5 Naturrecht bei Stoikern und Cicero Zitate.pdf

PD Dr. Matthias Perkams
FSU Jena
VL Gesetz und Gewissen
SS 2012
Institute für Philosophie und für Altertumswissenschaften
5 Das Naturgesetz der rechten Vernunft
bei den Stoikern und Cicero
– Gliederung –
I. Zenons Einsicht: Das Weltbürgertum im allgemeinen Staat
A. Der Neuansatz der politischen Philosophie bei Zenon von Kition (ca. 332-262
v.Chr.)
B. Der Hintergrund: Die politische Situation der hellenistischen Großreiche
C. Grundzüge der hellenistischen und stoischen Philosophie
II. Das Naturgesetz der Vernunft und sein Platz in der stoischen Lehre des Chrysipp von
Soloi (ca. 280-205 v. Chr.)
A. Zur Person des Chrysipp
B. Chrysipps Konzept des Gesetzes
C. Secundum naturam vivere: Die menschliche Natur und ihr Gesetz der Vernunft
D. Makrokosmos – Mikrokosmos: Die Stellung des Menschen in der Welt und
deren Struktur
E. Fazit
III. Römisches Recht und Naturrecht nach Marcus Tullius Cicero (103-46 v.Chr.)
A. Cicero und die Tradition des römischen Rechts
B. Das Ziel: Die Fundierung des ius civile im allgemeinen Recht
C. Das Naturgesetz und die Gleichheit aller Menschen
D. Gerechte und ungerechte Staaten
IV. Zusammenfassung
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1. Zenon von Kitions kosmopolitisches Ideal: „Der viel bewunderte Staat
des [...] Zenon läuft auf dieses eine Hauptanliegen hinaus, dass wir nicht
nach Städten noch nach Völkern leben, die alle durch eigene Vorstellungen
über das Gerechte unterschieden sind, sondern dass wir alle Menschen für
Volksgenossen und Mitbürger halten, dass es ein Leben und eine Ordnung
gibt, so wie eine zusammen weidende Herde durch ein gemeinsames Gesetz
zusammen genährt wird. Dies schrieb Zenon, als er einen Traum oder ein
Bild für die philosophische Gesetzgebung und Verfassung skizzierte,
Alexander aber fügte der Idee die Tat hinzu.“
(Plutarch von Chaironeia, Leben Alexanders des Großen 329AB =
Long/Sedley 67A = Stoicorum Veterum Fragmenta 1, 262)
καὶ µὴν ἡ πολὺ θαυµαζοµένη πολιτεία τοῦ [...] Ζήνωνος εἰς ἓν τοῦτο
συντείνει κεφάλαιον, ἵνα µὴ κατὰ πόλεις µηδὲ κατὰ δήµους οἰκῶµεν, ἰδίοις
ἕκαστοι διωρισµένοι δικαίοις, ἀλλὰ πάντας ἀνθρώπους ἡγώµεθα δηµότας
καὶ πόλιτας, εἷς δὲ βίος ᾖ καὶ κόσµος, ὥσπερ ἀγέλης συννόµου νόµῳ κοινῷ
συντρεφοµένης. τοῦτο Ζήνων µὲν ἔγραψεν ὄναρ ἢ εἴδωλον εὐνοµίας
φιλοσόφου καὶ πολιτείας ἀνατυπωσάµενος, Ἀλέξανδρος δὲ τῷ λόγῳ τὸ
ἔργον παρέσχεν.
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2. Chrysipps Lob des Gesetzes: „Das Gesetz ist König aller göttlichen und
menschlichen Angelegenheiten; notwendigerweise ist es der Lenker, der
Herr und Herrscher über das Schöne und Schimpfliche, und demgemäß die
Richtschnur für das, was gerecht und ungerecht ist, und so auch dasjenige,
das den von Natur aus politischen Lebewesen gebietet, was getan werden
muss, und verbietet, was nicht getan werden darf.“
(Anfang von ,Das Gesetz‘ nach Marcianus, Institutiones I = Long/Sedley
67R = Stoicorum Veterum Fragmenta III 314; Übs. Böckenförde, leicht
geändert).
