„Ästhetik und nachhaltige Entwicklung in Bergregionen” Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften (Dr. - Ing.) im Fachbereich Landschaftsplanung der Universität Kassel vorgelegt von: Kyoko Iida Kassel, im Juli 2008 Tag der Disputation: 03. Dezember 2008 Betreuer: Prof. Dr. Detlev Ipsen Prof. Dr. Onno Poppinga Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Dissertation selbständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt und andere als die in der Dissertation angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder unveröffentlichten Schriften entnommen sind, habe ich als solche kenntlich gemacht. Kein Teil dieser Arbeit ist in einem anderen Promotions- oder Habilitationsverfahren verwendet worden. Fulda, am 10. Juli 2008 Kyoko Iida 2 Inhaltsverzeichnis Vorwort I. Einleitung 1. Über die Forschungsarbeit 1.1. Hintergrund und Fragestellung 1.1.1. Aspekte der regionalen Ressourcennutzung 1.1.2. Aspekte der Rekonstruktion von „Poetischen Orten“ aus „Nicht-Orten“ im Lebensraum 1.1.3. Aspekte der Integration von regionaler Ressourcennutzung und Konstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum in ein Konzept für Regionalentwicklung in Bergregionen 1.2. Ziel der Forschung 1.3. Hypothese der Forschung 1.4. Methode der Forschung 1.4.1. „Kohärenz“, eine ästhetische Bedeutungsebene bei regionaler Ressourcennutzung aus der Forschungsarbeit über „Schutz durch Nutzung“ 1.4.2. „Sympathie“, eine ästhetische Bedeutungsebene bei regionaler Ressourcennutzung aus der Forschungsarbeit über „Poetische Orte“ 1.4.3. Auswahl der Fallbeispiele 1.4.4. Auswahl der Interviewpartner und Methode der Untersuchung der Fallbeispiele 1.4.5. Methode der Auswertung von Fallbeispielen 1.5. Überblick und vorhandene Forschungsarbeiten über die Fallbeispiele, Verortung und Inhalt dieser Forschungsarbeit 1.5.1. Über das Projekt “Handwerk für den Alltagsgebrauch” mit den Ressourcen aus dem Wald in der Gemeinde Mishima in der Präfektur Fukushima in Japan 1.5.2. Verwendung von regionalem Holz für den traditionellen Holzbau in der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata in Japan 1.5.3. Moderne Architektur mit regionalem Holz in der Region Bregenzerwald in Österreich 2. Ästhetik moderner Produktion und Verbrauch und Verortung regionaler Ressourcennutzung 2.1. Ästhetik in der Konsumgesellschaft 2.2. Ästhetik moderner Produktion und Architektur und der Verlust der Regionalität 2.2.1. Rationalisierung und Standardisierung 2.2.2. Gegenstimmen zur Industrialisierung und die Wertschätzung des Handwerkertums auf dem Weg zur Modernisierung 2.2.3. Nostalgie bei anonymem Design 2.2.4. Design mit Regionalität 2.3. Regionale Ressourcennutzung in der Praxis und der Standpunkt dieser Forschungsarbeit zu intraregionaler Ressourcennutzung 14 19 19 19 21 22 22 23 29 29 31 32 35 38 41 41 44 47 52 52 55 55 56 58 60 68 3 3. Orte und Region 3.1. Das Problem von „Nicht-Orten“ 72 3.2. Wertschätzung von Orten in der Vergangenheit gegen „Nicht-Orte“ 73 3.3. Über die Suche nach einer Methode für die Rekonstruktion von Orten 74 3.4. Wahrnehmung von Orten und daraus entstehendes Verhalten von Menschen und der Einfluss auf Regionen 75 4. Modernisierung in Japan und Veränderung von Stadt und Land und Produktion und Verbrauch 4.1. Geographische Merkmale Japans 80 4.2. Veränderung von Stadt und Land 80 72 80 4.2.1. Verstädterung 80 4.2.2. Vororte 81 4.2.3. Landflucht und das Sterben von Dörfern auf dem Berg und auf dem Land 82 4.3. Veränderung der Produktion und des Verbrauchs 83 4.3.1. Wandel zur Konsumgesellschaft 83 4.3.2. Industrialisierung und Veränderung des regionalen Gewerbes 85 4.3.3. Veränderung der Landwirtschaft 85 4.3.4. Veränderung der Forstwirtschaft und Nachfrage nach Holz 4.4. Räumliche Merkmale durch Landnutzung in Bergregionen und ihre Veränderung 87 90 II. Theoretische Konzepte 1. Ästhetische Bedeutungsebene „Kohärenz” -Begriff von „Schutz durch Nutzung” 99 1.1. „Schutz durch Nutzung“ und die daraus resultierenden Aufgaben 99 1.1.1. Die Merkmale der Rhön und der Ansatz von „Schutz durch Nutzung” 1.1.2. Kulturlandschaftspflege durch die Nutzung von Produkten aus der Region 99 100 1.1.3. Erhalt regionaler Kultur durch eine neue Wertschätzung von Regionalprodukten und regionaler Küche 1.1.4. Pflege des regionalen Sozialsystems durch die Zusammenarbeit zwischen Gastwirten und Produzenten 1.1.5. Konsumentenbewusstsein und die Aufgabe von Intraregionalität von Produktion und Verbrauch mit ökologischer Produktion 1.2. Tradition und Innovation bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen 102 1.3. „Schutz durch Nutzung” und Zusammenarbeit in der Region 116 1.4. Punkte bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen, auf die in der Praxis zu achten ist 119 4 103 106 109 2. Ästhetische Begriffsebene „Sympathie” -Begriff des „Poetischen Ortes” 123 2.1. Bedeutung von Poetik und dem Begriff „Poetischer Ort“ 123 2.2. Persönliche „Poetische Orte“ 125 2.2.1. „Poetische Orte“ in der Erinnerung 125 2.2.2. Der Ausgangspunkt von persönlichen „Poetischen Orten“ 130 2.2.3. „Poetische Orte“ für das Leben 131 2.3. „Poetische Orte“ für Gemeinschaft und Kommunikation 134 2.4. Poesie und Atmosphäre 136 2.4.1. Image bezüglich Wetter, Klima und Natur an „Poetischen Orten“ 136 2.4.2. Wahrnehmung der Atmosphäre mit den Sinnen 138 2.4.3. Verborgene Poesie 141 2.5. Sich verwandelnde „Poetische Orte“ – von der Architektur zur Ruine und zurück 2.5.1. Ruine und Poesie 2.5.2. Ruine in der Gegenwart und Regeneration 2.6. „Poetische Orte“ machen – Die Rolle von Erzählern, Künstlern und Planern 142 143 144 149 2.6.1. Sympathie für Erzähler und „Poetische Orte“ 149 2.6.2. Kunst und gemeinschaftliche „Poetische Orte“ 151 2.6.3. Planung und „Poetische Orte“ 155 2.7. Der Dialekt von „Poetischen Orten“ 158 2.8. Die Tendenzen und Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis 161 2.9. Die Rolle von „Poetischen Orten“ in der Planung 164 2.10. Das Arbeiten in Bergregionen und „Poetische Orte“ 172 2.10.1.Traditionelle Arbeit in den Bergregionen Japans und „Poetische Orte“ 173 2.10.2. Moderne Arbeit in den Bergregionen Mitteleuropas und „Poetische Orte 179 Ⅲ. Beschreibung über die Ressourcennutzung in Bergregionen und ländlichen Regionen in Japan 1. Produktion und Verbrauch regionaler Ressourcen in Bergregionen und ländlichen Regionen in Japan 1.1. Regionale Ressourcennutzung für den Erhalt von Landschaft und Ökosystemen -Ökologische Landwirtschaft, Handwerk von Naturliebhabern 1.1.1. Ökologische Landwirtschaft 1.1.2. Handwerk von Naturliebhabern 1.2. Regionale Ressourcenutzung für die Erhaltung und Entwicklung von Kultur -Regionalküche, Gastwirtschaften mit regionalen Produkten, Traditionelles Handwerk, Hausbau mit heimischem Holz 1.2.1. Regionalküche 189 189 190 192 195 195 1.2.2. Gastwirtschaft mit regionalen Produkten 196 1.2.3. Traditionelles Handwerk 200 1.2.4. Hausbau mit heimischem Holz 203 5 1.3. Regionale Ressourcenutzung für die Pflege des Sozialsystems -Produktionsgruppe von Behinderten, Tourismus in aufgelassenen Schulen, die Kommune 205 1.3.1. Produzentengruppe von Behinderten 205 1.3.2. Tourismus in aufgelassenen Schulen 206 1.3.3. Kommune 1.4. Regionale Ressourcenutzung für die Entwicklung der Wirtschaft 208 209 -Direktvermarktung, Agrartourismus, Landwirtschaftsunternehmer, Landbewirtschaftung in Ortsteilen, Konsumentenkooperation 1.4.1. Direktvermarktung 209 1.4.2. Agrartourismus 212 1.4.3. Landwirtschaftsunternehmer 215 1.4.4. Landbewirtschaftung von Ortsteilen 216 1.4.5. Konsumentenkooperation 218 1.5. Die Tendenz von Produktion und Verbrauch mit regionalen Ressourcen in den 219 Bergregionen und ländlichen Regionen in Japan IV. Ästhetik und nachhaltige Entwicklung in Bergregionen durch Ressourcennutzung -Fallbeispiele aus Japan und Österreich 1. Das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ mit Ressourcen aus dem Wald 229 -Ein Beispiel aus der Gemeinde Mishima in der Präfektur Fukushima in Japan 1.1. Merkmale Mishimas und das Ortsbild der Bergdörfer 229 1.1.1. Ortsbilder von Mishima 229 1.1.2. Merkmale Mishimas 230 1.2. Merkmale von handwerklichen Waren aus Ressourcen aus dem Wald 1.2.1. Handwerk für den Alltagsgebrauch im Bergdorf 231 231 1.2.2. Merkmale von den geflochtenen Handwerkswaren 1.3. Wiedereinführung der handwerklichen Produktion, Ressourcen aus dem Bergwald 233 1.3.1. Das Projekt „Heimatbewegung“ in Mishima 1.3.2. Förderung der Erhaltung der traditionellen Technik und Kommunikation durch das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ 1.3.3. Wirtschaftliche Entwicklung durch das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ 1.3.4. Vermehrung der Zahl der Handwerker und Verschlechterung der handwerklichen Waren 1.4. Handwerker, Technik und Werkstatt 234 1.5. Merkmale der Bergwaldnutzung in Mishima 243 1.5.1. Forstwirtschaft in Mishima und verlassener Nutzwald 1.5.2. Sammeln von pflanzlichen Materialien für das Handwerk im Nutzwald und im tiefen Wald 6 234 235 236 238 240 243 244 1.6. Produktion und Verbrauch von handwerklichen Waren 1.6.1. Das Bewusstsein von Handwerkern und Bürgern gegenüber der Produktion von Flechtwaren 250 1.6.2. Aufbau einer Marke für Flechtwaren 1.6.3.Verkauf von handwerklichen Waren am Handwerkerfest und das Bewusstsein der Kundschaft 1.7. Das Bewusstsein über Produktion und Verbrauch von handwerklichen Waren 250 250 251 253 -Aspekte der Handwerker, Waldpfleger, Beamten, Verleger von Zeitschriften der regionalen Kultur und Verbraucher 1.8. Das Bewusstsein über Verwendung von pflanzlichen Materialien und heimischem Bergwald -Aspekte der Handwerker, Waldpfleger, Beamten, Verleger von Zeitschriften der regionalen Kultur und Verbraucher 255 2. Kaneyamahaus aus Kaneyamazeder 260 -Ein Beispiel aus der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata in Japan 2.1. Merkmale Kaneyamas und Ortsbilder mit dem Kaneyamahaus 260 2.1.1. Ortsbilder in Kaneyama 260 2.1.2. Geographische Merkmale Kaneyamas 263 2.2. Merkmale von Architektur aus heimischem Holz 265 2.2.1. Merkmale des Kaneyamahauses 265 2.2.2. Nutzung der traditionellen Häuser 2.2.3. Moderne Architektur aus heimischem Holz und die Rolle des Architekten 266 2.3. Verbreitung des Kaneyamahauses aus heimischem Holz 2.3.1. Maßnahmen zum Aufbau der Ortsbilder und das Bewusstsein der Bürger 2.3.2. Die Integration der Forstswirtschaftspolitik in die Verbreitung von 269 271 271 276 Kaneyamahäusern durch politische Projekte für den Aufbau von Ortsbildern 2.4. Zimmermann und Technik 278 2.4.1. Der Zimmermann und seine Werkstatt 278 2.4.2. Verminderung des Auftragseingangs bei Zimmerleuten und Zimmereien 281 2.4.3. Verbreitung von Fertigbaufirmen 283 2.5. Merkmale des Waldes und der Forstwirtschaft, die heimisches Holz erzeugt 2.5.1. Der Wald und die Forstwirtschaft in Kaneyama 2.5.2. Waldpflege und Waldbewirtschaftung von Großwaldbesitzern in Kaneyama 2.6. Produktion und Verbrauch von heimischem Holz 2.6.1. Holzprodukte aus heimischem Holz, die in Kaneyama produziert und verbraucht 284 284 286 289 289 werden 2.6.2. Sägewerke in Kaneyama 291 7 2.7. Verbrauch des heimischen Holzes 294 2.7.1. Verbrauch des heimischen Holzes und Netzwerke in der Gemeinde 294 2.7.2. Suche nach neuen Vermarktungswegen von heimischem Holz 295 2.7.3. Marken des heimischen Holzes 298 2.8. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz -Aspekte der Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Zimmereien und Hausherren 2.9. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz und dem Wald -Aspekte der Experten der Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, Sägewerker, Architekten, Zimmermeister, Zimmereien und Hausherren 300 3. Moderne Architektur und Möbelbau aus regionalem Holz -Ein Beispiel aus der Region Bregenzerwald in Österreich 3.1. Merkmale des Bregenzerwaldes und Ortsbilder mit moderner Architektur aus heimischem Holz 3.1.1. Ortsbilder im Bregenzerwald 3.1.2. Geographische Merkmale des Bregenzerwaldes 3.2. Merkmale der Architektur aus heimischem Holz 3.2.1. Verbreitung von Architektur aus heimischem Holz 3.2.2. Häuser auf dem Berg und im Tal 3.2.3. Nutzung der traditionellen Häuser 3.2.4. Die moderne Architektur aus heimischem Holz 3.3. Die Verbreitung der modernen Architektur aus heimischem Holz 3.3.1. Moderne Architektur und Architekten im Bregenzerwald 3.3.2. Die Diskussion um die Verbreitung der modernen Architektur aus heimischem Holz 3.3.3. Die Architekten im Bregenzerwald 3.4. Zimmermann und Technik 3.5. Historischer Zugang 3.5.1. Barocke Wandermeister 3.5.2. Die Arbeit der Zimmerleute um das Jahr 1945 3.6. Merkmale von Wald und Forstwirtschaft, die heimisches Holz produziert 3.6.1. Wald und Forstwirtschaft im Vorarlberg 3.6.2. Wald als Schutz vor Naturgefahren in Vorarlberg 3.7. Produktion und Verbrauch von heimischem Holz 3.7.1. Holzprodukte aus heimischem Holz, die im Bregenzerwald produziert und verbraucht werden 3.7.2. Import und Export des Holzes im Bregenzerwald 3.7.3. Sägewerke im Bregenzerwald 3.8. Verbrauch heimischen Holzes 3.8.1. Verbrauch des heimischen Holzes und regionale Netzwerke 3.8.2. Marken des heimischen Holzes 312 8 304 312 312 313 314 314 315 317 318 320 320 320 321 322 324 324 325 326 327 329 330 330 331 332 333 333 335 3.9. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz -Aspekte der Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Schreiner und Hausherren 3.10. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz und Wald -Aspekte der Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Schreiner und Hausherren 3.11. Das Bewusstsein gegenüber einer Landschaft mit einer Mischung aus moderner und traditioneller Architektur -Aspekte der Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Schreiner und Hausherren 336 338 340 V. Ergebnis 1. Betrachtung der Fallbeispiele mit den Kategorien „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte” 1.1. Über die Regionalküche aus regionalen Lebensmitteln in der Rhön 345 1.1.1. „Schutz durch Nutzung“ mit der Regionalküche aus regionalen Lebensmitteln in der Rhön 1.1.2. „Poetische Orte“ mit der Regionalküche aus regionalen Lebensmitteln in der Rhön 1.2. Über das Handwerk mit pflanzlichen Materialien in Mishima 346 1.2.1. „Schutz durch Nutzung“ mit dem Handwerk aus pflanzlichen Materialien in Mishima 1.2.2. „Poetische Orte“ mit dem Handwerk aus pflanzlichen Materialien in Mishima 353 1.3. Über den traditionellen Holzbau aus regionalem Holz in Kaneyama 1.3.1. „Schutz durch Nutzung“ mit traditionellem Holzbau aus regionalem Holz in Kaneyama 1.3.2. „Poetische Orte“ mit traditionellem Holzbau aus regionalem Holz in Kaneyama 1.4. Über die moderne Holzbauarchitektur aus regionalem Holz im Bregenzerwald 346 347 353 355 363 363 366 373 1.4.1. „Schutz durch Nutzung“ mit der modernen Holzbauarchitektur aus regionalem Holz im Bregenzerwald 1.4.2. „Poetische Orte“ mit der modernen Holzarchitektur aus regionalem Holz im Bregenzerwald 373 2. Zusammenfassung der Merkmale regionaler Ressourcennutzung bei den Fallbeispielen 383 2.1. Merkmale regionaler Ressourcennutzung in der Rhön 383 2.2. Merkmale regionaler Ressourcennutzung in Mishima 385 2.3. Merkmale regionaler Ressourcennutzung in Kaneyama 387 2.4. Merkmale regionaler Ressourcennutzung im Bregenzerwald 389 376 9 3. Ästhetik und nachhaltige Entwicklung in Bergregionen (Resümee) 392 3.1. „Schutz durch Nutzung“ und Unternehmende Milieus in Bergregionen anhand von 394 vier Fallbeispielen 3.2. „Kohärenz“ und „Sympathie“ bei regionaler Ressourcennutzung in Bergregionen 397 in den vier Fallbeispielen 3.3. Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen 400 Bedeutungsebenen in den Bergregionen (Überprüfung der Hypothesen) 3.4. Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung in Bergregionen 402 3.5. Warum könnte Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung in 404 Bergregionen in Japan nützlich sein? Dankesworte 406 Literaturverzeichnis 408 Anhang 1. Liste der Interviewpartner 441 2. Fragen an die Interviewpartner in den Fallbeispielen 447 Abbildungsverzeichnis Abb. 1. Verbindung zwischen Produkt, Landschaft und Menschen mittels Ästhetik 25 Abb. 2. Der Prozess dieser Forschungsarbeit 27 Abb. 3. Lage der Regionen und Gemeinden der untersuchten Fallbeispiele 33 Abb. 4. Produktion und Bau mit Regionalität 65 Abb. 5. Die schwache Beziehung zwischen Verbraucher und Landschaft 109 Abb. 6. Persönliche „Poetische Orte“ (©Takanori Miura 2005) 127 Abb. 7. Sich vermehrende „Poetische Orte“ 136 Abb. 8. Schema „Poetischer Orte“ 164 Abb. 9. „Poetische Orte“ in der Planung 171 Abb. 10. Poetische Orte und Stimmung in der Volkskunde 177 Abb. 11. Regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen in 398 der Rhön und in Kaneyama Abb. 12. Regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen im 399 Bregenzerwald Abb. 13. Regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen in Mishima 10 400 Tabellenverzeichnis Tab. 1. Regionalprodukte und damit gepflegte Landschaft in der Rhön 102 Tab. 2. Die Merkmale der Konzepte der drei Gruppen für intraregionale Produktion und 106 Verbrauch Tab. 3. Beispiele von Abnehmern regionaler Produkte in der Rhön 106 Tab. 4. Die Gründe für die Auswahl von Gerichten aus der Regionalküche von Gästen in 107 der Rhön Tab. 5. Kriterien von „Schutz durch Nutzung“ 119 Tab. 6. Die Einflüsse von „Poetischen Orten“ auf die persönliche und gemeinschaftliche 129 Mentalität von Menschen Tab. 7. Kriterien für „Poetische Orte“ 162 Tab. 8. Nettoproduktion der Berufsgruppen in Kaneyama 264 Tab. 9. Zuschüsse für Kaneyamahäuser durch die Gemeinde 273 Tab. 10. Anzahl der Forstwirte in Kaneyama 277 Tab. 11. Wirtschaftsfaktor Holzbau in Vorarlberg 314 Tab.12. Anteil an verwendetem heimischen Holz 335 Tab. 13. Betrachtung des Fallbeispiels aus der Rhön mit den Begriffen 351 „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte“ Tab. 14. Betrachtung des Fallbeispiels aus der Gemeinde Mishima mit den Begriffen 361 „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte“ Tab. 15. Betrachtung des Fallbeispiels aus der Gemeinde Kaneyama mit den Begriffen 371 „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte” Tab. 16. Betrachtung des Fallbeispiels aus dem Bregenzerwald mit den Begriffen 381 „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte” Exkursverzeichnis Exkurs 1 „ Mittlere Technologie“ gegen die Technik der Massenproduktion 67 Exkurs 2 Die Vermehrung von „Nicht-Orten“ in Japan 72 Exkurs 3 Die landschaftsästhetischen Kategorien des Schönen, des Erhabenen, 77 des Interessanten und des Nüchternen von Werner Nohl Exkurs 4 Aspekte für eine Landschaft der Nachhaltigkeit im Leben in der Vergangenheit 93 Exkurs 5 Innovation bei der industriellen Produktion 112 Exkurs 6 Agglomeration von Unternehmen 116 Exkurs 7 Die Orte, wo Takanori Miura seine Inspiration bekommt 126 Exkurs 8 Die „Poetischen Orte“ in der Erinnerung von Makoto Motokura 127 Exkurs 9 Raumidentität und „Poetische Orte“ vom Atelier Masato 153 Exkurs 10 Slow-Food-Bewegung 196 Exkurs 11 Wald und Forstwirtschaft in Österreich 326 11 Fotoverzeichnis • Mishima Foto 1 Tal des Otani-Flusses 229 Foto 2 Reisfelder in Irumagata im Frühling 232 Foto 3 Tragesack aus der Rinde des Wilden Weins um 1930 233 (© Handwerksmuseum in Mishima) Foto 4 Handtaschen aus der Rinde des Wilden Weins 234 Foto 5 Herr Fumio Igarashi flicht eine Handtasche aus Wildem Wein Foto 6 Handtasche in Arbeit Foto 7 Haus mit Werkstatt einer Handwerkerin Foto 8 Frau Setsuko Kubota mit Handtasche aus Segge und Lindenbast Foto 9 Kletterpflanzen Foto 10 Ableger des Wilden Weins vom Handwerkermuseum Foto 11, 12 Frau Tomeko Funaki sammelt und trocknet Seggen Foto 13 Frau Suiko Kuriki nimmt die Bastschichten ab Foto 14 Getrocknete Bastschichten • Kaneyama Foto 15 Drei Berge in Kaneyama (von Makoto Muramatsu) Foto 16 Kaneyamahäuser Foto 17 Schatzhaus Foto 18 Wasserkanal mit Gasse Foto 19 Zedernwald im Hintergrund Foto 20 Altes Händlerhaus und neu gebautes Kaneyamahaus Foto 21, 22 u. 23 Bürgerhaus in Retroarchitektur Foto 24 u. 25 Nachnutzung der Schulgebäude als Buchweizennudel- Restaurant Foto 26 Privates Sägewerk Foto 27 Moderne Siedlung aus Kaneyamazeder Foto 28,29,30 Zimmerleute fertigen die Holzverbindungen Foto 31 Baustelle eines Kaneyamahauses Foto 32 Fertighaus Foto 33 Zedernwald der Familie Kishi Foto 34 Rodung von Zedernwald Foto 35 Dünne Bäume von einem Kleinwaldbesitzer Foto 36 Dichte Jahresringe der Kaneyamazeder Foto 37, 38 Privates Sägewerk Foto 39 Sägewerk der Forstgenossenschaft • Bregenzerwald Foto 40 Landschaft mit Holzarchitektur (in Au) Foto 41 Landwirtschaftliches Gebäude auf dem Berg (in Sonderdach) Foto 42 Schindeln (in Bizau) 241 242 242 242 245 246 247 249 249 12 260 261 262 262 263 267 267 268 269 270 278 279 284 286 287 289 290 293 294 312 315 315 Foto 43 Bauernhaus, das im 17. Jahrhundert gebaut worden ist. Links vorne der sog. „Schopf“ (in Bizau) Foto 44 Innenraum des Hauses von Foto 43. (in Bizau) Foto 45 Dach der Zimmerei von Foto 46 (in Reute) Foto 46 Altes Bauernhaus mit moderner Zimmerei, geplant v. Hermann Kaufmann (in Reute) 316 Foto 47 Ein Wohnhaus, das wie ein traditionelles Bauerhaus gebaut ist (in Lech) 318 Foto 48 Modernes Wohnhaus mit Satteldach, Entwurf v. H. Kaufmann (in Reute) 318 Foto 49 Modernes Wohnhaus mit Flachdach (in Bizau) 318 Foto 50 Einkaufszentrum mit Bushaltestelle (in Bezau) 319 Foto 51 Hotel mit Hallenbad (in Bezau) 319 Foto 52 Zimmerleute arbeiten unter einem großen Dach (in Bizau) 323 Foto 53 Neue Entwicklung von Holzprodukten bei einer Zimmerei (in Bizau) 323 Foto 54 Junge Schreiner (bei Herrn Rüscher in Schnepfau) 324 Foto 55 Selektiv gerodeter Wald (in Baumgarten) 328 Foto 56 Verjüngung des Waldes (in Baumgarten) 328 Foto 57 Seilkran zum Abtransport des Holzes (in Bezau) 328 Foto 58 Reparatur der Uferbefestigung der Bregenzerach (in Au) 329 Foto 59 Kleines Sägewerk (in Egg) 332 Foto 60 Großes Sägewerk (in Reute) 333 316 317 317 13 „Ästhetik und nachhaltige Entwicklung in Bergregionen” Vorwort Die Bergregionen Japans leiden am Niedergang der regionalen Wirtschaft, des Sozialsystems und der Kultur. Dies wird im Zusammenhang mit dem Rückgang von Produktion und Verbrauch regionaler Ressourcen gesehen, der seit der Modernisierung und Globalisierung einsetzte. Durch das Sammeln und die Produktion von Ressourcen in der Landschaft und die Fertigung regionaler Produkte wird von den Bewohnern der Bergdörfer auch die Landschaft gepflegt. Seit die Nutzung von Ressourcen aus den Bergen allmählich aufgegeben wird, erobert sich die Wildnis den vom Menschen geprägten Lebensraum zurück. Es zeigen sich Tendenzen, dass die traditionelle Arbeit mit den lokalen Ressourcen bald gänzlich verschwindet, aber eine moderne Ressourcennutzung mit neuen Ideen befindet sich in einer Reihe von Bergregionen in der Entwicklung. In Mitteleuropa pendeln viele Bewohner aus Bergregionen in die Städte. Das Ausmaß an Landflucht und Überalterung der Bevölkerung ist hier im Vergleich zu japanischen Bergregionen nicht so weit fortgeschritten, und eine, wenn auch kleine Gruppe nutzt ihre regionalen Ressourcen auf moderne Weise oder findet ihr Auskommen häufig im Bereich des Agrartourismus. Sowohl in Mitteleuropa als auch in Japan gibt es Bewohner in Bergregionen, die weiterhin in ihrer Heimat bleiben möchten. Sie geben sich viel Mühe und betreiben großen Aufwand, ihre Landschaft zu pflegen und von ihr zu leben, was oft genug schwer fällt. Im Kontext der Rationalisierung der Moderne mögen sich ihre Beweggründe, trotzdem nicht fortzuziehen und auszuharren, als irrational ausmachen. Auf der anderen Seite stößt ihre kommunikative Lebensweise auch auf Sympathie und Bewunderung, und ihrer Arbeit für die Erhaltung der Landschaft wird eine gewisse Wertschätzung entgegengebracht. In dieser Forschungsarbeit wird die Hypothese aufgestellt, dass Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher bei regionaler Ressourcennutzung über zwei Bedeutungsebenen der Ästhetik, nämlich durch „Kohärenz“ und „Sympathie“ miteinander verbunden sind. Diese Forschungsarbeit besteht aus fünf Teilen. Teil I ist die Einleitung, welche in vier Kapitel gegliedert ist. Im 1. Kapitel werden Hintergrund, Ziel, Hypothese und Methode der Forschungsarbeit beschrieben. Durch Recherche in vorhandenen Forschungsarbeiten wird im 2. Kapitel über die Ästhetik von Produktion und Verbrauch in der Moderne und die Verortung regionaler Ressourcennutzung geschrieben. Im 3. Kapitel wird dem 14 Zusammenhang von Orten und Regionalentwicklung nachgegangen. Im 4. Kapitel wird die Modernisierung in Japan und die Veränderung von Stadt, Land, Produktion und Verbrauch beleuchtet. In Teil II werden zwei theoretische Konzepte dargestellt. Im 1. Kapitel wird der Begriff „Kohärenz“ als ästhetische Bedeutungsebene für die regionale Ressourcennutzung anhand des Begriffs von „Schutz durch Nutzung“ erklärt. Der Begriff „Schutz durch Nutzung“ ist aus einem Versuch in der Rhön in Deutschland hergeleitet, bei dem man durch Regionalität bei Produktion und Verbrauch regionale Umwelt, Kultur, Sozialsysteme und Wirtschaft erhalten will (Iida 2000, Iida 2005). Im 2. Kapitel wird „Sympathie“ als ästhetische Bedeutungsebene bei der Nutzung regionaler Ressourcen mit dem Begriff des „Poetischen Ortes“ erklärt. In „Poetischen Orten“ treffen regionaltypische Natur, Historie, Kultur, Arbeit und Geschichten aufeinander, wodurch die Poesie entsteht. Sie sind die symbolischen Räume der regionalen Identität. Häufig werden „Poetischen Orte“ zu Orten, wo Menschen in der Region durch „Sympathie“ zu anderen miteinander verbunden werden (Ipsen 2000c, Ipsen 2007, Takano 2007a, Iida 2007). In Teil III wird über die Tendenz von Produktion und Verbrauch mit regionalen Ressourcen in Bergregionen und ländlichen Regionen in Japan geschrieben. In Teil IV wird dann regionale Ressourcennutzung anhand von drei Fallbeispielen aus Japan und Österreich dargestellt. Bei der Feldforschung in Bergregionen der beiden Länder wird, angefangen vom Sammeln oder der Produktion der Ressourcen über die Verarbeitung oder das Bauen bis hin zu Vermarktung und Verbrauch, die gesamte Produktionskette untersucht. Durch die Auswertung des Interviewmaterials werden die Systeme regionaler Ressourcennutzung und die Aspekte und Gedanken von Interviewpartnern dazu in Erfahrung gebracht. Im 1. Kapitel wird über das Projekt “Handwerk für den Alltagsgebrauch” mit Ressourcen aus dem Wald in der Gemeinde Mishima in der Präfektur Fukushima berichtet. Im 2. Kapital wird über die Verwendung von regionalem Holz für den traditionellen Holzbau in der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata geschrieben. Im 3. Kapitel wird moderne Architektur mit regionalem Holz in der Region Bregenzerwald in Österreich dargestellt. In Teil V wird schließlich das Ergebnis der Forschungsarbeit vorgestellt. Im 1. Kapitel wird anhand der Fallbeispiele danach gesucht, in welchen Fällen bei der Ressourcennutzung „Kohärenz“ und „Sympathie“ eine Rolle spielen. Um die Rolle der „Kohärenz“ zu bestimmen, wird den Kriterien von „Schutz durch Nutzung” nachgegangen. Um die Rolle der „Sympathie“ zu bestimmen, werden die Kriterien der „Poetischen Orte“ angewendet. Anschließend werden im 2. Kapitel die Merkmale regionaler Ressourcennutzung bei den Fallbeispielen dargestellt. Als 3. Kapitel folgt das Resümee. Es wird anhand der Analysen der Fallbeispiele gefragt, welche Beziehungen 15 zwischen Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher mit welchen der beiden ästhetischen Bedeutungsebenen geknüpft werden. In dieser Forschungsarbeit werden durch den angewendeten Forschungsprozess das System regionaler Ressourcennutzung und die Wertschätzung der dabei beteiligten Menschen ins Licht gerückt. Durch den Versuch der Einnahme des Blickwinkels und des Nachvollzugs der Denkweise der beteiligten Menschen wird eine Methode herausgearbeitet, die Bürgern und Planern bei der Entwicklung regionaler Umwelt, Kultur, Sozialsysteme und Wirtschaft in den Bergregionen dienlich sein soll. 16 I. Einleitung 17 18 1. Über die Forschungsarbeit 1.1. Hintergrund und Fragestellung In dieser Forschungsarbeit wird davon ausgegangen, dass regionale Ressourcennutzung und die Konstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum bei der Entwicklung von Bergregionen Aufgaben sind, die zusammengehören. 1.1.1. Aspekte regionaler Ressourcennutzung Mit den, durch die Globalisierung der Produktion und des Verbrauchs verbundenen Problemen, ist seit langem die Erkenntnis gewachsen, eine nachhaltige Entwicklung von Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft zu benötigen. Produkte aus allen Lebensbereichen werden in industrieller Massenproduktion gefertigt und z.B. beim Wohnen, Essen und Anziehen verbraucht. Ressourcen, Produkte und Energie werden global gehandelt und transportiert. Massenproduktion und Massenverbrauch erzeugen große Mengen an Müll. Bei Produktion und Transport wird im hohen Maße Energie verbraucht, wobei im Falle fossiler Energie übermäßig viel Kohlendioxyd ausgestoßen wird. Die Verwendung von synthetischen Substanzen bei der Produktion und giftiger Müll führen zu Wasser- und Bodenverschmutzung. Industrieländer beuten Ressourcen und die Arbeitskräfte von Entwicklungsländern aus. Auf der anderen Seite stehen Industrie und Gewerbe in den Industrieländern unter dem Druck des globalen Wettbewerbs 1. Die Globalisierung ermöglicht es Menschen in den hoch entwickelten Industrieländern aber auch, ein bequemes Leben mit billigen Konsumgütern zu führen. Die Globalisierung der Wirtschaft durch die Vergrößerung des Weltmarktes ist seit den 1970er Jahren schnell fortgeschritten. Mit dem Ende des Kalten Krieges in den 1990er Jahren und der Teilnahme von kommunistischen Ländern an der Marktwirtschaft ist die Globalisierung besonders stark beschleunigt geworden. Durch die Vergrößerung des Weltmarkts, versuchen Unternehmen eine neue Arbeitsverteilung zu konstruieren. Auf der Suche nach neuen Vermarktungsgebieten treten sie dabei auch in den Ländern Osteuropas oder in China usw. auf und haben dort die globale Wirtschaft aktiviert 2 (vgl. Japanese Ministery of Economy, Trade and Industry 2004). Im Jahr 1985 hat sich der gesteigerte Yen-Kurs stabilisiert. Seither orientiert sich die japanische Wirtschaft mit ihren multinationalen Unternehmen besonders stark in Richtung Weltmarkt (vgl. Tanaka 2004a, S.6-7). In Japan ist die Globalisierung bei jedem Verbrauch von Ressourcen, Energie und Produkten in allen Lebensbereichen sehr weit fortgeschritten. So lag z.B. im Jahr 1965 der Selbstversorgungsanteil Japans an Lebensmitteln bei 73%, aber er sank bis 2006 auf 39% (vgl. The Ministry of Agriculture, Forestry and Fisheries of Japan 2008). Die Selbstversorgungsrate von Holz ist schon 1998 auf 21% gesunken (vgl. Mochida 2004a), die von Fasern im Jahr 2004 auf 35% (vgl. 19 Ohashi 2008) und die von Energie lag im Jahr 2002 bei 4% (vgl. Agency for Natural Resources and Energy 2008). Im Importland Japan zeigt man im Alltag an der Globalisierung von Produktion und Verbrauch kaum Interesse und findet auch kaum Verantwortungsbewusstsein gegenüber Beschädigungen des Sozialsystems, der Kultur, Wirtschaft und Umwelt der entfernt liegenden Exportländer. In Japan ist 70 % der Fläche Gebirge. Die Bergregionen Japans leiden am Niedergang der regionalen Wirtschaft, des Sozialsystems und der Kultur durch die Schwächung der Produktion und des Verbrauchs von regionalen Ressourcen aufgrund von Modernisierung und Globalisierung der Produktion und des Verbrauchs. Durch das Aufgeben der Nutzung von Ressourcen aus den Bergen durch den Menschen erobert sich die Wildnis Lebensraum zurück 3. Heute leben die meisten Menschen in der Stadt. Sie legen keinen Wert auf die Pflege der Landschaft im eigenen Land, wie sie von den Bewohnern der Bergdörfer durch das Sammeln und die Produktion von regionalen Ressourcen betrieben wird. Auf der anderen Seite ist im Zusammenhang mit der Suche nach einer nachhaltigen Entwicklung von Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft weltweit die Frage nach der Zukunft von Produktion und Verbrauch aufgeworfen worden. Es wurden gleichzeitig weltweit Versuche unternommen, die Intraregionalität von Produktion und Verbrauch zu stärken. Besonders viele Beispiele finden sich bei Lebensmitteln, wie z.B. die Slow-Food-Bewegung in Italien, oder die Foodmileage-Bewegung in einer Reihe europäischer Länder, die Body-earth-unique-Bewegung in Korea, oder die Community-Supported-Agriculture in den USA usw. (vgl. Tanaka 2004a). In dieser Forschungsarbeit wird kein geschlossener Kreislauf bei intraregionaler Produktion und Verbrauch als Ziel angenommen. Dennoch wird die Situation der extremen Abhängigkeit Japans von importierten Ressourcen, gerade bei Lebensmitteln, als grundlegendes Problem angesehen. Deshalb wird in Anbetracht der Situation vorgeschlagen, als eine Maßnahme für die Bewältigung von Problemen mit der Globalisierung der Produktion und des Verbrauchs, die „Basis“ alltäglicher Produktion und Verbrauchs in die Region zurück zu bringen. Außerdem lässt der Anstieg des Ölpreises in der jüngsten Zeit Produktion und Transport auf globaler Ebene, wie sie in ihrer Totalität nur unter der Voraussetzung billiger fossiler Energie möglich ist, in ihrer Zukunftsfähigkeit fraglich erscheinen. In dieser Forschungsarbeit wird das Augenmerk auf solche Versuche von intraregionaler Produktion und Verbrauch gerichtet, die von Bürgern ausgehen 4. Der Begriff von „Schutz durch Nutzung“, wie er in der vorliegenden Arbeit verwendet wird, erklärt sich aus der Beobachtung der Praxis dieser Bürger. „Schutz durch Nutzung“ ist im Sinne der vorliegenden Arbeit eine Bewegung der regionalen Ressourcennutzung für die 20 nachhaltige regionale Entwicklung von Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft (Iida 2000, Iida 2005). Mit diesem Begriff wird konzeptionell auch eine Bedeutungsebene von Ästhetik, die „Kohärenz“, betrachtet. 1.1.2. Aspekte der Rekonstruktion von „Poetischen Orten“ aus „Nicht-Orten“ im Lebensraum In Japan haben Orte, die ehemals Menschen Trost spendeten, oder ihren Geist und die Musen weckten, seit den 1960er Jahren, also seit nunmehr etwa 50 Jahren, ihren Reiz verloren (siehe „Exkurs 2. Die Vermehrung von „Nicht-Orten“ in Japan“). Die Regionen haben mit ihren Orten auch ihre Eigenschaften verloren, durch welche sich Menschen mit ihnen identifizieren könnten. Die Orte, an denen Menschen kommunizieren und die auch psychischen Halt geben, verschwinden (vgl. Takano u. Iida 2007a, S.383-385). Die Umwelt als Lebensraum des Menschen verarmt, wenn ihren Orten die kulturelle Kontinuität verloren geht und sie nach Augé zu „Nicht-Orten“ werden (vgl. Augé, 1994, S.44, S.92-94), oder von solchen verdrängt werden. Relph beschreibt dieses Phänomen aus einer vergleichbaren Sichtweise als „Placelessness“ (vgl. Relph 2004 (1999)) 5. Die Gefühlslage der Menschen der Gegenwart in Japan lässt sich mit folgenden Punkten umreißen: 1. Sie können mit der Nüchternheit ihrer Umwelt nicht im Einklang stehen. 2. Sie fühlen sich durch schwache gemeinschaftliche Beziehungen einsam und isoliert. 3. Sie fühlen den Verlust ihrer Geschichtlichkeit, der vorhandenen Kultur und der damit verbundenen Identität. Der Verlust der Poesie der Orte bringt nicht nur unsere, sondern auch kommende Generationen in eine unglückliche Lage. Für die zukünftigen Lebensräume der Menschen in den Städten gleichwie in den Regionen Japans muss man dieses Problem lösen (vgl. Takano u. Iida 2007a, S.383-385). In Anbetracht dieser Situation sucht diese Forschungsarbeit nach Lösungsansätzen für Orte, die ihre kulturelle Kontinuität verloren haben und zu „Nicht-Orten“ geworden sind. Dabei richtet sie ihr Augenmerk auf solche Orte, die von Bürgern geschaffen werden, um die sie umgebende Welt zu rekonstruieren. Mit solchen komplexen Lebensräumen, die auf ihre Sinne wirken, die von der regionaltypischen Natur, der Historie und dem lokalen Lebensstil geprägt sind, identifizieren sich diese Menschen. Wird der Wunsch nach Zusammenleben in einer Gemeinschaft gestärkt, wirkt das auf das soziale Milieu. Der Begriff des „Poetischen Ortes“, wie er in der Theorie Ipsens verwendet wird (Ipsen 2000c), soll in dieser Arbeit aus der Beobachtung der Praxis von Bürgern untersucht werden. Es wird dabei besonders auf die Rolle der „Sympathie“ beim Aufbau von „Poetischen Orten“ eingegangen. 21 1.1.3. Aspekte der Integration von regionaler Ressourcennutzung und Konstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum in ein Konzept für Regionalentwicklung in Bergregionen In der Gegenwart ist die Trennung von Produktion und Verbrauch weit verbreitet. In dieser Forschungsarbeit aber werden Beispiele aus Bergregionen betrachtet, die besonders durch die Probleme der Globalisierung betroffen sind und in denen trotzdem weiterhin regionale Ressourcen sowohl vor Ort, als auch in der Umgebung und den nahe gelegenen Städten genutzt werden. In der Praxis der regionalen Ressourcennutzung in Bergregionen wird häufig die Konstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum integriert. Die Bewegung dient dem Aufbau von Beziehungen zwischen Produzenten und Verbrauchern, die in der globalisierten Wirtschaft getrennt sind. Gleichzeitig dient die Rekonstruktion eines Lebensraumes aus „Nicht-Orten“, die durch die Trennung von Ort, Produktion und Verbrauch entstanden sind, durch die regionale Ressourcennutzung der Ausprägung regionaler Charakteristik 6. In dieser Forschungsarbeit wird die Entwicklung in den Bergregionen betrachtet, die durch die Integration der regionalen Ressourcennutzung und der Rekonstruktion von „Orten“ im Lebensraum vorangebracht werden soll. Dabei richtet sie ihr Augenmerk auf die Art der Praxis aus dem Blickwinkel der betroffenen Bürger. Es wird der Vermutung nachgegangen, dass die Ästhetik der „Kohärenz“ bei der Aktion von „Schutz durch Nutzung“ und gleichzeitig auch „Sympathie“ mit den „Poetischen Orten“ eine wichtige Rolle bei der regionalen Ressourcennutzung spielen. Die komplexen Elemente, die Globalisierung der Wirtschaft, der nationale Reichtum, die Abhängigkeit von Energie, der Lebensstil im Massenkonsum usw. prägen die heutige Produktion und den Verbrauch. Auf der anderen Seite gibt es in den Industrieländern noch einigen Spielraum für eigene Entscheidungen der Bürger, die Beziehungen zwischen der Produktion und dem Verbrauch zu rekonstruieren. 1.2. Ziel der Forschung Die Frage ist, ob Bürger, die sich mit der intraregionalen Ressourcennutzung und der Rekonstruktion von „Orten“ im Lebensraum in den Bergregionen beschäftigen, die Produzenten und Orte der Produktion im eigenen Lebensraum und der Umgebung wahrnehmen und wertschätzen. Welche Blickwinkel und Denkweisen haben sie bei der regionalen Ressourcennutzung? Bei der intraregionalen Ressourcennutzung scheint es so, als sei ihr Kernziel die materielle Ebene der „Kohärenz“. Wenn aber die Kommunikation durch die Rekonstruktion von „Orten“ im Lebensraum gefördert und in die regionale Ressourcennutzung integriert wird, spielt die „mentale Ebene“ der „Kohärenz“ eine große 22 Rolle. Hierbei werden die Beziehungen zwischen den Menschen, den Individuen und den Orten, sowie der Gemeinschaft und den Orten geknüpft. Konkret ausgedrückt bedeutet das, die Beziehungen zwischen den Produzenten, den Produzenten und den Verbrauchern, den Verbrauchern, den Produzenten und den Orten der Produktion, den Orten der Produktion und dem Lebensraum der Verbraucher usw. werden durch „Sympathie“ vermittelt. Das heißt, bei der Integration der regionalen Ressourcennutzung und der Konstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum werden die beiden ästhetischen Ebenen „Kohärenz“ und „Sympathie“ miteinander verwoben und damit die Beziehungen zwischen den Produzenten, den Verbrauchern und den Orten der Produktion stabilisiert. Man kann sich vorstellen, dass die Beziehung, die mit der Affinität von zwei ästhetischen Bedeutungsebenen, mit der Affinität von „Kohärenz“ und „Sympathie“ verbunden ist, stabiler als eine Beziehung ist, die nur mit einer der beiden Verbindung hat. Deswegen lässt sich vermuten, dass die Integration der intraregionalen Ressourcennutzung und die Rekonstruktion von „Nicht-Orten“ im Lebensraum auf die Entwicklung von Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft in einer Region wirken (Taguchi u. Iida 2005). Durch die Beobachtung von Beispielen aus der regionalen Ressourcennutzung in Bergregionen zielt diese Forschungsarbeit darauf ab, den Blickwinkel und die Denkweise der betroffenen Menschen über die intraregionale Ressourcennutzung und die Rekonstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum in Erfahrung zu bringen. Damit werden die Rollen von „Kohärenz“ und „Sympathie“ als Medien für die Verbindung zwischen den Menschen und den Menschen und den Orten aufgezeigt. Außerdem wird versucht, durch die Blickwinkel und die Denkweise der beteiligten Menschen eine Methode für die regionale Ressourcennutzung für eine regionale Entwicklung von Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft in den Bergregionen herzuleiten. 1.3. Hypothese der Forschung In Bergregionen gibt es reiche und vielfältige Ressourcen, die in der Vergangenheit von den Menschen genutzt wurden. Durch deren Nutzung wurden Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft in den Regionen meist nachhaltig gepflegt und erhalten. In der traditionellen Arbeit mit den Ressourcen findet man Technik und Denken für eine nachhaltige Ressourcennutzung bei den Menschen der Region. Allerdings wird die traditionelle Arbeit mit den Ressourcen jedoch nicht weitergeführt und es zeigt sich die Tendenz, dass sie gänzlich verschwindet. Der Grund dafür ist, wie Poppinga anmerkt, darin zu suchen, dass regenerativ bestimmte Kreisläufe durch fossil bestimmte ersetzt werden. 