit abhängt. Daher können bestimmte kritische Faktoren beschrieben werden, die bei der Fortschreibung vorhandener EDV-Installationen weiterentwickelt werden müssen. Der normale PC tut es meist nicht Den „Wildwuchs“ verhindern Stabile IT-Infrastruktur Ein wesentlicher Faktor der Akzeptanz von IT-Systemen ist neben ergonomischen Aspekten die Sicherung einer hohen Betriebsstabilität/Verfügbarkeit, um aufwendige und fehlerbehaftete ex-post-Dokumentationen (ggfs. auf der Basis temporärer papiergestützter Notizen) zu verhindern. Personal Computer als Einzelplatzsysteme, die oft zur allgemeinen Benutzung installiert sind und deren Betriebsbereitschaft von Zufällen und vom guten Willen einzelner betreuungswilliger Personen abhängt, eignen sich nur beschränkt als technologische Plattform für den flächendeckenden Einsatz in medizinischen Abteilungen. Da zur Sicherung der Kodierqualität nicht nur die Kenntnis von – möglichst eindeutigen – Kodierregeln (z. B. Festlegung der Hauptdiagnose), sondern auch entsprechend zentral gesteuerte, einheitliche, gepflegte und geschulte Verschlüsselungsfunktionalitäten erforderlich sind, muss ein „Wildwuchs“ in Form nicht abgestimmter Installationen verschiedenster Progamme auf lokalen PCs schon auf technischer Ebene unterbunden werden. Hinzu kommt, dass nur so eine zeitnahe Pflege insbesondere der Dokumentationskataloge im gesamten Krankenhaus möglich ist. Bereits jetzt ist erkennbar, dass die gültigen Diagnosen14 Lokale Arbeitsplätze Inhalt Suchen Hilfe Treffer und Prozedurenkataloge (ICD, OPS), aber auch das DRGSystem mindestens jährlich überarbeitet werden. Daher eignen sich als EDV-Endarbeitsplätze besonders Geräte mit niedrigem Komplexitätsgrad (Terminal-Technik, sog. thin-clients), die gerade bei heterogenen Nutzergruppen im medizinischen Umfeld auch wirtschaftlich vorteilhaft sein können (Heitmann et al. 2000). Trotzdem lassen sich am lokalen Arbeitsplatz verschiedene Ebenen (Dokumentation, Wissenpräsentation usw.) funktional und zeitlich – allerdings zentral gesteuert – trennen, so dass eine vereinfachte Migration zu neuen Systemen und Anwendungen möglich ist (Morzinck u. Schneichel 2001). September 2001 2 z 25 05 Parametrierung Wenn die verwendete Software ein an den DRG-Parametern orientiertes Customizing zulässt, sollte dies unter adäquater Ergebniskontrolle erfolgen. Unbedingt vermieden werden müssen Anreize zum illegalen Up-coding etwa durch „Suggestivfragen“. Allerdings sollte es dem Endnutzer möglich sein, z. B. fach- oder abteilungsspezifisch typische Diagnosekonstellationen oder Thesauri mit kliniküblicher Benennung von Diagnosen und Prozeduren zu hinterlegen. Schulung Neben der logisch/dokumentations- und kodierungsbezogenen Schulung ist eine begleitende Einweisung in die Handhabung der verwendeten Programmsysteme zwingend erforderlich. „DRG-Hotline“ Zumindest in der Einführungsphase sollte eine „DRGHotline“ in Form qualifizierter durchgängiger Ansprech15 Vorteilhaft: Terminal-Technik Up-coding unterbinden Zwingend erforderlich Nicht nur technische Hilfe 2 z 25 06 Ausblick Inhalt Suchen Treffer Hilfe partner unterhalten werden, die kurzfristig inhaltliche – dokumentations- und kodierungsbezogene – Fragen beantworten kann. Ggfs. anderweitig bereits existierende EDV-Hotline-Strukturen, die rein auf technischen Support ausgerichtet sind, eignen sich hierzu nicht. 2 z 25 | 06 Ausblick Die bestehende Basis ist nutzbar DRG-Anforderungen an die EDV stellen kein Problem sui generis dar, sondern können grundsätzlich auf der Basis typischer Standard-IT-Lösungen für Krankenhäuser abgedeckt werden. Dazu kann die bereits vorhandene Integration medizinischer und administrativer Funktionen erweitert werden. Lokale Arbeitsplätze, an denen die Parameter für die DRG-Findung erfasst werden, müssen – wie für die medizinische Datenverarbeitung allgemein gültig – hinsichtlich Funktionalität, Stabilität und Ergonomie an der Akzeptanz und der Motivation des dokumentierenden medizinischen Personals ausgerichtet werden. Der kaufmännische Funktionsschwerpunkt liegt in der EDV-unterstützten Abwicklung der Entgeltfindung (Grouper) und der Generierung von Steuerungsinformationen. Je nach unternehmensinternem Managementkonzept können diese Schritte einem spezialisierten Personenkreis vorbehalten bleiben oder im Rahmen des Betriebs eines Managementinformations- bzw. Krankenhausinformationssystems auch allgemein transparent aufbereitet werden. Eine Interaktionsfähigkeit zwischen kaufmännischem Berichts- und Abrechnungswesen und Dokumentation der Leistungserbringer muss