ὁ νόµος πάντων ἐστὶ βασιλεὺς θείων τε καὶ ἀνθρωπίνων πραγµάτων· δεῖ δὲ
αὐτὸν προστάτην τε εἶναι τῶν καλῶν καὶ τῶν αἰσχρῶν καὶ ἄρχοντα
καὶ ἡγεµόνα, καὶ κατὰ τοῦτο κανόνα τε εἶναι δικαίων καὶ ἀδίκων καὶ τῶν
φύσει πολιτικῶν Ζῴων προστακτικὸν µὲν ὧν ποιητέον, ἀπαγορευτικὸν δὲ
ὧν οὐ ποιητέον.
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3. Chrysipp (?) über das Gesetz des Kosmos und die Gesetze der Staaten:
„Der Kosmos ist die Polis im Großen und verfügt über eine einzige
Staatsform und ein einziges Gesetz. Der logos der Natur gebietet, was getan
werden muss, und verbietet, was nicht getan werden darf. Die Poleis aber an
ihren Orten sind nicht zählbar und verfügen über Staatsformen, die sich
voneinander unterscheiden und über Gesetze, die nicht dieselben sind. Denn
bei verschiedenen [Völkern] werden verschiedene Gesetze zusätzlich
aufgefunden und dazugesetzt“.
(Philon von Alexandrien, De Iosepho 29 = Stoicorum Veterum Fragmenta
III 323; Übs. Böckenförde).
ἡ µὲν γὰρ µεγαλόπολις ὅδε ὁ κόσµος ἐστὶ καὶ µιᾷ χρῆται πολιτείᾳ καὶ νόµῳ
ἑνί. Λόγος δέ ἐστι φύσεως προστακτικὸς µὲν ὧν πρακτέον, ἀπαγορευτικὸς
δὲ ὧν οὐ ποιητέον. Αἱ δὲ κατὰ τόπους αὗται πόλεις ἀπερίγραφοί τε εἰσὶν
ἀριθµῷ καὶ πολιτείαις χρῶνται διαφερούσαις καὶ νόµοις οὐχὶ τοῖς αὐτοῖς.
Ἄλλα γὰρ παρ’ ἄλλοις ἔθη καὶ νόµιµα παρεξηυρηµένα καὶ προστεθειµένα.
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4. Chrysipp (bzw. die Stoiker) über menschliche und kosmische Vernunft:
„Die Stoiker sagen, dass der primäre Impuls für jedes Lebewesen die
Selbsterhaltung ist, weil dieses der Natur von Anfang an zu eigen ist, wie
Chrysipp sagt [...], wobei er das primär Eigentümliche für jedes Lebewesen
dessen eigene Verfasstheit und das Bewusstsein von ihr nennt [...]. Und weil
den rationalen Wesen die Vernunft gemäß einer vollendeteren Anleitung
gegeben ist, ist für diese das Leben nach der Vernunft zu Recht der Natur
entsprechend. [...] Deswegen gab [...] Zenon [...] als Ziel das Leben in
Übereinstimmung mit der Vernunft an, d.h. das Leben gemäß der Tugend.
Denn zu dieser leitet uns die Natur. [...] Das Leben in der Nachfolge der
Natur [...] bezieht sich [nach Chrysipp] sowohl auf die eigene als auch auf
die aller Dinge, wobei wir nichts tun, was das allgemeine Gesetz
üblicherweise verbietet, d.h. die rechte Vernunft, die durch alles
hindurchgeht, die dasselbe ist wie Zeus, der der Beherrscher des gesamten
Haushalts des Seienden ist.