23 Der Jagdkulturforscher, Hiromi Taguchi, untersucht, wie Bewohner von japanischen Bergregionen und anderen Regionen des Fernen Ostens unter dem Aspekt des Tierschutzes Wildtiere nachhaltig nutzen, wie sie z.B. deren Fleisch und Felle verwerten. Er schreibt Folgendes: „Bei der Nutzung von Ressourcen im alltäglichen Leben wird diese nicht verschwendet. (…) Unter diesem Blickwinkel sollte man den Lebensstil und die Lebenskultur der Bewohner in der Gesellschaft positiv bewerten. Die Natur in der Region ist mit dem Leben und der Historie der Bewohner aufs Engste verbunden. Wenn man das gespeicherte und gereifte volkstümliche Wissen aus diesem langen Zeitraum (mit dem gesamten Wissen (…) mit Erfahrung, Technik und Natur im regionalen Leben) effektiv einbringt, kann man erst in der modernen Gesellschaft über das Thema (Anm.: über Artenschutz durch Nutzung) Übereinstimmung erreichen” (Taguchi 2005a, S.18). In einigen Bergregionen in Japan beobachtet man diese moderne Ressourcennutzung mit neuen Ideen, aber in den Bergregionen Japans leben immer weniger Menschen und viele Dörfer sind schon verlassen worden. Man findet dort selten innovative Entwicklung. Auf der anderen Seite ist das Ausmaß von Landflucht und Überalterung der Bevölkerung in den einzelnen Bergregionen Mitteleuropas zwar unterschiedlich, aber im Vergleich mit den japanischen Bergregionen nicht so weit fortgeschritten. In Europa findet man eine Vielzahl moderner regionaler Ressourcennutzungen mit innovativen Ideen. Die Frage ist aber, ob vor dem Hintergrund der Realisierung der modernen Ressourcennutzung mit neuen Ideen in den Bergregionen Japans und Mitteleuropas, das gespeicherte und gereifte volkstümliche Wissen aus diesem langen Zeitraum eine Rolle spielt. Wenn man aber jedes einzelne Beispiel der regionalen Ressourcennutzung betrachtet, wie es oben Taguchi getan hat, lässt sich daraus die erste Hypothese dieser Forschungsarbeit entwickeln: Hypothese 1 : In die innovative Ressourcennutzung in den Bergregionen in der Moderne wird traditionelles Wissen effektiv eingebracht. (Anm.: unter Moderne wird in dieser Forschungsarbeit die Zeit vom Anfang der Modernisierung bis heute verstanden). * Es lässt sich vermuten, dass die Produzenten, die den Wald oder die landwirtschaftlichen Flächen in der Region nutzen, dort die Ressourcen sammeln, in der Region produzieren, verarbeiten und verkaufen, beim Produktionsprozess, Wert auf die „Kohärenz“ von regionaler Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft legen. Sie pflegen die 24 heimischen Wälder oder die landwirtschaftlichen Flächen, achten darauf, die Gesundheit der Menschen zu bewahren, pflegen die lokalen Beziehungen und die heimische Kultur usw. Vermutlich wünschen sie, dass sie durch ihre Arbeit einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten. Dabei wünschen sie sich anscheinend auch Orte, wo sie wohnen und arbeiten können und die von der regionaltypischen Natur, der Historie, und dem lokalen Lebensstil geprägt sind, auf ihre Sinne wirken, sich zur Identifikation anbieten und ein Zusammenleben in einer Gemeinschaft ermöglichen. Wahrscheinlich empfinden sie mit solchen Orten „Sympathie“. Auch der Verbraucher, der die Produkte, die Architektur usw. aus regionalen Ressourcen nutzt, empfindet vermutlich Sympathie, nachdem er indirekt, in seiner Vorstellung, oder direkt Kontakt zu dem Menschen hatte, der die Ressourcen produziert, sie sorgfältig verarbeitet oder verkauft und empfindet auch den Ort, an dem die Produkte produziert werden, wie z.B. den Wald, den Acker, die Werkstatt oder den Laden sympathisch. Vermutlich hat der Verbraucher Sehnsucht nach einem Produzenten, einem Ort der Produktion oder dem Ursprung der Produkte und versucht, in seinem eigenen Leben diese Verbindung herzstellen. Man kann auch annehmen, dass der Verbraucher die „Kohärenz“ mit der Produktion und dem Verbrauch schätzt. Abb. 1. Verbindung zwischen Produkt, Landschaft und Menschen mittels Ästhetik Im Zuge dessen kann man vermuten, dass bei Produzent und Verbraucher bei der Produktion und dem Verbrauch mit und von regionalen Ressourcen die beiden ästhetischen Bedeutungsebenen, „Kohärenz“ und „Sympathie“, wirken. Bei der Wahrnehmung der regionalen Landschaft mit der Produktion, dem Produkt und dem 25 Produzenten und Verbraucher zueinander vermitteln vermutlich diese beiden ästhetischen Bedeutungsebenen ihre Beziehungen. Daraus wird die zweite Hypothese gebildet: Hypothese 2 : Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher sind über zwei Bedeutungsebenen von Ästhetik miteinander verbunden (Siehe Abb. 1.). * Die Produkte aus regionalen Ressourcen, die mit dem Konzept von „Poetischen Orten“ mit „Sympathie“ produziert, verarbeitet und verkauft worden sind, werden vom Verbraucher vermutlich langfristig gebraucht. Das verleiht auch der Aktion „Schutz durch Nutzung“ eine gewisse Langfristigkeit. Das heißt, wenn so eine Art von „Schutz durch Nutzung“ durchgeführt wird, können Produzenten und Verbraucher durch die Nutzung heimischer Ressourcen in ihrem alltäglichen Lebensraum „Poetische Orte“ erschließen. Das Konzept von “Schutz durch Nutzung“ und das Konzept von „Poetischen Orten“ stärken sich also gegenseitig. Produzenten und Verbraucher können bei der Nutzung heimischer Ressourcen mit beiden Konzepten vermutlich die Entwicklung von Umwelt, Sozialsystem, Kultur und Wirtschaft in ihrer Region voranbringen. Dabei können sie vermutlich mit ihren Sinnen die Landschaft genießen und mit ihr Verbundenheit zu Tradition und Zukunft empfinden und auch Identität und ein Gemeinschaftsgefühl stiften. In dieser Forschungsarbeit wird dieser Zustand als eine Form von Regionalentwicklung aufgefasst. So lautet die dritte Hypothese. Hypothese 3 : Wenn die Konzepte von „Schutz durch Nutzung“ und „Poetische Orte“ gleichzeitig angewandt werden, laufen die Projekte langfristig und entwickeln die Region stabil. 26 Abb. 2. Der Prozess dieser Forschungsarbeit 27 28 1.4. Methode der Forschung In dieser Forschungsarbeit ist angenommen worden, dass auf die Produzenten und die Verbraucher bei der regionalen Ressourcennutzung auch die beiden ästhetischen Bedeutungsebenen „Kohärenz“ und „Sympathie“ wirken. Es wird auch angenommen, dass die Wahrnehmung der regionalen Landschaft mit der Produktion, dem Produkt und dem Produzenten und dem Verbraucher gegenseitig über diese beiden ästhetischen Bedeutungsebenen Beziehungen vermitteln. Zunächst wird die Bedeutung der Begriffe „Kohärenz“ und „Sympathie“ geklärt. Danach wird anhand von Fallbeispielen aus der Praxis die Rolle betrachtet, welche diese beiden ästhetischen Bedeutungsebenen bei der regionalen Ressourcennutzung spielen. Der Forschungsarbeit liegt folgender Prozess zugrunde (Siehe Abb. 2.): 1.4.1. „Kohärenz“, eine ästhetische Bedeutungsebene bei regionaler Ressourcennutzung aus der Forschungsarbeit über „Schutz durch Nutzung” In dieser Forschungsarbeit wird der Begriff „Kohärenz“ als ästhetische Bedeutungsebene für die regionale Ressourcennutzung anhand des Begriffs von „Schutz durch Nutzung“ erklärt. Der Begriff „Schutz durch Nutzung“, wie er in der vorliegenden Arbeit verwendet wird, ist aus einem Versuch in der Rhön in Deutschland hergeleitet. Die Untersuchungen sind im Jahr 2000 im Rahmen der Diplomarbeit der Autorin „Kulturlandschaftswahrnehmung und Konsumentenbewusstsein in der Rhön“ (vgl. Iida 2000) und zu weiteren eigenen Forschungsarbeiten in den Jahren 2004, 2007 und 2008 in der Rhön durchgeführt worden (vgl. Iida 2005a, Iida 2005b). „Schutz durch Nutzung“ ist eine Bewegung in der Rhön, die ihren Ursprung im Naturschutz hat und mit der eine ökologische, 7 heimische, kleinmaßstäbliche Landwirtschaft wirtschaftlich unterstützt werden soll, um dadurch Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten zu erhalten, die durch solche Bewirtschaftungsformen entstanden sind und erhalten werden können. Mit „Schutz durch Nutzung“ wird über die Zielsetzungen des Naturschutzes in Ökosystemen der Kulturlandschaft allerdings eine integrierte nachhaltige Entwicklung von Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft durch intraregionale Produktion und Verbrauch angestrebt (vgl. Iida 2005a). In diesem Sinne wird der Begriff Schutz durch Nutzung in dieser Forschungsarbeit verwendet. Im Kapitel „II.-1. Ästhetische Bedeutungsebene „Kohärenz” -Begriff von „Schutz durch Nutzung”„ wird anhand von Beispielen aus der Rhön über die Frage reflektiert, wie die gesamte Entwicklung einer Region durch die Nutzung von heimischen Ressourcen vorangebracht werden kann. Am Anfang wird dieser Versuch in der Rhön anhand der Praxis über eine gesamte nachhaltige Entwicklung von Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft durch intraregionale Produktion und Verbrauch betrachtet und es wird beschrieben, welche Wirkungen und weiteren Aufgaben daraus entstehen. Danach 29 werden die Betrachtungen zu den beiden Themen, um die sich Menschen in der Rhön in der Praxis besonders bemühen, mit einem Blick in die Literatur erweitert. Das erste dieser Themen ist die Innovation und Tradition im Zusammenhang mit Ressourcennutzung, Technik, Design der Produkte und das Produktionssystem etc. Das zweite Thema ist die Zusammenarbeit der Produzenten in der Region. Nach den Betrachtungen werden diejenigen Aspekte systematisiert, auf die man in der Praxis von „Schutz durch Nutzung” besondere Rücksicht nehmen sollte. In dieser Forschung wird postuliert, dass Menschen, die mit diesen Aspekten heimische Ressourcen nutzen, Wert auf die „Kohärenz“ von regionaler Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft legen. Dem Wissenschaftler für Lebensmittelvermarkting, Hideki Tanaka, zufolge kann man die Produktion und den Verbrauch von Lebensmitteln mit den Stichwörtern „Globalisierung“, „Industrialisierung“ und „Isolierung“ beschreiben. Mit dem vermehrten Angebot an importierten Lebensmitteln werden der Produktionsort und der Verbraucher immer weiter voneinander getrennt. Bei Produktion und Verbrauch behält man kaum soziale Aspekte im Blick. Zwar wird die Herkunft der Produkte gekennzeichnet und kontrolliert, aber dies geschieht allein aus Gründen der Lebensmittelsicherheit. Wer das produziert, und wo das produziert wird, interessiert nur vor dem Hintergrund, dass die Ware gesundheitlich unbedenklich ist, bzw. Verstöße juristische verfolgt werden können. Die Art der Kontrolle setzt eine globalisierte und industrialisierte Produktion von Lebensmitteln voraus. Die Kontrollmechanismen ersetzen nicht die räumliche und soziale Trennung von Landwirtschaft oder Lebensmitteln (vgl. Tanaka 2004a, S.6-7). Tanaka sucht anhand von Beispielen der Direktvermarktung oder Verbraucherkooperation nach einer Methode, wie man die getrennte Beziehung zwischen Produktion und Verbrauch wieder neu knüpfen kann. Mit Tanaka wird in dieser Forschungsarbeit das Augenmerk auf die Verknüpfung von Beziehungen zwischen Produzenten und Verbrauchern durch Kommunikation gerichtet. Bei regionaler Ressourcennutzung haben Produzent, Verarbeiter, Verbraucher, öffentliche Verwaltung, Planer usw. schon in einer Region verschiedene Aspekte und Meinungen dazu. Die Art und Weise regionaler Ressourcennutzung sind auch zwischen den Regionen unterschiedlich. Sie sind von den Landschaften, der Art der Ressource oder den Gedanken der Menschen durch ihren historischen Hintergrund geprägt (Ipsen, Iida et al. 2000, Iida 2004, Iida 2005). Das heißt, es gibt vermutlich keine allgemeine Methode für regionale Ressourcennutzung. Deshalb muss man eine Vorgehensweise finden, bei der die Menschen in diesen Regionen mit der Kommunikation in der Praxis selbst eine eigene Methode entwickeln können. In dieser Forschungsarbeit werden dafür Kriterien durch die Beobachtung der Praxis von „Schutz durch Nutzung“ in der Rhön dargestellt, mit denen man die eigene Praxis bewerten und die Situation der eigenen Praxis verstehen kann. 30 1.4.2. „Sympathie“, eine ästhetische Bedeutungsebene bei regionaler Ressourcennutzung aus der Forschungsarbeit über „Poetische Orte“ In dieser Forschungsarbeit wird „Sympathie“ als ästhetische Bedeutungsebene bei der Nutzung regionaler Ressourcen mit dem Begriff des „Poetischen Ortes“ erklärt. „Poetische Orte“ ist der Titel eines Buches des deutschen Kunst- und Kulturhistorikers Roland Günter. Er beschreibt darin, wie vom Verlassen bedrohte Dörfer einer Bergregion Mittelitaliens, durch das Erzählen von Geschichten von den Orten dieser Region und daran anknüpfenden künstlerischen Interventionen wieder mit neuem Leben erfüllt wurden. Prof. Dr. Detlev Ipsen von der Universität Kassel hat auf diesen Gesichtspunkt sein Augenmerk gerichtet. Mit der Erforschung der Zusammenhänge von „Poetischen Orten“ und Regionalentwicklung“ hat er 2000 mit einer studentischen Projektgruppe des Aufbaustudiums „Nachhaltige Regionalentwicklung“ begonnen (vgl. Ipsen et al. 2000b, Ipsen 2000c). Im Jahr 2004 hat das Tohoku Culture Research Center von der Tohoku University of Art and Design Prof. Ipsen zu einem Vortrag über das Thema „„Poetische Orte“ und Regionalentwicklung“ nach Japan eingeladen, gefördert vom japanischen Ministerium für Bildung, Sport, Wissenschaft und Technologie 8. Seitdem setzen deutsche und japanische Wissenschaftler und Bürger die Forschung zu diesem Thema in Form einer kooperativen Forschungsarbeit fort. Die Forschungsgruppe besteht von japanischer Seite aus dem Vorsitzenden Prof. Dr. Kimio Takano an der Tohoku University of Art and Design im Bereich Stadtplanung, zuständig für die Betreuung der Doktoranden und der Aufbaustudiengänge, aus Wissenschaftlern aus dem Bereich Stadtplanung, Regionalplanung, Architektur und Volkskunde und außerdem aus Architekten, Künstlern, Verwaltungsbeamten und weiteren Bürgern. Von deutscher Seite übernahm Prof. Ipsen von der Universität Kassel und Leiter der Arbeitsgruppe Empirische Planungsforschung den Vorsitz. Mitglieder sind wissenschaftliche Mitarbeiter, Doktoranden und Studenten. Diese interkulturelle Forschungskooperation besteht bis heute (Stand 2008). Am Anfang der Arbeit der Forschungsgruppe stand die Frage, was „Poetische Orte“ sind. Als erstem Thema hat sie sich Heiligen Orten und Glauben zugewandt, weil sie angenommen hat, dass dies ein Ausgangspunkt für „Poetische Orte“ sein könnte. Als nächstes hat sie sich mit dem Thema „Poetische Orte“ und Gefühl aus dem Blickwinkel von Künstlern und Architekten beschäftigt und danach mit „Poetischen Orten“ in der ländlichen Regionalpolitik. Dies geschah vor dem Hintergrund der aktuellen Problematik der Landflucht und des Dörfersterbens durch den fortgeschrittenen Prozess der Verstädterung. Das nächste Thema war „Poetische Orte“ und Menschsein und „Poetische Orte“ und Gemeinschaft aus Anlass des gesellschaftlichen Problems der Identitätskrise von vornehmlich Jugendlichen. Anschließend beschäftigte sich die Gruppe angesichts der Veränderungen von Produktion und Verbrauch in der globalisierten Wirtschaft mit 31 Landschaftspflege durch die Nutzung regionaler Ressourcen und der Rolle der „Poetischen Orte“ dabei. Die Gruppe hat im Jahr 2007 einen Forschungsbericht mit dem Titel „Forschung über „Poetische Orte““ beim oben genannten Ministerium abgegeben. Darin sind die Ergebnisse einer dreijährigen Forschungsarbeit veröffentlicht (Iida Hrsg. 2007). Im Jahr 1999 ist die Autorin als Studentin des Aufbaustudiengangs „Nachhaltige Regionalentwicklung“ dem Thema „Poetische Orte“ erstmals begegnet. Von 2004 bis heute hat sie vier Jahre lang die interkulturelle Forschungskooperation koordiniert und die oben genannten Forschungsberichte herausgegeben. In der vorliegenden Arbeit werden die Forschungsergebnisse von Prof. Ipsen und der deutschen Forschungsgruppe von 2000 (Ipsen et al. 2000b, Ipsen 2000c) und von der deutsch-japanischen Forschungskooperation seit 2004 zusammengefasst (Iida Hrsg. 2007). Dabei wird über Orte und über Planung recherchiert und Beispiele aus der eigenen Praxis der Autorin mit „Poetischen Orten“ von Bürgern gesammelt und dabei der Begriff von „Poetischen Orten“ erweitert und vertieft. Als nächstes werden Tendenzen und Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis systematisiert. In dieser Forschungsarbeit wird postuliert, dass „Sympathie“ bei der Konstruktion des Lebensraumes die Beziehungen zwischen Menschen untereinander und von Menschen zu Orten knüpft. Mit Aspekten von „Poetischen Orten“ wird die Rolle von „Sympathie“ bei der Entwicklung von Bergregionen durch die Nutzung regionaler Ressourcen betrachtet. 1.4.3. Auswahl der Fallbeispiele Die Fallbeispiele in dieser Forschungsarbeit werden im Bereich regionaler Ressourcennutzung in Bergregionen ausgewählt. Fünf Fallbeispiele kommen aus Gemeinden oder Regionen Japans und Mitteleuropas. Zwei Beispiele davon werden aus zwei Gemeinden in Tohoku (Anm.: Nordjapan) in Japan ausgewählt. In Mitteleuropa wird ein Beispiel aus einer Region in Deutschland und zwei Beispiele aus zwei Regionen in Österreich ausgewählt. Der Maßstab von Fallbeispielen ist in Japan und in Mitteleuropa unterschiedlich. Bei Fallbeispielen in dieser Forschungsarbeit betrachtet man in Japan die Gemeinde und in Mitteleuropa die Region als Maßstab der Nutzung von untersuchten Ressourcen. Dadurch sind bei den japanischen Fallbeispielen die Flächen kleiner und die Zahl der betreffenden Betriebe oder Bürger ist geringer als bei den mitteleuropäischen Fallbeispielen. Um aber die Merkmale der Fallbeispiele zu verstehen, ist es natürlicher, die jeweiligen Maßstäbe zu behalten und zu vergleichen. Die Maßstäbe in dieser Forschungsarbeit sind so beibehalten worden, wie sie zu den Aspekten der Befragten aus den jeweiligen Fallbeispielen passen. In den Gemeinden und den Regionen sind zwischen den 1960er Jahren und den 1980er Jahren die heutigen Nutzungssysteme für regionale Ressourcen aufgebaut worden. Die 32 Fallbeispiele und die Gründe der Auswahl sind folgende: 1. Das Beispiel aus der Gemeinde Mishima in der Präfektur Fukushima in Japan: In der Gemeinde werden Handwerkswaren aus pflanzlichen Ressourcen aus den Bergwäldern produziert. 2. Das Beispiel aus der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata in Japan: In der Gemeinde werden dickstämmige Zedern produziert und eine Holzhausarchitektur aus Zedernholz erhalten und entwickelt. 3. Ein Beispiel aus der Rhön in Hessen, Bayern und Thüringen in Deutschland: In der Region werden vielfältige Agrarprodukte produziert und verarbeitet. 4. Ein Beispiel aus Pöllau und Umgebung in der Steiermark in Österreich: In der Region werden vielfältige Agrarprodukte produziert und verarbeitet. 5. Ein Beispiel aus dem Bregenzerwald in Vorarlberg in Österreich: In der Region wird eine moderne Holzarchitektur aus dem Holz heimischer Wälder entwickelt. Abb. 3. Lage der Regionen und Gemeinden der untersuchten Fallbeispiele 33 Die folgenden Beispiele regionaler Ressourcennutzung werden in dieser Forschungsarbeit in jeweils eigenen Kapiteln beschrieben: drei Fallbeispiele aus der Gemeinde Mishima, zwei aus der Gemeinde Kaneyama und fünf aus dem Bregenzerwald. Über das Beispiel 3 aus der Rhön wird in Kapitel „II.-1. Ästhetische Bedeutungsebene „Kohärenz” -Begriff von „Schutz durch Nutzung”-“ in Auszügen geschrieben. Im Forschungsplan dieser Arbeit ist festgelegt worden, dass bei dem Beispiel aus der Rhön nur aus der Diplomarbeit aus dem Jahr 2000 und weiteren Forschungsarbeiten der Autorin im Jahr 2005 (Iida 2000, Iida 2005a, Iida 2005b) zitiert wird, um den Begriff von „Schutz durch Nutzung“ herzuleiten. Dennoch wird in dieser Forschungsarbeit das Material aus den oben erwähnten Untersuchungen über die Rhön mit der Methode dieser Untersuchung erneut ausgewertet, weil der Vergleich mit den anderen Fallbeispielen interessant ist. Über das Beispiel 4. aus Pöllau und Umgebung in der Steiermark wird im Abschnitt „II. 2.10.2. Moderne Arbeit in den Bergregionen Mitteleuropas und „Poetische Orte“ geschrieben. Die Beispiele aus Pöllau und Umgebung zeigen, dass die Regionen durch die Arbeit von Menschen mit den regionalen Ressourcen regionaltypische Landschaften aufbauen und dadurch der Region ein eigenes Profil verleihen können. Sie dienen als Gerüst für eine detailliertere Betrachtung der Fallbeispiele aus den oben erwähnten Regionen. Bei der Felduntersuchung im Rahmen dieser Forschungsarbeit ist eine qualitative Forschungsmethode angewendet worden. Die Felduntersuchung in Pöllau und Umgebung fand in der Anfangsphase dieser Forschungsarbeit statt. Dabei wurden Interviews über vielfältige Agrarprodukte mit deren Produzenten durchgeführt und das gesammelte Material ausgewertet. Mit dem Ergebnis der Auswertung sind die Untersuchungsthemen und die Auswertungskategorien für weitere Felduntersuchungen in dieser Forschung klarer geworden. Auf der anderen Seite ist in Pöllau und Umgebung nicht konsequent an Beispielen eines Produktes oder in einem Produktionsgebiet der Weg vom Produzenten, über die Verarbeiter bis zum Verbraucher untersucht worden. Weitere Untersuchungen in Pöllau und Umgebung wurden zwar geplant, es konnte bisher aber keine Finanzierungsmöglichkeit gefunden werden, um das weit entfernt liegende Untersuchungsfeld wieder zu besuchen und einige Zeit dort zu bleiben. Aus diesem Grund ist das Beispiel aus Pöllau und Umgebung im Rahmen dieser Forschungsarbeit aus den Fallbeispielen herausgenommen worden. 34 1.4.4. Auswahl der Interviewpartner und Methode der Untersuchung der Fallbeispiele • Auswahl der Interviewpartner Vor der Untersuchung der Fallbeispiele sind Interviews mit Wissenschaftlern, die im betreffenden Forschungsfeld Forschungsarbeiten durchgeführt haben, mit den Verlegerinnen, die im Forschungsfeld Literatur über regionale Kultur herausgegeben haben, mit Regionalentwicklern und mit Beamten geführt worden. Dazu ist in der Literatur recherchiert worden. So sind Grundkenntnisse über die Fallbeispiele und Forschungsfelder und ihre Ressourcennutzungen gesammelt worden. In dieser Forschungsarbeit werden zunächst „Kohärenz“ und „Sympathie“, als zwei ästhetische Bedeutungsebenen bei der regionalen Ressourcennutzung, betrachtet. Danach wird die Rolle der beiden Bedeutungsebenen bei der regionalen Ressourcennutzung geklärt. Wenn man das System regionaler Ressourcennutzung und die Aspekte und das Bewusstsein von den betreffenden Akteuren in der Praxis in Erfahrung bringen möchte, muss man sie über die Art und Weise der regionalen Ressourcennutzung befragen und ihre Meinungen dazu berücksichtigen. In dieser Forschungsarbeit wurde der Materialkette nachgegangen, angefangen beim Sammeln oder der Produktion der Ressourcen, über Verarbeitung oder Bauen, bishin zu Vermarktung und Verbrauch. Bei der Sammlung von Informationen über regionale Ressourcennutzung und über Aspekte und Meinungen von Betroffenen und bei der Auswertung des Materials wurde eine qualitative Forschungsmethode angewandt. Für diese Forschungsarbeit wurde keine bereits so vorhandene Forschungsmethode genutzt, aber in folgenden Punkten orientiert sie sich bei der Sammlung von Material durch Interviews an der Grounded Theory 9 (Strauss u. Corbin 1996 (1990), Flick et al. 2007 (2000), Saiki-Graighill 2006): 1. Von Interviewpartnern werden weitere Interviewpartner vorgestellt. 2. Durch Wiederholung von Materialsammelung und Auswertung werden Forschungsthemen immer deutlicher herausgearbeitet. 3. Wenn die Theorie ausgereift ist (theoretical saturation), d.h. wenn man keine neuen Informationen mehr bekommen kann, endet die Materialsammlung durch Interviews. Bei den Fallbeispielen ist entlang eines Produkts und eines Produktionsgebietes die Materialketten über Produzenten und Verarbeiter bis hin zu Verbrauchern untersucht worden. Die Interviewpartner sind hauptsächlich Produzenten, Verarbeiter, Verkäufer und Verbraucher von regionalen Ressourcen. Zusätzlich sind Interviews mit Beamten und den zuständigen Personen von Instituten und Organisationen durchgeführt worden. 35 Die ersten Interviewpartner waren Menschen, die mit der Verarbeitung und dem Verkauf von regionalen Ressourcen beschäftigt sind, weil man allgemein ihren Sitz usw. aus Zeitschriften, Prospekten, aus der Literatur und im Internet finden und Kontakt herstellen kann. Außerdem kann man von den Interviewpartnern die Produkte aus regionalen Ressourcen und die Verbraucher dieser Produkte usw. vorgestellt bekommen. In dieser Forschungsarbeit sind fünf bis zehn Interviewpartner, die mit der Verarbeitung und dem Verkauf von regionalen Ressourcen beschäftigt sind, aus Literatur und Internetseiten ausgesucht und Interviewtermine mit ihnen vereinbart worden, oder von oben erwähnten Wissenschaftlern und Verlegerinnen sind Interviewpartner vorgestellt worden. Von den Interviewpartnern sind die Produzenten von regionalen Ressourcen und die Verbraucher der Produkte usw. als weitere Interviewpartner vorgeschlagen worden. Bevor wir die Probleme beleuchten, die mit der Auswahl von Interviewpartnern bei dieser Untersuchung einhergehen, ist vorweg zu sagen, dass in dieser Forschungsarbeit die Merkmale regionaler Ressourcennutzung in jedem Fallbeispiel beschrieben werden. Es werden dabei auch vielfältige Aspekte und Denkweisen von Interviewten verdeutlicht. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit werden im Wesentlichen anhand des Materials der durchgeführten Interviews herausgearbeitet. Es wurden, wenn möglich, so viele Interviews durchgeführt, dass anhand der Häufung von Wiederholung von Informationen davon ausgegangen werden konnte, dass keine neuen wesentlichen Informationen mehr zu erwarten seien und damit die Theoriereife (theoretical saturation) erreicht ist. Die Probleme mit der Auswahl von Interviewpartnern in dieser Untersuchung sind folgende: 1. Die Anzahl der Interviewten ist zwischen den Fallbeispielen unterschiedlich. Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Schwierigkeit, bezüglich der Ressourcen oder der Produkte Interviewpartner zu finden und mit ihnen Interviewterminen zu vereinbaren. Das gilt bis zur Theoriereife (theoretical saturation). 2. Das Informationsmaterial ist in Japan, Österreich und in Deutschland durch Interviews gesammelt und ausgewertet worden, bis durch sich häufig wiederholende Informationen davon ausgegangen wurde, die Theoriereife erreicht zu haben. In Japan liegen die Forschungsfelder vom Wohnort der Autorin zwei bis vier Stunden mit dem Auto entfernt, deshalb fanden häufige Interviews statt. In Deutschland wohnte die Autorin im Forschungsfeld. Aber die Forschungsfelder in Österreich liegen weit entfernt. Deswegen sind die Interviews in einem begrenzten Zeitrahmen durchgeführt worden, und es ist daher weniger sicher, ob dort die Theorie ausreichend gereift ist. 3. Ein Teil der regionalen Ressourcen wird intraregional verbraucht. Dadurch sind die Produzenten, die Verarbeiter, die Beamten usw. gleichzeitig Verbraucher und ihre Standpunkte sind daher komplex. Ihrem Wort ist, als beruflichem Standpunkt, in dieser 36 Forschungsarbeit Priorität eingeräumt worden und den Standpunkten der Verbraucher übergeordnet. Die Interviewpartner in jedem Fallbeispiel sind im Abschnitt „I. - 1.5. Überblick und vorhandene Forschungsarbeiten über die Fallbeispiele, Verortung und Inhalt dieser Forschungsarbeit“ beschrieben. Eine Liste von Interviewpartnern, das Datum der Interviews, die Nummern der akustischen Datenspeicher MD, worauf die Interviews aufgezeichnet sind, usw. sind im Anhang 1. zu finden. * • Methode der Untersuchung der Fallbeispiele In dieser Forschungsarbeit sind die Interviewtermine brieflich oder telefonisch vereinbart worden. Zu den Interviews hat die Autorin die Interviewpartner besucht. Die Produzenten usw. haben sich ca. zwei Stunden Zet für die Interviews genommen. Darüberhinaus haben manche Produzenten ihre Werkstätten oder Produktionsorte, z.B. die Wälder, Äcker, Baustellen usw. ca. zwei Stunden lang gezeigt. Auch bei den Verbrauchern mit vereinbarten Interviewterminen sind die Interviews bei ihnen durchgeführt worden und sie haben sich ebenfalls ca. zwei Stunden Zeit genommen. Bei den Verbrauchern ohne Interviewtermin dauerten die Gespräche ca. 15 Minuten. Die Interviews wurden mit dem Einverständnis der Interviewpartner im Originalton auf MD-Datenträgern archiviert und dazu auch auf einem Feldnotizblock protokolliert. Obendrein sind manche Interviewpartner und manche Orte fotografiert worden. In dieser Forschungsarbeit ist versucht worden, durch die Auswertung des Interviewmaterials die Inhalte zu finden, auf welche die Interviewpartner achten und die Aspekte und Gedanken von Interviewpartnern dazu zu erfahren. Bei den Fallbeispielen unterscheiden sich die verarbeiteten regionalen Ressourcen. Daraus resultiert eine Vielfalt an Berufen der Interviewpartner. Man konnte vor den Interviews davon ausgehen, dass ein vorher festgelegter Fragenkatalog aufgrund der komplexen Fragestellung sehr umfangreich zu sein hätte. Aus diesem Grund schienen standardisierte Interviews nicht geeignet, bei denen ausformulierte Fragen vorbereitet sind und man sich bei der Interviewführung an den Fragebogen, die Reihenfolge der Fragen und die Frageformulierung halten muss. In dieser Forschungsarbeit sind die Interviews mit folgenden Themen begonnen worden und je nach Interesse an den Interviewpartner weitere Fragen gerichtet worden (vgl. Katagiri 1998 (1997), S.24-28, Hopf 2007 (2000), S.351) 37 Die drei Themen zu den Fragen an die Produzenten, die Verarbeiter, etc.: 1. Über die „Gestaltung“ der Produkte, Architektur usw. aus regionalen Ressourcen und die „Technik“ bei der Produktion, der Verarbeitung, dem Bau usw. 2. Über die „regionale Ressource“, die zur Herstellung der Produkte oder beim Bau von Häusern verwendet wird und die Produktion der Ressourcen. 3. Über die „Kommunikation mit dem Verbraucher“, z.B. mit dem Kunden, dem Bauherren usw. Die drei Themen zu den Fragen an den Verbraucher: 1. Über die „Gründe des Verbrauchs (z.B. von Kauf oder Bau)“ von Produkten, Architektur, usw. aus regionalen Ressourcen. 2. Über das „Interesse an regionalen Ressourcen“, die zur Produktion oder beim Bau verwendet worden sind und an der Produktion aus den Ressourcen. 3. Über das „Interesse an den Produzenten“, die mit regionalen Ressourcen ihre Produkte oder die Architektur produziert oder gebaut haben. Diese Themen sind wichtige Bestandteile des Konzeptes „Schutz durch Nutzung“, die aus der Praxis in der Rhön hergeleitet worden sind. Dieses Konzept bildet den Ausgangspunkt dieser Forschungsarbeit. Eine Dokumentation von ausgewählten Fragen an die Interviewpartner ist in Anhang 2. angefügt. 1.4.5. Methode der Auswertung von Fallbeispielen Wie oben erwähnt, sind die Interviews auf MD aufgenommen und im Feldnotizblock dokumentiert worden. Dort sind der Namen des Interviewpartners, seine Adresse oder Telefonnummer, das Datum des Interviews, die Nummer der MD, ausgewählte Fragen, die Informationen, die vom Interviewpartner gegeben wurden, usw. dokumentiert worden. Gleich nach dem Interview, möglichst am selben Tag, sind die Kernpunkte der Informationen sortiert und im Feldnotizblock dokumentiert worden. Dazu sind entweder mehrere Teile des Interviews oder das ganzen Interview von der MD transkribiert worden. Der Wortlaut ist dabei nur soweit eingehalten worden, wie er zur Beschreibung der Aspekte und Gedanken über die Informationen der Interviewpartner dienlich war. Sonst sind die Informationen detailliert beschrieben worden. Bei der Sortierung von Informationen auf dem Feldnotizblock ist das Interviewmaterial provisorisch ausgewertet worden. Deswegen sind auch die Interpretationen von der Autorin und neue Fragestellungen auf dem Feldnotizblock vermerkt. Dort sind Name, Adresse und Telefonnummer von weiteren Interviewpartnern vermerkt, die vom letzten Interviewpartner vorgestellt worden sind, und die neuen Fragen an ihn wurden notiert. In dieser Forschungsarbeit sind die Interviews durch Wiederholung dieses gleichen Prozesses durchgeführt worden. 38 Durch die Wiederholung der Materialsammlung in den Interviews, der Sortierung und Auswertung des Informationsmaterials sind die Merkmale regionaler Ressourcennutzung und die Aspekte und die Gedanken der Befragten bei den Fallbeispielen herausgearbeitet worden. In dieser Forschung sind zwei Fallbeispiele über Holzbauarchitektur aus Kaneyama und aus dem Bregenzerwald ausgewählt und die Themen für die Beschreibung der Merkmale regionaler Ressourcennutzung gesucht worden. Dabei ist eine Karte gezeichnet worden. Die Karte hat horizontal drei Themen-Felder „Gestaltung und Technik“, „Regionale Ressource“ und „Kommunikation zwischen Produzent und Verbraucher“. Es handelt sich um die drei Themen der Interviews im Bereich der Produktion. Vor der Auswertung erschien es plausibel, dass sich die beiden Fallbeispiele „traditionell“ und „innovativ“ diametral gegenüberstehen, weil es zu Beginn der Forschungsarbeit so schien, als sei das Beispiel aus Kaneyama auf die Tradition zu polarisieren und das aus dem Bregenzerwald auf Innovation. Deswegen wurde die Karte vertikal in zwei Themen-Felder „Tradition“ und „Innovation“ geteilt. Zweifarbige Kärtchen sind vorbereitet worden, um die Fallbeispiele farblich zu unterscheiden. Auf jedes Kärtchen ist eine Information geschrieben und auf der Karte sortiert und festgeklebt worden. Mit dem Überblick dieser Karte ist sichtbar geworden, dass die folgenden Punkte von 1 bis 6 für die Beschreibung der Merkmale regionaler Ressourcennutzung aus den Fallbeispielen, und die Punkte 7 und 8 für die Beschreibung der Aspekte und Gedanken der Befragten erforderlich sind. Durch diese Überlegung ist das Interviewmaterial von jedem Fallbeispiel mit folgender Reihenfolge in dieser Forschungsarbeit beschrieben worden. Dazu sind manche Informationen aus der Literatur ergänzt worden. 1. Geografische Merkmale des Untersuchungsfeldes. 2. Merkmale von Produkten aus regionalen Ressourcen. 3. Geschichte der Produktion mit regionalen Ressourcen. 4. Technik und Einrichtung der Werkstatt des Produzenten, der regionale Ressourcen verwendet. 5. Merkmale der Produktion aus regionalen Ressourcen. 6. Merkmale der Herstellung und Vermarktung von Produkten aus den regionalen Ressourcen. 7. Bewusstsein von Produzenten, Verbrauchern usw. bei der Nutzung regionaler Ressourcen. 8. Bewusstsein von Produzenten, Verbrauchern usw. zur regionalen Landschaft, in der aus Ressourcen produziert wird. * 39 Bisher ist über den Prozess geschrieben worden, wie in dieser Forschung mit Hilfe von Fallbeispielen die Merkmale regionaler Ressourcennutzungen und die Aspekte und Gedanken von Produzenten, Verbrauchern usw. herausgestellt wurden. Als nächstes wird beschrieben, wie die drei Hypothesen dieser Untersuchung überprüft werden. Hypothese 1 : In die innovative Ressourcennutzung in den Bergregionen in der Moderne ist traditionelles Wissen effektiv eingebracht worden. Die Merkmale regionaler Ressourcennutzung aus jedem Fallbeispiel werden mit dem Punkt 7 „ Aspekte für Tradition und Innovation“, in Kapitel „II. - 1.4. Punkte bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen, auf die in der Praxis zu achten ist“ verglichen. Die Aspekte beziehen sich darauf, ob man mit Ressourcen, Techniken, Gestaltung, Produktionssystemen und Ausbildungssystemen Traditionen weitergibt, oder auf der Basis der Tradition fußende innovative Ideen einfügt, oder völlig neue innovative Ideen nimmt. Die erste Hypothese wird dadurch überprüft. Hypothese 2 : Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher sind über zwei Bedeutungsebenen von Ästhetik miteinander verbunden. Die zweite Hypothese bezieht sich darauf, dass die Beziehung, die sich zwischen dem Verbraucher über das Produkt zum Produzenten und von diesem über die regionale Ressource, aus der das Produkt gefertigt ist, bishin zur Landschaft erstreckt, durch die beiden ästhetischen Bedeutungsebenen „Kohärenz“ und „Sympathie“ sinnlich erfahbar wird. Die Hypothese wird mit folgendem Prozess überprüft: Für die Überprüfung der Wirkung der ästhetischen Bedeutungsebene „Kohärenz“ werden die Merkmale regionaler Ressourcennutzung aus jedem Fallbeispiel und die Aspekte und die Gedanken von Befragten dazu mit den Punkten von Kapitel „II. - 1.4. Punkte bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen, auf die in der Praxis zu achten ist“ verglichen. Für die Überprüfung der Wirkung der ästhetischen Bedeutungsebene „Sympathie“ werden die Merkmale regionaler Ressourcennutzung aus jedem Fallbeispiel und die Aspekte und die Gedanken der Befragten dazu mit den Punkten von Kapitel „II. 2.8. Die Tendenzen und Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis“ in der Praxis“ verglichen. Durch den Vergleich wird überprüft, ob bei regionaler Ressourcennutzung in den Bergregionen die Beziehungen zwischen Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher durch die beiden ästhetischen Bedeutungsebenen „Kohärenz“ und „Sympathie“ miteinander verbunden worden sind. 40 Hypothese 3 : Wenn die Konzepte von „Schutz durch Nutzung“ und „Poetische Orte“ gleichzeitig angewandt werden, laufen die Projekte langfristig und führen zu stabiler Entwicklung in der Region. Bei der zweiten Hypothese ist überprüft worden, ob Produzent, Verbraucher usw. die beiden ästhetischen Bedeutungsebenen „Kohärenz“ und „Sympathie“ bei der regionalen Ressourcennutzung in den Bergregionen wirken lassen. Die dritte Hypothese wird vom Ergebnis der zweiten Hypothese geleitet. Man betrachtet, ob die Beziehung zwischen Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher bei der regionalen Ressourcennutzung mit der Affinität von „Kohärenz“ und „Sympathie“ als jeweiligem Medium verbunden ist. Die Region, in der die Affinität von zwei ästhetischen Bedeutungsebenen wirkt, d.h. in der die Konzepte von „Schutz durch Nutzung“ und „Poetischen Orten“ gleichzeitig angewandt und regionale Ressourcen genutzt werden, d.h. in einer Region, in der intraregionale Ressourcennutzung und die Konstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum integriert sind. Es wird verglichen, ob sich solche Regionen mit der Affinität der beiden ästhetischen Bedeutungsebenen als Regionen mit einer stabilen regionalen Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft entwickelt haben. Zum Schluss wird aus den Aspekten und Denkweisen der Befragten, die in dieser Forschung herausgearbeitet worden sind und von dem Ergebnis der oben erwähnten Überprüfung der Hypothesen eine Methode bereitgestellt zur regionalen Ressourcennutzung für die nachhaltige regionale Entwicklung von Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft in den Bergregionen. 1.5. Überblick und vorhandene Forschungsarbeiten über die Fallbeispiele, Verortung und Inhalt dieser Forschungsarbeit 1.5.1. Über das Projekt “Handwerk für den Alltagsgebrauch” mit den Ressourcen aus dem Wald in der Gemeinde Mishima in der Präfektur Fukushima in Japan • Überblick über das Projekt “Handwerk für den Alltagsgebrauch” mit Ressourcen aus dem Wald Typisch für das Handwerk in Okuaizu in der Region Aizu in der Präfektur Fukushima sind Flecht- und Webarbeiten und die Holzverarbeitung. Man sammelt die benötigten Ressourcen, wie Kletterpflanzen, Baumrinde oder Gras in und um die Bergwälder und flicht daraus Körbe, Siebe usw. Auf Brandrodungsflächen werden Nesselgewächse angebaut, die verwebt werden. In extensiver Forstwirtschaft wird eine Balsaholzart angebaut, woraus man Schuhe schnitzt oder auch Möbel baut 10. So werden verschiedene handwerkliche Waren produziert. 