daher in jedem Fall gewährleistet werden. Schwerpunkt dieses Beitrags ist die DRG-orientierte Optimierung der Erfassung der am Patienten erbrachten Den Arbeitsplatz dem Menschen anpassen Interaktion Verwaltung – Dokumentation 16 Ausblick September 2001 Inhalt Suchen 2 z 25 06 Hilfe Treffer Leistungen und Diagnosen in einer integrierten EDV-Umgebung. Insbesondere aus der Sicht eines medizinischen (also ärztlichen) Managements bzw. Controllings ergeben sich aber weiterreichende Ansprüche an die IT-Struktur im DRG-Umfeld. Eine Minimallösung im Sinne einer nutzerorientierten, optimalen Abbildung rechtlicher Dokumentationsvorschriften greift zumindest mittelfristig unter den Aspekten der taktischen und strategischen Unternehmenssteuerung deutlich zu kurz. Der zunehmende Druck, im Rahmen des neuen Entgeltsystems Art und Umfang der Leistungserbringung umzustrukturieren (beispielhaft sei die Erstellung klinischer Pfade durch das medizinische Controlling genannt), Darlegungspflichten gegenüber Externen (MDK, Kostenträger, Öffentlichkeit u. a.) zu erfüllen und die Bildung von DRG-Gruppen auf ihre Repräsentativität zu überprüfen, erfordert eine Erweiterung der verfügbaren Informationen. Die Ansprüche an künftige IT-Umgebungen umfassen daher: z Weiterentwicklung der datentechnischen Integration der medizinischen und pflegerischen Leistungsdokumentationen (z. B. elektronische Patientenakte mit Anbindung an zentrale Datenbankstrukturen, Datenkopplung in ein data-warehouse etc.). z Zusammenführung der gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentationsparameter mit weiteren, insbesondere klinisch-funktionellen Parametern. Nur so kann ein Krankenhaus die Homogenität seines Patientenguts mit der den DRG-Gruppen hinterlegten medizinischen Homogenität abgleichen. Lediglich auf Ebene der DRG-Gruppierungsergebnisse ist dies weder in medizinisch-inhaltlicher Sicht, noch unter Qualitätsaspekten möglich (Sitzler 2001). 17 Langfristig denken, nicht Minimalkonsens suchen Ansprüche an künftige IT-Umgebungen 2 z 25 06 Ausblick Inhalt Suchen Treffer Hilfe z Zusammenführung von Kalkulationsparametern im Sinne einer fallbezogenen Kostenträgerrechnung und fallbezogener klinischer Dokumentation, um seitens der Krankenhäuser die notwendige Pflege des Klassifikationssystems (recalculation und recalibration) unter Berücksichtigung klinischer und ökonomischer Homogenität zu unterstützen. Insbesondere im Bereich der Maximalversorgung könnten sich so Hinweise auf die Notwendigkeit der Überarbeitung des DRG-Systems etwa im Sinne eines Splittings bestehender Gruppen ergeben. Im Innenverhältnis sind diese Informationen essenzielle Bestandteile z. B. bei der Gestaltung von Patientenpfaden durch das medizinische Controlling. z fazit Als Fazit bleibt, dass die Einführung des DRG-Systems dem Grunde nach keine grundsätzlich neuen Erfordernisse an die IT-Struktur im Krankenhaus stellt. Wegen seiner nahezu alle Leistungen erfassenden Entgeltrelevanz wird jedoch durch die Einführung des DRG-Systems die Beseitigung lange bekannter Mängel in der Leistungsdokumentation, in der Organisation der Leistungserbringung und bei der Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im Krankenhaus gefördert. Eine endnutzerorientierte, funktional integrierte und integrative EDV-Umgebung wird hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Keine grundsätzlich neuen Anforderungen Literatur DVMD (2001) Deutscher Verband Med. Dokumentare eV, Mannheim, online www.dvmd.de Flintrop J (2000) Verwaltungsaufwand im Krankenhaus – Jeden Tag ein kleiner Roman. Dt Ärztebl 97/38: A 2428–2431 18 Ausblick September 2001 Inhalt Suchen Hilfe Treffer Heitmann KU, Koop A, Morzinck T, Schneichel W (2000) Calming admins and managers – Experiences from four years using thin client technology in a hospital environment. In: Hasman A, Blobel B, Dudeck J, Engelbrecht R, Gell G, Prokosch HU (Hrsg) Medical Infobahn for Europe. IOS Press, Amsterdam pp 912–915 Hsai DC, Krushat WM, Fagan AB, Tebutt JA, Kusserow RP (1988) Accuracy of diagnostic coding for Medicare patients under the prospective-payment system. N Engl J Med 318: 352–355 Institute of Medicine (1977) Reliability of Hospital Discharge Abstract. Abstract Nat Acad Sci, Washington DC König A, Rau R, Scriba PC (1994) Fehlerquote bei der ICD-Verschlüsselung und Realisierbarkeit der Pflegepersonalregelung des Gesundheitsstrukturgesetzes. Dtsch med Wschr 119: 755– 759 Morzinck T, Schneichel W (2001) Computergestützte Dokumentation und Kliniknetzwerke. 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