Welt am Sonntag

Justin Bieber
Jetzt redet die
Zielgruppe
S. 45
25. Januar 2015
Nr. 4
B
*
Vegan und Wahn
Wie uns die Öko-Revolution
hysterisch macht
Tanz des Gigolos – auf See
mit einsamen Damen S. 13
Biologie des Bösen – vom
Abgrund im Menschen S. 60/61
Titelthema
International Newspaper Of The Year | Gegründet 1948 | World’s Best-Designed Newspaper
Preis
D
€ 3,70
UKRAINE
Tote in Mariupol
SIND SIE ZWISCHEN 30 UND 50 JAHRE ALT?
Seiten 2 und 3
HOLOCAUST-GEDENKTAG
PKW-MAUT
„Leises Entsetzen“
über die AfD
EU-Kommissarin für
einheitliche Regelung
Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald,
Volkhard Knigge, hat der Alternative für Deutschland (AfD) vorgeworfen, den „geschichtspolitischen Konsens der demokratischen Parteien“ aufzukündigen. Hintergrund ist, dass die AfD-Fraktion in Thüringen am Holocaust-Gedenktag in der
Gedenkstätte einen Kranz mit einer umstrittenen
Inschrift niederlegen wollte. In der Formulierung
der AfD wurden die „Opfer des Konzentrationsund Speziallagers Buchenwald“ in einem Satz genannt. Knigge sah darin den Versuch, „die Opfer
des Stalinismus und des NS-Regimes gleichzusetzen“ – und das ausgerechnet am 27. Januar, dem
Tag der Befreiung von Auschwitz.
In Buchenwald war nach der Befreiung des
Konzentrationslagers ein sowjetisches Speziallager eingerichtet worden. Dort starben viele Unschuldige. Unter den Häftlingen waren aber auch
SS-Angehörige und Funktionäre der NSDAP. Es
gehe nicht um Opfer erster und zweiter Klasse,
sagte Knigge, sondern um historische Präzision.
Erst wenn die Verstrickung einiger Gefangener
des Speziallagers in das NS-Regime thematisiert
werde, sei wahrhaftiges Gedenken möglich. Die
AfD-Inschrift verschleiere diese Tatsachen. Bisher
hatten alle im Erfurter Landtag vertretenen Parteien die differenzierte Sicht der Gedenkstätte
respektiert. Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag hat ihren Vorschlag auch nach Protesten überlebender KZ-Häftlinge inzwischen zurückgezogen.
Die neue Inschrift lautet nun: „In stillem Gedenken“. Auch dieser Text erfülle ihn mit „leisem
Entsetzen“, sagte Knigge. Er falle gegen alles zurück, was es selbst in der frühen bundesdeutschen
Gedenkkultur gegeben habe.
EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc hat sich für
die Einführung einer europaweiten Pkw-Maut
ausgesprochen. Zwei Tage vor ihrem geplanten
Besuch in Berlin sagte Bulc der „Welt am Sonntag“, es sei sinnvoll, „dass wir mittelfristig an einem europäischen System für Lkw und Pkw arbeiten, das die Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren für alle EU-Länder einheitlich regeln
könnte“. Die Höhe der Abgabe sollte sich dabei
ausschließlich an der Zahl der gefahrenen Kilometer orientieren. Das sei fair, und niemand würde
diskriminiert. Wie der „Spiegel“ meldet, muss
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt
(CSU) bei seinem wichtigsten Prestigeprojekt derweil einen erneuten Rückschlag hinnehmen. Der
Verkehrsausschuss des Bundesrats habe massive
Vorbehalte gegen die Pkw-Maut geltend gemacht.
Mit vierzehn zu zwei Stimmen habe das Gremium
eine entsprechende Stellungnahme verabschiedet.
Unterschriften gegen blanke Brüste – so viel Zustimmung hat in Großbritannien eine Petition der
Kampagne „No More Page 3“ gefunden. Und Wirkung gezeigt: Das Boulevardblatt „Sun“ erschien
erstmals seit 1970 ohne Seite-3-Mädchen. Doch
nach ein paar Tagen war alles wieder normal: Busen auf Seite 3. Political Correctness unterlag offenbar dem Common Sense.