41 Die Gemeinde Mishima, ein Untersuchungsfeld dieser Forschungsarbeit, versucht, die Bürger zur Kommunikation mit ihrer Familie und ihrer Nachbarschaft anzuregen, und dadurch Handwerkswaren produzieren zu lassen, und so den Bürgern durch die Nutzung dieser handwerklichen Waren ein psychisch reiches Leben zu ermöglichen. Seit den 1970er Jahren besteht dort das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“. Man sammelt die benötigten Materialien im Wald. Die Waren werden in traditioneller Technik handwerklich ohne den Einsatz von Maschinen produziert. Die Gemeinde fördert die Produktion von Flechtprodukten .Man bietet Kurse für das Handwerk an und lehrt die Teilnehmer Art und Weise der Materialsammlung und der Produktion. Dadurch haben immer mehr Bürger angefangen, Handwerkswaren zu produzieren, aber ein Großteil der Bevölkerung ist abgewandert und die meisten Handwerker sind alt. * • Vorhandene Forschungen über das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ und Verortung dieser Forschungsarbeit Die Gemeinde hat ein Museum für Handwerk im Alltag gebaut und sammelt und präsentiert handwerklich hergestellte Waren aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Ein heimischer Verlag für die Entwicklung regionaler Kultur führt sorgfältig Interviews mit den Handwerkern durch und hat viele Bücher über das Handwerk herausgegeben. Seitdem die Gemeinde ihr Augenmerk auf ihre traditionelle Kultur gerichtet hat, wird sie von Professor Dr. Kiyoshi Miyazaki von der Universität Chiba wissenschaftlich begleitet. Er ist der Berater des Bürgermeisters beim Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“. Als die Gemeinde das Flechten als traditionelles Handwerk vom Ministerium hat zertifizieren lassen, hat er die Technik und Historie des Handwerks untersucht. Prof. Miyazaki und seine Mitforscher bewerten das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ unter dem Aspekt der Lebensfreude im Alter positiv. Sie betrachten das Projekt als eine Art von Entwicklung der Gemeinde (vgl. Miyazaki, Saito u. Mitsuhashi 1997, Lee, Miyazaki u. Ueda 2003). Nach der Beobachtung von Prof. Miyazaki zielt das Projekt nicht auf die Entwicklung des Gewerbes. Vielmehr hat sich ein Hobby der Alten zu ihrem Nebenerwerbszweig entwickelt (vgl. Miyazaki, Mitsuhashi u. Nishimaki 1991). Professor Kenji Sakaino von der Universität Fukushima berichtet über die Entwicklung der Gemeinde durch traditionelles Handwerk und traditionelle saisonale Feste. Er betrachtet den Aufbau der Wertschätzung mit dem Leben in den Bergdörfern und die Stärkung der Dorfgemeinschaft in der Gemeinde. Er schreibt, die Politik von Mishima sei einzigartig in Japan, obwohl sie ebenfalls unter Landflucht leide. Er bewertet auch das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ positiv für die Lebensfreude im Alter, schreibt aber, dass der Aufbau des Systems für gewerbliche Entwicklung mit dem 42 Handwerk eine zukünftige Aufgabe sei (vgl. Sakaino 1997, S.66-67). Yoshitsugu Shimizu berichtet über das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinde (vgl. Shimizu 2003). Wie oben erwähnt, haben die vorhandenen Forschungsarbeiten die Gesichtspunkte der Lebensfreude im Alter und des Nebeneinkommens durch das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ geklärt und positiv bewertet. In der vorliegenden Forschungsarbeit werden die Reproduktion regionaler Ressourcen, die Bergwaldpflege, die Qualität der handwerklichen Waren, die Gedanken, die mit der Produktion der Handwerker einhergehen und das Konsumentenbewusstsein untersucht. Dadurch werden die Nachhaltigkeit des Projektes und der Einfluss auf die Entwicklung der Gemeinde betrachtet. Die Fragestellungen dieser Forschungsarbeit unterscheiden sich von vorhandenen Forschungsarbeiten. Allgemein gilt, dass sich Projekte dieser Art mit der Zeit verändern. Zum Verständnis dieser Veränderungen der Projekte in ihrer zeitlichen Dimension, sind die kontinuierlichen Forschungsarbeiten von Prof. Miyazaki, die er seit 1991 betreibt, eine große Hilfe. * • Inhalt der Untersuchung in Mishima Die Autorin hat 2004 und 2005 im Rahmen einer Tagung und einer Exkursion die Gemeinde besucht und dabei Bürger kennengelernt, die über regionale Kultur forschen und stolz auf ihr traditionelles Handwerk und ihre traditionellen saisonalen Feste sind. Die Pflege regionaler Kultur und die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde durch die Ressourcennutzung aus heimischen Bergwäldern mit dem Handwerk sind Themen dieser Forschungsarbeit. Deswegen ist das Beispiel aus Mishima als ein Fallbeispiel für diese Untersuchung herangezogen worden. In dieser Forschungsarbeit ist hauptsächlich das Flechten, als repräsentatives Handwerk in der Gemeinde, in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt worden. Zuvor haben die Gemeindeverwaltung und der Verlag „Okuaizushobo“, welche Bücher über regionale Lebenskultur herausgeben, einen Überblick über das Handwerk in der Gemeinde und die dazugehörige Literatur geliefert. Interviews sind mit 35 Interviewpartnern an 11 getrennten Tagen im Zeitrahmen von März bis August 2006 durchgeführt worden. Davon sind 7 Personen, in der Altersklasse der 60- bis 70-jährigen, Handwerker von Flechtwaren, eine Weberin in der Altersklasse der 40-jährigen, eine Schmuckkünstlerin in der Alterklasse der 50-jährigen, ein Instrumentenbauer, der mit Holz arbeitet, in der Alterklasse der 30-jährigen, eine Schreinerin, die auch gleichzeitig Beraterin des Handwerkermuseums ist, in der 43 Altersklasse der 20-jährigen und eine Beamtin des Handwerkermuseums, die in ihren Fünfzigern ist, sowie ein Beamter und ehemaliger Projektbetreuer des Projekts „Handwerk für den Alltagsgebrauch“, der Bürgermeister, ein 40-jähriger Waldpfleger, eine 40-jährige Verlegerin der Zeitschrift für regionale Kultur und schließlich 19 Verbraucher, die beim Handwerkerfest befragt wurden. Sieben Handwerker wohnen in den Dörfern Irumagata, Magata, Asamata und Otani im Tal des Otani-Flusses in der Gemeinde Mishima. In den Dörfern haben die Bewohner vom Bergwald gelebt und zu Hause handwerkliche Techniken bewahrt. Die Interviewpartner sind aus der Internetseite der Gemeinde und der Literatur, die von Okuaizushobo vorgestellt wurde, ausgewählt worden. Die Handwerkswaren werden nicht alltäglich verkauft. Deshalb wurde die Befragung der Verbraucher beim „Heimat-Aizu-Handwerkerfest vol.20.“ im Jahr 2006 durchgeführt. Das Datum der Interviews und Details zu den Interviewpartnern werden in Anhang 1. beschrieben. Beim Interview wurde der gesamte Produktionsprozess von der Ressourcengewinnung im Wald bis zum fertigen Handwerksprodukt, d.h. über die Waldpflege, das Sammeln der Materialien im Wald, die Produktion und Vermarktung der handwerklichen Waren abgefragt und die Gedanken der Befragten mit einbezogen. Die Befragung der Verbraucher musste innerhalb von zwei Tagen während des Handwerkerfestes abgeschlossen werden. Aus diesem Grund ist sie ausnahmsweise mit Hilfe eines Fragebogens durchgeführt worden. Die Hauptfragen an die Interviewpartner sind im Anhang 2. beschrieben. Bei dieser Forschungsarbeit ist das Material der Interviews nach jedem Interview immer wieder ausgewertet worden. Zwischen den Interviews ist die Auswertung der Forschung mit den Verlegerinnen von Okuaizushobo diskutiert worden. Dadurch wurde während der Auswertung überprüft, ob die Fragen im Rahmen der Beobachtung der einheimischen Bevölkerung verständlich formuliert sind. 1.5.2. Verwendung von regionalem Holz für den traditionellen Holzbau in der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata in Japan • Überblick über die Nutzung von regionalem Holz durch den Bau des Kaneyamahauses Die Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata in Japan ist bekannt für ihre Forstwirtschaft mit der japanischen Zeder (Cryptomeria japonica D. Don.). Dort werden in professioneller Forstwirtschaft 100-jährige dickstämmige Zedern produziert, die als Bauholz unter dem Markennamen „Kaneyamazeder“ verkauft werden. Es existieren Netzwerke aus Waldbesitzern, Sägewerkern, Zimmerleuten und Zimmereien in der Gemeinde. Sie bauen die Häuser aus Kaneyamazeder mit traditioneller Holzbautechnik 11. Den Typus der Häuser, der aus Kaneyamazeder errichtet wird, nennt man „Kaneyamahaus“. Die meisten Kaneyamahäuser werden ohne Architekten allein vom 44 Zimmermann geplant und gebaut. Ein Kaneyamahaus hält über 100 Jahre. Viele Häuser und öffentliche Einrichtungen in der Gemeinde sind aus dem Holz der Kaneyamazeder. Die Gemeinde versucht seit 25 Jahren, ein Projekt namens „Aufbau der Ortsbilder in 100 Jahren“ zu verwirklichen. Im Zuge dessen haben Gemeindeverwaltung und Bürger viele harmonische dörfliche Räume mit Kaneyamahäusern, Gassen oder Parkanlagen in Kaneyama aufgebaut. Das Kaneyamahaus hat schon als Neubau die Ausstrahlung eines Altbaus, was den Ortschaften einen historischen Eindruck verleiht. In den letzten Jahren fanden Fertigbauten weite Verbreitung. Damit wurde es schwieriger, neue Aufträge für Kaneyamahäuser zu bekommen. * • Vorhandene Forschungen über die Kaneyamazeder und das Kaneyamahaus und Verortung dieser Forschungsarbeit Es gibt zahlreiche Forschungen über die Gemeinde Kaneyama. Unter den wissenschaftlichen Arbeiten sind die Forschungen von Herrn Makoto Muramatsu über die Gemeindeentwicklung durch die Forstwirtschaft mit dem Aufbau der Ortsbilder repräsentativ. Herr Muramatsu wohnt in Kaneyama, arbeitet seit 30 Jahren als Beamter der Gemeindeverwaltung und forscht auf der Basis seiner persönlichen Erfahrungen mit der Gemeindepolitik. Er kennt die Aspekte und die Gedanken der Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, Sägewerker, Zimmerleute, Architekten, Planer und Bauherren durch alltägliche Gespräche und Erfahrungen. Er begreift das Projekt als Ganzes vom Wald bis zum Aufbau der Ortsbilder. Viele Wissenschaftler aus den Bereichen Forstwissenschaft, z.B. von „The Japanese Forest Society“, Architektur, Landschaftsplanung usw. haben wissenschaftliche Arbeiten über die Produktion von Kaneyamazeder, den Bau des Kaneyamahauses und den Aufbau der Ortsbilder veröffentlicht. Die meisten Forschungsarbeiten sind auf den Forschungen von Herrn Muramatsu aufgebaut worden. Diese Forschungsarbeit basiert ebenfalls auf vorhandenen Forschungen von Herrn Muramatsu und anderen Wissenschaftlern. Die beiden Architekten Kanji Hayashi und Kazutoshi Katayama, Professor an der Tokyo University of Fine Arts and Music, sowie der Stadtplaner Yoji Sumiyoshi, Professor am Musashi Institute of Technology, unterstützen seit der Anfangsphase in den 1970er Jahren den Aufbau der Ortsbilder, die Ausprägung des Begriffs vom Kaneyamahaus und die Gemeindeentwicklung von Kaneyama. Ihre Aktionen werden häufig in den Fachzeitschriften beschrieben. Die Studenten von Prof. Katayama, Prof. Sumiyoshi oder anderen Professoren von unterschiedlichen Universitäten, betreiben Studienprojekte über Architektur und Stadtplanung in Kaneyama. Der Ausgangspunkt der Untersuchung in Kaneyama in dieser Forschungsarbeit ist die Forschung von Herrn Muramatsu. Die durchgehende Befragung betreffend der Aspekte 45 und der Gedanken der Akteure, angefangen vom Wald bishin zum Aufbau der Ortsbilder, d.h. von Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, Sägewerkern, Zimmerleuten, Architekten, Planern und Bauherren in einem begrenzten Zeitraum macht die vorliegende Forschungsarbeit einzigartig. Auch der Vergleich mit Fallbeispielen aus anderen Gemeinden oder Regionen über die Reproduktion der Ressourcen und die Nachhaltigkeit der Gemeinde- oder Regionalentwicklung vorliegenden Forschungsarbeit. ist ein Alleinstellungsmerkmal der * • Inhalt der Untersuchung in Kaneyama Die Autorin hat in den Jahren 1994, 2001, 2002 und 2005 die Gemeinde Kaneyama besucht und Ortsbild, Forstwirtschaft, Bauwesen, Handwerkskultur und Entwicklungsprojekte, die durch die Kommunikation in den Ortsteilen gekennzeichnet sind, besichtigt. Bei jedem Besuch in Kaneyama sind immer mehr die Orte in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt, in denen man die Initiative von Bürgern ablesen kann, wie z.B. die Häuserreihe von Kaneyamahäusern, die sorgfältig eingerichteten Gassen und Wasserkanäle, die Nachnutzung von alten Speicherhäusern und Schulgebäuden als Restaurants oder für kulturelle Veranstaltungen. Die Entwicklung von Kaneyama, die durch die Ressourcennutzung aus dem Bergwald geschieht, ist für die vorliegende Forschungsarbeit von großem Interesse und deshalb als eines der Fallbeispiele ausgewählt worden. Herr Muramatsu begleitet seit 1994 die Exkursionen der Autorin in das Untersuchungsfeld und bietet ihr immer die aktuellen Informationen. Im Vorfeld der Untersuchungen zu dieser Forschungsarbeit hat er einen Überblick über die Ressourcennutzung aus dem Wald in Kaneyama gegeben und zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und andere relevante Literatur zusammengestellt. Er ist auch Mitglied der Forschungsgruppe für „Poetische Orte“ und Regionalentwicklung und hat eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „„Poetische Orte“ durch die Nutzung von heimischem Holz in der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata“ veröffentlicht. Interviews sind mit 25 Interviewpartnern an 11 getrennten Tagen im Zeitraum von Juli bis Dezember 2006 und an einem Tag im September 2007 durchgeführt worden. Die Interviewpartner sind zwei 40- und 50-jährige Experten für Waldpflege von den Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, zwei 50-jährige Sägewerker von einem privaten Sägewerk und der Forstwirtschaftskammer, sieben 30- bis 70-jährige Zimmermeister und Leiter oder Mitarbeiter von Zimmereien, ein 40-jähriger Architekt, ein 50-jähriger Planer, ein 30-jähriger Beamter der Gemeindeverwaltung, ein 60-jähriger Leiter der Wirtschaftskammer zehn 30- bis 70-jährige Bauherren. 46 Erste Interviewpartner in Kaneyama sind die Zimmerleute und Leiter oder Mitarbeiter der Zimmereien, die in traditionellem Holzbau Kaneyamahäuser bauen. Sie sind aus dem Buch von Herrn Hayashi et al. „Gemeindeentwicklung und Architektur in der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata“ (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002) ausgewählt worden, und die Interviewtermine sind durch Vermittlung von Herrn Muramatsu zustande gekommen. Von diesen Interviewpartnern sind weitere Interviewpartner, die Sägewerker, Architekten und die Bauherren, vorgeschlagen worden. Von den Sägewerkern sind die Experten für Waldpflege von den Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung vorgestellt worden. Der Beamte, der Leiter der Wirtschaftskammer und der Planer, Herr Sumiyoshi, sind durch die Vermittlung von Herrn Muramatsu und anderen Bekannten vorgestellt worden. Um die Beweggründe der Bürger in größerer Breite zu erfassen, sind nicht nur die Bauherren, die von Zimmerleuten und Baufirmen vorgestellt wurden, sondern auch andere Bauherren befragt worden. Letztere wurden direkt in ihrem Kaneyamahaus in der Gemeinde besucht und dort interviewt. Ein Zimmermeister hat die Interviews bei den Bauherren begleitet. Das Datum der Interviews und Details über die Interviewpartner werden in Anhang 1. beschrieben. Bei den Interviews ist über den Produktionsprozess vom Wald bis zum Haus, d.h. über die Produktion und Verarbeitung von Holz, die Vertriebswege des Holzes und die Erhaltung und Entwicklung von Holzbautechnik gesprochen worden und die Antworten der Befragten sind mit einbezogen worden. Die Hauptfragen an die Interviewpartner werden in Anhang 2. beschrieben. Zwischen den Interviews wurde die Auswertung der gesammelten Informationen mit Herrn Muramatsu diskutiert. So ist bei der Auswertung überprüft worden, ob die Fragen, soweit dies aus der Beobachtung der befragten Einheimischen hervorgeht, verständlich formuliert sind. 1.5.3. Moderne Architektur mit regionalem Holz in der Region Bregenzerwald in Österreich • Überblick über die Nutzung von regionalem Holz bei moderner Architektur Im Bregenzerwald in Österreich ist eine moderne Holzarchitektur mit heimischem Holz weit verbreitet. Sie prägt ein neues Landschaftsbild in den Alpen. Viele kleine Waldbesitzer pflegen ihre Mischwälder und produzieren dickstämmiges Bauholz aus 100-jährigen Fichten, Tannen etc.. Es gibt Netzwerke aus Sägewerkern, Architekten, Zimmerleuten und Schreinern der Region. Die meisten Häuser sind dort von Architekten geplant. Die Häuser sind nach dem Prinzip geplant, das Wissen und den Erfahrungsschatz von mehreren Generationen zu beachten und dabei gleichzeitig an einen modernen Lebensstil angepasst zu sein. 47 * • Vorhandenen Forschungen über die Architektur und den Wald im Bregenzerwald und Verortung dieser Forschungsarbeit Im 17. und 18. Jahrhundert war der Bregenzerwald ein Zentrum der barocken Handwerkskultur mit ihren Meistern auf Wanderschaft. Über die Kultur und Technik dieser Baumeister fand im Untersuchungszeitraum im Jahr 2006 eine Ausstellung im Vorarlberger Landesmuseum in Bregenz statt. Dazu ist die Publikation „Barockbaumeister und moderne Bauschule aus Vorarlberg“ (Hrsg. von Natter u. Pfanner 2006) herausgegeben worden, die in Zusammenarbeit mit dem Museum und dem Institut für „geschichte und theorie der architektur“ des Departmentes Architektur der Eidgenössischen Technische Hochschule Zürich (Institut gta der ETH Zürich) erarbeitet worden ist. Über die Landschaft, traditionelles Leben und Handwerk in Vorarlberg hat Oliver Benvenuti unter Verwendung von Zitaten von Gustav Bancalari, der über Häuser geforscht hat, Bildbände veröffentlicht (Benvenuti 2001(1993), Benvenuti 2004). Es liegt eine ausführliche Forschung von Pfeiler und Thomas vor, die auf die ursprünglichen Details bei der Gestaltung der Holzhäuser in Vorarlberg eingeht (Pfeifer u. Thomas -). Der Architekt Peer untersuchte ausführlich die Häuser in Bezau, im Zentrum des Landes Bregenzerwald (Peer 2005). Moderne Nutzung historischer Architektur hat Kapfinger im Kontext moderner Architektur beschrieben (Kapfinger 1999). In Vorarlberg haben mehrere Architekten, z.B. Hans Purin, seit den 1960er Jahren die moderne Holzbauarchitektur aus heimischem Holz entwickelt. Über die Idee hat der Architekt Ernst Hiesmayer in „Eine neue Tradition“ geschrieben (Hiesmayer 1995). Der Architekt und Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, Dietmar Eberle, und der Architekt und Architekturforscher Otto Kapfinger schreiben über die Entwicklung des modernen Holzbaus und die Reaktionen der Gesellschaft in Vorarlberg (Eberle 2006, Kapfinger 1999). Heute beschäftigen sich die Architekten zweiter Generation mit dem modernen Holzbau. Es gibt zahlreiche Forschungsarbeiten und Literatur über die und von den Architekten und ihre Werke (Sayah 1997, Zschokke 2002, Nerdinger 2007). So schreibt z.B. der Architekt und Professor an der TU München, Hermann Kaufmann, über die Nutzung regionalen Holzes unter ökologischen und ästhetischen Aspekten (Kaufmann, Hermann 2006). Einen Überblick über moderne Architektur in Vorarlberg gibt Kapfinger in „Baukunst in Vorarlberg seit 1980 -Ein Führer zu 260 sehenswerten Bauten-„ (Kapfinger, Otto 1999). 48 Über den Wald in Vorarlberg liegen Informationen und statistische Daten aus Forschungsberichten des Landes Vorarlberg und aus den Zeitschriften des Vorarlberger Waldvereins vor (Land Vorarlberg 2002, Landesforstgarten Vorarlberg 2006, Vorarlberger Waldverein 2004, Vorarlberger Waldverein 2006). Eine Diplomarbeit liegt über die Nutzung von heimischem Holz vor, die Herr Hug an der Universität Innsbruck verfasste. Er hat Netzwerke für Holzbau aus Sägewerkern, Zimmerleute und Zimmereien in Vorarlberg untersucht. Er bewertet darin, bei Vergrößerung von Sägewerken in Europa, die Nutzung regionalen Holzes durch das Netzwerk von Handwerkern und kleinen Betrieben positiv (Hug 2005). Die Kunstgeschichtlerin Renate Breuß und der Architekt Florian Aicher haben in „eigen + sinnig“ über die Kultur und Zusammenarbeit von Handwerkern im Bregenzerwald, besonders im Verein „werkraum bregenzerwald“ geschrieben und die Innovation und Ästhetik bei Handwerkern der Gegenwart aufgezeigt (Aicher u. Breuß 2005). Der Verein hat zahlreiche Zeitschriften und Literatur herausgegeben und darin über seine Aktionen berichtet (Gnaiger u. Stiller Hrsg. 2002) Der Ausgangspunkt der Untersuchung im Bregenzerwald in dieser Forschungsarbeit ist das Buch „eigen + sinnig“ von Aicher und Breuß. Sie verfolgen darin durchgehend Aspekte über heimischen Wald bis zum Holzbau. Die durchgehende Befragung über die Aspekte und die Gedanken der Menschen über den Wald bis zum Aufbau der Ortsbilder, d.h. die Befragung von Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, Sägewerkern, Zimmerleuten, Architekten, Planern und Bauherren in einem begrenzten Zeitraum unterscheidet die vorliegende Forschungsarbeit von den genannten. Auch der Vergleich mit den Fallbeispielen aus anderen Gemeinden oder Regionen über die Reproduktion der Ressourcen und die Nachhaltigkeit der Gemeinde- oder Regionalentwicklung ist in dieser Forschungsarbeit einzigartig. * • Inhalt der Untersuchung im Bregenzerwald Prof. Ipsen von der Universität Kassel hat sein Augenmerk auf den Gesichtspunkt der beiden Autoren Aicher und Breuß gerichtet und der Autorin der vorliegenden Forschungsarbeit deren Buch im Jahr 2005 gegeben. Die moderne Architektur im Bregenzerwald schafft eine Harmonie zwischen Tradition und Moderne, ist ein interessantes Beispiel für Ressourcennutzung in einer Bergregion und deshalb als ein Fallbeispiel dieser Forschungsarbeit ausgewählt. Die Autorin hat im Rahmen der Untersuchung die Region zum ersten Mal besucht. Interviews sind mit 21 Interviewpartnern an 16 aufeinanderfolgenden Tagen im Zeitraum 49 von September bis Oktober 2006 durchgeführt worden. Bei der Untersuchung wohnte die Autorin in Bezau im Bregenzerwald, und von dort aus haben Interviews, Felduntersuchung und Recherche stattgefunden. Die Interviewpartner waren ein 50-jähriger Zuständiger für Waldpflege und Waldbewirtschaftung der Landwirtschaftskammer, drei 40- bis 50-jährige Sägewerker von privaten Sägewerken, drei 50-jährige Zimmermeister, fünf 30- bis 50-jährige Schreinermeister, ein 50-jähriger Architekt, zwei 30- und 50-jährige Experten in der Holzforschung und sechs 20- bis 80-jährige Bauherren. Die Sägewerker, Zimmermeister, Schreinermeister, der Architekt und die Experten in Sachen Holzforschung sind von der Liste der Mitglieder des Vereins „werkraum bregenzerwald“ im Buch von Aicher und Breuß „eigen + sinnig“ ausgewählt worden. Mit ihnen sind per Post oder Telefon Interviewtermine vereinbart worden. Sie haben alle ihren Sitz in Hinterwald, einem Zentrum für modernen Holzbau im Bregenzerwald. Von den Interviewpartnern sind der Zuständige für Waldpflege und Waldbewirtschaftung in der Landwirtschaftskammer, die Bauherren, weitere Sägewerker und Zimmermeister vorgestellt worden. Manche Schreinermeister haben die Interviews bei den Bauherren begleitet. Die meisten Interviewpartner sind gleichzeitig kleine Waldbesitzer und Bauherren von Holzbauten oder bauen Möbel aus heimischem Holz. Ihre Standpunkte sind daher komplex. Bei Interviews ist ihren aus beruflicher Sicht gemachten Aussagen Priorität gegenüber den Aussagen der Verbraucher eingeräumt worden. Das Datum der Interviews und Details zu den Interviewpartnern werden in Anhang 1. beschrieben. Bei den Interviews ist über den Produktionsprozess vom Wald bis zum Holzhaus und Möbelbau, d.h. über die Produktion und Verarbeitung des Holzes, die Vertriebswege des Holzes bis zur Entwicklung von moderner Holzbautechnik gesprochen worden und die Gedanken der Befragten mit einbezogen worden. Es ist auch gefragt worden, was sie über die Mischung von moderner und traditioneller Architektur in der Landschaft denken. Die Hauptfragen an die Interviewpartner werden in Anhang 2. beschrieben. Das Forschungsfeld in Österreich liegt weit entfernt vom Wohnort der Autorin, und die Untersuchung musste in einem begrenzten Zeitrahmen durchgeführt werden. Daher sind in dieser Forschungsarbeit nicht genügend Interviews mit Architekten gemacht worden. Mit den Beobachtungen der interviewten Zimmermeister, Schreinermeister, Holzforscher und Sägewerker, die über ihre Zusammenarbeit mit Architekten Einblicke in deren Tätigkeitsfeld und Denken haben, sind die Aspekte und Gedanken der Architekten in diese Forschungsarbeit einbezogen worden. Außerdem wurden die vorhandenen Forschungsarbeiten und weitere Literatur zur Ergänzung herangezogen, in der Gesichtspunkte und Gedanken der betreffenden Architekten beschrieben werden. Die ersten Tage der Felduntersuchung im Bregenzerwald hat Prof. Ipsen begeleitet. Nach einem Interview mit einem Schreiner, bei dem er anwesend war, hat er die 50 Interviewmethode der Autorin kritisch beleuchtet und beraten und die provisorische Auswertung im Forschungsfeld betreut. Bei der Auswertung nach der Feldforschung hat, die Fragestellung betreffend, Renate Breuß, Autorin von „eigen + sinnig“, beratend zur Seite gestanden. Anmerkungen 1 Siehe „I. - 2.3. Regionale Ressourcennutzung in der Praxis und der Standpunkt dieser Forschungsarbeit zu Intraregionaler Ressourcennutzung“. 2 Der Weltmarkt entstand im 16. Jahrhundert von Europa aus zusammen mit dem Kapitalismus. Die heutige Basis ist bis zum 19. Jahrhundert aufgebaut worden (vgl. Matsui 1991, S.v). Nach dem Ende des Kalten Krieges ist die Zahl der Menschen um das Dreifache, das BIP in der Marktwirtschaft um das 1,6 fache gewachsen (Anm. Man rechnete vor dem Kalten Krieg im Jahr 1990 mit 24 OECD Ländern, NIES, ASEAN4 und den südamerikanischen Ländern. Nach dem Ende des Kalten Krieges im Jahr 2000 sind Russland, China, Indien usw. hinzugenommen worden) (vgl. Japanese Ministery of Economy, Trade and Industry 2004). 3 Siehe „I - 4.4. Räumliche Merkmale durch Landnutzung in Bergregionen und ihre Veränderung“. 4 Siehe „I. - 2.3. Regionale Ressourcennutzung in der Praxis und der Standpunkt dieser Forschungsarbeit zu Intraregionaler Ressourcennutzung“. 5 Siehe „I. - 3.1. Das Problem von „Nicht-Orten““. 6 Siehe „II. - 2.10.1. Traditionelle Arbeit in den Bergregionen Japans und „Poetische Orte““. 7 Im ehemaligen Westen der Rhön bewirtschaften einige kleine Bauernhöfe ihr Land in Form der organischen Landwirtschaft, aber viele von ihnen sind nicht nach der EG-Öko-Verordnung zertifiziert. Weitere Information siehe „II. 1.1.2. Kulturlandschaftspflege durch die Nutzung von Produkten aus der Region“, 8 Das Forschungsprojekt heißt „Japanische Kultur in Ostasien im Kontext“. Der Projektträger ist die Tohoku University of Art und Design in Yamagata, Japan. Es wird finanzierte durch das „Open Research Center Program“ des japanischen Ministeriums für Bildung, Sport, Wissenschaft und Technologie. 9 „Grounded Theorie“ ist eine Methode qualitativer Forschung. Man sammelt Material und arbeitet durch die Analyse des Materials die Begriffe heraus. Durch die Verortung der Begriffe begreift man die Konstruktion und den Prozess des abstrakten Phänomens. Damit entwickelt man eine Theorie danach, wie die Akteure den Zustand versteht, wie sie damit reagieren und umgehen, oder man findet eine Prognose (vgl. Saiki-Graihill 2006, S.11-12). 10 Der Ökonom Jun Ikegami berichtet über den Möbelbau aus einer heimischen Balsaholzart in Mishima (vgl. Ikegami 1993, S.90-93). 11 Eine Holzbaumethode ähnlich dem Fachwerk. Man konstruierte die Verbindungen von Stützen, Balken usw. ursprünglich mit Holzverbindungen ohne Metallbeschlag (vgl. Kikuma u. Masuda 2004). 51 2. Ästhetik 1 moderner Produktion und Verbrauch und Verortung regionaler Ressourcennutzung 2.1. Ästhetik in der Konsumgesellschaft Der Philosoph Wolfgang Welsch schreibt in „Ästhetisches Denken“, dass es so scheint, als ob man mit einzelnen Ästhetisierungen in der Konsumgesellschaft die individuellen Wünsche erfüllen kann, aber die zahlreichen Ästhetisierungen doch mit Eintönigkeit und sozialer Anästhetisierung verbunden sind. „ ( ) Großstädte, insbesondere ihrer Einkaufszonen. Hier erfolgt zweifellos eine immense Ästhetisierung - eine den Konsum ankurbelnde Ästhetisierung. Aber am Ende entsteht bei aller chicen Aufgeregtheit und gekonnten Inszenierung doch wieder nur Eintönigkeit. Das nenne ich einen Fall von An-ästhetisierung erstens deshalb, weil sich die meisten dieser konsum-inszenatorischen Dekorationsbauten, wenn man sie einmal im Detail betrachtet, als ausgesprochen leer, ( ) und für ein verweilendes Anschauen unerträglich erweisen ( ) Auch ist nicht zu übersehen: Die genannte Anästhetisierung geht über den engeren ästhetischen Bereich weit hinaus. Sie ist zugleich mit einer sozialen Anästhetisierung verbunden, also mit einer zunehmenden Desensibilisierung für die gesellschaftlichen Kehrseiten einer ästhetisch narkotisierten Zweidrittel-Gesellschaft. ( ) Wir scheinen in einer Zeit zu leben, in der Nietzsches These vom Fiktionscharakter alles Wirklichen zunehmend plausibel wird. ( ) Meine These lautet, dass ästhetisches Denken gegenwärtig das eigentlich realistisch ist. ( ) Heutige Wirklichkeit ist bereits wesentlich über Wahrnehmungsprozesse, vor allem über Prozesse medialer 2 Wahrnehmung konstituiert“ (Welsch 2003 (1990), S.13, S.15, S.57) . Der Denker Jean Baudrillard vertritt die Ansicht, dass Menschen in der modernen Konsumgesellschaft genauso wie die Sachen verbraucht werden. Nach Baudrillard ist die Sache zunächst ein Werkzeug, aber sie spielt gleichzeitig eine Rolle als Element von Glück oder Prestige. Das letzte gehört gerade in den Bereich von Konsum. Das Industriedesign verleiht industriellen Produkten, die eine klare Funktion haben und durch strenge Arbeitsteilung herstellt werden, „ästhetische“ Gleichartigkeit, gestalterische Einheit oder spielerische Aspekte, um sie mit der sekundären Funktion, z.B. „Umwelt“ oder „Atmosphäre“ zu verbinden. Dadurch wird der Verbrauch von Produkten gefördert. In einer Gesellschaft, in der Menschen durch die Arbeitsteilung mit ihren bis ins Kleinste gegliederten Rollen geprägt sind, werden sie selbst Gegenstand des Entwurfs und mit einheitlichem Look in die Gesellschaft geschickt. Menschen werden aus diesem Grund für den Fortschritt der Kultur einfach auswechselbar. Wie eine Sache wird der Mensch von der „Atmosphäre“ assimiliert. Ist er erst kulturell transformiert worden, kann er in der Gesellschaft und auch im Beruf einfach integriert werden. Er ist geschickt bei 52 der „Anpassung ins Zeitalter“ und „einträchtig“ (vgl. Baudrillard 2006(1970), S.93, S.150-151). Der Philosoph und der Schriftsteller Umberto Eco schreibt über die „Schönheit“ Folgendes: „„Schön“ ist - neben „anmutig“, „hübsch“ oder auch „erhaben“, „wunderbar“, „prächtig“ und ähnlichen Wörtern - ein Adjektiv, das wir oft benutzen, um etwas zu bezeichnen, das uns gefällt. Es scheint, so gesehen, als wäre das, was schön ist, identisch mit dem, was gut ist, und tatsächlich gab es in verschiedenen Epochen der Geschichte eine enge Verbindung zwischen dem Schönen und dem Guten. Wenn wir jedoch nach unserer Alltagserfahrung urteilen, neigen wir dazu, als gut nicht nur das zu bezeichnen, was uns gefällt, sondern auch das, was wir gerne hätten. Zahllos sind die Dinge, die wir als gut beurteilen - eine erwiderte Liebe, ehrlich erworbener Reichtum, ein erlesener Leckerbissen -, und in all diesen Fällen würden wir uns wünschen, dieses Gut zu besitzen. Es ist ein Gut, das unser Verlangen reizt. Auch wenn wir eine tugendhafte Tat als gut beurteilen, würden wir sie gern selbst getan haben, oder wir nehmen uns vor, etwas ebenso Verdienstvolles zu tun, angespornt von dem Beispiel, das wir als gut bewerten“ (Eco 2007 (2004), S.8). Eco betrachtet die Ähnlichkeit zwischen „Schönem“ und „Gutem“ unter dem Aspekt des Verlangens von dem, was einem gefallen hat. Die Art der „Schönheit“ der modernen Konsumgesellschaft, wie Welsch und Baudrillard gezeigt haben, gehört in diesen Rahmen der Schönheit. „Schönheit“ und „Gutes“ spielen eine Rolle in der Konsumgesellschaft, um das Verlangen im Verbraucher zu reizen Eco betrachtet ein weiteres Merkmal von „Schönem“ und „Gutem“: „Oder wir nennen etwas gut, das einem idealen Prinzip entspricht, aber Leiden kostet, wie der ruhmreiche Tod eines Helden, die hingebungsvollen Sorge für einen Leprakranken, die Opferung des eigenen Lebens, wenn eine Mutter ihr Kind rettet... In diesen Fällen erkennen wir an, dass die Sache gut ist, aber aus Angst oder Egoismus möchten wir nicht in eine solche Situation geraten. Wir anerkennen die Sache als etwas Gutes, das jedoch anderen gehört und das wir mit einer gewissen Distanz betrachten, wenn auch mit Empathie, aber ohne uns wirklich danach zu sehnen. Um eine tugendhafte Handlung zu bezeichnen, die wir lieber bewundern als selbst vollbringen, sprechen wir oft von einer „schönen Tat“. Wenn wir über die distanzierte Haltung nachdenken, die uns erlaubt, etwas als schön zu bezeichnen, das nicht unser Verlangen reizt, so verstehen wir, dass wir von Schönheit sprechen, wenn wir etwas als das genießen, was es ist, unabhängig davon, ob wir es besitzen“ (Eco 2007(2004), S.8-9). 53 Wenn man unter diesem Gesichtspunkt die Konsumgesellschaft betrachtet, gehört das Konsumverhalten von manchen Verbrauchern, die in dem Bewusstsein handeln, etwas für die nachhaltige Entwicklung von Umwelt, Gesellschaft oder Kultur zu tun, wie z.B. beim Einkauf von Produkten aus ökologischer Landwirtschaft oder Faire-Trade-Produkten, in den Rahmen der „tugendhaften Handlung“ von „Schönheit“ und „Gutem“. Sie versuchen dabei, eine Kompensation für die Werte zu erreichen, z.B. durch Bezahlung eines höheren Preises für die Produkte oder der Akzeptanz eines höheren Aufwandes beim Einkaufen. Für die wenigen Menschen, die so handeln, ist es eine „schöne Tat“. Solche Art von „Schönem“ und „Gutem“ ist nicht zu ersehnen und nicht zu besitzen. Man kann erahnen, dass das Thema dieser Forschungsarbeit, die intraregionale Ressourcennutzung für die Entwicklung von regionaler Landschaft, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft, in diesen Rahmen von Schönheit gehört. Man kann demnach folgern, dass die ästhetische Begriffsebene „Kohärenz“ mit der „tugendhaften Handlung“ eng verbunden ist. Allerdings ist die „tugendhafte Handlung“ nicht immer von der Erfüllung vom „Verlangen“ getrennt. Bei den betreffenden Konsumenten könnten diese beiden Motive komplex miteinander verwoben sein. Wenn man aber die Merkmale der Ästhetik in der modernen Konsumgesellschaft als Voraussetzung sieht und unter dieser Voraussetzung die Verbreitung von „beteiligten Verbrauchern“ von intraregionaler Ressourcennutzung fördern möchte, muss man doch die Erfüllung des „Verlangens“ der Verbraucher im Vordergrund stehen lassen. Die ästhetische Begriffsebene „Sympathie“, die in dieser Forschungsarbeit vorgestellt wird, ist mit der Erfüllung des „Verlangens“ von Beteiligten eng verbunden. Das „Verlangen“ der Beteiligten ist ihr Wunsch danach, ihre „Sympathie“ mit jemandem zu teilen. Hier wird das „Verlangen“ nach „Sympathie“ von dem „egoistischen Verlangen“, das ausschließlich persönlichen Sehnsüchten entspringt, differenziert. Das „Verlangen“ nach „Sympathie“ wird positiv eingeschätzt. Dieses „Verlangen“ wird als Instrument für den Aufbau des Bewusstseins von Verbrauchern zur intraregionalen Ressourcennutzung begriffen. 54 2.2. Ästhetik moderner Produktion und Architektur und der Verlust der Regionalität Während der Modernisierung hat sich die Ästhetik der Produktion und der Architektur verändert. In diesem Abschnitt wird die Veränderung der Produktion und der Architektur im Kontext der Stadt betrachtet und dabei die Verortung der Regionalität beleuchtet. 2.2.1. Rationalisierung und Standardisierung Die Rationalisierung und die Standardisierung in der Architektur haben sich seit dem 17. Jahrhundert mit der Kolonialisierung entwickelt. In England ist das Fertighaus (Prefabrication) entwickelt worden, um ohne fachliche Fähigkeiten mit den vorgearbeiteten Bauteilen und einfachen Methoden Gebäude bauen zu können. Im 19. Jahrhundert ist ein Markt dafür entstanden. Am Ende des 19. Jahrhunderts kommt das „Mail-Order-House“ auf, das man aus einem Katalog bestellen kann. Es sind damals schon die Merkmale des Hausbaus von heute entstanden. So versteht man z.B. das Haus als Konsumgut, reizt mit den Medien das Verlangen nach Konsum, bietet variantenreiche Auswahl und Dienstleistungen, um die Zufriedenheit von Verbrauchern zu erhöhen und baut ein Produktionssystem mit weiten Transportwegen von Baumaterialien auf (vgl. Matsumura 1999, S.15-18). Im 20. Jahrhundert sind die industriellen Baumaterialien und ihre Transportwege weiter entwickelt worden. Man bekommt nun die industriell gefertigten Baumaterialien überall und der Unterschied zwischen den Regionen spielt keine größere Rolle mehr (vgl. Matsumura 1999, S.27). Am Anfang des 20. Jahrhunderts hat Auguste Perret in Frankreich Wohnungen aus Stahlbeton gebaut und Jean Prouvé hat für den Massenbau von Häusern Baumaterialien aus Stahl, Aluminium und Kunststoff entwickelt. Walter Gropius hat den Trockenbau entwickelt, der ohne durchnässende Baumaterialien gebaut wird, und 1927 in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart ein Wohnhaus geplant (vgl. Matsumura 1999, S.89, S.80-82). Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in den USA die Produktion von neuen Materialien, z.B. Platten und Leimholz entwickelt und der Möbelbau rationalisiert (vgl. Heskett 1990(1980), S.90-100). In der Anfangsphase der Industrialisierung hatten die Produktionsfirmen alle ihre eigenen Richtlinien für die Bauteile. In den 1760er Jahren hatte Sir Joseph Whitworth die Standardisierung von Gewinden von Schrauben vorgeschlagen und die Idee in England und dessen Kolonien verbreitet. Am Anfang des 19. Jahrhunderts wurde unter dem Einfluss der europäischen Industrialisierung ein großes Produktionssystem, das so genannte „amerikanische Produktionssystem“ entwickelt. Dem Designhistoriker John Heskett zufolge hat dieses System nicht nur bei der Produktion seine Bedeutung. Sein Einfluss reicht von der Organisation und Kontrolle bei der Produktion über den Arbeitsablauf, dem Kauf und Verkauf auf dem Markt bis hin zum Entwurf der Produkte, 55 wo es sich besonders stark bemerkbar macht. Durch die große Weltausstellung, die Great Exhibition in London im Jahr 1851, hat das „amerikanische Produktionssystem“, das für ein breiteres Publikum eine Menge von Vorteilen bei der Produktion zu gewährleisten versprach, auch die europäische Industrie beeinflusst (vgl. Heskett 1990(1980), S.68-78). In den 1880er Jahren hat William Sellars in den USA mit automatischen Maschinen ein Massenproduktionssystem aufgebaut. Mit diesem System konnten unqualifizierte Handwerker präzise Produkte herstellen. Man hatte damit die billige Massenproduktion ermöglicht. Die Einführung der Standardisierung, die ein bestimmbares exaktes Maß als Basis hat und die Produkte entwirft, hat einen nationsweiten Austausch ermöglicht, welcher die Voraussetzung von Massenproduktion ist. Im Jahr 1908 hat Ford Motor Co. angefangen, das T-Model, als billigen PKW aus der Massenproduktion in Fließbandarbeit zu vermarkten. Das Modell hat sich in ein paar Jahren in den ganzen USA verbreitet. In den 1930er Jahren ist der Wunsch des Verbrauchers nach Neuheiten bei Produkten hochgeschnellt. Seitdem brauchte man einen ständigen Wechsel an Modellen von Produkten, um das Interesse der Verbraucher zu binden. Man behält die Produktion von technischen Teilen einigermaßen bei und achtet stärker auf das Erscheinungsbild der Produkte, indem man häufiger ihren Stil und ihre Oberfläche wechselt (vgl. Heskett 1980, S.90-100). * Im oben erwähnten Kontext kann man begreifen, dass dieser Aspekt für die regionale Ressourcennutzung bei Rationalisierung und Standardisierung für die Massenproduktion eine geringe Rolle spielt. 2.2.2. Gegenstimmen zur Industrialisierung und die Wertschätzung des Handwerkertums auf dem Weg zur Modernisierung In der Mitte des 19. Jahrhunderts wies John Ruskin in England darauf hin, dass seit der industriellen Revolution die Basis der Gesellschaft mit der Kunst, die durch die Arbeit von Handwerkern entstanden ist, zurückgegangen war (Ruskin 1996 (1851-1853)). Unter dem Einfluss von Ruskin hat William Morris, ausgehend vom Handwerk der Gotik, die Kunst als Ausdruck der Freude des Menschen definiert, die er durch seine Arbeit empfindet. Er hat gefordert, dass echte Kunst aus dem Publikum und für das Publikum entstehen und eine Freude für Produzent und Verbraucher sein solle 3 (vgl. Pevsner 2003 (1949), Coll 1915, xxii, S.42, xxiii, p.173). Der Einfluss der Philosophie von Ruskin und Morris erreicht die Arts-and-Crafts-Bewegung mit ihrer Antipathie gegen die Industrie und Idealisierung der vorindustriellen Zeit (vgl. Heskett 1990 (1980), S.111). Die industrielle Revolution ist von England nach Deutschland gekommen. Ab dem Ende 56 des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang der 20. Jahrhunderts hat sich die industrielle Produktion in Deutschland sprunghaft entwickelt. Dadurch ist die Wirtschaft aktiviert worden und es zeigten sich Tendenzen, einen neuen Stil für einen, an der Maschine ausgerichteten Entwurf aufzubauen (vgl. Oki 1971, S.128-132). Auf der anderen Seite ist die Kritik von Ruskin und Morris in Kontinentaleuropa aufgenommen worden. Bei der Bewegung der Art Nouveau in den 1890er Jahren oder besonders auch beim Jugendstil in Deutschland und Österreich hat man mehr das Niveau der handwerklichen Fertigkeiten, als auf die Erfordernisse der industriellen Produktion geachtet. Die Haltung der Europäer war von der Sozial- und Wirtschaftsstruktur und deren Wertschätzung geprägt, die auf eine lange Geschichte zurückblickte. In der Folge sind die handwerklichen Fertigkeiten und Arbeitsprozesse auch bei der Massenproduktion angewendet worden. Diese Entwicklung war eine wichtige Phase beim Übergang zum Funktionalismus in Architektur und Design (vgl. Heskett 1990 (1980), S.111). In Deutschland ist im Jahr 1907 nach einem Vorschlag von Hermann Muthesius der Deutsche Werkbund gegründet und nach einer Entwicklung von qualitativ hochwertigen Produkten aus maschineller Fertigung gesucht worden (vgl. Oki 1971, S.128-132). Im Jahr 1919 sind die beiden Schulen von Kunst und Handwerk vereinigt und das Bauhaus unter der Leitung von Walter Gropius mit der Idee des Deutschen Werkbundes gegründet worden. Bei der Ausbildung hat man im Bauhaus die Integration von Kunst und Handwerk als Schwerpunkt gesetzt. Die Ausbildung war nicht direkt mit der Praxis der Industrie verbunden. Die Industrieprodukte, die das Bauhaus entwickelt hat, sind sowohl von ihrer Menge, als auch ihrem Ergebnis nach gering. Trotzdem war die Ausbildung sehr bedeutungsvoll 4 (vgl. Heskett 1990 (1980), S.132-134). Durch diese Phase ist die Haltung gegenüber der Industrie verändert worden und letztlich ist die Mechanisierung und die Rationalisierung aus den Gründen, die sich aus der Suche nach einem ästhetischen und gesellschaftlichen Ideal ergaben, akzeptiert worden (vgl. Heskett 1990 (1980), S.68, S.111) Bei der Entwicklung des Denkens in den Kategorien der Rationalisierung und Standardisierung sind die Kunstbewegungen in Europa, wie Futurismus, Purismus oder Konstruktivismus, gleichzeitig entstanden. Sie haben versucht, Ästhetik der Gestaltung mit der Funktion im Kontext der Industrialisierung neu zu definieren. Bei den Bewegungen sind nicht die dekorative Gestaltung, sondern die Elemente der Konstruktion und der Funktion betont worden (vgl. Heskett 1990 (1980), S.68, S.111). Bei der Architektur haben Architekten wie z.B. Le Corbusier, Gropius oder Mies van der Rohe die moderne Architektur entwickelt. In der Ausstellung über die Architektur im Museum of Modern Art in New York im Jahr 1932 ist diese Architektur als International Style bekannt gemacht worden. Beim International Style ist nach der Ästhetik der Raumorganisation, der Raumkonstruktion und des Baumaterials gesucht worden 5 (vgl. 57 Hitchcock u. Johnson 1998 (1932), S.9-24). Nach Heskett scheint es bei der Entwicklung der Rationalisierung und der Standardisierung und der Kunstbewebung so, als stünden sie zueinander im Gegensatz. Ist doch die eine unter dem Druck der industriellen Produktion entstanden und die andere auf einer Kunsttheorie, die auf Wertschätzung basiert. Dennoch sind sich ihre Konzepte und ihre Begriffe sehr ähnlich. Ironischerweise sind die meisten wichtigen Elemente für die Wertschätzung dieser Ästhetik von der Philosophie von Ruskin und Morris entlehnt, die sich gegen die Industrie wandte (vgl. Heskett 1990 (1980), S.111). Nach der Erkenntnis des Kunsthistorikers Nikolaus Pevsner, ist die Bewegung der Moderne die Folge des Zusammenschlusses von der Bewegung von Morris, der Entwicklung des Stahlbaus und der Art Nouveau (vgl. Pevsner 2003 (1949), S.94). * Das Hauptinteresse von Morris ist die Kunst beim Handwerk und der Arbeit. Dabei zeigt er nur geringes Interesse an den Ressourcen aus den Regionen 6. Bei den Bewegungen wie der Art Nouveau usw., hat man sich für den optischen Zusammenhang interessiert und einen einheitlichen und universellen Stil entwickelt (vgl. Heskett 1990 (1980), S.112). Der Architekturhistoriker Henry-Russel Hitchcock und der Architekt Philip Johnson, die Organisatoren der Ausstellung über den International Style, schätzen die natürlichen Baumaterialien, die traditionell verwendet worden sind, um die Oberfläche der Architektur zu bedecken. Sie schreiben aber, dass die reichen Materialien teuer sind, weswegen sie weniger für normale Gebäude gedacht, als eher für Denkmäler oder Luxusgebäude geeignet seien (vgl. Hitchcock u. Johnson 1998 (1932), S.62-67). Man kann beobachten, dass das Interesse an der Nutzung regionaler Ressourcen bei Produktion und Bauwesen mit der Suche nach Universalität bei der Modernisierung verloren gegangen ist. 2.2.3. Nostalgie bei anonymem Design Der Architekt Bernard Rudofsky hat in „Architecture without Architects“ die traditionelle Architektur in der Welt betrachtet, die von Einheimischen ohne Entwurf von Architekten gebaut und an die Landschaften angepasst worden sind, und die Schönheit solcher Gestaltung hoch geschätzt (vgl. Rudofsky, 1984). Der Literatur- und Kunstkritiker Herbert Read hat angenommen, dass die künstlerische Schönheit zufällig entstehen könnte. Er hat damit die Frage gestellt, ob man bei der Mechanisierung und der Industrialisierung die zufällige künstlerische Schönheit weiter existieren lassen kann (vgl. Read 1953). Der Industriedesigner Sori Yanagi (Anm. Munemichi Yanagi) schreibt, dass 58 der Gedanke des „Anonymous-Designs“, bei dem Schönheit ohne Bewusstsein für diese entsteht, Einkehr in das moderne Design erhalten habe (vgl. Yanagi, Munemichi 2005 (2003), S.263). Auf der anderen Seite hat Eco sich vorgestellt, dass ein Verlangen nach Schönheit von Seiten der Produzenten oder Handwerker existieren könnte und hat auf die Schönheit im alltäglichen Leben in der Vergangenheit zurückgeschaut. „ ( ) das enge Verhältnis, das die Epoche der Neuzeit zwischen Schönheit und Kunst hergestellt hat, (ist) nicht so selbstverständlich (…), wie wir glauben. Wenn gewisse moderne Theorien der Ästhetik nur die Schönheit der Kunst anerkannt und die Schönheit der Natur unterschätzt haben, war es in anderen Epochen umgekehrt. ( ) als Kunst, sowohl die Tätigkeit des Malers und des Bildhauers, als auch die des Bootsbauers, des Schreiners oder des Barbiers betrachtet wurde. Erst sehr viel später hat man, um Malerei, Bildhauerei und Architektur von dem zu unterscheiden, was wir heute Handwerk nennen würden, den Begriff der Schönen Künste entwickelt. ( ) Die Bauern, die Maurer, die Brotbäcker oder Schneider haben Dinge gemacht, die sie vielleicht auch als schön ansahen, aber von diesen Dingen sind uns nur wenige erhalten geblieben (eine Vase, ein Unterstand für die Tiere, ein Rock), und vor allem haben sie niemals etwas geschrieben, um uns mitzuteilen, ob und warum sie diese Dinge als schön ansahen, oder um uns zu erklären, was für sie das natürlich Schöne war (Eco 2006 (2004), S.10-12). * Die Diskussion über Anonymous-Design, das im alltäglichen Leben entstanden ist, schließt an den Kontext von Ruskin und Morris an und erkennt die Schönheit von Handwerk und die Gestaltung seiner Werke. Es wird dabei gezeigt, dass die Landschaft ihren Charakter prägt. Aber man findet dabei keinen Kulturlandschaftspflege durch die Nutzung regionaler Ressourcen. Aspekt für die In dieser Forschungsarbeit wird nicht gefragt, ob Produzenten bei der Gestaltung ein Verlangen nach Schönheit haben oder gehabt haben oder welche Art von Schönheit der Gestaltung man als Schönheit begreifen soll. Vielmehr wird die Existenz von Schönheit anerkannt, die durch alltägliche Arbeiten von unbekannten Produzenten entstanden ist. Mit Poppinga gesprochen spielt bei dieser Forschungsarbeit diese Form von Schönheit beim Aufbau von „Poetischen Orten“ durch regionale Ressourcennutzung eine wichtige Rolle (Poppinga 2008). 