(Diogenes Laertios VII, 85-88 = Long/Sedley 57A, 63C = Stoicorum
Veterum Fragmenta III 178)
τὴν δὲ πρώτην ὁρµήν φασι τὸ ζῷον ἴσχειν ἐπὶ τὸ τηρεῖν ἑαυτὸ, οἰκειούσης
αὐτὸ τῆς φύσεως ἀπ᾿ ἀρχῆς, καθά φησιν ὁ Χρύσιππος [...], πρῶτον οἰκεῖον
λέγων εἶναι παντὶ ζῴῳ τὴν αὑτοῦ σύστασιν καὶ τὴν αὑτῆς συνείδησιν. [...]
τοῦ δὲ λόγου τοῖς λογικοῖς κατὰ τελειότεραν προστασίαν δεδοµένου, τὸ
κατὰ λόγον ζῆν ὀρθῶς γίνεσθαι <τού>τοῖς κατὰ φύσιν. [...] διόπερ [...] ὁ
Ζήνων [...] τέλος εἶπε τὸ ὁµολογουµέµως τῇ φύσει ζῆν, ὅπερ ἐστὶ κατ᾿
ἀρετὴν ζῆν. ἄγει γὰρ πρὸς ταύτην ἡµᾶς ἡ φύσις. [...] τὸ ἀκολούθως τῇ φύσει
ζῆν [...] ἐστὶ κατά τὴν αὑτοῦ καὶ κατὰ τὴν τῶν ὅλων, οὐδὲν ἐνεργοῦντας ὧν
ἀπαγορεύειν εἴωθεν ὁ νόµος ὁ κοινός, ὅσπερ ἐστὶν ὁ ὀρθὸς λόγος, διὰ
πάντων ἐρχόµενος, ὁ αὐτὸς ὢν τῷ ∆ιί, καθηγεµόνι τούτῳ τῆς τῶν ὄντων
διοικήσεως ὄντι.
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5. Der Kosmos als Gesetz und Schicksal: „Als das Urelement des Seienden
sieht Zenon das Feuer an, ebenso wie Heraklit, als dessen Prinzipien die
Materie und Gott, so wie Platon. [...]. Das erste Feuer sei nun wie ein Same,
der die Gehalte und die Ursachen des Vergangenen, des Gegenwärtigen und
des Zukünftigen enthalte. Deren Verbindung und Ordnung sei ein Schicksal,
ein Wissen, eine Wahrheit und ein Gesetz für das Seiende, dem weder zu
entlaufen noch zu entfliehen ist. Auf diese Weise werde alles im Kosmos
mehr als gut verwaltet, so wie in der am besten geordneten Stadt“.
(Aristokles von Messene, nach Eusebios von Kaisareia, Praeparatio
Evangelica 15, 14, 1-2 = Long/Sedley 45G. 46G, teilweise)
στοιχεῖον εἶναί φησι τῶν ὄντων τὸ πῦρ, καθάπερ Ἡράκλειτος, τούτου δ᾿
ἀρχὰς ὕλην καὶ θεόν, ὡς Πλάτων. [...] τὸ µέντοι πρῶτον πῦρ εἶναι καθαπερεί
τι σπέρµα, τῶν ἁπάντων ἔχον τοὺς λόγους καὶ τὰς αἰτίας τῶν γεγονότων καὶ
τῶν γιγνοµένων καὶ τῶν ἐσοµένων· τὴν δὲ τούτων ἐπιπλοκὴν καὶ
ἀκολουθίαν εἱµαρµένην καὶ ἐπιστήµην καὶ ἀλήθειαν καὶ νόµον εἶναι τῶν
ὄντων ἀδιάδραστόν τινα καὶ ἄφυκτον. ταύτῃ δὲ πάντα διοικεῖσθαι τὰ κατὰ
τόν κόσµον ὑπέρευ, καθάπερ ἐν εὐνοµωτάτῃ τινὶ πολιτείᾳ.