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200.015
Ostdeutsche Politiker
wollen mehr Einwanderer
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GETTY IMAGES / MONTAGE WELT AM SONNTAG
Selten waren
Menschen in der
Lebensmitte so
gestresst wie heute.
Zu viel Konkurrenz,
zu viele Pflichten –
und wegen der
Euro-Krise zu viel
Angst um die
Altersvorsorge
Bei einem Raketenangriff auf die ukrainische Hafenstadt Mariupol sind am
Samstag mindestens 15 Menschen getötet und 70 verletzt worden. Das teilte
das Innenministerium in Kiew mit. Die
Attacke habe ein Wohnviertel der
500.000-Einwohner-Stadt getroffen,
hieß es aus der Stadtverwaltung. Nach
Angaben der Agentur RIA hat Rebellenführer Alexander Sachartschenko die
Verantwortung dafür übernommen. „In
der Ukraine opfern täglich Menschen ihr
Leben“, beklagt die ukrainische Finanzministerin Natalie Jaresko im Interview.
GROSSFLUGHAFEN
Schnäppchen BER
Der Chef der Berliner Flughafengesellschaft hat Kritik an den gestiegenen
Kosten des Großflughafens BER zurückgewiesen. Es sei Tatsachenverdrehung,
von einer Kostenexplosion zu sprechen,
sagte Hartmut Mehdorn. „Es gibt keine
Mehrkosten, es gibt mehr Airport.“ Der
BER sei zunächst für 17 Millionen Passagiere pro Jahr ausgelegt gewesen, mit
Baukosten von 2,4 Milliarden. „Jetzt
bauen wir für 27 Millionen Passagiere
pro Jahr zu einem Preis von 5,4 Milliarden Euro. Gemessen daran wird der
BER ein preiswerter Flughafen.“
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Absenkung von Mindestverdienstgrenzen gefordert
änder wie Sachsen-Anhalt, Thüringen
und Sachsen leiden seit Langem an der
Abwanderung von Facharbeitern und
jungen Leuten. Seit der Wiedervereinigung 1990 haben fast zwei Millionen
Ostdeutsche ihrer Heimat den Rücken gekehrt
und sind in den Westen umgesiedelt. Davon haben vor allem Bayern und Baden-Württemberg
profitiert. Drei ostdeutsche Ministerpräsidenten
L
VON CLAUS CHRISTIAN MALZAHN
UND KARSTEN KAMMHOLZ
wollen das nun ändern – und gerade in Zeiten von
Pegida und Co. mehr Einwanderer in ihre Länder
locken. „Wir kennen das Demografie-Problem“,
sagte Stanislaw Tillich, Ministerpräsident von
Sachsen. Das Konzept des Christdemokraten gegen Ressentiments und Wirtschaftsflaute: „Wir
müssen Ausländer ins Land holen. Gerade der Osten braucht mehr Zuwanderung.“
Das sieht sein thüringischer Amtskollege Bodo
Ramelow (Linke) ähnlich. „Deutschland braucht
Zuwanderung, und der Osten ist ganz besonders
darauf angewiesen“, erklärte Ramelow. Thüringen
habe gute Chancen als weltoffenes Land. „Wir
können gar nicht genug Hände und Köpfe kriegen
für die Arbeit, die zukünftig geleistet werden
muss.“ Auch der Regierungschef von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), setzt auf Zuwanderung. Sie böte „gerade für die ostdeutschen Länder Entwicklungschancen“. Auch wenn im Zuwanderungsrecht in den letzten Jahren einiges er-
Was ist ist wirklich dran?
reicht worden sei, „sollten die bundesrechtlichen
Zuwanderungsregelungen erneut auf den Prüfstand gestellt werden“, fordert Haseloff.