59 2.2.4. Design mit Regionalität Wie oben erwähnt, lässt sich eine Tendenz erkennen, dass bei Produktion und Architektur in der Moderne Aspekte der Regionalität verloren gehen. Auf der anderen Seite gibt es auch Beispiele dafür, dass bei Produktion und Architektur in der Moderne die Regionalität gesucht wird. Solche Beispiele stellen aber bei der Modernisierung eine Ausnahme dar. Sie sind dennoch interessant für diese Forschungsarbeit. Hier wird Design mit Regionalität anhand von drei Beispielen betrachtet. Bei zwei Beispielen ist die Regionalität des Handwerks erhalten worden. Ein Beispiel ist die Arbeit des italienischen Architekten Carlo Scarpa und das andere ist die japanische Mingei-Bewegung von Soetsu Yanagi (Muneyoshi Yanagi). Als drittes Beispiel dient die Arbeit des finnischen Architekten Alvar Aalto. Bei den Beispielen ist nach der Nutzung heimischer Ressourcen gesucht worden. Carlo Scarpa, ein italienischer Architekt der modernen Architektur, hat das heimische Handwerk bei seiner Architektur oder seinen Produkten integriert und es weiter gepflegt. Im Ausstellungskatalog der Ausstellung von Carlo Scarpa von 1993 in Tokio steht über die Zusammenarbeit von Scarpa mit den Handwerkern Folgendes: „Along with architecture, Scarpa also designed a variety of smaller objects such as furniture, silverware, and textile fabric. Brilliance and the sense of unity in the works emerge from the details, which have the same strong poesy and esthetics found in his architecture. Most of the time, their production was assisted by specific „artisans” who suited Scarpa’s taste and collaborated with him throughout his career. They all worked in Venezia, where Scarpa was born and worked, or in nearby Veneto. Many works were born of the techniques mastered in city factories, responding to new designs by Scarpa. This was in contrast to the direction toward mass production, and without the craftsmen’s personal relationship with Scarpa, these beautiful designs would had not been realized” (WATARI-UM u. Ikeda 1993, S.107). Die Zusammenarbeit zwischen Scarpa und den Handwerkern funktionierte, weil Scarpa Kenntnisse über das Handwerk hatte. „At the same time, „Scarpa also devoted himself to bringing back the traditional techniques of craftsmanship. He researched glass mosaic and “stucco”, a technique for wall decoration created in the medieval age, and utilized the results in a very modern way in various parts of his architecture” (WATARI-UM u. Ikeda 1993, S.107). Scarpa erzählt: „Over the Art Academy, I found work in one of the Murano glass factories. I learned to work with this marvelous material. ( ) I know glass, and I know what can be done with it. I liked that type of work very much. With a good knowledge of the materials, one can do a lot of things that aren’t learned in esoteric discussions” (Scarpa 1978, WATARI-UM u. Ikeda 1993, S.122). 60 Der Architekt Sergio Los schreibt Folgendes. „(es sind) Die ausführlichen Gespräche mit den Handwerkern, die von Entwicklung und endgültiger Festlegung zeugen, diesen Austausch von Wissen und die konstruktive, bauhandwerkliche Basis, von der aus sich die Syntax seiner Architektursprache entwickelte. ( ) Scarpa beschränkte sich nicht darauf, die vorhandenen handwerklichen Fertigkeiten einzusetzen, er pflegte vielmehr den kommunikativen Austausch mit den Ausführenden, die seine Entwürfe realisieren sollten, um so ihr Können zur Entfaltung zu bringen und zugleich ihre Kreativität zu steigern. Scarpa ließ eine Handwerkskultur wiederaufleben, die verloren zu gehen drohte, weil er ihre Erzeugnisse mit einer Art des zeichnerischen Entwurfs aufwertete, der sie aktualisierte und in die Gegenwartsarchitektur integrierte. Zudem zeigte er Möglichkeiten auf, in die Umstrukturierung bereits Gebauten einzugreifen, indem er inzwischen ungebräuchlich gewordene Formen der Materialbearbeitung beibehielt, die das Neue mit der Architektur der Vergangenheit verbanden“ (Los 1994, S.19, S.23). Der Architekt Osami Hamaguchi, der die Literatur über die Werke von Scarpa übersetzt hat, schätzt die Arbeit von Scarpa mit der Erhaltung traditioneller Handwerkstechnik im modernen Kontext. „Die heimische und historische Kontinuität ist wichtig für die Beziehung zwischen der Architektur und dem Menschen. Scarpa hat das Leben, das in der Landschaft tief verwurzelt ist und die Entwicklung seiner Qualität geachtet. Er pflegte die historische Erinnerung von Einheimischen, ( ) respektiert die heimischen Materialien und die Fähigkeit von Handwerkern, die in langer Zeit aufgebaut worden ist. Er verwendete sie aber nicht so, wie sie sind. Er hat in sie die Modernität gebracht und in ihnen neues Leben geweckt. Scarpa hat in der modernen Gesellschaft nach der Integration von traditioneller und moderner Technik gesucht. Er schätzte nur die Qualität sowohl bei der traditionellen als auch der modernen Technik. ( ) Scarpa verwendet nie gefälschte Materialien. ( ) (Er) verwendet nie kostbare Materialien. Aber er ist großzügig beim Arbeitsaufwand. Die Aufforderung der Moderne zum Zeitsparen stammt von einer irreführenden Wertschätzung des wirtschaftlichen Wirkungsgrades. Sowohl Scarpa als auch der Auftraggeber waren frei von dieser Fessel. Deshalb haben sie die Architektur über die Zeitdimension (Anm.: heutige Zeitdimension) realisiert (vgl. Hamaguchi 1988, S.215-217). * Am Anfang des 20. Jahrhunderts hat Soetsu Yanagi (Muneyoshi Yanagi, 1889-1961) in Japan mit den Töpfern Shoji Hamada, Kanjiro Kawai, Bernard Leach usw. die Mingei-Bewegung gegründet. In das unterentwickelte Japan kam die Mechanisierung ca. 61 40 Jahre später als nach Europa. Parallel mit der Mechanisierung ist die Mingei-Bewegung entstanden (vgl. Yanagi, Munemichi 2005 (2003), S.263). Yanagi hat seit den 1910er Jahren, geleitet von seiner Intuition, schöne Handwerkswaren gesammelt. Er hat durch die Beobachtung der gesammelten Waren die Gemeinsamkeit ihrer Schönheit betrachtet und Folgendes geschrieben. „Wir haben die Waren betrachtet, die wir wirklich schön fanden. Später haben wir zurückgedacht, was das eigentlich war. ( ) Einen sehr großen Anteil der schönen Waren kann man bei „Mingei“, das Handwerk für den Alltagsgebrauch, finden. ( ) Wenn man schöne Waren außerhalb von Mingei findet, sind sie meist schlicht. Dieses Prinzip wirkt auch bei der Schönheit Mingeis“ (Yanagi, Muneyoshi 1982a, S.3-8). Yanagi schätzte bei Mingei die Regionalität: „Der Charakter von Mingei ist von Regionalität geprägt. Es gibt in seinem Hintergrund die Geographie, das Brauchtum und die Materialien. Waren aus dem Süden können denen aus dem Norden nicht gleichen. Die vielfältigen Unterschiede von Mingei sind die Schöpfungen der Natur und der Historie. Der Spiegel der Regionalität ist genau das heimische Mingei. Jede Mingeiware erzählt über ihre Heimat mit Stolz“ (Yanagi, Muneyoshi 1982a (1946), S.459). Yanagi hat die Waren von Mingei in Korea gesammelt. Er hat den Zustand des traditionellen Handwerks in den Regionen in Japan untersucht und dabei weitere Waren von Mingei gesammelt. Er hat mit finanzieller Unterstützung von Magosaburo Ohara eine Stiftung für die japanische Mingei-Bewegung (Nihon Mingeikan) gegründet, ihre Waren im Museum ausgestellt und die Bedeutung der Mingei-Bewegung in Zeitschriften usw. veröffentlicht. Er hat versucht, das schöne traditionelle Mingei in Japan weiter im modernen alltäglichen Leben eines breiten Publikums zu etablieren. Dafür hat er z.B. für die Entwicklung eines neuen Designs von Mingei-Waren, die dem modernen Leben angepasst sind, die Zusammenarbeit zwischen dem Kunsttöpfer Shoji Hamada und den Handwerkern unterstützt, oder er hat zur Sicherung der Vertriebswege von Mingei-Waren den Aufbau von sog. „Takumi Handwerksläden“ gefördert. Der Sohn von Muneyoshi Yanagi, der Industriedesigner Munemichi Yanagi, beobachtet die folgenden Gemeinsamkeiten zwischen der Idee der Mingei-Bewegung und dem Gedanken des modernen Designs: 1. Durch die Funktion, das heißt durch den Gebrauch, entsteht die Schönheit. 2. Im Einklang der Materialien werden die Waren schön. 3. Man setzt die Technik mit dem Handwerkergeist richtig ein. 4. Auf der Basis des Handwerks produziert man qualitätvolle Waren massenhaft und kostengünstig. 62 Munemichi Yanagi stellt fest, dass die Ausgangspunkte von Handwerk oder Maschine (Anm.: mit dem Handwerk der Mingei oder der Maschine vom Bauhaus) unterschiedlich sind, aber die oben erwähnten Punkte der Gedanken der Mingei-Bewegung den Gedanken des Bauhauses ähnlich sind. Munemichi Yanagi vermutet, dass Muneyoshi Yanagi, der sich damals für die Mingei-Bewegung stark engagiert hat, über die Entwicklung des Bauhauses, das im gleichen Zeitalter entstanden ist, nichts gewusst hat (vgl. Yanagi, Munemichi 2005 (2003), S.262-269). Die Mingei-Bewegung versuchte, das regionale und traditionelle Handwerk und seine Schönheit zu erhalten. Ein Anteil von traditionellem Handwerk ist dadurch weitergegeben worden (vgl. Mizuo 1982). Auf der anderen Seite ist Mingei von dem Gedanken von Yanagi abgetrennt worden und hat sich zum eigenen Stil entwickelt. „Seit der Taisho-Periode (1912-1926) sind Menschen mit Begeisterung für Yanagi’s Verständnis und den von ihm ausgewählten Waren zu ihm gekommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber richteten sich die meisten Unterstützer der Mingei-Bewegung an den Gedanken von Yanagi aus, die er in seinen Texten hinterlassen hatte, oder an Ausstellungen des Mingei-Museums, oder an den Werken der Mingei-Kunsthandwerker. ( ) Mit dem Begriff Mingei verbreitete sich ein stereotyper modischer Ausdruck, ( ) z.B. sind in allen Mingei-Kneipen und Mingei-Cafés Mingei-Waren an schwarz gestrichene Stützen und Balken gehängt worden und am Eingang ein riesiger Topf als Schirmständer aufgestellt worden“ (Matsui 2005, S.65). Auch überall in Japan beobachtet man viele Reiseandenken im Stil des Mingei mit schlechter handwerklicher Ausführung (vgl. Yanagi, Munemichi 2005 (2003), S.135). * Der Architekt Akira Muto schreibt über den finnischen Architekten Alvar Aalto sinngemäß Folgendes: Aalto verwendete vielfältige Materialien für die Architektur und die Möbel und schafft dadurch in den Räumen eine warme Atmosphäre. Holz, Ziegelstein, Bronze oder Naturstein prägen z.B. seine Architektur. Auch zu seiner Zeit hat die Holzproduktion die finnische Wirtschaft getragen. Aalto hat versucht, eine neue Nutzung von Holz zu entwickeln. Er hat das Holz genauso behandelt wie die Metalle, die im modernen Design oft verwendet werden. Er hat das Holz, das als Baumaterial für Architektur oder Möbel traditionell und handwerklich verwendet wird, als industrielles Produkt begriffen. In Finnland gibt es wenig Hartholz für den Möbelbau. Aalto entwarf Möbel aus minderwertigem Holz und mit einfacher Konstruktion, damit sie jeder bauen kann. Der 63 Wert der Möbel ist nur durch ihr Design entstanden. Bei der Entwicklung des Möbeldesigns hat er seit den 1930er Jahren immer mehr Holz bei seiner Architektur verwendet. Er hat für die Weltausstellung in Paris 1937 den finnischen Pavillon aus Holz geplant. Die Architektur ist aus Stahl und Holz gebaut worden. Das Holz ist genauso wie das Stahlrohr behandelt worden. Er hat nicht den Charakter von jedem Holz mit dem Handwerk verfeinert, sondern den Charakter beseitigt und als gleichmäßigen Baustoff behandelt. Seine Behandlung von Holz ist industriell geprägt. Seine Architektur hat die Existenz Finnlands als Land des Holzes und die Potentiale des neuen Holzbaus aufgezeigt. Sie ist die erste Architektur, die gezeigt hat, dass man die neue Architektur des 20. Jahrhunderts mit Holz bauen kann (vgl. Muto 1981 (1969), S.76-94). Aalto hat sich nach dem Bau des finnischen Pavillons nicht nur mit dem Holzbau beschäftigt, sondern hat auch viel moderne Architektur aus Beton und Stahl geplant. * Durch die Modernisierung ist die Industrie an Stelle des Handwerks zum Hauptproduktionsmittel geworden. Die Qualität und der Geist des Handwerks sind heute noch anerkannt, aber in der Praxis wird das Handwerk wenig angewendet. In der gegebenen Situation wird Regionalität durch das Handwerk selten erhalten. Das Interesse von Menschen an regionalem Material ist gering. Man beobachtet bei Menschen kaum Gedanken an die Entwicklung der Region durch Produktion und den Bau mit heimischem Material. Wenn man im Kontext moderner Produktion und Architektur die Beispiele der Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung in dieser Forschungsarbeit verortet, liegen sie ohne Zweifel am Rand. 64 Abb. 4. Produktion und Bauen mit Regionalität 65 66 Exkurs 1 „ Mittlere Technologie“ gegen die Technik der Massenproduktion Die Kritik an der Massenproduktion und der Vorschlag der Einführung einer „Mittleren Technologie (intermediate technology)“ von Ernst Friedrich Schumacher in seinem Buch „Small is Beautiful“ hat im Jahr 1973 die öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Er wies auf die folgende Vorstellung von Menschen hin: „Die Täuschung, über unbegrenzte Kräfte zu verfügen, die durch erstaunliche wissenschaftliche und technische Errungenschaften genährt wurde, brachte zugleich die Täuschung mit sich, das Problem der Produktion wäre gelöst“ (Schumacher 1997 (1973), S.12). „Sie sagen, dass die wichtigste Aufgabe für die reichen Länder nunmehr die „Bewältigung der Muße“ und für die armen Länder die „Weitergabe von technologischem Wissen“ sei“ (Schumacher 1997 (1973), S.11). Er schreibt, dass diese Entwicklung von begrenzter Fossilenenergie abhängig bleibt und die Natur auch nur eine begrenzte Umweltbelastung tragen kann. Er schlug dann folgende Idee vor: „Wie (Anm.: Mahatma) Gandhi sagte, kann den Armen der Welt nicht durch Massenproduktion, sondern nur durch Produktion der Massen geholfen werden. Das System der Massenproduktion, das sich auf ausgeklügelter, sehr kapitalintensiver, sehr energieverschwendender und menschliche Arbeit ersetzender Technologie gründet, setzt voraus, dass man bereits reich ist, denn zur Einrichtung eines einzigen Arbeitsplatzes ist eine große Kapitalinvestition erforderlich. ( ) Die Technologie der Produktion der Massen, die sich Bestens an modernem Wissen und moderner Erfahrung bedient, führt zur Dezentralisierung, ist mit den Gesetzen der Ökologie vereinbar, geht sorgsam mit knappen Rohstoffen um und dient dem Menschen, statt ihn Maschinen zu unterjochen. Ich habe sie Mittlere Technologie genannt, um anzudeuten, dass sie der primitiven Technologie früherer Zeiten weit überlegen, zugleich aber sehr viel einfacher, billiger und freier als die Supertechnologie der Reichen ist“ (Schumacher 1997 (1973), S.139-140). Schumacher hat seine Theorie der „Mittleren Technologie“ entwickelt, um die Produktion vom Volk in Entwicklungsländern verbreiten zu lassen und ihre Armut zu lösen. Man kann das Ausmaß der „Mittleren Technologie“ aus seiner Theorie nicht unmittelbar in Industrieländern anwenden. Trotzdem ist Schumachers Idee auch in Industrieländern für den Aufbau einer nachhaltigen Produktion interessant, besonders in den Regionen, die benachteiligt gegenüber einer Massenproduktion mit Großkapital sind. Schumacher definiert die „Intermediäre Technik“ wie folgt: „Eine Solche Mittlere Technologie wäre weit produktiver als die einheimische Technologie (die sich oft schon in einem Zustand des Verfalls befindet), aber sie wäre auch weit billiger als die ausgeklügelte und sehr kapitalintensive Technologie der modernen Industrie. Auf einer solchen Stufe des Kapitalbedarfs ließe sich eine sehr große Anzahl von Arbeitsplätzen in recht kurzer Zeit schaffen. Das läge „innerhalb der Möglichkeiten“ der unternehmenden Minderheit einer Region, und zwar nicht nur finanziell, sondern auch im Hinblick auf ihren Ausbildungsstand, ihre Eignung, 67 Organisationsfähigkeit und so weiter. ( ) Die Mittlere Technologie würde auch weit besser in die vergleichsweise einfache Umwelt passen, in der sie anzuwenden ist. Die Ausrüstung wäre recht einfach und daher erlernbar, sie ließ sich an Ort und Stelle warten und reparieren. Einfache Ausrüstung braucht normalerweise weit weniger Vormaterial, das von großer Qualität oder nach genauen technischen Vorschriften gefertigt sein muss und ist Marktschwankungen weit besser anzupassen als eine äußerst verfeinerte Ausrüstung. Dazu lassen sich Menschen leichter anlernen, Überwachung, Lenkung und Organisation sind einfacher, und die Auffälligkeit gegenüber unvorhergesehenen Schwierigkeiten ist weit geringer“ (Schumacher 1997 (1973), S.162-163). 2.3. Regionale Ressourcennutzung in der Praxis und der Standpunkt dieser Forschungsarbeit zu intraregionaler Ressourcennutzung Im Zusammenhang mit der Suche nach einer nachhaltigen Produktion werden seit den 1960er Jahren weltweit Versuche unternommen, regionale Ressourcennutzung zu stärken (vgl. Tanaka 2004b). Bei der Landwirtschaft sind seit den 1960er Jahren Landwirte in den Alpen aktiv. Trotz benachteiligter Lage haben sie ihre Einkommen durch den Tourismus ergänzt und weiter ihr Land bewirtschaftet 7 (vgl. Jasper u. Schievelbein 1997, The Ministry of Agriculture, Forestry and Fisheries of Japan 2005) . In den 1980er Jahren entstand in Italien die Slow-Food-Bewegung 8. Menschen schätzen bei dieser Bewegung die Eigenart der Küche in der Familie oder in der Region mit Freude als Gegenbewegung zur Verbreitung eines zeitsparenden und charakterlosen Fastfoods. Bei der Slow-Food-Bewegung vermarktet man hochqualitative Produkte mit dem Image der regionalen Landschaft. Dadurch schafft man Tourismus in der Region und baut globale Vertriebswege für die Produkte auf (vgl. Shimamura 2004). Seit den 1960er Jahren wirtschaften weltweit einige Landwirte nach Kriterien einer „ökologischen Landwirtschaft“ 9. Man beobachtet dabei unterschiedliche Bewirtschaftungsformen. Manche kleine Ökolandwirte haben in der Region ihre feste Kundschaft und betreiben neben der Landbewirtschaftung auch Agrartourismus. Es gibt auch große Ökolandwirte, die ihre Produkte global vermarkten. Bei Betrieben der ökologischen Landwirtschaft werden für die Produkte sog. „faire“ Preise durchgesetzt, welche die weitere Bewirtschaftung der Höfe gewährleisten. Bei Kleidung, Dingen des täglichen Bedarfs, Möbeln oder auch Architektur gibt es deutlich weniger Berichte in öffentlichen Medien als über Lebensmittel und ihre Produktion aus regionalen Ressourcen. Michael B. Jenkins und Emily T. Smith berichten über ein System der Zertifizierung von Wäldern und Beispiele für Zertifizierung in der Praxis. Durch die Zertifizierung und die damit verbundene Anerkennung der nachhaltigen Produktion des Holzes kann der Produzent sein Holz auf dem Markt differenzieren 10 (vgl. Jenkins u. Smith 2002 (1999), S.64, S.61). Bei der Vermarktung des Holzes mit Zertifikat ist 68 intraregionale Nutzung keine Voraussetzung (vgl. Jenkins u. Smith 2002 (1999)). In Japan wird die Zunahme an Erkrankungen von Menschen, die auf die Verwendung von Leimholz zurückzuführen sind, als problematisch angesehen. Der Forstwissenschaftler Mitsuru Kikuma und der Architekt Kazuma Masuda berichten über eine Bewegung für die Nutzung massiven Holzes mit traditioneller Holzbautechnik 11 (vgl. Mikuma u. Masuda 2004). Über die Kleidung und den täglichen Bedarf gibt es nur wenige Beispiele dafür, dass die Produkte aus regionalen Ressourcen hergestellt werden 12. Wie oben erwähnt, werden die Produkte, die aus regionalen Ressourcen hergestellt werden, häufig durch Tourismus und globale Vermarktung verbraucht. Die intraregionale Ressourcennutzung ist dabei keine Voraussetzung. Auf der anderen Seite sieht man bei manchen Bewegungen für ökologische Landwirtschaft, wie etwa bei der Permacultur 13 , der Foodmiles Bewegung etc., die Notwendigkeit der Ressourcennutzung in geschlossenen Stoffkreisläufen in einer Region. So wird z.B. bei der Permacultur-Bewegung ökologische Landbewirtschaftung als Basis gesetzt und die gesamte Planung der Region wird mit den Zusammenhängen von Wasser, Erde, Pflanzen, Tierzucht, Fischen, Architektur, Menschen, Wirtschaft, Stadt-Land-Beziehung usw. vorgeschlagen (vgl. Nippon International Cooperation for Community Development 2008). Die Foodmiles Bewegung 14 ist im Jahr 1994 in England entstanden und versucht, Umweltbelastung zu vermeiden, die durch lange Transporte der Produkte entstehen (vgl. Taniguchi u. Hasegawa 2002, S.130). Wie oben erwähnt, achtet man bei der Produktion aus regionalen Ressourcen darauf, ökologische und/oder hochqualitative Produkte herzustellen. Dadurch hebt sich das Produkt von Produkten aus der Massenproduktion oder aus anderen Regionen ab. Dazu sind aber beim Verbrauch geschlossene Stoffströme in der Region meist nicht Voraussetzung. Den Betrachtungen Ipsens folgend, macht die Globalisierung von Produktion und Verbrauch mit der damit einhergehenden Rationalisierung und Standardisierung traditionelle Produktion und Verbrauch in der Region schwierig. Auf der anderen Seite wird durch die Globalisierung der Informationen das Image der Produkte und der Regionen weltweit transportiert. Dadurch werden die regionalen Produkte weltweit vermarktet und die Regionen von Touristen belebt (Ipsen 2008). Wie in „I - 1.1.1. Aspekte intraregionaler Ressourcennutzung“ beschrieben worden ist, wird in dieser Forschungsarbeit kein geschlossener Kreislauf von intraregionaler Produktion und Verbrauch angenommen. Aber die durch die Globalisierung entstandene Situation, die, wie in Japan, bei jedem Verbrauch von Ressourcen, Energie und Produkten in allen Lebensbereichen sehr weit gekommen ist, wird problematisch gesehen 15 . Schließlich ist der überwiegende Teil der Menschen in Bergregionen in Japan durch die 69 Globalisierung benachteiligt. Deshalb wird in Anbetracht der Situation vorgeschlagen die „Basis“ der Produktion für alltägliche Produktion und Verbrauch in die Region zurück zu bringen. Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 70 Die Schönheit reizt die Wahrnehmung, den Sinn und das Gefühl und bringt innere Lust. „Lust“ ist physiologisch, persönlich, zufällig und subjektiv. „Schönheit“ hat von persönlichem Belang einen Abstand. Sie ist universaler, sozialer, notwendiger und objektiver. Ästhetik ist die Differenzierung der Schönheit von der Hässlichkeit (Kojien 5. Auflage). Schönheit war nie etwas Absolutes und Unveränderliches, sondern hatte je nach der historischen Epoche und dem Land verschiedene Gesichter (Eco 2007 (2004), S.14). Über die Einführung des Begriffs „Ästhetik“ schreibt der Philosoph Karlheinz Barck folgendendes: „Der Begriff „Ästhetik“ wurde im zweiten Drittel des 18. Jh. von Alexander Gottlieb Baumgarten geprägt, um die, als niederes Erkenntnisvermögen diskriminierten Sinne, philosophisch zu legitimieren. Der bis in die 1970er Jahre relativ unangefochten geltenden Standardbestimmung von Ästhetik als einer „wissenschaftlichen Disziplin“ zufolge hat sich das „Wort Ästhetik“ als Titel eines Zweiges der Philosophie eingebürgert, in dem sie sich den Künsten und dem Schönen in der Allgemeinheit zuwendet, dass die Künste in der gegenwärtigen Gestalt und in ihrer europäischen und außereuropäischen Geschichte gleichermaßen als ästhetischen Gegenstand und die sie begleitenden Theorien Platons und Plotins, des Mittelalters oder Kants, Schellings und Hegels als ästhetische Theorien gelten (Barck 2000, S.308-309, von Ritter 1971, S.555). Im kritischen Blick auf eine überalterte Tradition philosophischer Ästhetik hatte Adorno in seiner Ästhetischen Theorie (1970) ein Dilemma diagnostiziert (Barck 2000, S.309-310, von Adorno 1970 (1972), S.391). Die seit den 1980er Jahren virulente Debatte über die sog. Postmoderne und eine neue „Krise der Kultur“ (vgl. Arendt 1961, S.197-226) stiftete auch einen Rahmen für die Diskussion über den Ort und den Status von Ästhetik (Barck 2000, S.311). J. Traut schreibt, „Wettbewerb der Vermarktung hängen nicht an dem Produkt, sondern an dessen Wahrnehmung. ( ) Alles was in der Welt der Vermarktung liegt, ist die Wahrnehmung oder die Erwartung. Die Wahrnehmung ist die Realität. Das andere ist Illusion“ (Traut 2003 (2001), S.6-7). Aus dem Vortrag „Kunst des Volkes“ im Februar in 1879 in Birmingham (Fujita 2004 (1996), S.122). Die Methode von Bauhaus beeinflusste die Kunstausbildung weltweit (vgl. Heskett 1990 (1980), S.132-134). Ästhetische Prinzipien des „International Style“ sind Räume mit dünnen Oberflächen gegen Volumen, die Regelmäßigkeit gegen deutliche Verhältnisse wie die Symmetrie, die Schönheit des Materials gegen Dekoration sowie technische Perfektion und verfeinerte Proportion. Bei der Ausstellung ist ”The International Style: Architecture Since 1922” herausgegeben worden (vgl. Hitchcock u. Johnson 1998 (1932), S.20-21). Z.B. liegt die Werkstatt von Morris an einem Bach an dem man weiches Wasser für das Färben gewinnen kann (vgl. Fujita 2004 (1996), S.84). In dieser Forschungsarbeit wurde sein Interesse an der Herkunft der Materialien in der Literatur nicht gefunden. In Österreich sinkt die Anzahl der Landwirte. Die Fläche pro Betriebe steigt aber und die 8 9 10 11 12 13 14 15 Betriebe wirtschaften stabil (vgl. The Ministry of Agriculture, Forestry and Fisheries of Japan 2005). Siehe „I. - 2.3. Regionale Ressourcennutzung in der Praxis und der Standpunkt dieser Forschungsarbeit zu intraregionaler Ressourcennutzung“ und „III. - 1.2.2. Gastwirtschaft mit regionalen Produkten“. In Deutschland fußt die Biologisch-dynamische Landwirtschaft auf Rudolf Steiner. In England hat Sir Albert Howard über Kompost Untersuchungen angestellt und „An Agricultural Tastament“ geschrieben (Howard 1940). In Japan entwickelte Masanobu Fukuoka in den 1930er Jahren eine, der Natur überlassene Landwirtschaft. In den 1960er Jahren hat das Werk „Silent Spring“ von Rachel Carson die öffentliche Aufmerksamkeit erregt (Carson 1962). Im Jahr 1972 wurde IFOAM, International Federation of Organic Agriculture Movements gegründet. „The 30-year-plus history of IFOAM has proven that the proponents of organic agriculture embody an impressive agent of social and ecological revolution. It all started in 1972 when the President of the French farmers' organization, Nature et Progrès conceived of a worldwide appeal to come together to ensure a future for organic agriculture and from there, people working in alternative agriculture banded together from, initially, as far apart as India and England. The German-speaking countries, as well as France, were also sites of the youngest IFOAM activities. Canada, too, produced key early participation, and by the 80s, IFOAM had leaders in the US, attracted involvement from African agents of organic agriculture, and launched a unique and fruitful relationship with the Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO)” (IFOAM 2008, http://www.ifoam.org/about_ifoam/inside_ifoam/history.html). Über die Praxis der ökologischen Landwirtschaft in Japan siehe „III. - 1.1.1. Ökologische Landwirtschaft”. Siehe „IV. - 2.7.3. Marken des heimischen Holzes”. Siehe „III. - 1.2.4. Hausbau mit heimischem Holz”. Es gibt in verschiedenen Regionen Japans Waren, die im traditionellen Handwerk produziert werden, aber nach dem Ergebnis der Untersuchung des Zentrums für die Aktivierung der Produktion in Tohoku werden die meisten Materialien außerhalb der Region oder im Ausland hergestellt (vgl. Zentrum für die Aktivierung der Produktion in Tohoku 2004, S.20-23). Siehe „III. - 1.2.3. Traditionelles Handwerk”. Die Theorie der Permaculture wurde von Bill Morrison 1979 in Australien entwickelt (Nippon International Cooperation for Community Development 2008, http://www.kyoto-nicco.org/perm.htm). SAFE (The Sustainable Agriculture Food and Environment) hat 1994 mit dem Begriff „Food miles” die Vermeidung langer Transporte von Lebensmitteln vorgeschlagen (Heute heißt die Organisation Sustain. „The alliance for better food and farming was launched at the UNED-UK hosted Healthy Planet Forum on 17 June 1999. It was formed by merging The National Food Alliance and the Sustainable Agriculture Food and Environment (SAFE) Alliance, both of which had been established for over 10 years” (Sustain 2008, http://www.sustainweb.org/). In Deutschland untersucht u.a. die Wissenschaftlerin Stefanie Böge am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie dieses Thema (vgl. Böge 1994). Nach dem japanischen Ethnographen Tsunekazu Miyamoto, haben die Menschen in Japan vorgeschichtlich vermutlich zwischen den Regionen Materialien wie Salz, Reis oder Metall gehandelt (vgl. Miyamoto 2004 (1985)). Aber aus der Literatur des japanischen Ethnograph Kunio Yanagida kann man ersehen, dass die Basis von Produktion und Verbrauch vor dem Zweiten Weltkrieg in der Region lag (vgl. Yanagida 2001 (1931)). 71 3. Orte und Region 3.1. Das Problem von „Nicht-Orten“ In der Modernisierung sind Transport und Informationen schneller und komplexer geworden. Auch der Handel ist vielseitiger geworden. Dadurch entwickelte sich die Globalisierung der Produktion und des Verbrauchs 1 immer weiter. Durch das Leben mit dem Verbrauch von global standardisierten Produkten entstand ein weltweit vereinheitlichter Lebensstil und Lebensraum. Orte, die keinen eigenen Charakter haben, mehren sich. Der Geograph Edward Relph hat dieses Phänomen bei Orten, die vom Kontext der Landschaft abgeschnitten worden sind, „disneyfiziert“ oder „musealisiert“ worden sind, als „placelessness“ bezeichnet (vgl. Relph 2004 (1976)). Der französische Ethnologe und Anthropologe Marc Augé hat den Flughafen, Warteraum oder Supermarkt als Beispiele genommen und Orte, die keinen eigenen Charakter haben, „Nicht-Orte“ genannt (vgl. Augé 1995). Der Soziologe George Ritzer schreibt über das Phänomen der weltweiten Verbreitung einer Sozialform, die keinen wesentlichen Inhalt hat, deren Konzept in einem Zentrum entwickelt wird und von diesem Zentrum aus kontrolliert wird. Er nennt das Phänomen „Die Globalisierung des Nichts“. Er erklärt dieses Phänomen mit den Worten „Kapitalisierung“, „Amerikanisierung“ und „McDonaldisierung“. Er beobachtet, dass sich die Kommunikation von Menschen an „Nicht-Orten“ verringert und Nicht-Dinge, Nicht-Menschen und Nicht-Kundendienste verkettet werden (vgl. Ritzer 2005 (2004), S.4, S.124). „Nicht-Orte“ sind auch ein Nährboden von Kriminalität. Dies hat die Schriftstellerin und Kritikerin Jane Jacobs Anfang der 1960er Jahren in „The death and life of great american Cities“ kritisiert (vgl. Jacobs 1977). Über dieses Thema hat in Japan der Marketingforscher Atsushi Miura in „Fast-Food-Landschaft in Japan, Vorort und seine Pathologie“ geschrieben (vgl. Miura, Atsushi 2005b (2004)). Exkurs 2 Die Vermehrung von „Nicht-Orten“ in Japan Der Stadtplaner Kimio Takano schreibt über die Veränderung des Lebensraums von Menschen in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg Folgendes: „Die Stadt- und Regionalpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg in unserem Land haben die Wirtschaft und den Wirkungsgrad geachtet. Auf der anderen Seite sind die Erhaltung der Umwelt, des Landschaftsbildes oder der Kultur gering geschätzt worden. Nach einer Zeit der Einkehr ist in den letzten Jahren das Interesse der Gesellschaft am Landschaftsbild wieder gewachsen und es gibt verschiedene Versuche mit Landschaftsbildern. ( ) Aber die Versuche haben sich bisher nicht genug entwickelt und man hat damit noch nicht genügend Erfolg. Heute findet man im Allgemeinen in Städten und Siedlungen in Japan keinen nationalen Charakter. 72 Die geplanten Stadtviertel sind aus dem Irgendwo einer Stadt aus Europa oder aus anderen Ländern nachgeahmt. Es gibt auch häufig Planungen von Stadtvierteln mit unbegründeten Motiven, wie z.B. ein „Mini-Kioto“ oder „Romantik der Taisho-Periode“. Wenn man mit einem Handbuch von Richtlinien Straßen mit Architekturanleihen gestalterisch einheitlich gebaut hätte, wenn sie etwas Fremdes wie ein Themenpark würden, kann man davon keine wesentliche Schönheit und Zufriedenheit erwarten. Die geplanten Stadtviertel, z.B. vor dem Bahnhof in kleinen und mittelgroßen Städten oder Neubausiedlungen, haben überall das gleiche Profil. Das Problem muss wohl im Planungsprozess begründet liegen. ( ) Der wesentliche reichhaltige Lebensraum oder ein reichhaltiges Leben stehen auf der Basis von regionaltypischen kulturellen Schichten mit ihrer Natur, Historie oder Tradition. Die kulturellen Schichten sind der Nährboden für die neue Kultur und auch der Stolz auf die Heimat. Bei der bisherigen Planung in Japan sind die Kontinuität der Natur, Historie und Kultur abgeschnitten worden. Der Grund, warum man mit dem Eindruck bei den Orten weder Gewicht noch Tiefe finden kann, liegt vermutlich darin, dass die Orte von ihrer typischen heimischen Natur abgetrennt sind, das kulturelle Kapital verringert ist und die Beziehung zwischen ihnen und den Menschen schwach geworden sind“ (Takano 2007a, S.390). 3.2. Wertschätzung von Orten in der Vergangenheit gegen „Nicht-Orte“ In Anbetracht der Verbreitung von „Nicht-Orten“ ist in verschiedenen Fachbereichen die Frage gestellt worden, wie der Lebensraum von Menschen sein und wie man ihn gestalten soll. In den Bereichen Philosophie, Geographie und Architektur sind über die Liebe zum Ort seit den 1950er Jahren verschiedene Betrachtungen angestellt worden. Der Philosoph Gaston Bachelard schrieb in „La poétique de l'espace„ über das Gefühl von Menschen mit dem Ort, mit besonderem Gewicht auf dem sicheren Gefühl, das Menschen in Häusern haben (vgl. Bachelard 2002 (1957)). Unter dem Einfluss von Bachelard hat Corbin im Bereich der Geschichte über die Veränderung der Sinne in der Moderne am Beispiel des Strandes oder Himmels geschrieben (vgl. Corbin 2003 (2001)). Im Bereich der Geographie hat Yi-Fu Tuan auf das Wort von Bachelard „Topophilia“, die Liebe zum Ort, sein Augenmerk gerichtet und zu einer Theorie der Stadt- und Landschaftsplanung entwickelt2 (vgl. Tuan 2004 (1993)). Über das besondere Gefühl von Menschen zum Ort haben Tuan im Bereich Geographie und Norberg-Schulz im Bereich Architektur mit dem Begriff „Genius Loci“, der Geist eines Ortes (vgl. Kozljanič 2004), diskutiert 3 (vgl. Tuan 1976, Norberg-Schulz 1980, Kozljanič 2004, S.13). In Japan hat der Architekturkritiker Akira Hasegawa über die Gemütsbewebung und die Architektur in „Architektur mit Gemütsbewebung“ geschrieben (vgl. Hasegawa 1993 (1977)). 73 In manchen Forschungsarbeiten über Architektur, Stadt und Landschaft wird die historische Zeit, in der die Menschen durch ihre Aktivitäten den Charakter der Orte geprägt haben, zurückerinnert und idealisiert. So schreibt z.B. der Architekt Bernard Rudofsky in „Architecture without Architects”, dass er die Vielfalt an Lebensräumen und Kultur, die durch Landschaft und Historie geprägt wurden, hoch schätzt (vgl. Rudofsky 1992 (1964)). Der Architekt Gordon Cullen schreibt in „Townscape“, dass die Gebäude, die Schilder, die Straßen usw. die Elemente der Stadt sind und das traditionelle Stadtbild von ihnen konstruiert wird (vgl. Cullen 1991 (1961)). Die Architekten Donlyn Lyndon und Charles Moore schreiben in „Chambers for a Memory Place“ über die Merkmale von Räumen innerhalb und außerhalb der traditionellen Architektur in der Welt. Sie erforschen in ihrem Werk die ästhetischen Einflüsse des Lichts, der Luft und des Wassers in- und außerhalb der Architektur 4 (vgl. Lyndon u. Moore 1996 (1994)). Rudofsky schreibt nostalgisch über die reichhaltige Kommunikation auf der Straße in traditionellen Städten in Italien in „Streets for people“ (vgl. Rudofsky 1992 (1969)). In Europa ist seit den 1970er Jahren die Besetzung der Straße durch das Auto in der Stadt kritisch gesehen worden. Es gibt als Reaktion darauf mittlerweile viele Beispiele für den Aufbau von Fußgängerzonen in der Stadtmitte. Vorreiter dieser Bewegung war der Aufbau der Fußgängerzone in Kopenhagen im Jahr 1961 nach einem damals ungewöhnlichen Vorschlag des Architekten Jan Gehl. Damals war die Nutzung der Straße von Fußgängern in Europa, wenn man von Beispielen aus Südeuropa einmal absieht, undenkbar (vgl. Gehl 1990 (1971)). In Japan haben der Architekt Fumihiko Maki et al. in „Blick und Verborgenheit in der Stadt“ und „Die Räume in der japanischer Stadt“ die Existenz von „hinteren“ Räumen als Merkmal japanischer Stadträume dargestellt (vgl. Toshidesignkenkyutai 1995 (1968), Maki et al. 2004 (1980)). In ländlichen Gegenden hat Fumio Katsuhara, sein wissenschaftliches Interesse gilt ländlichen Landschaftsbildern, in „Ästhetik in der Landwirtschaft“ beschrieben, dass eine Agrarlandschaft, die beruhigende Gefühle bringt, durch landwirtschaftliche Produktion entstehen kann (vgl. Katsuhara 1979). Der Ausgangspunkt dieser Forschungsarbeiten ist die positive Wertschätzung der Architektur, Stadt und Region in der Vergangenheit. Unter einem solchen Aspekt sind auch die Planungsmethode für die Architektur, Stadt und Region mit der Erhaltung historischer Orte entwickelt worden, wie z.B. Nationaltrust 5 oder Ecomuseum 6. 