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6. Lucius Annaeus Seneca über das stoische Lebensideal:
Führe, o Vater, und Herrscher des hohen Himmels
Wohin immer Du magst; beim Gehorchen gibt es kein Zögern,
eifrig bin ich bereit; will ich nicht, so folge ich stöhnend
und als Schlechter erleid’ich, was zu tun dem Guten erlaubt war.
Den Willigen führen die Schicksale, den Unwilligen ziehen sie.
(Seneca, Brief an Lucilius 107, Ende)
Duc, o parens celsique dominator poli,
quocumque placuit; nulla parendi mora est,
adsum impiger. Fac nolle, comitabor gemens
malusque patiar, facere quod licuit bono.
Ducunt volentem fata, nolentem trahunt.
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7. Cicero über das Ziel der Erklärung des ius civile: „Wir müssen aber bei
dieser Erörterung die gesamte Ursache von universalem Recht und Gesetzen
in der Weise umfassen, dass das, was wir ius civile nennen, in einem kleinen
und eng eingegrenzten Ort der Natur eingeschlossen wird. Denn die Natur
des Rechts müssen wir erklären und sie aus der Natur des Menschen
ableiten; wir müssen die Gesetze bedenken, mit denen die Staaten regiert
werden sollen. Dann sind diejenigen zu betrachten, die zusammengestellt
und niedergeschrieben worden, also die Reche und Anordnungen der
Völker. Unter diesen werden auch die Rechte nicht verborgen bleiben, die
wir die bürgerlichen nennen“.
(De legibus/Die Gesetze I 17; Übs. z.T. Böckenförde)
Sed nobis ita complectenda in hac disputatione tota causa est universi iuris
ac legum, ut hoc civile quod dicimus in parvum quendam et angustum locum
concludatur naturae. Natura enim iuris explicanda nobis est, eaque ab
hominis repetenda naturae; considerandae leges quibus civitates regi
debeant; tum haec tractanda, quae composita sunt et descripta, iura et iussa
populorum; in quibus ne nostri quidem populi latebunt quae vocantur iura
civilia.
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8. Der Weg vom stoischen Naturgesetz zum menschlichen Gesetz nach
Cicero: „Das Gesetz ist die höchste Vernunft, die der Natur innewohnt, die
das gebietet, was getan werden muss, und das Gegenteil verbietet. Dieselbe
Vernunft ist, wenn sie im Verstand des Menschen befestigt und vollendet
wurde, das Gesetz. [...] Und hiervon meinen einige [gelehrte Männer], es sei
hinsichtlich seiner griechischen Bezeichnung nach der Zuteilung von ,jedem
das Seine‘ benannt worden, ich aber hinsichtlich unserer vom Auswählen.
Denn so wie sie die Kraft der Gerechtigkeit, so setzen wir diejenige der
Auswahl im Gesetz an. Und doch ist beides spezifisch für das Gesetz. [...]
Aber [...] wir werden volkstümlich sprechen müssen und dasjenige Gesetz
nennen, was schriftlich sanktioniert, was es will, entweder durch Befehlen
<oder durch Verbieten> [...]; den Ausgangspunkt für die Aufstellung des
Rechts wollen wir aber von jenem höchsten Gesetze nehmen“.
(De legibus/Die Gesetze I 19)
Lex est ratio summa insita in natura quae iubet ea quae facienda sunt
prohibetque contraria. Eadem ratio, cum est in hominis mente confirmata et
perfecta, lex est. [...] Eamque rem illi Graeco putant nomine <a> suum
cuique tribuendo appellatam, ego nostro a legendo; nam ut illi aequitatis, sic
nos delectus vim in lege ponimus. Et proprium tamen utrumque legis est.
[...] Sed [...] populariter loqui necesse erit, et appellare eam legem quae
scripta sancit quod vult aut iubendo <aut vetando> [...]; constituendi vero
iuris ab illa summa lege capiamus exordium.