Damit der Plan, mehr Migranten für den Osten
zu gewinnen, auch gelingt, sprach sich Tillich für
eine drastische bundesweite Absenkung der Mindestverdienstgrenzen aus. Die Bluecard für ausländische Fachkräfte verlangt für einen Zuwanderer aus einem Nicht-EU-Land als Mindestgehalt
über 40.000 Euro pro Jahr. „Für Sachsen ist dies
zu hoch“, kritisiert Tillich die jetzigen Regelungen. Der Mindestverdienst eines Facharbeiters in
Ostdeutschland liege dagegen bei rund 25.000 Euro im Jahr, rechnet er vor. „Wir müssten uns an
dieser Summe orientieren, da hier das demografische Defizit deutlicher ist.“ Die Bluecard-Regeln
der EU sehen vor, dass ein Angehöriger aus einem
Nicht-EU-Staat einen Arbeitsvertrag mit einem
Jahresgehalt von mindestens 48.400 Euro vorweisen muss. Wer einen Hochschulabschluss in einem sogenannten MINT-Beruf oder als Arzt hat,
muss mindestens 37.752 Euro verdienen, um in
Deutschland eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.
Mit seiner Partei geht Tillich ebenfalls ins Gericht. Die Union habe in der Diskussion, ob
Deutschland ein Einwanderungsland sei, „nicht
immer alles richtig“ gemacht. Jahrelang habe die
Politik den Deutschen erzählt, „Zuwanderung
müsse begrenzt werden, weil Zuwanderer den
Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen. Dann
kam die Freizügigkeit in der EU, und wir stellten
fest, da passiert ja gar nichts Schlimmes.“
Der irische Textilhändler Primark hat
Probleme mit den Aufsichtsbehörden. In
Niedersachsen und Berlin prüfen derzeit
Datenschützer, ob die Videoüberwachung der Mitarbeiter in den Filialen
legal ist. „Primark hat in manchen Bereichen gegen das Datenschutzrecht
verstoßen“, bestätigte die niedersächsische Datenschutzbehörde. Auch die
Gewerkschaft Ver.di prangert die VideoÜberwachungspraxis an. In fünf Bundesländern haben zudem die für Arbeitsschutz zuständigen Aufsichtsbehörden
den Primark-Filialen Kontrollbesuche
abgestattet. Der Grund: Mitarbeiter
hatten sich über heftigen Lärm und über
Chemikalienausdünstungen aus den
Kleidern beschwert. Derzeit werden
Textilproben auf möglicherweise gesundheitsschädigende Ausdünstungen
untersucht.
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„USA Top Secret: Area 51“
Heute um 18.05 Uhr
DATENSCHUTZ
Ärger bei Primark
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Auch Asteroiden sind mautpflichtig
m Montag wird die Erde von einem Asteroiden gestreift, vielleicht gar getroffen. Der „2004
BL86“ hat einen Durchmesser von gut einem halben Kilometer und ist unbewohnt. Der Ring Deutscher Makler will
das Bauerwartungsland in Besitz nehmen
und zu günstigen Preisen an Familien verkaufen.
Doch auch Russland und die Ukraine erheben Anspruch auf den Asteroiden. Der TÜV Rheinland
hat davor gewarnt, sich montags weit aus dem
Fenster zu lehnen. Auch der Aufenthalt auf Dachgärten oder Aussichtstürmen ist riskant. Niemand
sollte auf die oberste Stufe einer Haushaltsleiter
steigen, solange der Himmelskörper an der Erde
vorbeifliegt. Die Pegida-Bewegung hat aus Angst
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vor einem Zusammenprall ihre Montagskundgebung auf Sonntag verlegt.
Falls der Asteroid auf der Erde einschlägt, bittet die Bundesregierung die
Bevölkerung, Ruhe zu bewahren. Die Aktienmärkte könnten eine deutliche Erschütterung spüren, und der Euro wird
einbrechen. Alexander Dobrindt erklärte, falls der
Bolide die Autobahn benutze, werde eine Mautgebühr in kosmischer Höhe fällig. Die Mitglieder der
Regierung wollen sich Montag an geheimen Orten
in Sicherheit bringen, damit der Gesteinsbrocken
nicht das gesamte politische Leben vernichten
kann. Sigmar Gabriel wird sich in seiner Eigenschaft als Vizekanzler und Wirtschaftsminister an
zwei Orten gleichzeitig verstecken.
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PL 20 PLN • S 50 SEK • TN 6,50 TD • ZA 70,00 ZAR
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