3.3. Über die Suche nach einer Methode für die Rekonstruktion von Orten Manche Planungswissenschaften in den Bereichen der Technik und der Soziologie haben die Verbreitung von „Nicht-Orten“ als Herausforderung der heutigen Zeit betrachtet und unter den gegebenen Umständen Planungsmethoden für Architektur, Stadt oder Region 74 vorgeschlagen. So hat z.B. der Stadtplaner Kevin Lynch nach einer Lösung dafür gesucht, dass sich Menschen in Städten leicht verlaufen. Er hat eine Stadtplanungsmethode für die Orientierung in der Stadt entwickelt und darüber in „The image of the city“ geschrieben (vgl. Lynch 1968 (1960)). Der Architekt Christopher Alexander hat eine Sprache für die Bürgerplanung bei Architektur, Stadt und Region durch Kommunikation entwickelt. Er hat eine Region oder ein Stadtviertel als Maß genommen und in „A pattern language“ die Architektur, die Außenräume und die Handlungen von Menschen als Elemente dieses Maßes zerlegt und sie und deren komplexe Beziehungen mit einem einfachen Wortschatz erklärt (vgl. Alexander 1992 (1977)). Der Stadtplaner Thomas Sieverts verweist auf die Grenzen der Stadt- und Regionalplanung mit der Idealisierung der Stadt und der Region in der Vergangenheit. Er hat die Situation der „Zwischenstadt“, also jene Orte, die weder Stadt noch Dorf sind beschrieben und es als Tatsache angesehen, dass diese als „Nicht-Orte“ konstruiert worden sind. Er fordert, dass man von dieser Voraussetzung ausgehend, eine neue Planungsmethode für die Region entwickeln solle. Er nimmt IBA- Projekte als Beispiele und betrachtet die Rekonstruktion von Orten durch Kunst oder Kommunikation (vgl. Sieverts 2006 (2001)). * In dieser Forschungsarbeit wird als Mittel gegen „Nicht-Orte“ der Aufbau „Poetischer Orte“ vorgeschlagen. Ipsen beschreibt die Wirkung „Poetischer Orte“ auf die Entwicklung einer Region (Ipsen 2000c). Der Begriff des „Poetischen Ortes“, wie er in der Theorie Ipsens verwendet wird, wird in dieser Arbeit aus der Beobachtung der Praxis von Bürgern untermauert. Dabei ist der Gedanke, aus „Nicht-Orten“ Orte zu konstruieren, mit Sieverts Forderung vergleichbar. Die Methode der Umsetzung durch Kommunikation von Bürgern in dieser Forschungsarbeit ist von Alexander und Gehl beeinflusst. 3.4. Wahrnehmung von Orten und daraus entstehendes Verhalten von Menschen und der Einfluss auf Regionen Über die Wahrnehmung von Orten wird in verschiedenen Fachbereichen, wie Biologie, Psychologie, Philosophie, Anthropologie, Geographie, Soziologie usw. geforscht. Der Biologe Jakob Uexküll z.B. hat in „Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen - Bedeutungslehre” die Wahrnehmung der Umwelt durch Tiere und Menschen dargestellt (vgl. Uexküll 1973 (1934)). Der Anthropologe Edward Hall hat unter dem Einfluss von Uexküll in „The Hidden Dimension“ die Unterschiede der Wahrnehmung der Umwelt zwischen den Tierarten und auch zwischen den Menschen aus unterschiedlichen Kulturen oder Zeitaltern herausgearbeitet (vgl. Hall 1998 (1966)). Der 75 Zoologe Toshitaka Hidaka, der in Japan die wissenschaftliche Arbeit von Uexküll und Hall vorgestellt hat, beschreibt in „Die Wahrnehmung der Umwelt von Tieren und Menschen -ohne Illusion wird die Welt unsichtbar“, dass die Wahrnehmung der Umwelt sowohl von Tieren als auch von Menschen stark mit ihrem Vorstellungsvermögen verbunden ist (vgl. Hidaka 2004 (2003)). Über den psychischen Einfluss von physischer Umwelt auf den Menschen versucht der Psychologe Robert Gifford mit fachübergreifender Arbeit eine umfassende „Environmental Psychology“ aufzubauen (vgl. Gifford 2007 (2002)). Der Architekt Christian Norberg-Schulz hat in „Existence, Space and Architecture“ Räume betrachtet und klassifiziert und seine Überlegungen u.a. veröffentlicht in: „the pragmatic space of physical action“, „the perceptual space of immediate orientation“, „the existential space which forms man’s stable image of his environment“, „the cognitive space of the physical world“ und „the abstract space of pure logical relations“ 7 (vgl. Norberg-Schulz 2004 (1971), Kato 2004 (1973)). Der Philologe Gernot Böhme schreibt in „Atmosphäre“, dass sich die Atmosphäre in einem Feld zwischen dem wahrnehmenden Subjekt und der materiellen Struktur eines Ortes entwickelt und den Charakter des Raumes prägt (vgl. Böhme 1995, S.21-48, Böhme 2006 (1995, 1998)). Alain Corbin hat in der Historie und Augustin Berque in der Geographie durch die Analyse von Literatur und Malerei eine Theorie des Landschaftsbildes entwickelt (vgl. Corbin 2003 (2001), Berque 1998 (1992)). Für die Forschung über das Landschaftsbild in Japan ist die Arbeit des Planungswissenschaftlers Tadahiko Higuchi repräsentativ (vgl. Higuchi 2004 (1981)). * Die Wahrnehmung von Orten, Landschaften oder Natur ist erlernt. Der Planungswissenschaftler Lucius Burckhardt schreibt über die Interpretation der Natur Folgendes: „Sein (Anm.: des Menschen) Verhalten ist Gesellschaftsprozessen, Lernprozessen unterworfen, ist dem historischen Augenblick verpflichtet und damit politisch. Die Veränderungen der Natur werden ignoriert oder wahrgenommen unter dem Bilde der „Landschaft“; das Bild der Landschaft als historisches Konstrukt im Kopfe des Menschen bestimmt sein Verhalten und seine Maßnahmen, die deshalb keineswegs regelnd oder gar selbstregelnd, sondern irreversibel sind und geschichtsschaffend wirken - zum Guten oder zum Schlechten“ (Burckhardt 2006a (1977), S.31-32). Detlev Ipsen hat in „Raumbilder“ gezeigt, dass Menschen sich mit dem positiven oder negativen Image eines Ortes identifizieren und dieses Bewusstsein die Entwicklung einer Stadt oder Region beeinflusst (vgl. Ipsen 1986, 1997). Ipsen begreift, dass Raumidentität 76 dynamisch ist und sich mit dem Wandel an Wertschätzung mit der Zeit verändert. „Der Modernisierungsprozess bestimmt die Randlage oder Zentralität eines konkreten Raumes, durch ihn werden Modernisierungsbrüche und Modernisierungsschocks ausgelöst“ (Ipsen 2000c, S.568). In der Modernisierung ist das geographische Zentrum von Paris nach England und nach Deutschland gewandert (Ipsen 2004). Er zeigt am Beispiel des Allgäus, wie es sich „von einem Armenhaus zu einer für den Tourismus attraktiven Landschaft wandelte, sich immer größere Räume hinzurechnete“ (Ipsen 2000c, S.567). Der Soziologe Manuel Castells erkennt, dass, obwohl es so scheint, als ginge die Notwendigkeit der geographischen Lage vom Ort unter den Bedingungen von schnell fließendem Verkehr und Informationen verloren, Menschen doch versuchten, die Beziehung zum Ort zu erhalten (vgl. Castells 2004, S.431-484). Der Forstwissenschaftler Masami Kitamura schreibt, dass Landschaften, die geographisch ähnlich sind, durch unterschiedliche Handlungen von Menschen aus kulturellen Unterschieden sich anders entwickeln. Er hat die Wälder des Schwarzwaldes in Deutschland und der Vogesen in Frankreich, die nebeneinander liegen und sich von Geographie und Klima sehr ähnlich sind, als Beispiele miteinander verglichen. Sie sind durch unterschiedliche Handlungen von zwei Nationen anders gegliedert und haben auch andere Formen des Waldes. Er forscht seit den 1960er Jahren über den Vergleich von verschiedenen Wäldern in Japan und Europa unter kulturellen Gesichtspunkten. Er kritisiert eine Forstwissenschaft, die Wald nur als Gegenstand der Technik im Rahmen der Naturwissenschaft betrachtet. Dabei verweist er auf das Bewusstsein von Bewohnern mit der Geschichte und Kultur des Volkes, die Natur oder den Wald zu verändern. Das heißt, dass Wälder durch den Willen von Menschen beschränkt werden (vgl. Kitamura 1996 (1995), S.9-14). Exkurs 3 Die landschaftsästhetischen Kategorien des Schönen, des Erhabenen, des Interessanten und des Nüchternen von Werner Nohl (Nohl 2001, S.16, S.38-43) Der Planungswissenschaftler Werner Nohl, der über Landschaftsästhetik forscht, beobachtet eine Steigerung der Bedeutung von Landschaft in der heutigen Zeit. „Die Nutzung von Freiflächen und Landschaft als Aufenthaltsräume im Freien ist noch nie so stark gewesen. ( ) Diese neue Bedeutung des Landschaftsbildes und der landschaftlichen Schönheit drückt sich auch in anderen Lebensbereichen aus. So ist etwa das Landschaftsbild heute zu einem wesentlichen Standortfaktor für die Ansiedlung von Betrieben in den Bereichen Gewerbe, Handel und quartäre Einrichtungen (Forschung, Wissenschaft und angelagerte Bereiche) geworden. Auch hat sich das Landschaftsbild zu einer wesentlichen Voraussetzung für Fremdverkehr und Tourismus, insbesondere für die „sanften“ Formen entwickelt. Schließlich spielt das 77 Landschaftsbild heute eine erhebliche Rolle im Bereich des alltäglichen Wohnens. Selten sind derart große Ansprüche an das Landschafts- und Ortsbild der engeren und weiteren Wohnumgebung gestellt worden“ (Nohl 2001, S.16). Nohl betrachtet die Landschaftsästhetik unter folgenden Kategorien (Nohl 2001, S.38-43). 1. Das Schöne: Die sich hinter dem Erkennen verbergende Erlebnismotivation ist beim Schönen auf einen ganz spezifischen Zustand von Landschaft ausgerichtet: Gesucht sind landschaftliche Räume, in denen - wie etwa in der traditionellen Kulturlandschaft - die beteiligten Elemente immer schon mehr oder weniger bekannt sind und vor allem sich für den Betrachter in einer ausgewogenen „harmonischen“, eben einer „schönen“ Ordnung befinden, die sich am besten aus einer gewissen Distanz betrachten lässt (Nohl 1998). 2. Das Erhabene: (Die) mit der großen Natur- und Umweltzerstörung nach dem Zweiten Weltkrieg wieder einsetzende starke Naturorientierung (hat) einen neuen ästhetischen Erlebensmodus entstehen lassen, ( ) Wie schon auf einer Brach- oder Sukzessionsfläche erlebbar, die der bewussten Kontrolle der Menschen wenigstens vorübergehend entzogen ist, liegt das ästhetische Faszinosum der neuen Erhabenheit wohl vor allem in der Selbstregulierungskraft, der Selbstproduktivität und der Eigendynamik der dort erlebbaren Natur (Nohl 1995, 1997a). 3. Das Interessante: Das Interessante am richtigen Ort mutet uns durchaus positiv an, selbst wenn es Hässliches einschließt. Modellhaft lässt sich das Interessante als ästhetischer Erlebensmodus am Topos der Baustelle. ( ) Im Bezug auf Landschaft spielt das Interessante als ästhetischer Erlebensmodus heute eine wichtige Rolle in industriell-urbanen Landschaftsbereichen und damit vor allem in den Ballungsräumen. 4. Das Nüchterne: Mit Blick vor allem auf die großen Flächen intensiver Agrarproduktion und die sonstigen modernen Nutzungen, die in Zukunft unsere Landschaften kennzeichnen werden, muss schließlich noch auf das Nüchterne als vierten wichtigen landschaftsästhetischen Erlebnismodus hingewiesen werden. ( ) Was diese Gebiete im ästhetischen Sinne derzeit meist auszeichnet, ist eine wahrnehmungszersetzende Leere und Monotonie einerseits und /oder eine ästhetisch ebenso zerstörerisch wirkende Ausstattung mit großtechnischen Einrichtungen (z.B. Straßen, Masten, Deponien) andererseits. Das Wahrnehmungsfeld dieses Landschaftstyps ist heute homogenisiert, reduziert und labilisiert. Die Elementarbedingungen des Ästhetischen, nämlich perzeptive Unterscheidungen zu treffen, sich damit orientieren, verständigen und emotional identifizieren zu können, sind kaum noch gegeben. Ästhetik ist hier weitgehend in „Anästhetik“ umgeschlagen (Welsch 1993). * Die Gedanken über den Aufbau des Images von Orten in dieser Forschungsarbeit, dass Menschen die physischen Dinge als Information aufnehmen, in ihrem Gehirn die Information mit ihren Erfahrungen und Vorstellungen verarbeiten und das Image des 78 Ortes konstruieren, stammen von Hidaka, Corbin, Berque und Böhme. Aus der Wahrnehmung von Orten entstehendes Verhalten von Menschen und der Einfluss auf Regionen und Landschaften ist von den Theorien von Ipsen und Kitamura stark beeinflusst (vgl. Ipsen 1986, Ipsen 1997, Ipsen 2000c, Ipsen 2004, Kitamura 1996 (1995)). Bei der Betrachtung regionaler Ressourcennutzung in dieser Forschungsarbeit ist die Theorie von Hidaka, dass die Wahrnehmung der Umwelt von Tieren und Menschen eine Illusion sein könnte, sehr interessant (vgl. Hidaka 2004 (2003)). Auch die Beobachtung der Landschaftsästhetik von Nohl ist von Interesse, dass man „Harmonisches“ oder „Schönes“ am besten aus einer gewissen Distanz betrachtet (vgl. Nohl 1998). Weil bei der Wahrnehmung „Poetischer Orte“, die durch die Sammlung, die Produktion, das Verarbeiten und das Verkaufen heimischer Ressourcen in Bergregionen entstehen, realistische „Poetische Orte“ und „Poetische Orte“ als Illusion mit ländlicher Nostalgie gekreuzt werden können. Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 Siehe „II - 1.2. Tradition und Innovation bei „Schutz durch Nutzung“ in Bergregionen „Topophilia” wurde 1974 an der Anfangsphase der Naturschutzbewegung herausgegeben. Der Autor hat versucht, die Wertschätzung und das Verhalten vom Mensch zur Umwelt in unterschiedlichen Kulturen zu verstehen und die Orte mit dem Reichtum des Landes, der kommunikativen Nachbarschaft oder dem geistlichen Stadtleben vorzuschlagen (vgl. Tuan 1995 (1974)). Tuan 1976 A Theme in Man's Attachment to Nature and to Place, Geographies of the Mind und Norberg-Schulz 1980 Genius Loci. „Für ein schönes Leben braucht man Orte, die in der Erinnerung bleiben. Man muss bedenken, wo man steht und wie die Eigenschaft seiner Umgebung ist. So kann man sich besser kennen und damit die Beziehungen mit anderen Menschen tiefer pflegen (Lyndon u. Moore, 1996, S.2). Über den Nationaltrust siehe „II. - 2.9. Die Rolle von „Poetischen Orten“ in der Planung“. Über das Ökomuseum siehe „II. - 2.9. Die Rolle von „Poetischen Orten“ in der Planung“. Der Übersetzer von „ Existence, Space and Architecture “ erklärt, dass „the pragmatic space of physical action“, „the perceptual space of immediate orientation“ und „the existential space which forms man’s stable image of his environment“ aus den Theorien des Soziologen Talcott Parsons und dem Psychologen Jean Piaget stammen. „The cognitive space of the physical world“ und „the abstract space of pure logical relations“ sind aus dem Schema von Piaget (vgl. Kato 2004 (1973)). 79 4. Modernisierung in Japan und Veränderung von Stadt und Land und Produktion und Verbrauch 4.1. Geographische Merkmale Japans Japan besteht aus einer vulkanischen Inselkette mit vier Hauptinseln und ca. 7000 kleinen Inseln. Es liegt auf 24 Grad bis 46 Grad nördlicher Breite und erstreckt sich auf einer Länge von fast 3.000 Kilometern von Norden nach Süden. Die Klimazonen Japans reichen von der tropischen Zone bis zur Subpolarzone. Ein großer Teil Japans ist von vier sich deutlich unterscheidenden Jahreszeiten beeinflusst. Der Niederschlag beträgt über 1.000 Millimeter im Jahr. Auf der Seite zum Japanischen Meer schneit es viel. Das Land hat eine Fläche von 378.000 Quadratkilometern. Ca. 60 % der Landfläche ist gebirgig und ca. 10 % der Landfläche ist hügelig. Die Flüsse fließen schnell und erosiv. Ca. 60 % der Landfläche, hauptsächlich Gebirge, ist bewaldet. Der Reisanbau ist hauptsächlich auf dem Flachland verbreitet. Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei sind seit den 1970er Jahren mit der Industrialisierung zurückgegangen. Japan hat 126 Millionen Einwohner (vgl. Berque 1998 (1986), Statistic Bureau 2008a). 4.2. Veränderung von Stadt und Land 4.2.1. Verstädterung Nach der Öffnung des Landes im Jahr 1868 ist in Japan die Meiji-Regierung (1868-1912) an der Macht gewesen. Diese Regierung hat das kapitalistische Produktionssystem eingeführt. Sie hat für die Entwicklung des Systems die Zentralisation auf Tokio als neuer Hauptstadt Japans aufgebaut 1 (vgl. Ishikura 2000, S.1-4). Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg ist Japan aus einem, durch den Krieg verwüsteten Land wirtschaftlich wieder aufgelebt. Die zentralistische Organisation ist nach dem Krieg beibehalten worden. Seit Mitte der 1950er Jahren wuchs die japanische Wirtschaft schnell. In den 1960er Jahren beschleunigte sich die Rationalisierung der Produktion (vgl. Mizutani 1998 (1991), S.67-74, Ishikura 2000 (1999), S.1-4). In den 20 Jahren von 1953 bis 1973 wuchs die japanische Wirtschaft mit einer jährlichen Durchschnittsrate von 10 % (Schmiegelow 1989 (1986), S.32). Die Regierung hat mit Landeserschließungspolitik die Industrialisierung weiter gefördert. Sie hat das Kapital im Flachland, dessen Lage für die Industrie Vorteile hat, hauptsächlich am pazifischen Ozean konzentrieren lassen. Die Struktur der Produktion ist vom “Primary sector of economic activity” zum “Secondary und Tertiary sector of industry” gewandert. Die großen Firmen gewinnen ausschließlich mit dem Vorteil der Agglomeration in Städten (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1996, S.172-181). Bei hohem Wirtschaftswachstum hat sich die Arbeitskraft von jungen Menschen in den Städten und ihrer Umgebung konzentriert. Im Jahr 1945 lebten 28% der Einwohner 80 Japans in Städten. Im Jahr 1975 ist diese Quote schnell auf 75 % gestiegen. In den Städten sind Probleme durch die Konzentration von Wirtschaft, Produktion und Population entstanden. Auch massive Umweltprobleme sind durch die Industrialisierung aufgetaucht. Weitere Probleme waren der Mangel an Wohnungen und die Steigerung der Grundstückpreise, der Mangel an Wasser, Grünflächen, Mülldeponien und Kläranlagen oder Verkehrsstaus (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1996, S.172-181, Mizutani 1998 (1991), S.105-112). Man reagierte auf diese Probleme mit zahlreichen Maßnahmen und dennoch existieren sie noch heute. Das japanische Wirtschaftswachstum ist Anfang der 1970er Jahre mit dem Nixonschock und der Ölkrise gebremst worden und hat sich danach verlangsamt. Seit den 1980er Jahren sind viele Firmen multinationale Konzerne geworden und viele Fabriken sind ins Ausland abgewandert. Dadurch ist der Siedlungsdruck auf die Städte gesunken. Auf der anderen Seite wurde mit dem Plaza-Abkommen von 1985 die expansive Geldpolitik für den Schutz von japanischen Exportfirmen mit der Aufwertung des japanischen Yen geschlossen. Damit wurden Investitionen in japanische Aktien und Grundstücke aktiviert. Durch den riesigen Wertzuwachs im Börsen- und Immobilienbereich haben die Aktienund Grundstückbesitzer hohe Erlöse erzielt. Damit wurde der Verbrauch aktiviert und es ist innerhalb von ein paar Jahren eine große Spekulationsblase entstanden. Nach dem Platzen der Spekulationsblase wächst die japanische Wirtschaft sehr langsam und der Gewinn konzentriert sich bei Großkapitalisten. Der Arbeitsvertrag bis zur Pension, wie er bei den Firmen in Japan üblich war, ist abgeschafft worden. Durch die Verbreitung von kurzfristigen Arbeitsverträgen steht Japan heute vor dem Problem der Working Poor (arbeitende Arme) (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1996, S.172-181, Mizutani 1998 (1991), S.187-201). 4.2.2. Vororte In Japan wurden seit den 1920er Jahren durch Investitionen von privaten Firmen Wohnsiedlungen mit Eisenbahnlinien erschlossen 2 (vgl. Bourdier 1993 (1992)). Man erkennt bei der Erschließung der Siedlungen den Einfluss der Gartenstadt von Ebenezer Howard. Die Siedlungen sind ohne Kontext zur Landschaft geplant worden, wie z.B. Denenchofu in Tokio (vgl. Berque 2004 (1989), S.148). In der Hochphase des Wirtschaftswachstums sind die Vororte um Tokio und um andere Ballungsgebiete errichtet worden, um das Verdichtungsproblem zu lösen. Im Jahr 1955 sind erste öffentliche Siedlungsbau-Kooperationen (Anm.: ab 2004 heißen sie Urban Renaissance Agency) gegründet worden. Sie haben in 20 Jahre 500.000 Wohnungen gebaut. Die monotonen Ortsbilder der neuen Siedlungen mit industriell hergestellten Fertigbauten oder mit Hochhäusern sind in Japan weit verbreitet. Die Siedlungen sind Trabantensiedlungen. Wohnort und Arbeitsplatz sind getrennt und die Kernfamilie hat 81 sich verbreitet (vgl. Miura 2005 (2004)). Die Bewohner in Vororten um Ballungsgebiete pendeln dicht gedrängt in öffentlichen Verkehrsmitteln und die Bewohner der Vororte um kleine bis mittelgroße Städte pendeln mit dem PKW. Die großen Einzelhandelsgeschäfte, wie Supermärkte, sind in den 1960er Jahren entstanden. Sie sind in Japan in den 1980er Jahren von der Stadt in die Vororte ausgewandert. An Bundesstraßen (Anm.: staatlichen Straßen) stehen heute in endlos erscheinenden Reihen große Einzelhandelsgeschäfte, Pachinko-Spielhallen (Anm.: Halle mit Glücksspielautomat) und Autohändler. Ihre Gebäude sind von provisorischem Charakter und mit billigen Materialien gebaut. Der Wissenschaftler für Konsumgesellschaft Atsushi Miura bezeichnet das Landschaftsbild von Vororten, das heute typisch geworden ist, als „Fast-food-Landschaft“ (vgl. Miura 2005 (2004), Mizutani 1998 (1991), S.130-134). Es ist wissenschaftlich beobachtet worden, dass man in den neuen Siedlungen der Vororte wenig Kontakt oder nur oberflächliche Beziehungen mit der Nachbarschaft pflegt. Jugendliche in den neuen Siedlungen haben Schwierigkeiten ihre Identität zu finden und ihre Umgebung versagt ihnen jeglichen Halt (vgl. Miura 2005 (2004), Sato 2000, Kanetoshi 2007). 4.2.3. Landflucht und das Sterben von Dörfern auf dem Berg und auf dem Land 3 Seit Ende der 1950er Jahren sind viele junge Menschen aus Dörfern in große Städte abgewandert. Sie haben den Wirtschaftswachstum durch die Industrialisierung unterstützt. Auf der anderen Seite haben Bauern-, Berg- und Fischerdörfer Probleme mit der Landflucht. In Bergregionen war die Forstwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig. Sie ist aber in den 1960er Jahren wegen dem Wechsel der Energie von Holzkohle zu Steinkohle oder Erdöl und die Verbreitung von Holzimport zurückgegangen. In den 1960er Jahren sind in den Bergdörfern Arbeitsplätze durch den Bau von Straßen oder öffentlichen Einrichtungen entstanden. In den 1970er Jahren haben Fabriken, die Teile von Maschinen produzieren und zuliefern, Arbeitsplätze angeboten. In dieser Zeit ist auch traditionelles Handwerk gefördert worden 4. In den 1980er Jahren sind große Erholungsgebiete erschlossen worden. Im Zuge dessen ist ein starkes Gefälle zwischen den Regionen entstanden. Einige Regionen haben durch das Gewerbe, Massentourismus oder Pendler ihre Einwohnerzahl konstant halten können. Aber der überwiegende Teil der Regionen hat wegen ihrer benachteiligten Lage keine Möglichkeiten gefunden, dass die Bewohner in den Regionen weiter ausreichend Arbeit haben. Seit den 1980er Jahren sind viele Fabriken in benachbarte asiatische Länder abgewandert und die meisten Gewerbe in Bergregionen in Japan sind zurückgegangen. Es gibt kaum noch öffentliche Aufträge für Baumaßnahmen (vgl. Shinohara 2001, S.9-27, Hobo 2003 (1996), S.19-22, Tarumi 2007 (2006), S.283-297, Miura 2005 (1999)). In der gegebenen Situation hat man in den 82 Bergregionen heute kaum Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Die Landflucht seit den 1950er Jahren ist geprägt davon, dass junge Menschen zur Ausbildung oder für den Beruf in die Stadt abwandern. Seit Ende der 1980er Jahren ist die Sterberate in den Dörfern größer als die Geburtenrate. Dadurch verringert sich die Einwohnerzahl in den Dörfern. In den 1990er Jahren bedeckten die Regionen mit dem Problem von Landflucht etwa die Hälfte der Landfläche Japans. Dort wohnen nur 7 % der Bevölkerung. Seit dem Ende der 1990er Jahre wandert die letzte Generation, die in den Dörfern verblieben sind, aus Altersgründen ab. Dadurch sterben heute die Dörfer (vgl. Hobo 2003 (1996), S.14, Sato 2001a (1997)). Für die Beseitigung des wirtschaftlichen Gefälles zwischen großen Städten und ländlichen Gebieten ist im Jahr 1950 ein Gesamtplan für die Landeserschließung erstellt worden. In der Mitte der 1960er Jahre hat die japanische Regierung die Landflucht als Sozialproblem erkannt. Seit 1962 hat sie fünf Rahmenkonzepte für Landeserschließung erstellt, aber ihre Ziele nicht erreicht. Über die Landflucht vertrat die Regierung in den 1960er Jahren die Meinung, dass die Existenz von Dörfern in hintersten Provinzen problematisch sei. Sie hat die Gemeinden und Dörfer Satzungen für die Auflösung dieser Dörfer erstellen lassen (vgl. Sakai 1998, S.62-63). Ende der 1960er Jahre hat die Regierung die Schließung solcher Dörfer subventioniert (vgl. Sato 2001a (1997)). Auf der anderen Seite werden Maßnahmen gegen die Landflucht seit den 1970er Jahren durchgeführt. Manche Gemeinden oder Dörfer hatten aber damals schon wegen dem Verlust von jungen Menschen keine Kraft mehr für den Wiederaufbau der Gemeinden oder Dörfer. Die Existenzbedrohung der Dörfer in ländlichen Regionen und Bergregionen wird immer stärker (vgl. Hobo 2003 (1996), S.13-22). Über die Existenz der Dörfer in ländlichen Regionen und Bergregionen wird heute noch in den Gemeinden und Dörfern politisch diskutiert, je nach den Bedingungen der Lage oder dem Zustand der Landflucht, ob die Dörfer weiter mit der Investition von öffentlichen Geldern existieren oder aufgelöst werden sollen. 4.3. Veränderung der Produktion und des Verbrauchs 4.3.1. Wandel zur Konsumgesellschaft In Japan haben sich industrielle Technik, industriell gefertigtes Material und Massenmedien in den 1950er Jahren zu Zeiten hohen Wirtschaftswachstums entwickelt. Mit den Entwicklungen und der Erhöhung von Einnahmen ist die wirtschaftliche Struktur mit Massenproduktion und Massenverbrauch entstanden. In den 1960er Jahren haben Fernseher, Waschmaschine, Kühlschrank usw. in den Familien sowohl in der Stadt als auch in ländlichen Gebieten schnell Verbreitung gefunden. Damit wurde das Leben modernisiert und rationalisiert. Gleichzeitig haben sich Geschirr und Gefäße aus Kunststoff und Möbel aus geleimten Holzplatten oder aus Stahl verbreitet. Der Alltag 83 wurde ohne Kontext mit der Landschaft standardisiert. Vor dem Zweiten Weltkrieg ist man, auch aus Mangel, mit Materialien sparsam umgegangen oder hat langlebige Waren benutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber hat sich die Denkweise plötzlich geändert und man wirft die Waren oft schon nach kurzer Zeit weg. Die Kriterien nach denen die Auswahl der Produkte erfolgt, sind der Preis, die Neuartigkeit, die Mode usw. (vgl. Zentrum für die Aktivierung der Produktion in Tohoku 2004, S.20-23, Mizutani 1998 (1991), S.112-130, Shimamura 2006, S.20-49). Seit den 1970er Jahren wächst die japanische Wirtschaft langsam. Die Einnahmen steigerten sich langsamer und die Preise stiegen. Durch das Sinken der Preise von Importwaren aber, die mit der Aufwertung des Yen drastisch verbilligt wurden, konnte man den Eindruck bekommen, dass sich die Preise stabilisierten (vgl. Mizutani 1998 (1991), S.204). Durch die Veränderung des Lebensstils, bei dem man die Stadt oder Europa als Leitbild vor Augen hatte, veränderten sich in den 1960er Jahren auch die Essgewohnheiten. Die Menge des Verzehrs von Getreide ist zurückgegangen, aber der Verbrauch von tierischem Eiweiß, besonders Fleisch, Eiern und Milchprodukten ist gestiegen 5. Mit der Verbreitung des Gefrierschranks fanden tiefgefrorene Lebensmittel schnell Verbreitung. Durch die Konzentration der Population in den Städten, die Vermehrung der Zahl der Frauen unter den Angestellten und die Mechanisierung des Haushalts wurde die Küche zu Hause oder in der Gaststätte, besonders in der Stadt, standardisiert. Seit den 1970er Jahren stieg die Nachfrage nach Essen außerhalb des Hauses, Fastfood, Gaststättenketten und verpackten Gerichten aus dem „convenience store“ 6 usw., die billige importierte Lebensmittel verwenden, haben sich verbreitet (vgl. Shimamura 2006, S.20-49). Auch bei der Kleidung ist in den 1950er Jahren durch die Verwendung von Kunstfasern das System der Massenproduktion eingeführt worden. Seit den 1970er Jahren kaufen die Verbraucher viele Kleider billig und in großer Vielfalt. Massenproduktion und vielfältige Produktion entstanden gleichzeitig. Luxuskleider mit vielfältigem Geschmack sind auch bei Konsumenten beliebt und die Mode wechselt in Schwindel erregendem Tempo (vgl. Ohashi 2007, Mizutani 1998 (1991), S.116-130). Bei dem Bau von Wohnhäusern haben in den 1950er Jahren die Firmen für Fertigbau neue Baumaterialien, wie z.B. Stahl oder Kunststoff, eingeführt. Bereits in den 1970er Jahren waren die Systeme von Massenproduktion und Massenvermarktung von Fertigbauten weit entwickelt. Heute sind 40 % der Wohnhäuser Holzbauten 7, aber das Bauholz wird importiert und vieles davon ist Leimholz (vgl. Matsumura 1999, S.117, S.236-240). Wie oben erwähnt, hat sich die japanische Gesellschaft binnen weniger Jahrzehnte von einer Produktionsgesellschaft mit minimalem Verbrauch zu einer Konsumgesellschaft gewandelt. Dadurch haben Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei ihre wirtschaftliche Bedeutung verloren 8. 84 4.3.2. Industrialisierung und Veränderung des regionalen Gewerbes Seit dem großen Wirtschaftswachstum produzieren japanische Firmen Industriewaren, wie z.B. Autos, elektrische Geräte oder Teile dafür, chemische Produkte aus importiertem Erdöl oder Stahl, und exportieren sie. In Japan haben weltweit führende Firmen des Autound Motorradbaus ihren Sitz. Wie oben erwähnt, konzentrieren sich solche Firmen in wenigen großen Industriegebieten (vgl. Itagaki Hrsg. 1980, S.59-60). Japan ist den Weg der globalen Standardisierung mitgegangen. Damit haben japanische Unternehmen Erfolg (vgl. Levitt 1984a). Es sind aber in Japan die großen Unternehmen und Konzerne, die erfolgreich sind. Die lokalen Industriebetriebe und das lokale Gewerbe9 haben in Japan mit der Globalisierung Schwierigkeiten. Viele dieser Betriebe veränderten in der Mitte der 1950er Jahre bis in die 1970er Jahre ihre Produktpalette. Lokale Produzenten konnten durch Innovationen den Wandel der Zeit überleben (vgl. NIRA 1981, S.185-187). Sie bekommen Impulse von außerhalb der Region. Diese Anstöße werden verarbeitet und bringen Innovationen hervor 10. Die Innovationen von Unternehmen waren in der Region untereinander verbunden (vgl. Hatsuzawa 2005, S.56-70, von Miyakawa 2005). Allerdings haben sich lokale Industrie und Gewerbe im modernen Kapitalismus so entwickelt, dass sie sich vergrößern, sich zu nationalen Industrie- und Gewerbekonzernen entwickeln und sich in den staatsmonopolistischen Kapitalismus 11 einreihen. In den 1980er Jahren gab es kaum noch lokale Industrie und Gewerbe, die ihr Kapital, Material, ihre Technik, Produktionsstruktur, die Arbeitskraft und den Markt in der Region gefunden hätten (vgl. Kitamura 1980, S.212-213). Der Ökonom Yamazaki hat Regionen der Maschinenbauindustrie, die in Japan eine der Hauptbranchen ist, als Beispiele genommen und Agglomerationen von Unternehmen in Japan untersucht. Die Unternehmen der Maschinenbauindustrie in Japan verbinden sich vertikal in den Regionen. Es gibt ein führendes Unternehmen an der Spitze und die anderen Unternehmen fungieren als Zulieferer. Die Struktur der vertikalen Beziehungen ist mit Massenproduktion und Rationalisierung verbunden worden. In der Folge wurde die lokale Industrie im internationalen Wettbewerb geschluckt und ist geschwächt worden (vgl. Yamazaki 1977, Hatsuzawa 2005, S.54-56). 4.3.3. Veränderung der Landwirtschaft Es gibt ca. 3 Millionen landwirtschaftliche Betriebe in Japan. Sie bewirtschaften 48.000 Quadratkilometer Fläche, was etwa 13 % der Landesfläche entspricht. Der Ertrag an Reis beziffert sich auf ca. 9 Millionen Tonnen (Stand 2003, vgl. Statistics Bureau 2008a). Wie oben erwähnt, sind viele Arbeitskräfte politisch mit der Entwicklung der Schwerindustrie in den 1950er Jahren von ländlichen Gebieten zu industriellen Gebieten umgewandelt worden. Für das Fließen der Arbeitskraft ist im Jahr 1961 das Basisgesetz für 85 Landwirtschaft eingeführt worden. Mit dem Gesetz wurde die Produktion von Reis und Getreide als Hauptprodukt mit Obst, Zierpflanzen, Tierzucht usw. erweitert. Die Betriebe haben sich zur Intensivierung der Bewirtschaftung vergrößert. Das Gefälle des Einkommens zwischen den Landwirten und sonstigen Branchen wurde durch Preissteuerung von landwirtschaftlichen Produkten ausgeglichen. Durch diese Politik sind die Mechanisierung des Landbaus, die Einführung chemisch synthetisierter Düngemittel und chemisch synthetisierter Pflanzenschutzmittel, die Einführung des Gewächshauses und der Aufbau von regionalen Markenprodukten mit Monokulturen gefördert worden. Für die Steigerung des Einkommens von einzelnen Landwirten wurde der Ausstieg aus der Landwirtschaft gefördert. Im Jahr 1967 hat die Regierung mit dem Gesetz für die Kontrolle von Lebensmitteln den Preis für Reis, das Hauptnahrungsmittel Japans, unter die Kontrolle des Staates gestellt. Auf der anderen Seite ist Überproduktion durch die Intensivierung der Produktion entstanden. Seit 1971 ist die Produktionsmenge beschränkt und die Fläche des Reisanbaus reduziert worden. Die Verringerung des Einkommens aus der Landwirtschaft wurde mit Subventionen ausgeglichen. So ist die Landwirtschaft rationalisiert und intensiviert worden. Dadurch sind von der Schwerindustrie Arbeitskräfte mit hohem Gewinn abgeworben worden und die Effektivität der Produktion mit billigen Materialien aus dem Ausland ist gefördert worden (vgl. Hobo 2003 (1996), S.19-21). Seit Anfang der 1980er Jahre ist jedoch eine Sanierung der staatlichen Kassen nötig geworden. Gleichzeitig sind Investitionen im Ausland aktiviert worden. Aus diesen Gründen gab es eine Wende in der Landwirtschaftspolitik. Die Subventionen für die Landwirtschaft sind verringert und die Finanzen der Lebensmittelkontrolle sind verändert worden. Im Jahr 1990 wurde der Markt für Reis geöffnet. Im Jahr 1986 ist mit der Uruguay-Runde des GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen, General Agreement on Tarifs and Trade) begonnen worden. Japan hat den Import von landwirtschaftlichen Produkten nach und nach freigestellt (vgl. Hobo 2003 (1996), S.19-28). Nach dem Plaza-Abkommen von 1985 ist der japanische Yen aufgewertet worden. Damit stieg der Import landwirtschaftlicher Produkte immer weiter. Die Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten steuert das amerikanische Kapital und multinationale Unternehmen auch mit Kapital japanischer Handelsfirmen. Diese investieren in die Erschließung der Landwirtschaft in Entwicklungsländern. Seitdem importiert Japan den überwiegenden Teil seiner land- und forstwirtschaftlichen Produkte (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1999, S.14-15). Im Jahr 1993, sieben Jahre nach dem Anfang der Uruguay-Runde des GATT, hat Japan schließlich einen Teil seines Reisimports freigegeben. Im Jahr 1993 hat Japan wegen schlechter Ernten spontan riesige Mengen an Reis importiert. Die schlechte Ernte wurde durch einen kalten Sommer verursacht und die Importe sind nicht auf den Einfluß des GATT zurückzuführen. Dennoch hat dieser Import 86 die sozialen und politischen Diskussionen aufflammen lassen. Die Landwirtschaftspolitik mit ihrer Produktionsbeschränkung, die trotz der Vermehrung brachgefallener Landwirtschaftsfläche mit der Überalterung der Landwirte und dadurch entstandener Verringerung der Produktion beibehalten wurde, ist in die öffentliche Kritik geraten. Der Mangel an staatlichen Reisspeichern ist ebenfalls als problematisch angesehen worden (vgl. Hobo 2003 (1996), S.19-28). Im Jahr 1999 ist ein neues Basisgesetz für Landwirtschaft, ein Gesetz für Lebensmittel, Landwirtschaft und Bauerndörfer eingeführt worden. Das Gesetz zielt auf nachhaltige Landwirtschaft im Inland, das heißt, durch die Entwicklung der Landwirtschaft die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern und gleichzeitig das Land und die Natur zu pflegen. Im Gesetz sind die vielfältigen Funktionen, die öffentlich wichtig sind, anerkannt worden. Die Notwendigkeit zum Aufbau eines Produktionssystems mit diesen Funktionen ist gesehen worden (vgl. Shinohara 2000, S.11). Im Jahr 2000 hat man mit staatlichen Direktzahlungen für die Landwirte in benachteiligten Bergregionen für die Erhaltung der Landwirtschaft und Bauerndörfer angefangen. Die Bezahlung fließt in die Dörfer. Es gibt aber Dörfer, die schon keine Kraft mehr haben, um die nötigen Vereinbarungen zu schließen. Dafür werden heute Maßnahmen gesucht (vgl. Tarumi, S.291). Die übrige landwirtschaftliche Produktion außerhalb der Lebensmittelproduktion liefert in der Hauptsache Rohstoffe für das Handwerk im lokalen Gewerbe. Mit der Verringerung der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft ist auch die arbeitintensive Produktion von Materialien für das Handwerk, die früher Nebenprodukte waren, zurückgegangen. Außerdem sind die Materialien für Handwerkswaren durch die Industrialisierung durch Kunstfasern, Kunstlack, Kunststoffe etc. ersetzt worden. Die Beziehungen zwischen dem lokalen Gewerbe und der landwirtschaftlichen Produktion mit der Versorgung mit Materialien ist außer in ein paar wenigen Regionen, wo sich traditionelle handwerkliche Produktion erhalten hat, während der 1950er Jahre innerhalb kurzer Zeit verschwunden (vgl. Aita 1980, S.39-40). 4.3.4. Veränderung der Forstwirtschaft und Nachfrage nach Holz Die Waldflächen Japans bedecken ca. 251.000 Quadratkilometer. Sie nehmen 67 % der Landfläche ein (Stand 2005, vgl. Statistics Bureau 2008a). Es gibt verschiedene Klima-, und damit auch Vegetationszonen nebeneinander, sie Spanne reicht von den Subtropen mit ihren immergrünen Hartlaubwäldern, über die warmgemäßigte mit immergrünen Laubmischwäldern und kaltgemäßigte Zone mit laubabwerfenden Mischwäldern (Anm.: wie in Nordjapan) bis hin zu Wäldern in der Subpolarzone mit immergrünen Koniferen. Auch vertikal betrachtet, finden sich verschiedene Vegetationszonen vom Tiefland bis an 87 die Küste oder Strände und bis zum Hochland in Gebirgen von über 3.000 m Höhe. Japan hat hohe Niederschläge. Die Temperatur schwankt im Lauf der Jahreszeiten mitunter stark. Japan ist eine Inselkette, die von Süden nach Norden verläuft, geografisch steil und vielfältig ist. Unter diesen Bedingungen existieren vielfältige Wälder (vgl. Onodera 2004). Die Urwälder Japans sind beim Bau der Hauptstadt usw. in der Vergangenheit großflächig gerodet worden. So sind z.B. schon im 8. Jahrhundert die Wälder in Suo und um den Biwako-See in Westjapan für den Bau der Hauptstädte Nara oder Kioto gerodet worden (Anm.: in dieser Epoche wurden hintereinander mehrere Hauptstädte gebaut und wieder aufgegeben). Im 16. Jahrhundert ist unter der Regierung von Shogun Hideyoshi Toyotomi der Holzmarkt aufgebaut worden und dabei sind die Wälder in Kiso, Akita, usw. abgeholzt worden. In der Edo-Periode, besonders im 17. Jahrhundert, sind die Wälder in verschiedenen Regionen für den Bau von Häusern und die Erschließung von Siedlungen gerodet worden. Nach der Rodung der Urwälder ist die Forstwirtschaft eingeführt worden (vgl. Ihara 2005 (1997)). Über die Forstwirtschaft in Japan schreibt Mochida Folgendes: Manche Wälder sind seit dem 18. Jahrhundert für die Holzproduktion als Forste genutzt worden. Es gibt bekannte Forstregionen mit solchen Wäldern. Die meisten Forste aber sind nach dem Zweiten Weltkrieg gepflanzt worden. Typische Forstbäume sind die Japanische Zeder (Cryptomeria japonica D.Don.), die Japanische Zypresse (Chamaecyparis obtuse Endl.), die Japanische Rot-Kiefer (Pinus densiflora Siebold et Zucc.), die Japanische Lärche (Larix kaempferi Carrière), die Sachalin-Tanne (Abies sachalinensis Mast.) usw. Die Fläche der Forste von 104.000 Quadratkilometern nimmt 41 % der Waldfläche ein (Stand 1995). Das Wachstum des Waldes mit Naturwald beträgt im Jahr 91 Millionen ㎥. Der Forst ist die Basis der Holzproduktion. Aber Cellulose für die Papierproduktion und Möbel werden auch aus den Hölzern des Naturwaldes gewonnen. Der Wald ist zu 60 % in Privatbesitz, 30 % gehören dem Staat und 10 % den Präfekturen und sonstigen. Die Privatwaldbesitzer stellen die größte Gruppe unter den Waldeignern. Privatwaldbesitzer besitzen kleine Wälder. 60 % der Privatwaldbesitzer besitzen unter einen ha Wald und 90 % besitzen unter 5 ha Wald. Viele Waldbesitzer, die früher Landwirte waren, sind nicht mehr in der Landwirtschaft beschäftigt. Sie wohnen heute auch nicht mehr in den Dörfern. Deshalb bewirtschaften sie ihre Wälder nicht mehr. Seit 1971 schreibt die staatliche Forstwirtschaft durch den Import von vielen billigen Hölzern und der Verschlechterung der Forstwirtschaft im Inland rote Zahlen. In Japan werden ca. 3 ㎥ Rohholz pro Arbeiter und Tag (Stand 1994) geerntet. Das ist im Vergleich mit Europa oder anderen Ländern mit Forstwirtschaft sehr gering. In Japan sind die Wälder 88 von kleinen Waldbesitzern weit verstreut. Deshalb können nur kleine Waldflächen bewirtschaftet werden, was uneffektiv ist. Die Wälder liegen meistens an steilen Hängen, weswegen man auch kaum Maschinen mit vielfältigeren Funktionen einsetzen kann. Der Anteil von Selbstversorgern mit Holz ist auf 21 % gesunken (Stand 1998) (vgl. Mochida 2004a, S.782-784). Es gibt verschiedene Forstregionen in Japan. Besonders viele davon liegen in Süd-, Westund Mitteljapan. Im Westen gibt es den Yoshino-Forst in der Präfektur Nara, den Kitayama-Forst in der Präfektur Kioto, den Kitoh-Forst in der Präfektur Tokushima, den Chizu-Forst in der Präfektur Tottori, den Owase-Forst in der Präfektur Mie usw. Im Süden gibt es den Obi-Forst in der Präfektur Miyazaki, den Oguni-Forst in der Präfektur Fukuoka usw. In Mitteljapan gibt es den Tenryu-Forst in der Präfektur Shizuoka, den Tomina-Forst in der Präfektur Toyama usw. Die Regionen liegen in der Nähe von Städten und Flüssen, denn früher hat man die Rundhölzer auf dem Fluss transportiert (vgl. Shidei 1985, S.83). Der Yoshino-Forst ist für die japanische Forstwirtschaft repräsentativ. Die Region wurde seit Anfang des 18. Jahrhunderts als Forstregion entwickelt. Dort werden Zedern produziert. Man pflanzt die jungen Zederbäume sehr dicht, ca. 7.000 Stück pro ha. Die Bäume werden ca. zehnmal in 100 Jahren durchforstet. Jede Stammdicke hat einen eigenen Vermarktungsweg (vgl. Takahashi u. Sakanoue -, Izumi 2004). Im Kitayama-Forst in Kioto ist seit dem 14. Jahrhundert Bauholz für die traditionellen, handwerklich äußerst anspruchsvoll gefertigten Teehäuser aus Zedern produziert worden. Heute produziert man in der Region dekoratives Bauholz für traditionelle Zimmer normaler Wohnhäuser. Der Stamm wird nach dem Entrinden immer wieder mit Wasser gewaschen. Dadurch entstehen glatte, runde, dekorative Oberflächen (vgl. Mochida 2004b, S.190). Das Ministerium für Forstwirtschaft nimmt diese aus Westjapan stammende Wirtschaftsform als Musterforstwirtschaft und führt sie in Forstregionen in ganz Japan ein (Muramatsu 2006). Auf der anderen Seite gibt es auch im Osten und Norden Forstregionen wie z.B. den Shimokita-Forst mit dem Hiba-Lebensbaum (Thujopsis dolabrata var. hondae) in der Präfektur Aomori, den Kiso-Forst mit japanischen Zypressen in der Präfektur Nagano usw. (vgl. Shidei 1985, S.90). Seit Ende der 1990er Jahren sind neue Forstregionen aufgebaut worden. Z.B. haben die Gemeinde Sumita und das Dorf Kawai in der Präfektur Iwate angefangen, aus den Wäldern, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgeforstet worden sind, Holz zu ernten, davon Leimholz zu produzieren und es zu vermarkten (vgl. Murao 2005, S.226-246). Die Nachfrage nach Holz ist in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Wirtschaftswachstum gestiegen. Im Jahr 1973 erreichte der Verbrauch seinen Höhepunkt mit 120 Millionen ㎥. In diesem Jahr brach aber die Ölkrise aus und seitdem wächst die 89 japanische Wirtschaft- wie bereits angedeutet- langsamer. Seit 1973 blieb die Menge konstant bei 100 Millionen ㎥. In den 1960er Jahren, während des Wirtschaftswachstums, ist die Nutzung von Holz (Holzkohle) als Brennmaterial zurückgegangen. Baumaterialien, Eisenbahnschwellen, Strommasten, Schiffe, Waggons, Kisten, Fässer usw., die aus Holz gebaut worden sind, sind seither aus Kunststoff, Stahl, Beton usw. gemacht worden. Auf lange Sicht ist der Anteil von Baumaterialien gewachsen, die nicht aus Holz produziert sind und damit die Nachfrage an Bauholz gesunken. Allerdings hat sich durch den erhöhten Papierverbrauch die Nachfrage an Cellulose gesteigert. 