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9. Cicero über die Wirkungen der Vernunft als Gesetz: „Da es also nichts
Vorzüglicheres gibt als die Vernunft und sie sowohl im Menschen als auch
in Gott ist, gibt es also für den Menschen in der Vernunft eine vorzügliche
Gesellschaft mit Gott. Wem aber die Vernunft gemeinsam ist, dem ist es
auch die rechte Vernunft. Da diese ein Gesetz ist, müssen wir Menschen
meinen, dass wir auch in einem Gesetz mit den Göttern Gesellschaft haben.
[...] Denn in nichts ist eines dem anderen so ähnlich, so gleich, wie wir alle
es untereinander sind. [...] Denn die Vernunft, aufgrund derer allein wir die
Tiere überragen, durch die wir zur Vermutung fähig sind, argumentieren,
widerlegen, erörtern, etwas zustandebringen und Schlüsse ziehen, ist gewiss
allgemein, in der Ansicht unterschiedlich, doch in der Fähigkeit zu lernen
gleich. [...] Welche Nation aber liebt denn nicht Milde, Güte, einen
dankbaren und einer Wohltat bewussten Geist? Welche verachtet, ja hasst
die Hochmütigen, die Übeltäter, die Grausamen, die Undankbaren denn
nicht?“.
(De legibus/Die Gesetze I 22f. 29f. 32)
Est igitur, quoniam nihil est ratione melius eaque <est> et in homine et in
deo, prima homini cum deo rationis societas; inter quos autem ratio, inter
eosdem etiam recta ratio [et] communis est; quae cum sit lex, lege quoque
consociati homines cum dis putandi sumus. [...] Nihil enim est unum uni tam
simile, tam par, quam omnes inter nosmet ipsos sumus [...] Etenim ratio, qua
una praestamus beluis, per quam coniectura valemus, argumentamur,
refellimus,
disserimus,
conficimus
aliquid,
concludimus,
certe
est
communis, doctrina differens, discendi quidem facultate par. [...] Quae
autem natio non comitatem, non benignitatem, non gratum animum et
benefici memorem diligit? Quae superbos, quae maleficos, quae crudeles,
quae ingratos non aspernatur, non odit?
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10. Cicero über die menschlichen Gesetze: „So wie jener göttliche Verstand
das höchste Gesetz, ebenso ist es, wenn eines im Menschen perfekt ist, im
Verstand des Weisen. Dasjenige aber, was verschiedenartig und zeitweise
von den Völkern niedergelegt wurde, trägt die Bezeichung ,Gesetze‘ eher
aus Gutmütigkeit als der Sache wegen. Denn dass jedes Gesetz, das zu Recht
,Gesetz‘ genannt werden kann, lobenswert ist lehrt man mit in etwa solchen
Argumenten. Es stehe fest, dass die Gesetze zum Heil der Bürger und zur
Unversehrtheit der Staaten sowie zu einem ruhigen und glückseligen Leben
der Menschen erfunden worden seien. [...] Ich frage Dich also, Quintus, so
wie diese Leute es zu tun pflegen: Wenn ein Staat kein solches [Gesetz] hat,
ist er [nicht] aus genau dem Grund, dass er es nicht hat, geringzuschätzen,
und ist dieses Gesetz unter die Güter zu rechnen?“
(De legibus/Die Gesetze II 11f).
Ut illa divina mens summa lex est, item quom in homine est perfecta in
mente sapientis. Quae sunt autem varie et ad tempus descriptae populis,
favore magis quam re legum nomen tenent. Omnem enim legem, quae
quidem recte lex appellari possit, esse laudabilem qui<bus>dam talibus
argumentis docent. Constare profecto ad salutem civium civitatumque
incolumitatem vitamque hominum quietam et beatam inventas esse leges.
[...] Quaero igitur a te Quinte, sicut illi solent: quo si civitas careat ob eam
ipsam causam quod eo careat pro nihilo habenda sit, id estne numerandum in
bonis?