2004 betrug die Nachfrage nach Holz in Japan 90 Millionen ㎥. Davon sind 40 % für die Cellulosegewinnung, 40 % Massivholz, 15 % Span- und andere Platten aus Holz. (vgl. Mochida 2004a, S.782-784, Shimase 2007 (2006), S.76, S.78). Die Wälder, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgeforstet worden sind, sind heute schlagreif. Mit dem Wirtschaftswachstum Chinas und anderer Ländern und mit der Expansion der europäischen Wirtschaft ist das Angebot an Materialien auf dem Weltmarkt gesunken. Der Transport mit dem Schiff ist teurer geworden und der Yen abgewertet worden. Aus diesen Gründen ist der Preis von Holz aus dem Inland relativ gesunken und hat auf dem Markt in Japan einen Vorteil (vgl. Shimase, 2007 (2006), S.114). Die Zahl der Sägewerke in Japan geht zurück aber manche große Unternehmer expandieren. Sie bauen ein System für die Versorgung der Firmen für Fertigbau mit Holz auf. Sie sortieren auch ihre Produkte gründlich nach Qualitäten und damit erreichen sie mehr Profit. Die Sägewerke für Massenproduktion konzentrieren sich in bestimmten Gebieten und so sind neue Regionen für die Holzproduktion entstanden (vgl. Shimase 2007 (2006), S.105). 4.4. Räumliche Merkmale durch Landnutzung in Bergregionen und ihre Veränderung Die japanische Inselkette hat eine komplizierte Topographie. Nach dem Gerographen Hirohiko Hasegawa sind einzelne topographische Einheiten (Anm.: nach Hasegawa eine Bodengestalt, die im gleichen Zeitalter aus gleicher Ursache entstanden ist) verglichen mit dem Kontinent, klein. Außerdem vermischen sich die unterschiedlichen Bodengestalten. Die Gründe dafür sind erstens, dass die japanische Inselkette auf einem Teil der Erdkruste liegt, der sich heute noch rege bewegt, zweitens Japan ein feuchtes Klima mit viel Regen und Schnee hat und drittens die japanische Topographie im Quartär (Anm.: nach Hasegawa das Zeitalter vom Beginn der Menschheit vor 2 Millionen Jahren bis heute) mit vielfältigen Ursachen gestaltet worden ist (vgl. Hasegawa 2004, S.24). Der Archäologe Hiroyuki Sato schreibt, da die topographischen Einheiten Japans klein 90 gegliedert sind, liegen die niedrigen Gebirge in der Nähe von Bauerndörfern, auf denen Nutzwälder 12 entstehen können. Seit der Meiji-Periode (1868-1912) bezeichnet man die Wälder auf niedrigen Gebirgen, wie Nutzwald, als „Wald“. Vorher hat man die Wälder auf den Gebirgen „Berg“ genannt. Das heißt, für die Menschen war der „Berg“ selbstverständlich gleichgesetzt mit „Wald“. In der Frühen Neuzeit wurde in Japan mit Reiseinheiten als Wertangabe gerechnet. In der Folge hat die Regierung den regionalen Herrschern die Landbewirtschaftung in geschlossenen Kreisläufen auf ihrem Land mit Nachdruck empfohlen. Die Regierung und die Regionalherren in der Edo-Periode (1603-1867) dachten, dass der Berg die Landwirtschaft ernähre und tatsächlich nutzte man das Laub aus den Wäldern, z.B. als Dünger für die Reisfelder. Unter diesem Aspekt ist das gesamte System einer komplexen Produktion 13 mit Nutzwäldern, mit der Landwirtschaft in der Hauptrolle, erhalten worden (vgl. Sato Hrsg. 2004, S.268-269). Der japanische Ethnologe Kanichi Nomot schreibt, dass man vor der Modernisierung Kenntnisse über eine nachhaltige Sammlung und Nutzung von Ressourcen aus Bergwäldern gehabt hat. Beim Holz z.B. hat man Bäume so geschlagen, dass schnell neue Triebe aus den Stümpfen wuchsen, aus denen man Holzkohle gewann. Solche Kenntnisse hatten nicht nur einzelne Menschen, sondern die ganze Gemeinschaft. Die Termine zum Sammeln von Lebensmitteln und Materialien in der Allmende wurden vereinbart. Sie waren dem Kreislauf der Natur angepasst. So waren die Menschen der Landschaft angepasst und haben sie genutzt (vgl. Nomoto 2004, S.204-211, S.244-247, S.263-266). Bei der Jagd auf Wild, z.B. auf Bären, oder beim Fischen von Flussfisch, z.B. von Lachs oder Bachforelle, gab es verschiedene Tabus 14. Sie garantierten den Erhalt der Bestände (vgl. Nomoto 1987, S.591-609). Zwei der Untersuchungsfelder der Fallbeispiele in dieser Forschungsarbeit liegen in Tohoku (Anm.: Nordjapan). Um die räumliche Konstruktion der Untersuchungsfelder zu verstehen, hilft die folgende Beschreibung des Jagdkulturforschers Hiromi Taguchi. Taguchi zufolge haben die Dörfer in Mittel- und Nordjapan in den Gebirgen folgende vier Räume für die lebensnotwendige nachhaltige Produktion. 1. Siedlung: Die Siedlung ist der Hauptraum des Lebens. 2. Flur: Die Flur besteht aus Reisfeldern, Reisbeeten, Äckern usw. Sie liegt in und um der Siedlung herum. 3. Nutzwald: Der Nutzwald entsteht auf waldfreien Grünflächen und Wäldern. An der Flur liegen die Brandrodungsfelder, Schilffelder nach der Brandrodung oder die Wiesen für die Gründüngung der Reisfelder und für die Zuchttiere, z.B. Rinder und Pferde für die Landbewirtschaftung. Es liegen Wälder für die Produktion von Holzkohle, die man zum Kochen braucht, gepflanzte Wälder mit Nüssen, z.B. Walnüssen, Esskastanien, Kastanien 91 usw., in der Nähe der Siedlungen. Auf diesen Flächen wächst eine sekundäre Pflanzengesellschaft, die durch die Nutzung der Bewohner entstanden ist. Die Nutzwälder liegen innerhalb einer Stunde zu Fuß von der Siedlung entfernt. 4. Tiefer Wald: Der Tiefe Wald liegt hinter dem Nutzwald. Es sind entweder Naturwälder oder natürlich regenerierte Wälder. Die Räume breiten sich von der Siedlung als Mittelpunkt in konzentrischen Kreisen aus. Zwischen den Räumen gibt es keine deutlichen Grenzen, sondern sie gehen ineinander über. Die Räume werden nicht nur aus der Wahrnehmung der Bewohner heraus so bezeichnet, sondern ihre Konstruktion ist konkret mit der Nutzung für die Produktion verbunden. Je entfernter die Räume von der Siedlung liegen, desto geringer wird der menschliche Nutzungsdruck auf die Landschaft. Stattdessen wird der Druck von Wildpflanzen und Wildtieren stärker. So beobachtet man z.B. in Bergdörfern, besonders in Jägerdörfern, dass sich dort die Wahrnehmung der Raumkonstruktion verknüpft mit dem Handlungssystem der Jagd (vgl. Taguchi 2005a, S.111-117, S.260). Wie oben erwähnt, liegen in Japans Gebirgen die Räume, die von Menschen stark beeinflusst worden sind, in der und um die Siedlung. Dahinter liegt der Tiefe Wald, der von Menschen zwar wenig beeinflusst, aber dennoch so weit durch die Nutzung von Ressourcen, wie z.B. von Holz oder Wildtieren, beeinflusst ist, dass er in seiner natürlichen Regeneration gefördert wird. Die meisten Naturflächen wurden in Japan bis in die 1970er Jahre gerade durch die Nutzung von Menschen erhalten 15 (vgl. Taguchi 1994 (1992)). Die Beziehungen zwischen Menschen, Pflanzen und Tieren verändern sich. Die Grenze zwischen den oben erwähnten Räumen verschiebt sich dadurch. In den letzten Jahren hat man in Bergdörfern beobachtet, dass die Nutzwälder durch die Landflucht und die Überalterung der Bewohner zugewachsen sind. Die Äcker sind aufgeforstet worden. Die Bäume in den Nutzwäldern sind durch den Ausfall der Nutzung nicht mehr geerntet worden und dadurch sind die Bestände überaltert. Seit dem Ausfall der Nutzung der Wälder erobert sich die Natur die Räume des Menschen zurück (vgl. Nakagawa 2004, S.72-108, Sato Hrsg. 2004, S.279). Durch den Rückgang der Population und das Sterben der Dörfer geht der menschliche Nutzungsdruck auf die Natur zurück. Die Flur, die in der Vergangenheit von Menschen für ihr Leben erschlossen und gepflegt wurde, fällt brach und wird bewaldet. Die Spannung zwischen Mensch und Wildnis in ihrer Umgebung wird gebrochen. Wälder können direkt an Städte grenzen und Wildtiere so leicht in die Stadt eindringen16 (vgl. Taguchi 2005a, S.15). Die Notwendigkeit der Wertschätzung regionaler Ressourcennutzung unter dem Aspekt des Landschaftsschutzes ist seit den 1970er Jahren bekannt. In den Bereichen der Geographie, Agrar- und Forstwissenschaft 92 hat man über die Funktionen außerhalb der Produktion von Flur und Wald, hauptsächlich im Kontext des Schutzes vor Erosion, diskutiert. Sieht man Landschaftsplanung in einem engen Blickwinkel, das heißt, setzt man die Abhängigkeit von Ressourcen aus dem Ausland als selbstverständlich voraus und plant nur die Räume, in denen man wohnt, scheint es so, als sei die Nutzung regionaler Ressourcen nicht nötig. Man gibt damit aber die Sicherheit des Lebens in einer einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft in Japan auf. Insbesondere die Sicherheit des Lebens in Dörfern und in kleinen Städten im Gebirge kann durch die menschlichen Einflüsse, durch die Nutzung heimischer Ressourcen erst gewährleistet werden. Exkurs 4 Aspekte für eine Landschaft der Nachhaltigkeit im Leben in der Vergangenheit In dieser Forschungsarbeit achtet man die Aspekte einer Landschaft der Nachhaltigkeit im Leben der Vergangenheit und versucht, die Aspekte in der Planung für eine nachhaltige Entwicklung in den Bergregionen zu integrieren. Die Aspekte kann man von Menschen lernen, die im historischen Kontext in den Bergregionen denken und leben. In den Bereichen der japanischen Ethnologie und Geographie ist die Lebenskultur und die Landnutzung in Dörfern in Japan, die nach und nach durch die Modernisierung verloren gehen, dokumentiert und erforscht worden. Der Gründer der japanischen Ethnologie Kunio Yanagida hat die Merkmale der Landschaft und der Lebenskultur in Tono in Nordjapan mit der Mentalität ihrer Bewohnern in „Die Geschichte von Tono“ dargestellt (vgl. Yanagida 2004 (1910). Yanagida hat die Götter an der Straße, in den Gebirgen usw. und die Grenzen von Dörfern betrachtet und darüber in „Frage und Antwort von in Stein geschnittenen Göttern“ geschrieben (vgl. Yanagida 1999d (1910)). Unter dem Einfluss der Gesichtspunkte Yanagidas haben der japanische Ethnologe Ajio Fukuda und andere Forscher seit den 1980er Jahren die Raumkonstruktionen mit den Landnutzungen von Dörfern analysiert (vgl. Fukuda 1980, Kishimoto 2008, S.424-425). Der japanischen Ethnologe Tsunekazu Miyamoto ist in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg bis zum Wirtschaftswachstum überall in Japan zu Fuß unterwegs gewesen. Er hat das Leben der Menschen und damit entstandener Kulturlandschaft in Bauerndörfern, Bergdörfern und Fischerdörfern sehr detailliert dokumentiert. Dabei hat er herausgefunden, dass die Dörfer nicht verschlossen sind, sondern kommunikativ miteinander ihre Kenntnisse und Informationen oder heimische Ressourcen miteinander tauschen, um ihr Leben zu gestalten. Er dokumentiert auch konkrete Beispiele über das Abkommenssystem der Dörfergemeinschaften (vgl. Miyamoto 2005 (1984)). Der Geograph Tokuji Chiba hat herausgefunden, dass durch Übernutzung verwüstete Wälder nur auf solche Regionen begrenzt zu finden sind, in denen dicht besiedelte Bauerndörfer liegen und 93 historisch das Gewerbe und der Handel sich entwickelt haben, und hat dies in „Die Erforschung von kahlen Bergen“ beschrieben 17. Chiba hat die Phänomene so erklärt, dass der mittelalterliche und gemeinschaftliche Besitz von Wäldern sich nicht mit der Entwicklung der Landbewirtschaftung mit der Einführung eines verrechenbaren Tauschsystems in der Frühen Neuzeit vertragen haben könnte (vgl. Chiba 1991 (1956), S.18, S.220-221). Der Geograph Toshio Furushima hat durch die Beobachtung der Landgestaltung, die durch die Landnutzungen entstanden ist, die Arbeit von Menschen in der Vergangenheit dargestellt und sie hoch bewertet (vgl. Furushima 2003 (1967)). Der japanische Ethnologe Kanichi Nomoto vermutet, dass man an den Orten, die Dorfbewohner als heilig ansehen, einen nachhaltigen Umgang mit der Natur finden kann 18 (vgl. Nomoto 1987, Nomoto 1994). Wie oben erwähnt, hat Taguchi die Beziehungen zwischen Menschen und Wild in den Lebensräumen der Bergdörfer beobachtet. Er hat gezeigt, dass das nachhaltige Leben mit der Natur von vielfältigen Faktoren, wie dem Zyklus der Jahreszeiten oder durch die Generationen geprägt ist. Kritisch sieht er, dass die Standardisierung des Zeitflusses in der Moderne die Menschen und die Natur voneinander trennte (vgl. Taguchi 1994 (1992). Anmerkungen 1 2 94 “Alle Reformen dieser Zeit zielten wirtschaftlich - direkt oder indirekt - auf die schnelle Entwicklung des Kapitalismus ab. Die Auflösung der Lebensgebiete und die Einrichtung der Präfekturen, die dadurch erzielte politische und verwaltungstechnische Einheit des ganzen Landes, waren die Grundbedingungen für die Entwicklung eines, das ganze Land erfassenden Marktes. Die Freiheit von Beruf und Wohnsitz ermöglichte den Bauern, ihre Dörfer zu verlassen und sich in den Städten als Arbeiter niederzulassen. Die Schulpflicht war eine wichtige Bedingung für die Ausbildung von Industriearbeitern. Die Regelung der Entlohnung führte dazu, dass viele Samurai ins Proletariat gedrängt wurden, hatte aber auch zur Folge, dass die feudalistische Reiszuteilung in öffentliche Anleihen umgerechnet und in Kapital umgewandelt wurden. ( ) Die Regierung konzentrierte sich auf die Förderung von Industrie, die militärische Bedeutung hatte. Mit den Steuern, vor allem aus dem Agrarsektor, errichtete sie Eisenbahnlinien und baute das Telegraphen- und Telefonnetz aus, dabei hatten aber die militärischen und der Polizei dienenden Zwecke den Vorrang vor wirtschaftlichen. ( ) Weil der japanische Kapitalismus sich vornehmlich auf den Rüstungssektor konzentrierte, verfügten die Regierung und die mit ihr verbundenen Unternehmer über große Macht. Die private Industrie konnte mit einem solchen Modernisierungstempo nicht Schritt halten.“ (Inoue 2002 (1963), S.348-349). In Europa wurden im 16. Jahrhundert in der Renaissance die Wohnungen für die Arbeiter von den Unternehmern in und um die Städte gebaut. In Japan sind Dojunkai-Apartments 1924 in Tokio und Umgebung als erste von der öffentlichen Hand gebaut worden. Die 3 4 5 6 7 8 9 Anzahl der Wohnungen, die von der öffentlichen Hand gebaut worden sind, lag bis 1933 bei ca. 15.000 (vgl. Bourdier 1993 (1992), S.20-28). Der Geograph Shigenori Shinohara verfolgte die Entwicklung von Bergdörfern in Japan seit den 1930er Jahren. Nach Shinohara waren die Forschungen vor dem Zweiten Weltkrieg im Bereich der Geographie statisch. Repräsentative Forschungen sind z.B. von Hikoichi Sasaki in der Region Chichibu (Sasaki 1935) sowie von Hidezo Tanakadate und Yaichiro Yamaguchi in Tohoku (Nordjapan) (Tanakadate u. Yamaguchi 1936) durchgeführt worden. Sie haben das Leben in den untersuchten Bergdörfern dokumentiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Fukuo Ueno unter dem Einfluss von R. Peattie (Peattie 1955 (1936)) die Landnutzung der Dörfer analysiert (Ueno 1955). Seit den 1950er Jahren haben sich wegen dem Bau von Staudämmen für die Stromgewinnung die Bergdörfer verändert. Seither wurde die Entwicklung und die Forschung dynamischer. Seit den 1960er Jahren stieg mit dem Wirtschaftswachstum die Bedeutung des Tourismus stark an. Ende der 1960er Jahre beginnt Junji Yamamura mit seinen Forschungen über den Tourismus (Yamamura 1969). Bis heute ist der Tourismus eines der wichtigsten Forschungsthemen. In den letzten Jahren stieg die Landflucht zum wichtigsten Thema in den Bereichen Agrarpolitik, Agrarwirtschaft, Wirtschaftsgeographie usw. auf (vgl. Shinohara 2000, S.9-27). Das traditionelle handwerkliche Gewerbe wird immer schwächer. Die Land- und Forstwirtschaft, die für die Gewinnung der Rohstoffe der traditionellen handwerklichen Gewerbe zuständig war, ist durch das Sinken der Preise in den 1970er Jahren schon früher als Industrie oder Gewerbe zurückgegangen (vgl. Zentrum für Aktivierung von Produktion in Tohoku 2004, S.166). Damals stieg der Preis für Fisch und Muscheln wegen der Erschöpfung der Ressourcen und der Verschmutzung des Meeres in die Höhe (vgl. Mizutani 1998 (1991), S.117). Ein „convenience store“ (jap. konbini) ist ein Laden, der 24 Stunden offen hat, Lebensmittel und alltägliche Gebrauchsware verkauft und Dienstleistungen im Bereich Bankwesen, Post und Warentransport leistet. Er ist mit den Tankstellen in Deutschland vergleichbar. 1.200.000 Wohnungen werden im Jahr neu gebaut und die Hälfte davon sind Einzelhäuser. 80 % der Einzelhäuser (40 % der gesamten Wohnungen) sind Holzbauten (Stand 1998, vgl. Matsumura 1999, S.236-240). Mit der Land- und auch mit der Forstwirtschaft kann man nicht vollständig den Lebensunterhalt finanzieren. Das Einkommen aus der Landwirtschaft ist meist ein Nebeneinkommen. Das Einkommen aus der Forstwirtschaft ist meist ein provisorisches Einkommen. In Bergregionen Japans stockt die Wirtschaftstätigkeit allgemein. Damit haben die Bewohner Schwierigkeit in der Region wohnen zu bleiben. In Bergregionen Japans nutzen die Produzenten regionale Ressourcen unterschiedlich mit ihrem Lebensstil und mit der Art der Ressourcen entweder zur Selbstversorgung oder wirtschaftlich oder für beides. Wenn man den Unterschied ihres Lebensstils sieht, produzieren einige Landwirt die Handelswaren wirtschaftlich und dabei produzieren sie für ihren Eigenbedarf noch zusätzlich Reis und Gemüse. Manche Landwirte arbeiten als Angestellte und dabei produzieren sie für sich nur Reis. Oder alte Landwirte und Hausfrauen produzieren für sich Gemüse, verkaufen den Überschuss der Ernten und verdienen sich damit ein Taschengeld. Dem Geographen Mitsuo Ishikura zufolge versteht man unter dem Begriff des lokalen Gewerbes, „ein Gewerbe mit Konzentration von Betrieben in bestimmten Regionen, das 95 10 11 12 13 14 15 16 17 18 96 von kleinen bis mittelgroßen Betrieben konstruiert wird und deren Produkte auf dem Inlands- oder Weltmarkt verkauft werden. In Japan zählt man 342 Gewerbe. Sie produzieren Fasern, Waren für den alltäglichen Gebrauch, Stickstoff, Holzprodukte usw.“ (Ishikura 2000, S.40). Dem Geographen Hatsuyawa zufolge hat bei den lokalen Gewerben, z.B. bei Sanshu-Dachziegel oder bei Seto-Porzellan in der Präfektur Aichi die Maschinenindustrie die Entwicklung der Töpfereien beeinflusst (Miyakawa 1995, Miyakawa 1997). Bei Yamanaka-Lack in der Präfektur Ishikawa hat die Gewerkschaft mit der öffentlichen Verwaltung die Innovation in den Betrieben gefördert (Miyakawa 2003). Bei den Koishihara-Töpfern in der Präfektur Fukuoka oder bei den Mashiko-Töpfern in der Präfektur Tochigi hat die Mingei-Bewegung die Entwicklung der Produktion unterstützt (Hamada 1998). Bei den Kasama-Töpfern hat die öffentliche Verwaltung das Gelände für die Werkstätten erschlossen, Kunsthandwerker eingeladen und Nachfolger ausgebildet. Die Kasama-Töpferei ist von einer Massenproduktion zur Produktion von Mingei-Waren entwickelt worden (vgl. Hatsuzawa 2005, S.56-70). Staatsmonopolistischer Kapitalismus ist eine Phase des Monopolkapitalismus, die sich durch den Ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise entwickelte. Für die Erhaltung und die Verstärkung des monopolistischen Kapitals wurde die Organisation der Nation genutzt (Kojien 5. Auflage). Das Wort „Satoyama (Nutzwald)“ verwendete der Forstwissenschaftler Tsunahide Shidei erstmals wissenschaftlich. Er begriff unter dem Wort die Wälder auf dem Hügel oder dem niedrigen Berg hinter einem Bauernhof (vgl. Kitamura 1996 (1995), S.149, aus Shidei 1981). Das Sammeln, Jagen, Fischen und Ernten sind komplexe Tätigkeiten für die Gewinnung von Lebensmitteln. Je mehr ein Dorf von einer Stadt oder vom Flachland entfernt liegt und je näher am Meer oder je höher auf einem Berg es liegt, besonders im tiefen Gebirge, desto größer ist die Komplexität. (vgl. Nomoto 2005, S.21, S.297). Bei der Landwirtschaft hat man eine Vielfalt an Arten erhalten, um das Risiko einer Hungersnot zu verteilen (vgl. Nomoto, S.69). In der Sage und im Märchen kommen häufig Natur- oder Umweltanschauungen von Menschen vor (Nomoto 2004, S.272-274). Nach Paul Eagles et al. sind in Mitteleuropa der deutlich überwiegende Teil der Wälder und Fluren durch menschliche Nutzung geprägt. In den USA und Kanada gibt es meist einen Abstand zwischen dem Lebensraum der Menschen und den Naturschutzgebieten (vgl. Eagles et al. 2005 (1999)). In den Bergregionen von Tohoku (Nordjapan) wird die Landwirtschaft durch Bär, Gams, Affe usw. geschädigt. Menschen werden auch in den Wäldern oder um die Dörfer herum von Bären gefährdet. Vielen Wäldern wurden in moderner Zeit übermäßig viele pflanzliche Ressourcen als Brennholz für die Salzgewinnung oder für die Gründüngung entnommen. Dadurch entstanden die „kahlen“ Berge. Allmenden mehrerer Dörfer oder Grundstücken, bei denen die Nutzungsrechte unklar waren, wurden oft übernutzt (vgl. Chiba 1991 (1956), Chiba 1993 (1966), S.161-167)). Siehe „II. - 2.10.1. „Traditionelle Arbeit in den Bergregionen Japans und „Poetische Orte““. II. Theoretische Konzepte 97 98 1. Ästhetische Bedeutungsebene „Kohärenz” -Begriff von „Schutz durch Nutzung”In dieser Forschungsarbeit wird der Begriff „Kohärenz“, als ästhetische Bedeutungsebene für die regionale Ressourcennutzung mit dem Begriff von „Schutz durch Nutzung“ erklärt. Der Begriff „Schutz durch Nutzung“, wie er in der vorliegenden Arbeit verwendet wird, ist aus einem Versuch in der Rhön in Deutschland hergeleitet. 1.1. „Schutz durch Nutzung“ 1 und die daraus resultierenden Aufgaben 1.1.1. Die Merkmale der Rhön und der Ansatz von „Schutz durch Nutzung” Die Rhön liegt mitten in Deutschland und erstreckt sich über einen Teil der drei Bundesländer Hessen, Bayern und Thüringen. Sie ist ein Mittelgebirge unter 950 m Höhe über dem Meeresspiegel. Weil sie weit entfernt von Industriegebieten oder Ballungszentren liegt und nach dem Ende der Protoindustrialisierung keinen herausragenden Wirtschaftsfaktor gehabt hat und mithin manche Täler allein von kargen landwirtschaftlichen Erträgen abhängig blieben, ist sie im 19. Jahrhundert als das „Land der armen Leute” bezeichnet worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist sie zwischen Ostund Westdeutschland geteilt gewesen. Unter den gegebenen Bedingungen ist die Rhön langsamer industrialisiert worden als andere Regionen Deutschlands. In der Rhön wohnen ca. 120.000 Menschen. Sie ist ca. 20.000 ha groß, und 54 % der Landfläche werden landwirtschaftlich genutzt (Stand 2000). Im ehemaligen Westen gibt es viele kleine Bauernhöfe unter 50 ha Größe, die als Familienbetriebe bewirtschaftet werden. Ochsen, Kühe und Schafe werden meist in extensiver Weidewirtschaft gehalten 2. In der Regel sind die Höhenlagen der Mittelgebirge in Mitteleuropa heute bewaldet. Das lässt sich durch einen Rückgang der Landwirtschaft in der Vergangenheit erklären 3. Auch in der Rhön sind ehemalige landwirtschaftliche Flächen vermehrt bewaldet. Trotzdem wird dort ein verhältnismäßig großer Anteil an landwirtschaftlich geprägten Ökosystemen der Kulturlandschaft mit einer großen Artenvielfalt und eine vielfältige Lebenskultur durch eine bäuerliche Landwirtschaft erhalten. Diese Besonderheit ist nach der Wiedervereinigung Deutschlands international anerkannt worden. Seit dem Jahr 1991 ist die Rhön Biosphärenreservat der UNESCO. Wegen der großartigen Aussicht auf eine weite Hügellandschaft, die wie Wellen wirken, den Rinder- und Schafherden, die auf den Weiden am Hang bis in die kargen Höhenlagen hinauf ihr Gras fressen, wegen des Mosaiks von Äckern und Weiden mit seinen Hecken, den kleinen Wäldern und Dörfern im Tal ist die Rhön „Land der offenen Fernen” genannt worden (Siehe Foto 1.). Die Besucher aus Fulda, einer Stadt am Rande der Rhön, und aus der Stadt Frankfurt, 100 km entfernt, besuchen immer wieder die Rhön, um hier zu wandern und sich zu erholen (vgl. Planungsbüro Grebe 1995, R29 2000). 99 Seit den 1980er Jahren gibt es in der Rhön eine Bürgerbewegung für nachhaltige Regionalentwicklung. Nach der Wiedervereinigung haben sich im Jahr 1994 Vertreter von Gemeinden, Ministerien und Vereinen zusammengesetzt und ein Rahmenkonzept für die nachhaltige Entwicklung ihrer Region entworfen. Im Konzept steht, dass die Rhön nicht als Naturschutzgebiet ohne Einfluss des Menschen abgegrenzt werden soll, sondern dass die Menschen das Land in dem Maße nutzen sollen, dass es zu keinen Beeinträchtigungen der Biosphäre kommt. So ist auf der Verwaltungsebene das „Land der offenen Fernen” als eine Landschaft festgelegt worden, welche die Menschen in der modernen Gesellschaft weiter erhalten sollen (vgl. Planungsbüro Grebe 1995, R29 2000). Allerdings ist die Zukunft der Landwirtschaft in der Rhön vom Wettbewerbsdruck, der EU-Agrarpolitik und des Weltmarktes und durch das hohe Produktionsniveau der EU gefährdet. Selbst Bauernhöfe mit großen Pachtflächen und entsprechenden Strukturen haben angesichts niedriger Preise 4 für Agrarprodukte Schwierigkeiten, wirtschaftlich zu arbeiten. Seit den 1980er Jahren sind viele Bauernhöfe aufgegeben worden und bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen werden aufgeforstet und so zu Fichten-, seltender zu Buchenmischwald. Es ist angesichts der politischen Durchsetzbarkeit auf Dauer unwahrscheinlich, die Landwirtschaft der Rhön durch Subventionen von Bund, Land und EU vor Weltmarktpreisen zu schützen oder flächendeckend Landschaftspflege zu betreiben. Es braucht stattdessen neue Maßnahmen und Strategien (R29 2000). 1.1.2. Kulturlandschaftspflege durch die Nutzung von Produkten aus der Region Die Wiederaufwertung der rhöner Landwirtschaft hat mit einer Schutzbewegung für eine heimische Tierrasse, dem Rhönschaf, angefangen. Die Rhönschafe sind kleiner als andere Fleischschafrassen. Es ist an die raueren klimatischen Verhältnisse des Mittelgebirges angepasst und frisst Kräuter in der oft kalten und nebligen Hochrhön. Sein Fleisch gilt als besonders schmackhaft. Im 19. Jahrhundert sind Rhönschafe sogar in Pariser Restaurants als Delikatesse angeboten worden. Sie waren bis Anfang des 20. Jahrhunderts die am weitesten verbreitete Tierrasse in der Rhön. Aber die Kosten für die Schur, der heute schlecht verwertbaren Wolle und für die Verwertung des Schlachtkörpers sind im Vergleich mit anderen Fleischschafrassen hoch. Der Preis für ihr Fleisch ist gesunken, weil die Verbraucher heute weit mehr Geflügel- und Schweinefleisch verzehren. So sind die Zahl der Produzenten und der Bestand an Rhönschafen seit den letzten 120 Jahren stark gesunken. Unter diesen Umständen hat im Jahr 1985 die Naturschutzorganisation BUND 5 die letzte Rhönschafherde kurz vor dem Schlachten aufgekauft und die Rasse damit wohl vor ihrem Aussterben bewahrt. Es wurde wieder mit der Nachzucht begonnen und neue Herden aufgebaut. Zwei Gastwirtschaften haben in der Folge versucht, das Schaffleisch in der regionalen Küche anzubieten. Sie haben mit einer Metzgerei zusammengearbeitet und so einen Vermarktungsweg gebahnt, der auch dem Produzenten 100 noch genug Einkommen lässt und somit auch den Erhalt von Ökosystemen gewährleistet, die nur durch extensive Weidewirtschaft bestehen können. Diese Aktion ist als Form der Strategie „Schutz durch Nutzung“ auch als „Schutz durch Verzehr” bekannt geworden. Häufig ist darüber in den Zeitungen geschrieben worden, und die Nachfrage nach Rhönschafen ist stark angestiegen (R19 2000). In der Rhön weiden Kühe auf den Hängen in der Nähe von Dörfern, und es werden Getreide, Kartoffeln und Gemüse angebaut. Es gibt auch Streuobstwiesen und Geflügelund Schweinezucht. Im ehemaligen Westen bewirtschaften Bauern einiger kleiner Bauernhöfe ihr Land in Form der extensiven Landwirtschaft. Aber viele von ihnen sind nicht nach der EG-Öko-Verordnung 6 zertifiziert. Der Grund dafür, dass sie keine Spritzmittel verwenden, liegt eher an deren Preis. Nur eine kleine Minderheit von Landwirten achtet bewusst auf die Vermeidung von Nitratbelastung der Gewässer, oder auf die Funktion von Hecken für das Ökosystem oder auf die Kultivierung vielfältiger Sorten von Nutzpflanzen. Nach Aussage von Landwirten der Rhön, die mit dem Zertifikat für ökologischen Landbau nach der EG-Öko-Verordnung arbeiten, braucht man viel mehr Arbeitsstunden für den ökologischen Landbau, und zudem kostet die Zertifizierung Geld. Deshalb sind die Preise der Produkte vergleichsweise hoch. Nur wenige Verbraucher verstehen die Gründe dafür, und es ist nicht leicht, die Preise der Produkte zu halten 7 (R1 2000, R2 2000, R3 2000). Auf der anderen Seite gibt es im ehemaligen Osten große Agrarbetriebe, die aus den kommunistischen LPGs 8 hervorgegangen sind und wo jeweils ca. 3.000 ha bewirtschaftet werden. Man beobachtet in diesen Betreiben, die heute umweltverträglich wirtschaften, wieder Wildpflanzen, die in den 1970er Jahren mit der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln verschwunden waren (R21 2000). Wie später noch näher beschrieben wird, werden in der Rhön durch den Impuls der Aktion „Schutz durch Verzehr“, im Sinne von „Schutz durch Nutzen“ mit dem Rhönschaf in immer mehr Gastwirtschaften weitere Regionalprodukte verwendet. Nach einer Untersuchung bei acht Gastwirten im Jahr 2000 verwenden diese zusammen ständig 102 Sorten von Regionalprodukten und zusätzlich saisonale Produkte. Die Produkte stammen von 69 Produzenten, Verarbeitern und Läden in der Region. Neun Produzenten wurden damals untersucht, und die Beziehungen zwischen Gastwirten und Produzenten sind in Tab. 1. dargestellt. Die Hauptprodukte sind Fleisch und Fleischprodukte von Weidetieren, sowie Apfel, Birne, Zwetschge und Kirsche von Streuobstwiesen und daraus veredelte Produkte. Es sind darunter auch Getreide, Gemüse, Kartoffeln, Kräuter und Bachforellen, sowie häufig auch Wildfleisch aus heimischen Jagdrevieren, Honig und Beeren, die am Waldrand gesammelt werden. Die meisten Getränke, die in der Gastronomie verwendet werden sind Apfelsaft und Apfelwein; Biere und Brände sowie 101 das Mineralwasser stammen aus der Rhön. Die Produktion all dieser Produkte sichert die Vielfalt der Kulturlandschaft 9 (vgl. Iida 2005a). Die Verwaltung des Biosphärenreservats Rhön fördert unter dem Motto „Schutz durch Verzehr” und „Schutz durch Nutzung” die intraregionale Produktion der lokalen Landwirtschaft, Forstwirtschaft usw. und die Vermarktung der Produkte innerhalb der Region. So soll durch die menschliche Nutzung der Kulturlandschaft Naturschutz und Landschaftspflege gleichermaßen gewährleistet werden. Tab. 1. Regionalprodukte und damit gepflegte Landschaft in der Rhön * ○ sind direkt von Produzenten (○) sind durch Verarbeiter eingekauft 1.1.3. Erhalt regionaler Kultur durch eine neue Wertschätzung von Regionalprodukten und regionaler Küche In der Rhön ist, wie in den meisten anderen Regionen Deutschlands, die Vielfalt an Speisen verloren gegangen. In der Mehrheit der Gastwirtschaften wird kaum mehr als die überall in Deutschland üblichen Standartgerichte wie Schnitzel und Pommes frites angeboten. In dieser Situation ist der Versuch „Schutz durch Verzehr” mit dem Rhönschaf gestartet worden. Bereits im zweiten Jahr nach Beginn des Versuchs durch die Naturschutzorganisation und einer Initiative von Produzenten und Gastwirten ist in ca. 50 Gastwirtschaften in der Rhön, angeregt durch den Vorschlag der Verwaltung des Biosphärenreservats Rhön, mit der Verarbeitung lokaler Produkte begonnen worden. Die erste Aktion der Regionalküche, „Himmel und Erde” genannt, war ein Gericht mit Apfel, Kartoffel und Blutwurst. Ein Wirt, der an dieser Aktion teilgenommen hat, erzählt: „Die Menschen haben plötzlich bemerkt, dass es viele Äpfel in der Rhön gibt. Die Leute haben mit Äpfeln viel probiert und haben daraufhin die „Apfelinitiative” gegründet. Die Aktionen wurden weitergeführt unter den Namen „Milch und Honig” und „Wild”. Bei der Aktion mit „Streuobst” hat man versucht, durch die Verwendung von Obst die Streuobstwiesen zu erhalten. Wir haben die Produkte aus der Rhön, eines nach dem andern, gefunden und verwendet. Dabei haben wir der Kundschaft immer gezeigt, wo 102 und wie die Produkte produziert worden sind.” So hat die Rhön mit ihren Produkten das Image der Region mitgeprägt (R19 2000). Ein Wirt, der in seiner Gaststätte mit der regionalen Küche aus der Rhön erst kürzlich neu angefangen hat, erzählt: „Als wir die Gerichte, die man zwar noch zu Hause gegessen hat, die aber nicht mehr in der Gastronomie angeboten wurden, wieder gekocht haben, haben das die einheimischen Gäste erst einmal komisch gefunden. Aber in den Herzen von den 50- bis 60-jährigen Gästen hat es geklingelt, weil sie sich noch gut an die Gerichte erinnert haben. Für die Kinder war das etwas ganz Neues, weil ihre Generation diese Gerichte nicht mehr gekannt hat” (R21 2000). Viele Gaststätten, die in der Untersuchung berücksichtigt wurden, haben die alten Gerichte aus der regionalen Küche angeboten, die sie an die modernen Essgewohnheiten angepasst haben. Dann sind immer mehr Gäste gekommen, diese Gerichte zu kosten. In der Rhön versucht man also innovative Verarbeitung und Zubereitung von Regionalprodukten auf der Basis der Tradition (R19 2000, R18 2000). An der Wand mancher Gaststätten sind Plakate mit Abbildungen der Agrarlandschaft in der Rhön aufgehängt. Eine Wirtevereinigung hat auch eine handgezeichnete Wanderkarte entworfen, auf der man das Landschaftsbild der Rhön ablesen kann. Diese Karte hängt gerahmt an der Wand der Gasträume und wird auch verkauft. „Schutz durch Verzehr“ und die damit angestoßenen Aktionen leisten nicht nur für die Wirtschaft in der Region durch den Einsatz intraregionaler Produkte einen Beitrag, sondern auch für den Erhalt der Esskultur und der Agrarlandschaft in der Region. Einige Gastwirte oder Lebensmittelverarbeiter benutzen auf der Speisekarte oder auf den Etiketten ihrer Produkte Kunstwerke von heimischen Künstlern (R19 2000, R20 2004). 1.1.4. Pflege des regionalen Sozialsystems durch die Zusammenarbeit zwischen Gastwirten und Produzenten Die Produzenten, die bei der Strategie Schutz durch Verzehr vom Rhönschaf und bei weiteren Aktionen mitmachen, haben durch die Direktvermarktung einen Mehraufwand zu tragen. Die Menge der Produkte, die ein Koch in einer Gaststätte anwenden kann, ist begrenzt. Aber der Preis, den die Wirte bezahlen, ist für die Produzenten überzeugend. Auch die Wirte kaufen nicht nur die „edlen“ Teile des Schlachtkörpers, sondern das ganze Tier ein. Damit haben die Produzenten mehr Einkommen. Sie verkaufen ihre Produkte gern an diese Gaststätten (R5 2000). Die Produkte sind frisch und halten in der Regel länger als die Produkte aus dem Großmarkt. Auf der anderen Seite haben die Gastwirte mehr Aufwand als beim Einkauf im Großmarkt, weil sie die Produkte von verschiedenen Produzenten einkaufen und selbst verarbeiten. Außerdem sind die regionalen Produkte teurer als Produkte vom Großhandel. Die Wirte können den Differenzbetrag zwischen dem Preis der Regionalprodukte und dem der Produkte aus 103 dem Großmarkt und die höheren Arbeitskosten nicht gänzlich auf den Preis der Gerichte umlegen, die sie auf der Speisekarte anbieten. Der Grund, warum die Wirte trotzdem Regionalprodukte verwenden, liegt in der hohen Qualität der Produkte und in dem guten Image der Rhön bei den Gästen. Die Wirte schätzen auch die Arbeit der Produzenten und dass diese seit langer Zeit die heimische Landschaft gepflegt haben und möchten sie unterstützen (R12 2000, R14 2000, R16 2000, R19 2000). „Schutz durch Verzehr“ und weitere Aktionen funktionieren durch den direkten Kontakt zwischen den Produzenten und den Gastwirten. Damit reflektieren sie einander ständig den Zustand ihrer Arbeit und ihrer Betriebe und stimmen sich untereinander besser ab. Auf den Speisekarten in den Gaststätten findet der Gast nicht nur Fotos oder Zeichnungen von den Zutaten, sondern auch die Gründe für die Verwendung regionaler Produkte aufgezeigt und zudem auch die Namen und Adressen der Produzenten. Auf diese Weise machen die Wirten transparent, dass ihre Aktion auf der Basis einer regionalen Gemeinschaft steht (R14 2000, R18 2000). Gleichzeitig mit den oben beschriebenen Aktionen hat das Landesministerium die Koordination der Vermarktung regionaler Produkte versucht, oder in einem Großmarkt ist eine Ecke für regionale Produkte eingerichtet worden (R27 2000). Aber die Vermarktung ohne direkten Kontakt von Produzenten und Gastwirten hat nicht funktioniert. Die Zusammenarbeit zwischen den Produzenten und den Gastwirten in der Rhön ist weiterentwickelt worden, und es sind daraus drei Gruppen für intraregionale Produktion und Verbrauch hervorgegangen (Siehe Tab. 2.). In jeder Gruppe gab es Zugänge und Abgänge von Mitgliedern. Zuerst ist im Jahr 1990 die Gruppe „Aus der Rhön - für die Rhön” gegründet worden. Sie kaufen, soweit erhältlich, konsequent ihre Zutaten von kleinen Landwirten und anderen Produzenten in der Rhön ein. Es gibt in dieser Gruppe Gaststätten, die 80 % ihres Wareneinsatzes und die Getränke aus der Region einkaufen. Im Jahr 2004 zählte die Gruppe elf Mitglieder. Sie ist vergleichsweise klein, aber sie arbeitet vorbildlich und leistet als Vorbild für den Erhalt der Landwirtschaft und der Landschaft in der Region einen großen Beitrag (Anm.: Ihr Beitrag am Erhalt der im Biosphärenreservat gewünschten Wirtschaftsweise insgesamt ist eher gering, wenn man ihn auf die Gesamtfläche umrechnet). Ihre Arbeit ist gesellschaftlich anerkannt, und sie hat verschiedene Preise verliehen bekommen (R19 2000, R19 2004). Die zweite Gruppe, die sich von der Gruppe „Aus der Rhön - für die Rhön” abgetrennt hat, wurde im Jahr 1993 zusammen mit neu dazugekommenen Gastwirten unter dem Namen „Rhöner Charme” gegründet. Die Gründe für die Herausbildung von zwei Gruppen sind unterschiedliche Auffassungen über die Menge des regionalen 104 Wareneinsatzes, die Machbarkeit der Einführung von Produkten aus heimischer ökologischer Produktion in die eigene Küche und unterschiedliches Begriffsverständnis von „Kultur“ bzw. „Kulturlandschaft“ und „regionaler Küche“. Die Gruppe pflegt die traditionelle Esskultur und sie versucht, die touristische Attraktivität der Region zu steigern. Im Jahr 2004 waren 70 Gastwirte Mitglieder. Die Gruppe hat sich zur Regel gemacht, mindestens zwei heimische Gerichte auf der Speisekarte anzubieten. Der Beitrag der einzelnen Gastwirte zur Erhaltung der regionalen Landwirtschaft und Landschaft ist gering, aber durch die größere Mitgliederzahl leistet die Gruppe vermutlich insgesamt doch einen Beitrag dazu. Der Vorsitzende der Gruppe ist der Meinung, dass die Verbraucher wenig Bewusstsein für die Notwendigkeit einer höheren Intraregionalität von Produktion und Verbrauch haben und dass dabei besonders die Anwendung von Produkten aus ökologischem Landbau in der Gastronomie dem Gast gegenüber schwierig zu vermitteln ist. Er äußert: „Nur jeder hundertste Gast fragt nach der Herkunft der Zutaten” (R25 2000). Der Verein hat seine Kriterien mittlerweile geändert. Es müssen heute mindestens 20% des Wareneinsatzes aus der Region bezogen werden (Rhöner Charme 2008). Die dritte Gruppe ist aus einem Vorschlag der Verwaltungsstellen des Biosphärenreservats Rhön im Jahr 2000 hervorgegangen. Unter dem Prädikat „Partnerbetrieb des Biosphärenreservats Rhön” sollen Produzenten und Gastwirtschaften um das Vertrauen der Konsumenten werben. Dazu müssen sich die Betriebe aus den Bereichen Produktion und Verarbeitung nach der EG-Öko-Verordnung zertifizieren lassen. Allerdings gilt das Verfahren als kompliziert, und zudem muss für die Zertifikation Geld bezahlt werden. Deswegen stieß der Vorschlag bei Produzenten und Gastwirtschaften kaum auf Resonanz. Im Jahr 2004 war nur ein Gastwirt mit mehreren Zulieferern Mitglied dieser Gruppe (R29 2000, R16 2000, R16 2004). „Schutz durch Verzehr“ und weitere Aktionen funktionieren nur mit dem Vertrauen der Betroffenen in der Region. Mit der Idee des Vereines „Aus der Rhön für die Rhön“ ist das Projekt „Rhöner Genuss Tour“ eingeführt worden, das den regionalen Wareneinsatz eines gastronomischen Betriebs belohnt und Ansporn zu dessen Steigerung sein will, indem es analog zu den im Hotel- und Gaststättengewerbe üblichen „Sternen“ durch das Verleihen von „Silberdisteln“ den regionalen Wareneinsatz kenntlich macht. Eine Silberdistel steht für 30% Wareneinsatz, zwei Silberdisteln für 40% und drei für 60%. Dieses Projekt wird seit 2007 in der Bayerischen Rhön durchgeführt. Es sind bereits 138 Gaststätten Mitglied. In der Hessischen und Thüringischen Rhön befindet sich das Projekt in der Vorbereitung (R19 2006, R19 2008, R20 2006, R20 2008). 105 Tab. 2. Die Merkmale der Konzepte der drei Gruppen für mehr Intraregionalität bei Produktion und Verbrauch Auf der anderen Seite vermarkten die Produzenten dirket an die Kundschaft oder auf dem Gemüsemarkt in Frankfurt a.M. etc.. Sie verkaufen ihre Produkte nicht nur an die Gastronomie in der Rhön (Siehe Tab. 3.). Tab. 3. Beispiele von Abnehmern regionaler Produkte in der Rhön (Stand 2000) 1.1.5. Konsumentenbewusstsein und die Aufgabe von Intraregionalität von Produktion und Verbrauch mit ökologischer Produktion Nach dem Ergebnis der Befragung aus dem Jahr 2000, die mit 83 Gästen durchgeführt wurde, die in Gaststätten, die regionale Küche anbieten und dies für den Gast kenntlich machen, ein Gericht bestellt haben, wurden als Gründe für die Auswahl genannt (mit komplexen Antworten): „Ich esse das bestellte Gericht gerne” von 27 Personen und „Es ist nichts Alltägliches” von 23 Personen. Die Antworten zeigen, dass bei vielen Gästen der Geschmack bei der Auswahl an erster Stelle steht. Auf der anderen Seite haben 13 Personen „Regionalität” als Grund angegeben (Siehe Tab. 4.). 106 Tab. 4. Die Gründe der Gäste in der Rhön für die Auswahl von Gerichten aus der Regionalküche (Mit komplexen Antworten) Dabei war es für fünf Personen wichtig, dass die Zutaten aus der Region stammen. Die Personen, die auf die Herkunft der Zutaten geachtet haben, sind Besucher aus einer großen Stadt und über 40 Jahre alt. Ihre Einkommen lagen bei monatlich netto 6.000 DM (ca.3000 Euro) damit verfügen sie über einen finanziellen Spielraum. Die Kundenbefragungen sind nur in solchen Gaststätten durchgeführt worden, die viele Zutaten aus heimischem ökologischem Landbau verwenden. Ein Gastwirt mit eigener Metzgerei, der Produkte aus ökologischem Landbau in seinem Betrieb verarbeitet, äußert: „Da ich Metzger bin und mit Lebensmitteln zu tun habe, wird mir klar bewusst, dass es noch etwas anderes gibt auf der Erde als den Menschen. Es gibt auch Tiere und Pflanzen, und da kann ich in meinem Bereich einen Beitrag leisten. Das Lebensmittel ist ein Mittel zum Leben. Aber es ist schwierig, den Gästen die gesamte Bedeutung vom ökologischen Landbau zu erklären” (R16 2000). Das Ergebnis der Befragung zeigt, dass mit 39 Gästen die Hälfte der Befragten Interesse an ökologischem Landbau haben. Die angegebenen Gründe dafür sind (komplexe Antworten): „Für den Köper”, von 17 Personen genannt, „Geschmack und Nahrhaftigkeit”, von 14 Personen genannt und „Wissen um die Herkunft der Zutaten”, von fünf Personen genannt 10. Die meisten Gründe waren solche, die auf den eigenen Vorteil bedacht waren. Nur sieben Personen gaben als Grund an, dass sie mit dem Bestellen ihres Gerichtes etwas „für die Natur” tun. Zwei Personen gaben an, dass sie damit etwas für die regionale Wirtschaft tun. Ein Gastwirt, der mit der Aktion „Schutz durch Verzehr” mit dem Rhönschaf angefangen hat, erzählt: „Viele, auch meine Mitarbeiter, sind nicht überzeugt davon, Produkte aus ökologischem Landbau zu kaufen. Sie sagen, mit konventionellem Landbau kann man auch die Kulturlandschaft Rhön 107 erhalten. Das stimmt auch für die Fläche, aber was sich darunter abspielt, Gewässerschutz, Lebensqualität, das ist den Leuten hier im Ort aber oftmals nicht zu vermitteln, weil es von der Optik das Gleiche ist” (R18 2000). Nach dem Ergebnis der Befragung von Gästen mit Hilfe eines Landschaftspuzzles 11 , wünscht nur ein geringer Teil der Gäste in der Rhön eine Landschaft mit Buchenwald, sondern eindeutig eine von Weiden und Äckern bestimmte Agrarlandschaft. Auf Plakaten und Postkarten in der Rhön sieht man häufig Rhönschafe, die auf dem Hochland Gras fressen. Gäste erzählen, dass sie dieses Landschaftsbild schön finden. Sie haben mit Hilfe des Landschaftspuzzles ein Bild von ihrer persönlichen Wunschlandschaft in der Rhön zusammengesetzt. Dazu wählen sie das Bildfragment, auf dem Weiden und Wiesen mit bunten Blumen zu sehen sind, wie es durch extensive Weidewirtschaft entsteht. Trotzdem haben sie häufig noch das Bildfragment von der industriellen Agrarlandwirtschaft hinzugefügt. Das Bildfragment zeigt eine Wiese, die mit Löwenzahn übersät ist, also das Bild einer nährstoffreichen Fettwiese. Große Felder mit Raps, der auch für die Gewinnung von sog. Biokraftstoffen angepflanzt wird und eine intensiv grüne Wiese, sowie eine Maismonokultur zeigen ebenfalls eine intensive Nutzungsform an. Ein Zusammenhang zwischen der Entscheidung für ein Essen, die aus dem Wunsch heraus getroffen wurde, damit einen Beitrag zur Erhaltung der Kulturlandschaft leisten zu wollen und der Auswahl bei den Landschaftsbildfragmenten nach den Gesichtspunkten des Naturschutzes, wie z.B. der Erhaltung von Heckenstreifen, konnte in zwei Fällen nachgewiesen werden. Es gibt also sehr wenige Gäste, die aus dem Landschaftsbild die Situation der Landwirtschaft ablesen. 67 befragte Gäste besuchen die Rhön zum Wandern, Spazierengehen und Spazierenfahren. Aber die Landschaft, die die Befragten genießen und das Essen werden in keinem Zusammenhang zueinander gesehen. Als Antworten auf die Frage, wer die Verantwortung für den Fortbestand der rhöner Kulturlandschaft trägt, kam von 26 Personen „wir”, von 31 Befragten „Landschaftznutzer, wie Bewohner, Landwirte usw.” von 24 Personen „Ämter” und von zwölf Befragten „Naturschützer und Initiativen”. Die Antwort „Mein Einkaufsverhalten” wurde nur von drei Personen gegeben. Die meisten Gäste denken, dass sie nur eine geringe Beziehung zur Kulturlandschaft haben 12. So erkennen die meisten Gäste nicht, dass Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft in der Region mit der Landwirtschaft erhalten werden. In dieser Situation ist es nicht leicht, besonders mit ökologischer Landwirtschaft, intraregionale Produktion und Verbrauch fortzusetzen. Die Produzenten und die Gastwirte fühlen die Schwierigkeiten mit „Schutz durch Verzehr” und damit begonnenen Aktionen wegen der Begrenzung der auf das Thema sensibilisierten Gästezahl. 108 Trotz der Situation versuchen die Produzenten von ökologischen Lebensmitteln in der Rhön durch Kommunikation mit den Gästen die Bedeutung der Intraregionalität von Produktion und Verbrauch mit der ökologischen Landwirtschaft usw. zu vermitteln. So besucht z.B. ein Schäfer mit einer Rhönschafherde regelmäßig eine Gastwirtschaft, geht mit den Gästen auf die Weide und hütet die Schafherde zusammen mit ihnen. Er erzählt ihnen dabei von der Beziehung zwischen der Beweidung durch eine heimische Schafrasse und die Erhaltung der Kulturlandschaft oder über sein Leben mit den Tieren (R7 2000). Ein Bauernhofbäcker unterhält sich mit Kindern über den ökologischen Landbau in seiner Backstube und sie backen zusammen traditionelles Bauernbrot im duftenden Holzbackofen. So wird versucht, mit den Gästen die Erde oder das Leben in der angenehmen Landschaft zum körperlich sinnlichen Erlebnis werden zu lassen, oder ihnen den Genuss der regionalen Kultur zu vermitteln. Die Freude an der Bewegung in der Landschaft, am Essen und der Genuss der regionalen Kultur werden zum Erlebnis gemacht. Die Sicherheit heimischer Lebensmittel für den Organismus wird hervorgehoben. Die Produzenten versuchen, den Aufbau eines neuen Lebensstils mit neuer Wertschätzung des Verbrauchers voranzubringen. Dazu zeigen sie die Beziehungen zwischen dem Essen und der Landschaft, der Kultur und dem Sozialsystem auf (R3 2000). Es ist die Aufgabe von „Schutz durch Verzehr“ in der Rhön, dass die Beziehung zwischen dem Essen und der regionalen Landwirtschaft, die mit der modernen Konsumkultur abgeschnitten worden ist, durch die Kommunikation zwischen Produzenten, Gaststätten und Gästen neu aufzubauen (Siehe Abb. 5.). Abb. 5. Die schwache Beziehung zwischen Verbraucher und Landschaft 1.2. Tradition und Innovation bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen In der Rhön züchten junge Produzenten heimische Tierrassen nach Kriterien der ökologischen Landwirtschaft, oder sie züchten heimische Fischarten und bauen heimische Obstsorten auf Streuobstswiesen an. Sie haben z.B. von Naturschutzorganisationen oder von Organisationen für ökologischen Landbau Informationen über die ökologische 109 Bewirtschaftung bekommen. Manche sind auch von der Nachbarschaft beeinflusst worden und sind mit ihren Höfen auf ökologischen Landbau umgestiegen. Manche waren früher in Berufen außerhalb der Landwirtschaft tätig und sind mit einem Problembewusstsein gegenüber der industriellen Landwirtschaft bei der Übernahme des Hofes in den ökologischen Landbau eingestiegen. Sie versuchen, mit ihrer ökologischen Produktion dauerhaft zu wirtschaften. Dafür mechanisieren sie ihre Produktion stärker oder bauen neue Vertriebswege auf. In der Rhön unterstützen viele Gaststätten durch die Verwendung von heimischen Produkten Produktion und Verbrauch innerhalb der Region. Die Gastwirte, die Mitglied von „Aus der Rhön - für die Rhön” sind, verwenden besonders viele ökologische Lebensmittel aus der Region. Manche Gaststätten dieser Wirtekooperation werden von jungen Gastwirten bewirtschaftet, die in vornehmen Hotels oder Restaurants in der Stadt gelernt oder gearbeitet und danach den elterlichen Betrieb übernommen haben. Sie kochen mit Zutaten von heimischen Tierrassen und regionalem Obst und Gemüse. Diese Zutaten wurden traditionell in der heimischen Küche verwendet. Die Wirte verwenden sie aber mit neuen Ideen und bieten in ihren Gaststätten eine neue heimische Küche an. Sie informieren auf der Speisekarte über die Herkunft der Zutaten und das Ziel von „Schutz durch Verzehr“. So entstanden bei einer Anzahl junger Menschen in der Rhön, die über traditionelle Landwirtschaft und Küche in der Region gut Bescheid wissen, Ideen zur Förderung der Intraregionalität von Produktion und Verbrauch mit der ökologischen Produktion. Ihre Ideen entstanden durch den Kontakt mit Menschen und das Erleben von Ereignissen außerhalb der Region. Die Gäste kommen immer wieder zu den Gaststätten, um die neue regionale Küche zu genießen. Der Erfolg der jungen Unternehmer hat sie zahlreiche Versuche und viel Mühe gekostet. Ihre Ideen verbreiten sich bis heute weiter unter anderen Produzenten, Gastwirtschaften usw. in der Region. Die Rhön hat durch diese und weitere Aktionen für „Schutz durch Verzehr“ ein Image bekommen, das die Region mit der Produktion reiner und sicherer Lebensmittel verbindet. Die innovativen Versuche bringen ein frisches Image in die Region. Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Gaststätten in der Rhön, die kaum Interesse an Produkten aus dem ökologischen Landbau haben. Sie verwenden in ihren Gaststätten auch kaum Produkte aus regionaler konventioneller Produktion. Dennoch bieten sie traditionelle Küche an. Sie präsentieren die Gerichte mit traditionellen Festen, und die Touristen besuchen immer wieder diese Gastwirtschaften. Die Wirte werben mit ihrer Küche und mit dem Image der kleinmaßstäblichen bäuerlichen Landwirtschaft der Vergangenheit in der Region. So serviert z.B. die Bedienung die Gerichte in der Tracht, die Wirtsstube ist bäuerlich eingerichtet und die Speisekarte ist mit sepiafarbenen Fotos 110 von Landwirten dekoriert, die mit der Heugabel arbeiten, etc.. In der Rhön bekommt man in solchen Gastwirtschaften ein regionales Image mit einer nostalgischen Landwirtschaft und traditionellen Kultur vermittelt. Dadurch scheint es so, als sei die Rhön mit ihrer Historie eng verbunden. Bei der Untersuchung in den Gaststätten ist beobachtet worden, dass sowohl Gäste, die in der Gastronomie mit der neuen regionalen Küche mit ökologischen heimischen Lebensmitteln speisen, als auch die Gäste, die in der Gastronomie mit traditioneller Küche mit wenig Wareneinsatz aus der Region speisen, ein positives Image von der Region haben. Man kann das Image so beschreiben: „Die Rhön ist eine Region mit kleinmaßstäblicher bäuerlicher Landwirtschaft, die reine und sichere Lebensmittel erzeugt”. Das Image der Rhön ist also zum Teil eine angenehme Illusion, der sich die Gäste gerne hingeben, die die Realität der Produktion nicht kennen. Traditionelle Landwirtschaft, d.h. die Landwirtschaft, die mit einem hohen Grad an Handarbeit wirtschaftet, kann in der Gegenwart im Wettbewerb mit billigen Lebensmitteln vom Weltmarkt schwerlich mithalten. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit man überhaupt heute von den Landwirten noch Handarbeit erwarten sollte und ökologische Landwirtschaft nicht auch großmaßstäblich betrieben werden kann. In Deutschland verbreitet sich seit den 1990er Jahren industriell betriebener Ökolandbau mit EG-Zertifikat. Dieser industrielle Ökolandbau wirtschaftet auf großen strukturarmen Flächen mit einem meist hohen Spezialisierungsgrad und einer kleinen Produktpalette. Dadurch wird die Vielfalt der Ökosysteme der Kulturlandschaft nicht erhalten. Für Verbraucher ist es zur Normalität geworden, billige ökologische Lebensmittel im Supermarkt zu kaufen. Die kleinmaßstäbliche ökologische Landwirtschaft, die vielfältige Ökosysteme durch eine vielfältige Produktpalette pflegt, kann die Nachfrage der Verbraucher nach billigen und sicheren Lebensmittel nicht erfüllen. Sie kann ihre wirtschaftliche Strategie nicht mehr darauf bauen, sich als einzige Alternative zur konventionellen industriellen Landwirtschaft zu präsentieren und ist daher in ökonomische Schwierigkeiten geraten (R1. 2000, R2 2000). Die befragten Gäste in der Rhön verbinden mit dem Anblick eines Bildes von einem großen Stall auf dem Bildfragment des Landschaftspuzzles industrielle Massentierhaltung. Sie kommentieren, dass sie in der Rhön keine solchen Ställe haben möchten. Das Bild vermittelt ihnen nicht, dass es sich dabei auch um einen besonders tierfreundlichen und pflegeleichten Stall moderner ökologischer Tierhaltung für den Winter handeln kann. Die Innovation des ökologischen Landbaus wird in ihrem optischen Erscheinungsbild von den Befragten mit einer Industrieanlage assoziiert, was nicht zu dem Bild passt, das sie von einer umweltverträglichen Landwirtschaft haben. Der große Stall bleibt also durch sein 111 industriell anmutendes Erscheinungsbild Träger eines negativen Images. Wenn industrielle ökologische Produktion sich im Landschaftsbild nicht von herkömmlicher industrieller Produktion unterscheiden lässt, gibt es ein Vermittlungsproblem. In diesem Kontext kann Innovation mit einem negativen Image der Ressourcennutzung in einer Bergregion belegt sein. Die Produzenten, Gastwirte usw. empfinden es als schwierig, genug Gäste für mehr Intraregionalität bei Produktion und Verbrauch zu gewinnen, erst recht, wenn dies mit ökologischer Landwirtschaft verbunden ist. Wenn man es schaffen möchte, sollte man das Verständnis der Gäste für die ökologische Produktion wecken. Die Gäste müssen das tradierte Image überwinden, dass gesunde Lebensmittel mit traditioneller bäuerlicher Produktion verbunden sind und dahin geführt werden, ein neues Image von gesunden Lebensmitteln aufzubauen, das für die ökologische Produktion in der Gegenwart steht. Dazu braucht es in der Praxis zwischen den Produzenten, Gastwirten, Gästen usw. einen Austausch und die gegenseitige Vermittlung von Meinungen und Gefühlen. Überzeugungsarbeit bei Produzenten und Verbrauchern über die Produktionsweise von gesunden Lebensmitteln ist für eine dauerhafte Ressourcennutzung in der Region erforderlich. Das Beispiel aus der Rhön zeigt, dass das Bewusstsein für Tradition und Innovation Einfluss nimmt auf den Aufbau eines positiven oder auch negativen Images der Ressourcennutzung in einer Bergregion. Die Pflege des Images einer Region spielt eine zentrale Rolle bei ihrer dauerhaften gewerblichen Nutzung. * Im folgenden Abschnitt wird die Bedeutung von Innovation bei der Produktion und der Regionalität mit einem Blick in die Literatur erweitert. Danach werden Betrachtungen über Innovation und Tradition bei der regionalen Ressourcennutzung in Bergregionen angestellt. Exkurs 5. Innovation bei der industriellen Produktion Innovation 13 ist im Bereich von Industrie und Gewerbe hoch geachtet. Der Ökonom Schumpeter vertritt die Ansicht, dass die kreative Innovation des Unternehmers die Triebkraft der ökonomischen Entwicklung im Kapitalismus ist 14 (vgl. NIRA 1981, S.187, Schumpeter 1926 (1911)). Folgt man dem Betriebswirtschaftler Drucker, bringt der Unternehmer die Innovation hervor. Bei der Ressourcennutzung ist Innovation erforderlich. Das Material wird erst zur „Ressource”, wenn man dafür eine Nutzung findet und darin ein ökonomischer Wert liegt. Dabei 112 wird eine neue Technik entwickelt, welche die Ressource nutzbar macht. Aber Innovation wird nicht nur bei Material und Anwendungstechnik gebraucht. Menschen, die Kenntnisse über Techniken zur Nutzung von Materialien haben, werden organisiert, und das Produktionssystem wird aufgebaut. Sie werden zudem mit dem Ausbildungssystem verbunden. Solch eine neue organisierte Gesellschaft zu erzeugen, ist eine gesellschaftliche Innovation. Durch Innovationen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer effizienteren Ressourcennutzung (vgl. Drucker 2005 (1985), S.44-53). Mit der Modernisierung des Lebensstils verändert sich das Bedürfnis der Verbraucher nach Produkten immer wieder. Der Ökonom Theodore Levitt warnte im Jahr 1960 vor konservativer und konzeptloser Produktion und Dienstleistung im Wirtschaftsaufschwung und mahnte an, dass sich der Unternehmer in die Bedürfnisse von Verbrauchern hineinversetzen und sich vorstellen sollte, wozu ihre Produkte und Leistungen dienen sollten. Er prägte den Begriff des „Marketing Myopia” (Marketing-Kurzsichtigkeit) für Unternehmer, die mit ihrer Vorstellung zu eng an ihrem Produkt orientiert sind. Sein Schlagwort dafür war: „Unsere Kunden wollen keine großen Drillbohrer, sondern große Löcher!”, womit er sagen wollte, dass sich der Produzent in seinen Überlegungen für Innovationen den Weg verstellt, wenn er sich dabei von seinen bisher produzierten Produkten leiten lässt. Er sollte seine Überlegungen vielmehr von der Seite des gewünschten Resultats angehen (vgl. Levitt 1979 (1960), Levitt 1984b (1983), S.154). Unternehmen, welche die Kraft von kreativer Innovation entfalten konnten, haben im Verlauf des Modernisierungsprozesses dem Verbraucher immer wieder neue Produkte oder Dienstleistungen angeboten und sind gewachsen. So hatte z.B. ein Besenproduzent mit zunehmender Verbreitung des Staubsaugers Schwierigkeiten, seine Produkte weiterhin zu verkaufen. Daraufhin hat er seine Produktion von Besen auf andere Produkte für die Reinigung, wie Scheuerlappen, umgestellt. Als Nächstens hat er sich als Unternehmen für Reinigungsdienste umgestellt und ist stark gewachsen. In dieser Firma hat man sich einfach vorgestellt, dass der Verbraucher nichts weiter als einen sauberen Raum wünscht, in dem er arbeiten kann (vgl. Tanaka 1986, S.42). Gleichzeitig hat gewinnorientiertes Wirtschaften mit Innovationen die Globalisierung von Produktion und Verbrauch fortgesetzt. Solche Innovationen sind z.B. die Verwendung importierter billigerer Materialien, der Aufbau eines neuen Produktionssystems mit billiger Arbeitskraft im Ausland oder der Aufbau neuer Märkte im Ausland usw. Im Jahr 1983 hat Levitt beschrieben, dass, sollte ein Unternehmen im globalisierten Markt weiter wachsen wollen, es ein multinationales Unternehmen werden und weltweit standardisierte Produkte anbieten müsse, die ausgereift, funktionstüchtig, verlässlich und preisgünstig seien (Levitt 1984a (1983)). In der Gegenwart ist globale Produktion und Verbrauch Voraussetzung des Marketings (Kotler et al. 2006 (2000), S.615-653). So haben die Innovationen von Unternehmen die Regionalität bei Produktion und Verbrauch durch die Globalisierung ersetzt. Baudrillard hingegen vertritt die Auffassung, dass es so scheint, als habe der Verbraucher die 113 eigentliche Macht, aber er wird in Wirklichkeit von der Wirtschaft dazu gezwungen, „frei“ auszuwählen. D.h. es sieht so aus, als sei die Produktion mit persönlichen Wünschen der Verbraucher verbunden, aber das eigentliche Ziel ist die Erhaltung des Produktionssystems. Die Firmen müssen Produkte verkaufen und dafür generieren sie Bedürfnisse (Baudrillard 2006 (1970, S.84-86)). Unter dem Konkurrenzdruck billiger, industriell gefertigter Produkte vom Weltmarkt können die Unternehmen mit konventionellen Innovationen, wie einer neuen Technik für die Materialbehandlung, dem Aufbau eines anderen Produktionssystems, der Verknüpfung mit dem Ausbildungssystem usw., nicht mehr den Anschluss schaffen, um in einer Region mit ihren regionalen Ressourcen überhaupt wirtschaftlich zu produzieren und zu verkaufen. Dem lokalen Gewerbe ist lange bewusst, dass man den Produkten einen anderen Wert neben ihrem Preis geben muss, will man weiterhin in der Region produzieren. Sie versuchen, ein hochwertigeres Produkt z.B. mit neuem Verwendungszweck, Funktion, Gestaltung oder hoher Qualität zu produzieren. Damit bauen lokale Unternehmen eine eigene Marke auf und werden wettbewerbsfähig (vgl. Zentrum für die Aktivierung von Produktion in Tohoku 2004, S.166). Diese Forschungsarbeit konzentriert sich anhand der Situation in Bergregionen auf die Frage, worin eigentlich dieser neue Wert bestehen könnte und folgt nicht dem an der Massenproduktion orientierten Lebenszyklus eines Produktes. Im folgenden Projektbeispiel wurde die Herkunft des Materials für die Produkte nicht untersucht, aber die Denkweise bezüglich der Produktion in den Bergregionen ist interessant. Ein Autodesigner von Ferrari, Ken Okuyama, hat die japanische traditionelle Technik von Handwerkern ins Auge gefasst. Er hat mit Handwerkern und Firmen des lokalen Gewerbes in den Bergregionen der Präfektur Yamagata in Japan Produkte mit Spitzenqualität entwickelt. Die Produkte sind auf internationalen Messen in Paris mit Preisen gekrönt worden. Mit dem guten Ruf, den die Produkte in Europa erlangt haben, legen die Produzenten in Japan auf ihre Produkte ebenfalls neuen Wert und versuchen, eine eigene Marke aufzubauen. Okuyama zufolge ist es die Schlichtheit, wodurch sich die traditionellen Produkte des japanischen Handwerkers auszeichnen. Sie lassen bei der Produktion alle Elemente weg, die man nicht unbedingt braucht, und so bleibt nur das Wesentliche übrig. Die Produkte, die mit der Technik des traditionellen Handwerkers entwickelt wurden, haben den Wert des Authentischen, den man in Massenproduktion und Massenverbrauch verloren hat. Okuyama vermutet, dass die feine Technik des japanischen Handwerkers in anderen Ländern nicht leicht nachgemacht werden kann, weswegen das lokale Gewerbe mit seiner 114 handwerklichen Technik im internationalen Wettbewerb mit seinen Produkten dauerhaft konkurrenzfähig sein müsste (vgl. Okuyama 2007, S.4-5, S.35, S.125-126). Die Produkte, die Okuyama mit den Handwerkern oder Unternehmen des lokalen Gewerbes in Yamagata entwickelt hat, sind z.B. Gusseisenkessel, Teppiche oder Möbel aus Holz. Sie haben Spitzenqualität und zeichnen sich durch Langlebigkeit aus. Im Vergleich mit industriellen Massenprodukten sind sie teurer, aber nicht um so viel, dass sie gewöhnlich nicht bezahlbar wären. Die Produkte haben einen guten Ruf in Yamagata (Miura T. 2007b, vgl. Okuyama 2007). Okuyama hat traditionelle Techniken ins Auge gefasst, die verloren zu gehen drohen, und er hat diese Techniken zu neuen Kreationen verknüpft. Innovation aus der Tradition ist seine Idee für eine neue Kreativität und Wertschöpfung der Produktion. Wenn man in die Zukunft sehen möchte, muss man in die Vergangenheit blicken 15 . Betrachtet man seine Umgebung mit dieser Idee, findet man in der Gegenwart versteckte Innovationen in der Tradition, die gerade verloren zu gehen droht, wie z.B. in den traditionellen Arbeiten in den Bergregionen, die heute immer mehr verschwinden. Dort findet man die Denkweise, das Wissen und die Techniken für eine nachhaltige Ressourcennutzung durch die Bewohner. Der Jagdkulturforscher Taguchi untersucht, wie Bewohner von japanischen Bergregionen und anderen Regionen des Fernen Ostens unter dem Aspekt des Tierschutzes Wildtiere nachhaltig nutzen, wie z.B. deren Fleisch und Felle. Er schreibt Folgendes: „Bei dieser Form der Ressourcennutzung wird die Ressource normalerweise nie verschwendet. (…) Unter diesem Blickwinkel sollte man den Lebensstil und die Lebenskultur der Bewohner in der Gesellschaft positiv bewerten. Die Natur in der Region ist mit dem Leben und der Historie der Bewohner auf Engste verbunden. Wenn man dieses gespeicherte und gereifte volkstümliche Wissen aus diesem langen Zeitraum (mit dem gesamten Wissen (…) mit Erfahrung, Technik und Natur im regionalen Leben) effektiv einbringt, kann man erst in der modernen Gesellschaft über das Thema (Anm.: über Artenschutz durch Nutzung) Übereinstimmung erreichen.” (Taguchi 2005a, S.18). Bergregionen bieten Stadtbewohnern das Image von Reinheit und Nostalgie. Das ist vermutlich so, weil die Menschen, die dort leben, im Vergleich zu Städtern, stärker an der Tradition festhalten. Die Ideen aus der Rhön, von Taguchi und von Okuyama zeigen, dass die Werte der Bergregionen, die Authentizität und die Nachhaltigkeit, zwar aus der Tradition abgeleitet, aber heute durchaus modern sind. Wenn man das daraus entstandene Image in- und außerhalb der Bergregion für die Vermarktung heimischer Ressourcen nachhaltig nutzen möchte, sollte der Produzent die Innovation aus der Tradition herleiten. Das zeigt das Beispiel aus der Rhön besonders deutlich. In dieser Bergregion wirkt sich 115 auf die gute Nutzbarkeit der lokalen Ressourcen in der modernen Gesellschaft besonders aus, dass junge Menschen, die mit der Anwendung von traditionellem Wissen und Technik vertraut sind, daraus die Kraft für Innovationen schöpfen. Sie müssen dazu dem Verbraucher die Idee der Innovation aus der Tradition glaubhaft vermitteln. Die Wirtschaftstätigkeit unter dem Begriff „Schutz durch Nutzung” ist nicht allein auf die Befriedigung des Marktes und das Wachstum der Produzenten oder Unternehmen ausgerichtet. Wenn man aber die Kraft der Innovation im Kontext der traditionellen Regionalität entwickelt, kann man, wie in der Rhön, Landschaft, Kultur und Sozialsystem in der Bergregion mit der regionalen Wirtschaft zusammen entwickeln. Das ist im Sinne dieser Forschungsarbeit das Prinzip von „Schutz durch Nutzung”. 1.3. „Schutz durch Nutzung” und Zusammenarbeit in der Region In der Rhön arbeiten Produzenten wie Schäfer, Land- und Teichwirte etc., Verarbeiter wie Metzger, Kelterer etc., Gastwirte und Ladeninhaber beim Konzept „Schutz durch Nutzung” zusammen. Die Produzenten und die Gastwirte etc. vermarkten die Produkte direkt. Sie folgen dabei nicht nur dem eigenen Profit, sondern sie bringen auch der Arbeitsweise und der Bewirtschaftungsform anderer Achtung entgegen. Die Betriebe haben eine horizontale Beziehungsstruktur und entwickeln sich nicht einzeln, sondern als Komplex in der Region. Wie oben erwähnt, hat in der Rhön das Landesministerium versucht, die Koordination der Vermarktung regionaler Produkte anzuleiten, oder ein Großmarkt hat eine Ecke für regionale Produkte eingerichtet, was aber so nicht funktioniert hat. Durch die Beispiele aus der Rhön kann man schlussfolgern, dass die eigene Initiative eine wichtige Rolle bei der Zusammenarbeit von Produzenten und Gastwirten etc. spielt. Mit Poppinga gesprochen: Die Produkte müssen „ein Gesicht“ haben (Poppinga 2008). * Exkurs 6. Agglomeration von Unternehmen Wie im letzten Abschnitt erwähnt, braucht man Innovationskraft, wenn man regionale Ressourcen gewerblich nutzen möchte. Bei der Ressourcennutzung müssen die verschiedenen Handwerker oder Unternehmen mit ihrem spezifischen Wissen und ihrer Technik für die Nutzung zusammenarbeiten 16. So bauen sie ihre Produktionskette auf und auch die Vertriebswege, damit das Produkt schließlich beim Verbraucher ankommt. Man braucht auch ein Ausbildungssystem, mit dem das Wissen und die Technik weitergegeben werden können, und außerdem braucht man das Wissen, die Technik und die Systeme auch für die nachhaltige Herstellung der Ressourcen. 116 Wenn man mit der Innovationskraft eine neue Struktur für die regionale Ressourcennutzung aufbauen möchte, hat man Vorteile für die Zusammenarbeit, wenn die Beteiligten in oder in der Nähe der Region leben. Über die Vorteile von Unternehmenskonzentrationen wurde im Bereich der Wirtschaft und Wirtschaftsgeografie bei Industrie und Gewerbe geforscht 17. Der Ökonom Alfred Marshall hat im Jahr 1890 in „Principles of economics” beschrieben, dass die Agglomeration von Unternehmen in einer Region externe Effekte erreichen. So gibt es z.B. spezielle Fertigkeiten in einer Branche, für die sich eine Region verständig zeigen kann, oder eine neue Technik wird sofort gemeinsam genutzt. Tüchtige Arbeit wird geschätzt, und Erfindungen oder Verbesserungen setzten sich unmittelbar durch. Miteinander verwandte Branchen entwickeln sich. Die Nachfrage nach dem Produkt wird in der Region gesteigert, und dadurch kann sich ein Unternehmen teurere spezielle Maschinen leisten. Das Unternehmen findet leicht Arbeitskräfte mit speziellen Fertigkeiten. Umgekehrt kann ein Arbeitnehmer leicht einen Arbeitsplatz finden. Mit solchen Vorteilen wird eine Region die Oberhand gewinnen (vgl. Marshall 1988(1890), Tomisawa 2002, Futagami 2005c, S.ii,). Im Jahr 1984 haben die Ökonomen Michael J. Piore und Charles F. Sabel, abgeleitet aus der Kritik an der Massenproduktion in den USA, anhand des Beispiels handwerklicher Schuhproduktion in Mittelitalien „flexible Spezialisierung” von kleinen und mittleren Betrieben favorisiert, die in nur einer Region (Anm.: in industrial district) konzentriert sind (Piore und Sabel 1993 (1984), Tomisawa 2002). In Italien sind seit Mitte der 1970er Jahre die großen Unternehmen industrieller Massenproduktion im Norden schwächer geworden. Zum Gegensatz dazu haben die kleinen und mittelgroßen Unternehmen in Mittelitalien, die in der Region konzentriert sind, ein horizontales Netzwerk aufgebaut, damit die Innovationskraft entfesselt und stabil gewirtschaftet. Die Regionen erregten die öffentliche Aufmerksamkeit und sind als „Drittes Italien” bekannt geworden 18 (vgl. Porter 1990b, Porter 1991, S.443-475, Ishikura 2000 (1999), S.167-171, Hatsuzawa 2005, S.54-56). Der Ökonom Michael Porter hat die nationale Wettbewerbskraft von verschiedenen Ländern unter dem Aspekt der stimulierenden Innovationen von Unternehmenskonzentrationen auf engem Raum betrachtet und dies mit dem Begriff „Cluster” belegt (vgl. Porter 1990b). Nach Porter: „Ein Cluster ist eine geographische Konzentration von miteinander verbundenen Unternehmen und Institutionen in einem bestimmten Wirtschaftszweig. Es umfasst eine Reihe vernetzter Branchen und weitere für den Wettbewerb relevante Organisationseinheiten. (…) Die dauerhaften Wettbewerbsvorteile in einer globalen Wirtschaft liegen häufig besonders in Regionen. Sie beruhen auf der Konzentration von hochspezialisierten Fertigkeiten und Kenntnissen, Institutionen, Konkurrenten sowie verwandten Unternehmen und anspruchsvollen Kunden. Geographische, kulturelle und institutionelle Nähe führt zu privilegiertem Zugang, engeren Beziehungen, kräftigen Anreizen und weiteren Produktivitäts- und Innovationsvorteilen, die sich schwerlich aus der Ferne 117 nutzen lassen. Dies gilt umso mehr, je komplexer und dynamischer die Weltwirtschaft wird und je mehr sie auf Wissen beruht. (…) Cluster zeigen die gegenseitige Abhängigkeit und gemeinsame Verantwortung aller dieser Einheiten, die Bedingungen für produktiven Wettbewerb herzustellen. Diese Aufgabe verlangt von Führungskräften unvoreingenommene Denkweisen sowie die Bereitschaft, traditionelle Zuordnungen zu überwinden, wer in der Wirtschaft welche Aufgaben zu übernehmen hat” (Porter 1999 (1998), S.2, S.14) 19. In einer Region kennen sich die Unternehmer untereinander. Sie wissen, was das jeweilige Talent, aber auch der Schwachpunkt, die wirtschaftliche Fähigkeit, die Vertrauenswürdigkeit und die Beziehungen des anderen ausmacht. Sie können leicht Informationen austauschen und Meinungen abstimmen (vgl. Futagami 2005a, S.2-3). Außerdem spornen sich die Manager gegenseitig an durch: den „Stolz und dem Bedürfnis, beim Nachbarn einen guten Eindruck zu hinterlassen” (Porter 1999 (1998), S.9). Für die Entwicklung mit Innovation lokaler Unternehmens-Agglomerationen ist es wichtig, horizontale Beziehungen aufzubauen. Aber auch wenn Unternehmen einmal horizontale Beziehungen aufgebaut und ein unternehmerisches und innovatives Milieu in der Region geschaffen haben, könnte ein solches Milieu später in die Krise geraten. Der Ökonom Robert Camagni beobachtet die Entwicklung eines solchen Falles an einem Beispiel aus dem „Dritten Italien” 20. 1. Es wird eine neue spezielle Marktnische aufgebaut 21. 2. Das nicht formalisierte „innovative Milieu”, das aus Zufall, Freundschaft oder Verwandtschaftsbeziehungen entstanden ist, wird aufgelöst. Man sucht bewusst nach wirtschaftlichen Partnern, die außerhalb der Region sitzen, um sich mit ihnen gegenseitig zu ergänzen. So wird ein „Innovationsnetzwerk” mit Partnern aufgebaut. 3. In „innovativen Milieus” bauen Unternehmer vertikale Beziehungen auf. Es ist nicht einfach, die Triebkraft von Innovation allein mit der Kraft von lokalen Milieus zu erhalten (vgl. Camagni 1991, Hatsuzawa 2005, S.55, Yamamoto 2004, Yamamoto 2005). Die Vorteile Unternehmen, der geographischen Institutionen und Konzentration anderen von Betroffenen horizontal können verbundenen auch bei der Ressourcennutzung in den Bergregionen, also dem Hauptthema dieser Forschungsarbeit, genutzt werden. Die Frage ist aber, wie sie bereits Ipsen mit seiner Theorie über „Poetische Orte“ gestellt hat, wie man ein horizontales Netzwerk in der Region aufbauen und es langfristig pflegen kann um damit ein „unternehmendes Milieu” für Innovation anzuregen (vgl. Ipsen 2000c, S.568-569). Weitere Betrachtungen dazu werden in Kapitel „II. - 2. Ästhetische Begriffsebene „Sympathie” -Begriff des „Poetischen Ortes”-” angestellt. 118 1.4. Punkte bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen, auf die in der Praxis zu achten ist Anhand des Beispiels aus der Rhön haben wir die Strategie „Schutz durch Nutzung” in einer Bergregion in der Praxis betrachtet und sind den Rollen von Tradition und Innovation, dem horizontalen Netzwerk der Produzenten und anderen Beteiligten weiter nachgegangen. Nun wollen wir die Punkte ordnen, die man bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen in der Praxis beachten sollte. Um Umweltbelastung in der Region zu vermeiden, sollte man alle folgenden Punkte von 1. bis 6. beachten. Aspekte der Ökologie: 1. Stoffströme 1: Man produziert oder sammelt heimische Ressourcen im Sinne der Nachhaltigkeit. 2. Stoffströme 2: Man verbraucht die Produkte innerhalb der Region. 3. Ressourcenvielfalt: Man benutzt vielfältige Ressourcen (für vielfältige Ökosysteme, Schutzwaldpflege, die Sicherung von Arbeit mit vielfältigen Alternativen etc.). 4. Energieverbrauch: Man verbraucht bei der Produktion wenig Energie aus nicht nachwachsenden Rohstoffen (Erdöl, Gas etc.). 5. Metabolismus: Das Produkt ist biologisch abbaubar. 6. Haltbarkeit: Das Produkt hält lange, lässt sich wieder-, oder weiterverwerten. Als nächstes spielen Tradition und Innovation eine Rolle bei der Pflege und Entwicklung regionaler Kultur und gleichzeitig bei der kontinuierlichen Bewirtschaftung des lokalen Gewerbes. Bei der Auswahl von Ressourcen, beim Entwurf von Produkten, bei der Entwicklung von Technik, beim Aufbau von Produktionssystemen, beim Aufbau von Ausbildungssystemen, beim Aufbau von Vertriebswegen usw. kann man im Produktionskonzept überlegen, ob man Traditionen weitergibt, oder man auf der Basis der Tradition fußende innovative Ideen einfügt, oder man völlig neue innovative Ideen nimmt. Dafür sollte man Punkt 7 beachten. Aspekte für Tradition und Innovation: 7a. Tradition: Traditionelle Techniken und Gestaltung etc. werden weitergegeben. 7b. Tradition mit Innovation: Man nutzt Techniken oder Gestaltungen etc. aus der Tradition und fügt innovative Ideen hinzu. 7c. Innovation: Man nimmt hauptsächlich innovative Techniken oder Gestaltungen. 119 Man kann darauf achten, welche Netzwerke es bei Produktion und Verbrauch innerhalb einer Region, für die regionale Gesellschaft und langfristige Bewirtschaftung gibt. Bei Punkt 8 sollte man beachten, ob die Aktion auf der Basis eines horizontalen Netzwerks zwischen Unternehmen, anderen Beteiligten und Verbrauchern steht, oder sie nur unter der Leitung einer Verwaltung an der Aktion teilnehmen, oder eigenständig vorgehen. Aspekte für die Zusammenarbeit: 8a. Horizontales Netzwerk: Ein horizontales Netzwerk zwischen Unternehmen, anderen Beteiligten und Verbrauchern aus eigener Initiative. 8b. Leitung durch eine Verwaltung: Teilnahme von Unternehmen, anderen Betroffenen und Verbrauchern unter der Leitung einer Verwaltung. Außerdem ist es erforderlich, dass man eine angemessene Kostensenkung bei der Herstellung durch Mechanisierung und Arbeitsteilung der Produktion betreibt. Dabei sollten die Arbeitsbedingungen fair gestaltet sein. Zudem sind eine hohe Qualität der Produkte und eingespielte Vertriebswege für einen dauerhaften Verkauf der Produkte nötig. Dazu beachte man die Punkte 9 bis 11. Aspekte für Produktion und Marketing: 9. Mechanisierung und Arbeitsteilung: Man mechanisiert oder teilt die Arbeit der Produktion angemessen unter den Gesichtspunkten sozialer und Herstellungskostensenkung. 10. Qualität: Man produziert Produkte mit hoher Qualität. 11. Vertriebswege: Vertriebswege für einen dauerhaften Verkauf der Produkte. Tab. 5. Kriterien für „Schutz durch Nutzung“ 120 fairer Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Schutz durch Verzehr in der Rhön wurde in 2000, 2004, 2007 und 2008 mit Interviewpartner aus der Reihe der Produzenten, Gastwirte und der Verwaltungen usw. untersucht. Die Interviewpartner werden in Anhang 1. beschrieben. Extensive Weidewirtschaft bedeutet hier, dass die Bewirtschaftung ohne oder mit wenig Dünge- oder Pflanzenschutzmittel durchgeführt wird und eine geringe Anzahl von Tieren auf der Weide gehalten werden, die nicht mehr Futter abweidet als nachwächst. Sie verwenden aber durchaus landwirtschaftliche Maschinen, wie den Traktor. Medien.Agrar e.V. 2001 Landwirtschaft in Deutschland -Begleitatlas zur Landkarte(http://www.ima-agrar.de). Seit 2 Jahren erzielt Getreide hohe Preise auf dem Weltmarkt (Anm. von Poppinga 2008). BUND: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. EG-Öko-Verordnung: Rat der Europäischen Gemeinschaft 1991; Verordnung zum ökologischen Landbau (EWG), Nr. 2092/ 91 Landbau. Siehe „II - 1.2. Tradition und Innovation bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen“. LPG: Landwirtschaftliche-Produktions-Genossenschaft. Unter dem Aspekt der Umweltbelastung betrachtet ist zu erwähnen, dass die meisten Regionalprodukte der Rhön nicht aufwändig verpackt sind und daher die Umwelt wenig mit Müll belastet wird. Dazu haben 2 Personen sonstige Gründe genannt. Bei der Befragung der Gäste in den Gaststätten im Jahr 2000 fand die Befragung mit einem sog. Landschaftspuzzle statt. Die Puzzles lassen je Teil drei Motive zur Auswahl, sodass sich daraus unterschiedliche Landschaftsbilder zusammensetzen lassen. 1. Rückgang der Landwirtschaft und Zurückkehren zum Buchenwald, 2. Intensive Landbewirtschaftung im Tal und verwilderte Weidelandschaft und Forst auf dem Berg und 3. „Land der offenen Ferne“, das Ziel des Biosphärenreservates. Jedes der Motive hat einen Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund. Es besteht die Möglichkeit, mit dem Puzzle 33 =27 Bildvarianten aufzubauen. Die meisten Touristen kommen mit eigenen PKWs in die Rhön (Es gibt auch einige Orte des Massentourismus in der Rhön). Sie genießen die Kulturlandschaft bei Wanderungen, Spaziergängen oder Spazierfahrten. Auf der Straße kommt es manchmal beim Treiben der Tiere von oder zur Weide zwischen Landwirten und Touristen in PKWs zu Konflikten, wenn es zu Wartezeiten kommt. Nach Drucker, wird Innovation in folgenden Fällen erwartet. 1. Es passiert etwas Unvorhergesehenes. 2. Es gibt ein Gefälle zwischen Ideal und Realität. 3. Es gibt eine Nachfrage. 4. Es gibt eine Veränderung bei der Produktionskonstruktion. 5. Es gibt eine Veränderung beim Bevölkerungswachstum. 6. Es gibt eine Veränderung von Gefühl, Auffassung oder Blickwinkel. 7. Es tauche ein neues Wissen auf (vgl. Drucker 2005 (1985), S.44-53). Man betrachtet zwei Art von Innovation in der Praxis. Die eine ist das neue Ding oder Idee. Die andere ist die Anwendung von Dingen oder Ideen von außerhalb der Region oder aus dem Ausland. Man nennt die zweite Diffusion (Durchsetzung) von Innovation. In dieser Forschungsarbeit werden die beiden Arten der Innovation nicht differenziert. Alle Dinge oder Ideen, die in der Region nicht existierten und eingeführt wurden, werden hier als Innovationen betrachtet. 121 14 15 16 17 18 19 20 21 122 Bei Schumpeter waren Eigentümer, Betriebsleiter und Träger von Innovationen, weitgehend identisch, eine Person. Das ist heute bei Großbetrieben aufgelöst (Anm. von Poppinga 2008, vgl. Schumpeter 1926 (1911)). Nach einem Wort von Konfuzius. Bei der Ressourcennutzung gibt es den Fall, dass eine Person oder eine Firma Ressourcen herstellt und sie den ganzen Prozess von der Verarbeitung allein trägt. Z.B. bei der Produktion von traditionellem Gebrauchshandwerk macht eine Landwirtin vom Einpflanzen und Ernten der Pflanzen, der Materialgewinnung bis zur Herstellung der Produkte alles selbst. Oder wenn eine Bauernfamilie in ihrem Hof eine Gastronomie bewirtschaften, kann sie eigenes Gemüse kochen und anbieten, aber wenn sie eines ihrer Tiere schlachten möchte, müssen sie den Metzger einbestellen und das Tier vom Tierarzt kontrollieren lassen. Wenn man mit heimischem Holz ein traditionelles Wohnhaus bauen möchte, müssen nicht nur Waldbesitzer, Sägewerk und Zimmermann zusammenarbeiten. Nach Kawanabes Untersuchung müssen noch 20 weitere verschiedene Handwerker auf der Baustelle mitarbeiten (vgl. Kawanabe u. Sakamoto 2001). Wenn man eine öffentliche Einrichtung mit heimischem Holz bauen möchte. Der Architekt Hermann Kaufmann spricht sogar von 60 verschiedenen Handwerkern (vgl. Gemeinde Ludesch -). Mit der Forschung über die Agglomeration von Unternehmen begann A. Marschall. M. J. Piore, C.F. Sabel, A. Amin usw. haben die Theorie der Agglomeration weiter entwickelt. A. Saxenian, R. Florida und M. Kenny richteten ihr Augenmerk auf der Entwicklung von Silicon Valley (vgl. Futagami 2005c, S.ii). Silicon Valley entwickelte sich mit dem Wechseln der Produkte. Dort wurden in den 1950er Jahren Waffen, in den 1960er Jahren Halbleiter und in den 1970er Jahren Personal Computer produziert. Seit den 1990er Jahren entwickelten sich dort Projekte mit dem Internet (vgl. Futagami 2005b, S.16-17, S.52-53, S.72-74). Es gibt die Kritik an einer zu positiven Einschätzung des Dritten Italiens. Z.B. kann man nicht sagen, dass die kleinen und mittleren Betriebe innovativer als die großen Betriebe sind. Die Mitarbeiter der kleinen und mittleren Betriebe nehmen auch weniger Lohn und arbeiten lang. Die Arbeitsteilung ist auch nicht immer horizontal zwischen den kleinen und mittleren Betrieben ausgerichtet (vgl. Hatsuyawa 2005, S.55, Iga 2000). In Japan wurden seit den 1980er Jahren Cluster für die Entwicklung der Hochtechnologie politisch gefördert (vgl. Die 2002, S.5-11, Futagami 2005a, S.19-28). Die Informationen stammen aus den Forschungen des Ökonomen Robert Camagni usw. (vgl. Hatsuzawa 2005, S.55, Zitat von Yamamoto 2005). Eine Marktnische ist ein kleiner Markt für besondere spezielle Produkte mit kleiner Nachfrage. Die Produktion bringt meistens wenig Ertrag, weswegen die großen Betriebe sich kaum dafür interessieren (vgl. Sakai, 1998, S.26). 2. Ästhetische Begriffsebene „Sympathie” -Begriff des „Poetischen Ortes”In dieser Forschungsarbeit wird „Sympathie“ als ästhetische Bedeutungsebene bei der Nutzung regionaler Ressourcen mit dem Begriff des „Poetischen Ortes“ erklärt. In der Forschung wird interpretiert, dass „Sympathie“ bei der Konstruktion des Lebensraumes von Bürgern die Beziehungen zwischen Menschen untereinander oder der Menschen zu den Orten knüpft. Mit den Aspekten von „Poetischen Orten“ wird die Rolle von „Sympathie“ bei der Entwicklung von Bergregionen durch die Nutzung regionaler Ressourcen betrachtet. 2.1. Bedeutung von Poetik und dem Begriff „Poetischer Ort“ „Poetik“ und „Poesie“ leiten sich von dem griechischen Wort [Anm.: (ποίησις poiesis)] für „handeln“/ „schaffen“ ab. Die Poetik stellt sich also nicht einfach ein, sondern sie ist gemacht, geplant und gestaltet. (…) Der Dichter, der Poet, gestaltet und entwirft nicht das Alltägliche, sondern überhöht und zielt auf das Wesentliche“ (Ipsen 2007, S.82). Hier wird die Poesie unter dem Aspekt der Handlung gesehen. Ein japanisches Wörterbuch erklärt „Poesie“ (im Sinne von Dichtung) wie folgt: „Bezeichnung für rhythmische Wörter, mit denen die Bewegung des Lebens oder der Naturbeobachtung zum Ausdruck kommt“ (Iwanami-japanisches-Wörterbuch, vgl. Takano 2007a, S.391). Es gibt verschiedene Stile von Poesie. Sie kennen Reim, Auswahl, Wende und Allegorie als Elemente, aus denen sie ihre Ästhetik beziehen (vgl. Yoshimoto 2006, S.129-134). Das japanische Wort für Poesie kommt aus dem Chinesischen nach Japan. Im Wörterbuch für chinesische Wortschrift wird „Poesie“ wie folgt erklärt: „Das Innere mit dem Ausdruck von Wörtern“ (Morohashi, „Koukanwajiten“-chinesisches Wortschrift- Wörterbuch, vgl. Takano 2007a, S.391). Wenn man das japanische Wort für „Poesie“ in die Bestandteile seiner chinesischen Wortschrift zerlegt, setzt es sich aus den Schriftzeichen für „Wort“ und „Tempel“ zusammen (詩 (Poesie) = 言 (Wort) + 寺 (Tempel)). Dadurch versteht man, dass das Wort mit einer religiösen Zeremonie oder mit einer Feier zusammenhängt (vgl. Takano 2007a, S.391). Ein japanischer Literaturwissenschaftler Shinobu Origuchi (1887-1953) stellt in „Die Entstehung der japanische Literatur (erste Fassung)“ (Sämtliche Werke 1. Band) fest, dass die Poesie ursprünglich aus der Religion stammt. Das heißt, dass das Fest, in der Antike das Schauspiel, die Poesie, die Musik und der Tanz aus der religiösen Zeremonie hervorgebracht wurde (vgl. Yoshimoto, S.21-28). Von anderer Seite, wie in dem chinesischem Gedichtband „Shikyo (Shi Jing)“, das aus dem 16. Jahrhundert vor Christus stammt, sind Gedichte überliefert, die die Herzen der Bevölkerung besingen. Daraus lässt sich schließen, dass Poesie nicht nur für die 123 Oberschicht, sondern allgemeine Ausdrucksmethode für die geistige Welt von Menschen war (vgl. Takano 2007a, S.391). Nach dem Denker und Dichter Ryumei Yoshimoto (1924- ), ist Poesie eine Handlung, die Zeichen der Seele zu empfangen. (vgl. Yoshimoto 2006, S.136). Nach dem Dichter Sakutaro Hagiwara (1886-1942) ist das Wesen des Geistes der Poesie die Sehnsucht nach der nicht existierenden Existenz (vgl. Yoshimoto 2006, S.14). Nach Yoshimoto, schreibt man die Poesie in der Gegenwart, das heißt, durch die Handlung des Schreibens äußert man die Realität, die, wenn man sie in der realen Gesellschaft äußerte, die ganze Welt vor Schreck erstarren lassen könnte (vgl. Yoshimoto 2006, S.12-13). Der Autor von „Imagism“, Ezra Pound, (1885-1972) schreibt, die Poesie rufe ein Image hervor, welches eine komplexe Vorstellung mit Wissen und Emotion in einem Augenblick vereine. Mit dem Hervorbringen dieser komplexen Vorstellung des einen Augenblicks, fühlt sich der Dichter befreit von den Fesseln von Zeit und Raum (vgl. Koizumi 2005, S.15-16, von Eliot 1960). Das Wort „poetisch“ ist kein Wort, das einen Zustand beschreiben, wie „schön“ oder „lebendig“. Das Wort vermittelt eine Botschaft oder eine Denkweise (vgl. Takano 2007a, S.391). Im Wort „poetisch“ sind die Schönheit der Natur, Traurigkeit und Freude im Leben, Ärger über die Gesellschaft und andere emotionale Gefühle konzentriert. Orte mit einer solchen Atmosphäre kann man als „Poetische Orte“ bezeichnen (vgl. Takano 2007a, S.391). Nach Ipsen ist die Definition von „Poetischen Orten“ folgende: „Poetische Orte“ haben: 1. eine Aura (vgl. Benjamin 2004 (1936)), 2. eine Verbindung mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sind 3. wahrnehmbar, 4. von anderen Orte differenziert bei gleichzeitiger Harmonie mit der Umgebung, verlieren 5. ohne ihren räumlichen Kontext ihre Bedeutung und sind 6. von Menschen gewünscht und gemacht (vgl. Ipsen 2000c). Man kann ihr Wesen erkennen, wenn man gegenüber der Lebenswelt, gegenüber anderen und sich selbst sensibel ist. Dann hat man die Sehnsucht danach, an dem, was man empfangen hat, festzuhalten, ihm Ausdruck zu verleihen und anderen seine Idee zu vermitteln. „Poetische Orte“ machen ist die „Handlung“, mit der man das Wesentliche mittels eines Ortes empfängt, Sehnsüchte und Wünsche mit anderen teilt und realisiert. Poesie findet nicht nur in Gedichten ihren Ausdruck. Wenn man das Wesentliche mit anderen gemeinsam haben möchte, kann man Poesie auf ganz verschiede Weise Fassung geben. 124 Verschiedene Weisen des Ausdrucks sind z.B. das Lied, der Tanz, die Kunst. Aber bei „Poetischen Orten“ muss man nicht nur eine solche besondere Weise des Ausdrucks benutzen, sondern durch die Idee mit einer eigenen Geschichte, Gebärde, Haltung, einem eigenen Gesichtsausdruck und Benehmen etc. das Wesen der Poesie empfangen und daraus ein „Gebräu mengen“. 2.2. Persönliche „Poetische Orte“ 2.2.1. „Poetische Orte“ in der Erinnerung Dem Leiter der deutsch- japanischen Forschungsgruppe für „„Poetische Orte“ und Regionalentwicklung“ (ab hier „die Forschungsgruppe“) von japanischer Seite, dem Stadtplaner Kimio Takano zufolge, sind persönliche „Poetische Orte“ zum Beispiel das eigene Zimmer, das eigene Haus, ein Versteck, der Spielplatz in der Kindheit, ein Ort, den man häufig besuchen möchte, ein gemütlicher, ein nostalgischer oder eindrucksvoller Ort, den man auf Reisen erlebt hat. Es sind die „Poetischen Orte“, welche die persönliche seelische Landschaft färben (vgl. Takano 2007a, S.399). Solche persönlichen „Poetischen Orte“ durchdringen unser Alltagsleben. Ein Mitglied der Forschungsgruppe, der Holzdruckkünstler Takanori Miura, schreibt, die Orte, die ihm Inspirationen für seine Werke geben, sind Orte in seiner Erinnerung aus seiner Kindheit und sie sind seine „Poetischen Orte“ (vgl. Miura, T. 2007, S.460). „Der Holzdruck ist Ausdruck der Landschaft und zugleich auch Illusion. Die Orte, die im Holzdruck vorkommen, sind die Landschaften meiner Heimat. Der Holzdruck ist für mich die Verbindung von mir und der Welt. Er ist auch ein Zeitaufnahmegerät für meine Biografie in der Vergangenheit und Zukunft. Das ist auch das Wesen meines Lebens im Moment. Die Landschaft in Yamagata gibt mir die Inspirationen und gibt mir den Anlass für meine Kreationen. Allgemein beobachte ich, dass Heimat mit ihrer Landschaft auf die Regionalität fixiert ist. Heimat hat die Besonderheit, dass sie nicht mit einer anderen Landschaft austauschbar ist. Trotzdem, wenn ich das Landschaftsbild oder den Eindruck meiner Motive für meinen Holzdruck nebeneinanderstelle, ist die Regionalität, die ich davon ablesen kann, nur der Ortsname (Siehe Exkurs 7.). Ich kann nichts anderes sagen, als dass die Landschaftsbilder, die überall existieren könnten, für mich die Landschaftsbilder meiner Heimat sind, die tief in mein Herz gedrungen sind“ (Miura, T. 2007, S.462). 125 Exkurs 7. Die Orte, wo Takanori Miura seine Inspiration bekommt (Miura, T. 2007, S.462) • Der Frühsommerwind weht durch den Niwatari-Schrein in Tominami in der Stadt Murayama. • Ein Schwarm von Raben, der auf den weit verbreiteten Reisfeldern landet; im westlichen Stadtteil der Stadt Tendo. • Das Feuerwerk, welches das Ende des Sommers vermittelt, von einem Feldweg an den Reisfeldern aus betrachtet, im Stadtteil Mizonobe in der Gemeinde Kahoku. • Das Grüne des Schilfs, das die Wasseroberfläche des Takasegawa-Flusses bedeckt . • Einfach gebaute Holzbrücke über den Mamigasaki-Fluss beim Karamatsu-Kannon-Schrein. • Die komische Stimme aus einem japanischen Zirkuszelt und der Lärm aus den Baracken vom Grünfest. • Der Sonnenuntergang im Shirataka-Gebirge, wie man ihn in der Stadt Yamagata sieht. • Bild mit dem Bergdorf, das am Fuß des Shirataka-Gebirges klebt, und ein zugewachsener Feldweg. T. Miura schreibt, dass er in seiner Kindheit zu Fuß eine Landschaft gefunden hat. Es war eine Wanderung nur mit Kindern, die die ganze Nacht hindurch durch die Stadt und auf den Berg gelaufen waren. Bei seiner Begegnung mit der Landschaft fühlte sich Miura einsam und traurig. Er konnte die Landschaftsbilder, die er gesehen und kennengelernt hatte, nicht vergessen. Er hatte diese Sehnsucht nach der Landschaft, aber er war noch zu klein, als dass er allein den Weg hätte wiederfinden können. Als er Highschool-Schüler war, hat er all seine Sinne zusammengenommen und den Weg, den er in seiner Kindheit gelaufen war, wiederentdeckt. Er hat mit Hilfe von Landkarten und Büchern die Ortsund Dorfnamen gefunden und die Historie der Straße kennengelernt. Aber in dem Moment, als er all die Orte und seine Erfahrungen zusammenfügen wollte, hat er in sich eine Veränderung gefühlt (vgl. Miura, T. 2007, S.460). „Aber warum ist das, was ich in mehreren Jahren gesucht und gewonnen habe, verschwunden? Das Erleben ist verschwunden, außer der einfachen Handlung des Laufens. Die Orte selbst sind in mir auch immer klarer, reiner, gewissermaßen geläutert vorgekommen. Die Informationen über die Orte, z.B. die Historie oder die Geschichten, sind schwach geworden und letztendlich verschwunden. Die Hilfsmittel, die ich gebraucht habe, um die Landschaft zu lesen, erwiesen sich als Störung meiner Orte. Nach dem Prozess der Läuterung war das, was in mir übrig geblieben war, die Poesie, die ich in meiner Kindheit gefühlt hatte. Meine Orte, eingehüllt von Poesie, sind die Landschaften meiner Originalität “ (Miura, T. 2007, S.460). T. Miura ist in der Stadt Yamagata aufgewachsen. Für ihn sind die „Poetischen Orte“ mit den Landschaftsbildern, mit der Natur und mit den Spuren der Menschen verbunden, die dort leben und arbeiten. 126 (noch in der Arbeit) Abb. 6. Persönliche „Poetische Orte“ (©Takanori Miura 2005) Auf der anderen Seite gibt es Erfahrungen durch die Kommunikation und die daraus existierenden „Poetischen Orte“. Ein Mitglied der Forschungsgruppe Makoto Motokura, ein Architekt, ist in dem dichten Beziehungsgeflecht von Nachbarschaften in der Downtown von Tokio aufgewachsen. Er schreibt, die Landschaften seiner Kindheit, die tief in der Erinnerung an seine Kindheit schlummern, könnten alle „Poetische Orte“ sein. Er berichtet über einen Platz vor einem Schrein (Siehe Exkurs 8., Motokura 2007, S.489-490). Vor der Motorisierung in den 1950ern waren in der Downtown von Tokio sowohl die Plätze der Schreine, als auch die Spielplätze, Straßen, Gärten der Nachbarschaft und andere Freiflächen „Poetische Orte“, wo Kinder spielen durften. Exkurs 8. Die „Poetischen Orte“ in der Erinnerung von Makoto Motokura „In diesem kleinen Raum haben verschiedene Spiele stattgefunden. Standard waren Murmeln und Papp-Karten und nach dem Neujahrsfest Stelzenlauf mit den Bambusstäben von der Neujahrsdekoration, Sumo-Ringen oder Ringkampf und Feuerwerk. Die Mädchen machten Gummibandspringen und Seilspringen, spielten Haschen und Verstecken und mit dem Ball. Dosenkicken haben wir auf dem Platz und auf der Straße gespielt. Was wir am meistens gemacht haben, war Baseball mit drei „Bases“ und Gummiball. ( ) Ach kamen dorthin verschiedene Händler. Es gab zwei Geschichtenerzähler mit Bilderkasten. Wenn sie gleichzeitig kamen, stritten sie sich heftig. Der Los-Spiel-Händler hatte attraktive Preise an einem Seil festgebunden, aber man gewann nie. Ein Eintopfstand wurde aufgebaut. Ein Handwerker reparierte Schirme, ein Kesselflicker Töpfe. Ein Handwerker wechselte die Teile von Pfeifen. Es gab einen 127 Krötenfettsalbenhändler, einen Schlangenhändler, und manchmal kam auch ein Bananenhändler. Ein Landstreicher kam häufig. Er hat sich in einer Dose die Gemüseabfälle gekocht und sie gegessen. Einmal ist ein unbekanntes Kind erschienen. Wir haben eine kleine Freundschaft aufgebaut. Ich bin mit ihm mitgegangen. Er war ein Kind von den Leuten, die auf dem Schiff wohnen. Es gab auch einen kleinen Rädelsführer. Die verschiedenen Veranstaltungen des Stadtviertels haben dort auch stattgefunden. Bei Kinoabenden wurde ein großes Tuch aufgespannt. Beim Fest vom Shitaya-Schrein ist eine provisorische Bühne aufgebaut worden, und darauf fanden der Kagura-Tanz, Wettsingen und Aufführungen statt. Es gab Kinder-Sumo-Ringen. Im Sommer wurde ein Gerüst für den Bon-Tanz aufgebaut, und alle sind im Sommer-Kimono hingegangen. Auf solch kleinen Plätzen fanden tatsächlich so verschiedene Ereignisse statt. ( ) Jetzt gibt es keine Schaukel mehr auf dem Platz, und der prächtiger gewordene Schrein steht stattlich ganz in dessen Mitte. ( ) Aber die niedrige Steinmauer, die unser wichtigstes Spielgerät war, ist noch so wie früher, und ich fühle deutlich, die Erde dieser Schreinanlage ist von meinen Erinnerungen durchdrungen“ (Motokura 2007, S.489-490). Miura und Motokura fühlen beide die Poesie mit den Orten ihrer Kindheiten verbunden. Natur wo Spuren der mit ihr lebenden Menschen gelesen werden können, wie es Miura gezeigt hat, und die dichten Beziehungsnetze, wie sie Motokura gezeigt hat, sind in der Gegenwart immer mehr verschwunden. Der Literaturforscher Ai Maeda (1931-1987) schreibt, “die Erwachsenen versuchen, die Blickwinkel von Kindern wiederzuerlangen. Sie möchte so Verdrehungen in ihrer Lebenswelt bemerken und eine Möglichkeit finden, sie zu korrigieren“ (Maeda 1989 (1982), S.278). Kinder haben auch mit anderen Sinnen, nicht nur mit dem Sehen, viel Freude (vgl. Tuan 1995 (1974), S.166). Solche Gefühle verliert man mit dem Alter (vgl. Ono 1995, S.441). Takinami, ein junger Geograf, sagt, wenn man Texte und Bilder von Kindern über ihre Reisen oder ihr Alltagsleben betrachtet, kommen dort Gefühle und Aspekte vor, die ein Erwachsener vergessen hat. Takinami sieht die Bewegungen und die Ideen von Kindern als die Quelle von Poesie, und schlägt vor, Poesie in Design und Planung einzubringen (vgl. Takinami 2005). Weckt man seine Erinnerungen an seine Kindheit, fühlt man die Poesie, und es öffnet sich eine Tür zur Entfaltung der Sinne. Man erzählt von Poesie, die man erfahren hat, weil man sie anderen vermitteln will. Der Zuhörer versucht, sich die Poesie, die der Erzähler erfahren hat, selbst vorzustellen. Dadurch schärft der Zuhörer seine Sinne. So ist die Kommunikation mit der Poesie nicht einfach ein Austausch von Informationen. Die Kommunikation über Poesie funktioniert nur, wenn der Erzähler und der Zuhörer sich einander näherkommen möchten. Und dann pflegen sie durch die Kommunikation ihre 128 Sympathie füreinander. Die „Poetischen Orte“ in der Erinnerung sind nicht begrenzt auf die „Poetischen Orte“ der Kindheit. Erinnerung ist Voraussetzung von Kommunikation. Nach Jürgen Habermas besteht „Kommunikatives Handeln“ nicht nur darin, kulturelles Wissen und die gemeinschaftliche Integration weiterzugeben, sondern auch darin, sich über die Beziehung mit anderen zu identifizieren (vgl. Habermas 1998c (1981), S.44). Ein junges Mitglied der Forschungsgruppe, Chigusa Sato, hat über „die Existenz“ geforscht. Sato schreibt, dass nach ihrem Erleben die Erinnerung durch die Erfahrung oder die Kommunikation mit einem Ort aufgebaut wird. Die Erinnerung garantiert die Vergangenheit einer Person ganz realistisch. Wenn man seine Biographie nicht schön darstellen kann, wird man unsicher. Umgekehrt schaut man durch persönliche Erinnerungen zurück, und das kann eine große Imaginationskraft aktivieren (vgl. Sato 2000, S.15). Die Erinnerungen, die am „Poetischen Ort“ geweckt werden, die damit verbundenen Emotionen und Freude an der Sympathie anderer, werden zur Herzensangelegenheit der Menschen. Sie sind Quelle der Motivation. Mit Unterstützung von Motivation können Menschen sich den „Poetischen Orten“ gleichsam wieder lebendig machen und Menschlichkeit und Gemeinschaftlichkeit wieder herstellen (Siehe Tab. 4.). Tab. 6. Die Einflüsse von „Poetischen Orten“ auf die persönliche und gemeinschaftliche Mentalität von Menschen (Takano u. Iida 2007b) 129 2.2.2. Der Ausgangspunkt von persönlichen „Poetischen Orten“ Mit dem Blickwinkel einer Person, die an einem Ort oder in einer Region ihr ganzes Leben verbracht hat, sieht man den Ausgangspunkt von „Poetischen Orten“ deutlicher. Ein Mitglied der Forschungsgruppe, der Tänzer und Ethnologe Shigeya Mori, betrachtet „Poetische Orte“ des alltäglichen Arbeitens und Lebens in einer Bergregion unter dem Aspekt einer achtzigjährigen Frau, die in seiner Heimat, der Gemeinde Ohkura in der Präfektur Yamagata, wohnt. Nach den Worten Moris verlässt sie das Dorf in jedem Jahr nur ein paar Mal. Sie ist hier geboren, hier aufgewachsen, hat Kinder geboren, hat Kinder großgezogen, hat sich von jemandem verabschiedet, hat jemanden empfangen und sie denkt, dass sie natürlich hier auch sterben wird. Sie bewegt sich emsig hin und her zwischen ihrem Haus und ihrem Garten, zwischen ihren Reisfeldern, Gemüsefeldern, dem Berg und der Nachbarschaft - jeden Tag. Das war ihr ganzes Leben so. Der Ort, wo etwas für sie Wichtiges ist und wo sie ausruhen kann, ist der “Gemüsegarten hinter ihrem Haus“. Der Gemüsegarten hinter dem Haus ist als der Ort bestimmt, an dem die Frauen der Familie über Generationen arbeiten sollen. Sie geht von morgens bis abends dorthin. Der Gemüsegarten ist der Ort, wo sie arbeitet, aber gleichzeitig der Ort, der für sie privat ist. Der Ort ist besonders ruhig, leise, eng und klein. Sie hat täglich ihre Kinder hier spielen lassen, und sie selbst hat hier ihre Zeit verbracht. Sie hat hier immer ihren Familienhaushalt geplant. Der Ort, den sie mit anderen zusammen nutzt, ist die „Eingangsstufe“ des Hauses (Anm.: Es gibt beim Eingang ein Zimmer mit einem Fußboden aus gestampfter Erde. Diesen darf man mit Schuhen betreten. Bei der Eingangsstufe zieht man seine Schuhe aus und steigt über die Schwelle in das Haus hinein). Die Hausfrauen im Dorf sitzen häufig auf der Eingangsstufe und trinken Tee. Zwischen der Feldarbeit, am Morgen, zur Mittags- und Abendpause kommen die Hausfrauen hierher. Sie informieren sich und unterhalten sich. Der Ort ist hell. Er hat eine öffnende Atmosphäre. Die Eingangsstufe ist auch so ein unbestimmter Ort. Man bleibt dort nicht lange, sondern nur ein wenig, um sich hinzusetzen. Die Leute arbeiten dort nicht, aber sie ruhen sich dort auch nicht aus. Dort ist nicht „im Haus“ aber auch nicht „draußen“. Die Eingangsstufe ist solch ein flexibler Ort. Ein anderer Ort den die Dorfbewohner gemeinsam benutzen, ist ein Monument aus Stein in der Dorfmitte, auf dem der „Yudonosan-Berg“ 1 eingemeißelt ist. Die Frauen des Dorfes beten dort zusammen. Sie treffen sich alltäglich dort, um einander zu informieren und sich über verschiedene Themen zu unterhalten. Ein Ort, von dessen Art sie noch mehrere haben möchten, ist die „Bushaltestelle“. Es gibt zwar keine öffentlichen Verkehrsmittel, wie einen Bus. Aber es gibt ein kleines freies Grundstück im Dorf, das „Bushaltestelle“ heißt. Wenn man mit jemandem mitfährt oder zurückkommt, steigt man meistens an diesem Ort ein und aus. Dort rauchen die Männer 130 zusammen zur Mittagspause oder nach Feierabend. Sie erzählt die alten Geschichten. Die Geschichten mit ihren weiten Bildern sprudeln aus ihrem Köper wie aus einer ewigen Quelle. Mori zufolge, ist das Poetische das Selbstsein, das im Vorsatz liegt, dass man sich seiner selbst versichert und mit anderen verbindlich wird. „Poetische Orte“ bieten die Gelegenheit, sich ihnen in seinem kleinen Selbstsein anzuvertrauen (vgl. Mori 2007). 2.2.3. „Poetische Orte“ für das Leben „Poetische Orte“ sind auch für die Menschen, die mit dem schnellen Fluss von Information und Verkehr leben, Anhaltspunkte in unterschiedlichen Lebenssituationen. Besonders bei Schriftstellern, Dichtern, Künstlern etc. sieht man, dass die „Poetischen Orte“ die Herzen von Menschen anrühren. So ist es zum Beispiel bei dem Dichter Shuho Unno (1917-1943), der in der Gemeinde Asahi geboren wurde. Er ist im Zweiten Weltkrieg nach der Herausgabe seines einzigen Buches mit Gedichten nach Krankheit in Tokio gestorben. In den Gedichten von Unno kommt die starke Sehnsucht nach seiner Familie und seinem Dorf zum Ausdruck, durchdrungen von Beschreibungen seiner Heimat (vgl. Abe 2005b, S.191-194). Der Kinderbuchautor Ippei Mogami (1957- ) entstammt auch dem Heimatort von Unno. In seinem, wie schon in Unnos Werk, ist die Natur mit Berg und Schnee und mit Respekt vor dem Leben der Tiere, der Pflanzen und der Menschen, die dort geboren werden, beschrieben. Ein Direktor des NHK (Anm.: öffentlicher japanischer Fernsehsender), Masahide Kanetoshi, richtet in seinen Fernsehdramen seinen Blick auf die „Poetischen Orte“ als die Orte, aus denen Sinne und Herzen der jungen Hauptpersonen ihre Kraft beziehen. So z.B. in einem biografischen Fernsehdrama über den Manga-Zeichner Shigeru Mizuki, der in seiner Kindheit an den „Poetischen Orten“ aufwächst, die ihn in den Bergen in ihrer Illusionskraft und mit dem Meer mit seiner Ambivalenz konfrontieren, Leben zu geben und zu nehmen. An diesen Orten entwickelt er seine Fantasie, die in der mystischen Welt der Geister und Fabelwesen angesiedelt ist. In einem anderen Fernsehdrama läuft eine Teenagerin immer, wenn sie an Scheidewegen ihres Lebens steht, in kalter, klarer Luft am Suwako-See entlang. Im Dialog mit sich und dem See heilt sie bald ihre Wunden und kann neue Schritte gehen (vgl. Kanetoshi 2007, S. 493-501). Die andere Seite zeigt ein Fernsehdrama mit einem High-School-Schüler, der keinen „Poetischen Ort“, keinen Anhalt hat. In diesem Beispiel wohnt der Schüler in einer Siedlung auf dem Tama-Hügel in Tokio (Anm.: Tama ist zum Synonym für Betonwüste geworden. Die Siedlung entstand 1971 durch eine überdimensionierte radikal durchrationalisierte Planung). Der Schüler kann nicht mit seiner Familie und seiner Schule, die nur schwach mit seiner Realität verbunden sind, in Einklang kommen. Eines Tages läuft einer seiner Schulkameraden Amok. Der Schüler denkt darüber nach, ob er 131 am Ende nicht auch so einen Charakter wie sein Schulkamerad haben könnte und gerät in Panik. Er kann sich nicht seiner Familie anvertrauen, findet niemanden zum Sprechen und hat auch keinen „Poetischen Ort“, der ihm Halt geben könnte. Das Drama zeigt die Bedingung, denen ein Jugendlicher in einer solchen neuen Siedlunge ausgesetzt ist, die ihm jeden Halt versagt. Die Zuschauer finden die Merkmale von solchen neuen Siedlungen, wie sie in dem Drama gezeichnet sind, ganz alltäglich (vgl. Kanetoshi 2007, S.493-501). Bei „Poetischen Orten“ bilden Menschen auch ihr Zusammengehörigkeitsgefühl aus. Sato, die über „die Existenz“ geforscht hat, schreibt über ihren Eindruck, nachdem sie ihren Wohnort von solch einer neuen Siedlung in ein ländliches Gebiet verlegt hat, Folgendes: „Wegen des Studiums bin ich nach Yamagata gezogen. Nach dem Umzug habe ich bemerkt, dass hier ein anderer Charme vorherrscht als in der Stadt Sendai, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Hier findet man noch alte, verstreut liegende Gebäude. Alte Ehepaare schwätzen mit ihrer Kundschaft in ihren kleinen Lädchen. Gut gepflegte Schreine mit ihren weißen Bannern stehen an den Wegen, davor ein kleiner Platz. Vor den Schutzgöttern an der Straße stehen ein Glas Wasser und Blumen. Kinder und Leute, die von der Feldarbeit kommen, laufen auf sich durch die Reisfelder und Gärten schlängelnden Feldwegen und Gassen entlang. Wenn ich solche Bilder sehe, fühl ich, dass hier die Stadt wirklich existiert. Obwohl ich fremd bin, spüre ich wunderbar wirkungsvoll, dass ich mit dieser Stadt eine Beziehung eingegangen bin“ (Sato 2000, S.15). So können „Poetischen Orte“ die Herzen und Sinne von jungen Menschen bewegen. Auf der anderen Seite brauchen Menschen ganz unterschiedlichen Alters „Poetische Orte“. Nach Sato ist es problematisch, dass die Prämisse der jetzigen Planung die Welt der Gesunden und der arbeitenden Erwachsenen ist. Man schaut so nur auf die helle Seite des Lebens. Man achtet nicht auf die Perioden, die jeder Mensche in seinem Leben sonst noch durchläuft. So braucht das Baby Schutz, kleine Kinder müssen aktiv ihre Außenwelt erleben können, aber sie haben noch nicht genug gelernt sich zu schützen; die Jugend sucht nach Identifikation und braucht dafür einerseits Räume in denen sie für sich sein kann und anderseits Kontakt mit anderen. Man wird krank, man wird alt und man stirbt. Dafür braucht es Orte, an denen man seinen „Schatten“, z.B. dem Gedanken an seinen eigenen Tod, begegnen kann (vgl. Sato 2000, S.48-49, S.60-67). In der Vergangenheit gab es solche Orte des Schattens, wie sie zum Beispiel von dem Haiku-Dichter Basho Matsuo (1644-1694) beschrieben werden, der im Jahre 1690 in der Edo-Periode seine letzte Lebenszeit in Krankheit in einem kleinen Häuschen verlebt hat, 132 in der „Hütte der Illusion (Genjyu-an).“ Dort schrieb er seine „Notizen in der Hütte der Illusion“. Basho hat dort ein Haiku-Gedicht (Anm.: japanisches Kurzgedicht) geschrieben: „Dem Eichenbaum im Hain im Sommer vertraue ich die Zukunft an.“ Er hat sich kurz vor seinem Tod an einen riesigen Eichenbaum gehalten. Dort gab es scheinbar eine Atmosphäre, in der sich Basho seinem Tod anvertrauen konnte (vgl. Kozai 1998, S.157-166). Solche Orte des Schattens finden sich heute immer noch, zumindest da, wo etwas übrig ist von der alten Zeit. Es lassen sich in Japan noch weitere Beispiele für Orte des Schattens finden. Lange bevor der Buddhismus nach Japan gekommen ist, hing man überall in Japan an der Vorstellung vom „Nah-Berg und Fern-Berg“ 2. Starb früher jemand z.B. in der Präfektur Yamagata, so setzte man ihn am Fuße des Nah-Berges in der Nähe des Dorfes bei. Nach der Glaubensvorstellung steigt die, dem Leichnam enteilte Seele, bis zum Gipfel des Nah-Berges und bleibt dort 33 Jahre lang. Von dort schaut sie hinab auf ihre Familie, die sie zurückgelassen hat und schützt sie. Danach steigt die Seele auf den, vom Dorf weiter entfernten Berg, den „Fern-Berg“, wie den „Dewasanzan“ in Yamagata, und danach steigt sie zum Himmel auf. Diese Vorstellung bezeichnet man als „Nah-Berg- undFern-Berg“ Glaube (vgl. Chitose 2000, S.3-11, Miura, Y. 2007, S.447-450). Es gibt überall in Japan solche Berge, die auch von den Menschen, die weiter entfernt wohnen, als heilige Berge verehrt werden. „Die drei Berge im Dewa-Land“, Dewasanzan, in der Präfektur Yamagata, sind als Symbole von Tod, Himmel und Geburt bekannt. Menschen aus ganz Japan pilgern zum Dewasanzan 3. Nach einer Untersuchung der Präfektur Yamagata, hängen die Bürger in der Präfektur Yamagata immer noch an der Vorstellung vom „Nah-Berg und Fern-Berg“, die mit dem 4 „Dewasanzan-Gebirge“ verbunden ist (vgl. Kimura 2007, S.487-488). In jeder kleinen und mittelgroßen Stadt Japans gibt es mehrere Stadtviertel mit vielen Tempeln in der Stadtmitte. Man kann von den Straßen aus die Friedhöfe mit den blumengeschmückten Grabsteinen sehen. Das sind ganz alltägliche Bilder mit solchen Orten für den Schatten. In großen Städten oder in neuen Siedlungen, die in der Gegenwart geplant werden, fehlen häufig Orte für Generationen unterschiedlichen Alters. Nach Christopher Alexander ist es in Schlafstädten oder Unistädten, wo nur einander ähnliche Generationen, oder gesellschaftliche Schichten zusammen wohnen, schwierig, Gelegenheiten zu finden, die Probleme für jede der Lebensperioden zu lösen (vgl. Alexander 1992 (1977), S.73-77). „Poetische Orte“ schenken Energien, mit denen man seine Lebenskräfte neu beleben kann. Wenn man gesund ist und sich ganz auf seine Arbeit konzentriert, merkt man von diesem 133 Bedürfnis nichts. Wie in dem Beispiel aus dem oben beschriebenen Fernsehdrama, wird man aber durch „Poetischen Orten“ gestützt, sollte man den Halt verlieren, in Verlegenheiten kommen, die körperliche oder psychische Balance verlieren, oder sollten soziale Bindungen reißen. Einerseits sollte man bei der Regionalentwicklung lebendige „gemeinschaftliche „Poetische Orte““ aufbauen. Ebenso aber sind „persönliche „Poetische Orte““ zu bewahren und zu schaffen, die nur von Einzelpersonen oder von kleinen Gruppen Wertschätzung erfahren, sei es für die Bewältigung von Krisen in verschiedenen Lebensperioden, oder für Menschen, die mit Behinderungen oder Problemen leben. 2.3. „Poetische Orte“ für Gemeinschaft und Kommunikation Wenn „Poetische Orte“ durch Kommunikation in Erscheinung treten, sind sie „Poetische Orte“ gleichzeitig für Individuen, wie für eine Gemeinschaft. Takano zufolge sind gemeinschaftliche „Poetische Orte“ z.B. Orte zum Beten und Feiern, wie ein heiliger Hain um einen Schrein, oder sie sind historische Bauwerke, Arbeitsräume im Freien, wie ein Acker, ein Nutzwald oder genutzte Strände. Es sind solche Orte, die regionale Historie und Kultur weitergeben. Auch Gassen, in denen Kinder spielen, ein Fluss mit Bäumen am Ufer, ein sonniger gemütlicher Platz oder eine Wiese oder, wenn sie gut geplant ist, auch eine neu errichtete Siedlung, alles das kann zu einem gemeinschaftlichen „Poetischen Ort“ werden. Diese Orte haben häufig mit der heimischen Natur, z.B. einem Berg, einem Fluss, oder dem Meer, einem See usw. eine Verbindung. Es sind „persönliche „Poetische Orte““ und gleichzeitig sind es Orte, die Menschen einer Region als „eigene „Poetische Orte““ wahrnehmen (vgl. Takano 2007a, S.399). Nach Ipsen leben in einer Region die unterschiedlichsten Menschen mit verschiedenen Zielen. Sie unterscheiden sich in Beruf, Wertschätzung und darin, wie und wo sie aufgewachsen sind. Sie leben zusammen in einer Region, und trotzdem leben sie häufig isoliert. Auch Gruppen haben ihre eigene Zielsetzung. Sie errichten Mauern und halten bewusst Abstand zu anderen. Heutzutage kann weder Religion noch Sprache zum Symbol einer Region werden. In dieser Situation stellt sich die Frage, wie man Kommunikation zwischen unterschiedlichen Menschen oder Gruppen fördern und neue Beziehungsgeflechte weben kann. Mit der Fragestellung hat Ipsen erkannt, dass in solchen Regionen, in denen ein „Unternehmendes Milieu“ herrscht, „Poetische Orte“ eine Rolle spielen. Den Einfluss von „Poetischen Orten“ auf die Entwicklung einer Region sieht Ipsen wie folgt: „Poetische Orte“ können zu Symbolen der regionalen Identität von Menschen werden. Wenn sich Menschen gemeinsam mit einem „Poetischen Ort“ identifizieren, wird dieser als gemeinsames Handlungsfeld wahrgenommen. Die 134 Menschen identifizieren sich mit der Erfahrung und der Gruppe, die sich mit dem Ort beschäftigt. Durch „Poetische Orte“, durch das gemeinsame Handlungsfeld, wird eine horizontale Integration zwischen der Familie, den Freunden und Gruppen, den Firmen und Organisationen in der Region aufgebaut. Die mit einer Vernetzung der unterschiedlichen Menschen und Gruppen in der Region einhergehenden Synergieeffekte und Effizienzsteigerungen wirken positiv auf die Entwicklung einer Region (vgl. Ipsen 2000c, S.568-570). Jan Gehl, der über Freiräume und Aktivitäten forscht, schlägt u.a. in seinem Buch „Life between buildings; using public space“ (Gehl 1999 (1971)) vor, dass man die Qualität von Freiräumen verbessert, um Kommunikation zu fördern, um dadurch soziale Aktivitäten anzuregen 5. Nach Gehl lassen sich Aktivitäten in Freiräumen ordnen in: “nötige Aktivitäten“, „beliebige Aktivitäten“ und „soziale Aktivitäten“. Die „nötigen Aktivitäten“ macht man aus Notwendigkeiten, wenn man z.B. zur Schule oder zur Arbeit oder zum Einkaufen etc. geht. „Beliebigen Aktivitäten“ finden nur statt, wenn man Zeit und Orte dazu hat, z.B. einen Spaziergang oder sonstiges, die Erholung betreffendes. Die „sozialen Aktivitäten“ bestehen aus Grüßen, Sprechen, verschiedenen Treffen etc.. Die „nötigen Aktivitäten“, die immer auf ihr Minimum reduziert werden, finden auch statt, wenn die Freiräume mangelhafte Qualität haben. „Beliebigen Aktivitäten“ aber finden nur statt, wenn Freiräume gute Qualität haben. Daraus folgt, dass dort, wo Menschen mit „Beliebigen Aktivitäten“ agieren, die „sozialen Aktivitäten“ mit entstehen. An „Nicht-Orten“ entstehen keine „beliebigen Aktivitäten“. Wo keine „beliebigen Aktivitäten“ passieren, interessieren sich Menschen nicht für die damit verbundenen „Nicht-Orte“. Daraus entsteht ein degressiver Prozess mit negativer Rückkopplung: „Weil nichts passiert, passiert nichts“. Umgekehrt gilt, wenn Freiräume gute Qualität haben, werden mehr „beliebige Aktivitäten“ und somit auch mehr „soziale Aktivitäten“ stattfinden. Dann löst der progressive Prozess, „weil etwas passiert, passiert etwas“, eine Kettenreaktion aus (vgl. Gehl 1990, S.15-26). „Poetische Orte“ und Regionalentwicklung stehen auch in einem progressiven Prozess zueinander. Wenn man statt „Nicht-Orten“ „Poetische Orte“ aufbaut, bauen auch zunächst getrennte Menschen wieder neue Beziehungen zueinander auf. In „Poetischen Orten“ werden „beliebige Aktivitäten“ gefördert. Wenn viele beliebige Aktivitäten stattfinden, werden aus neuen Ideen „soziale Aktivitäten“. An „Poetischen Orten“ kommen die Ideen für andere neue „Poetische Orte“. „Poetische Orte“ zu machen6 und damit Regionalentwicklung zu betreiben, funktioniert in einem progressiven Prozess, wo in Kettenreaktion immer mehr Teilnehmer involviert werden (Siehe Abb. 7.). 135 Abb. 7. Sich vermehrende „Poetische Orte“ 2.4. Poesie und Atmosphäre Nach Böhme entwickelt sich Atmosphäre in einem Feld zwischen dem wahrnehmenden Subjekt und der materiellen Struktur eines Ortes. Atmosphäre bestimmt Ästhetik (vgl. Böhme 1995, S.21-48, Ipsen 2007, S.82). Nach Ipsen ist die Atmosphäre ein Element des „Poetischen Ortes“ (vgl. Ipsen 2007, S.82). Wetter und Klima nehmen Einfluss auf die Atmosphäre eines Ortes. Aber es ist auch zu berücksichtigen, dass der Mensch die Atmosphäre eines Ortes nicht allein mit dem Sehsinn, sondern mit allen Sinnen wahrnimmt. Ein Ort wird nur „Poetischer Ort“, wenn man dort Poesie verspürt. Deshalb spielt die Atmosphäre eine entscheidende Rolle dabei, an einem Ort Poesie zu erspüren und ihn als „Poetischen Ort“ zu erleben. 2.4.1. Image bezüglich Wetter, Klima und Natur an „Poetischen Orten“ Nach Takano sind die Elemente, die „Poetische Orte“ eindrucksvoll machen, bedingt durch Wetter, wie z.B. Regen 7, Winde, Wolken, Schnee oder Nebel, die Erscheinungen des Sonnenlichts, der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit usw. Genauso werden Poetische Orte bedingt durch geografische Gegebenheiten, wie das Relief, die Berge und Täler, das Meer mit den Wellen, dem Fließen eines Flusses, oder dem ruhigen Wasserspiegel eines Sees usw. und den Bedingungen der wilden, oder vom Menschen gestalteten Natur, wie z.B. Arten, Alter und Wuchs von Bäumen, Gräsern, Kräutern, Blumen, Tiere und Jahreszeiten (vgl. Takano 2007a, S.394). In Europa und auch in Japan -seien auch aufgrund des unterschiedlichen kulturellen Kontextes, die Geschmäcker manchmal anders- haben Menschen das Image von Orten immer wieder mit den Wetter-, den Klimaund den Naturerscheinungen verbunden. 136 Vom Ende des 10. Jahrhunderts bis Anfang des 11. Jahrhunderts, in der Mitte der Heian-Periode, sind mit „The Tale of Genji“ (Murasaki, Shikibu 1001 n. Chr., übersetzt von Arthur Waley) und „The Pillow Book of Sei Shonagon“ (Sei, Shonagon 996 n. Chr., übersetzt von Arthur Waley), die klassischen Werke der japanischen Literatur geschrieben worden. In diesen beiden Werken haben die Autorinnen, dem Japanologen Berque zufolge, das Image der Orte u.a. mit dem Wetter, dem Klima, der Geographie, der Natur, wie Tieren und Pflanzen und den Jahreszeiten aufgebaut. Sie haben mit diesen Images ihre eigenen Emotionen transparent gemacht (vgl. Berque 1998 (1986), S.126-127). Im Jahr 1689, in der Edo-Periode, hat der Haiku-Dichter Basho Matsuo (1644-1694) eine Reise von Edo (Anm.: alter Name Tokios) nach Tohoku (Anm.: Nordjapan) gemacht, um die „Utamakura“ zu besuchen. „Utamakura“ sind Orte, an denen mit bestimmten Besonderheiten der Jahreszeiten das ästhetische Image dieser Orte manifestiert ist. Er hat viele Utamakura besucht, besonders jene des Waka-Dichters Saigyo (1118-1190) aus dem „Shinkokinshu-Gedichtband“ (1216 ?). Basho hat die Landschaften, wie sie damals die Dichter gesehen und beschrieben haben, „nacherinnert“ und hat im Jahre 1702 ein Reise-Essay mit Haiku-Gedichten „The Narrow Roads to the Interior Lands“ (Matsuo, Basho 1702, übersetzt von Nakao Shosendo 1996), geschrieben. Die Besonderheiten der Utamakura sind Bilder von der Natur, z.B. von Berg, Fluss, Bäumen, Pflanzen, oder bestimmten Vogelstimmen oder Zikadenarten. Die Leute besuchen die Utamakura. Erleben sie in der Realität die Landschaft nicht so, wie in den Utamakura antizipiert, versuchen sie, sich diese trotzdem mit dem manifestierten Image vorzustellen. Sie sehen dann, über die Zeitdimension hinweg die Landschaft, welche die Menschen von damals gesehen haben. Diese Art des Sich- heißt „Mitate-Nachahmen“. Die Leute versuchen, Eindrücke von Orten zu gewinnen, als unveränderliche Erfahrung über die Zeit, über die Generationen hinweg. (vgl. Yamaguchi 1989, S.66). Das Werk „Japanische Landschaft“ des Geographen Shigetaka Shiga (1863-1927) hat einen großen Einfluss auf die Modernisierung der Landschaftswahrnehmung in Japan genommen (vgl. Shiga 2004 (1894)). Nach Berque hat Shiga in den japanischen Gebirgen den Alpinismus eingeführt und dabei große Zustimmung von der jungen Generation erfahren. Shiga hat für den Naturschutz appelliert. Das Thema ist mit seinem moralischen Anspruch bei der Einführung des Nationalismus in der Meiji-Periode verknüpft worden. Andererseits sind die Landschaften, die in seinem Buch beschrieben worden sind, von dem Waka-Dichter Saigyo übernommen. So hat man auch die alte japanische kulturelle Identität weitergegeben (vgl. Berque 1998 (1986), S.108-110). Der Schriftsteller Doppo Kunikida (1871-1908) hat in „Musashino“ über die bis dahin unbeachtete Musashino-Landschaft geschrieben (Kunikida 1994 (1901)), und der Schriftsteller Loka 137 Tokutomi (1868-1927) hat in „Natur und Leben“ über die Landschaft des Shonan-Strandes geschrieben (Tokutomi 2005 (1900)). Auch in dieser modernen Literatur des 19.- und 20. Jahrhundert hat man die „neuen Orte“ und die „neuen Regionen“ ebenfalls mit bestimmten Images an den Wetter-, Klima-, und Naturerscheinungen, der Geographie und den Jahreszeiten festgemacht. Diese Tendenz findet sich in Japan nicht nur in der Literatur. Auch im Bereich der Malerei 8 oder des Volksglaubens 9 zeigt man Sympathie mit Orten, die belegt sinc mit einem Image, das mit Phänomenen des Wetters, des Klimas, der Natur usw. verknüpft ist (vgl. Corbin 2003 (2001), S.1-3). Dem Historiker Corbin zufolge hat man in Europa bei der Verbreitung des Christentums an die Naturanschauung früherer Religionen angeknüpft. Während der Modernisierung haben sich mit wissenschaftlichen Methoden die Erkenntnisse über das Wetter, das Klima und die Natur verändert. Der Prozess dieser Veränderungen ging langsam vonstatten. So wurde z.B. in ländlichen Gegenden Frankreichs bis in die 1950er Jahre bei guten Ernten ein Dankgebet gesprochen, um Regen gebetet, bei Gewitter eine Zeremonie zur Austreibung von Dämonen abgehalten und dies alles, obwohl seit dem 18. Jahrhundert Wissenschaftler die Phänomene des Wetters wissenschaftlich erklären konnten und eine Naturanschauung verneinten, die an das Wirken einer Kraft Gottes oder von Dämonen glaubt (vgl. Corbin 2007 (2005), S.16-17). Im Prozess der Modernisierung entstand eine Vielzahl von Kunstwerken, die Landschaften unter dem Einfluss von Wetter-, Klima- und Naturerscheinungen zeigten. Angehörige der Oberschicht sind von Dichtung, Literatur und Malerei usw. beeinflusst worden und haben so an den Orten ein Image festgemacht, das mit einer bestimmten Wetter-, Klima- oder Naturerscheinung verbunden ist. So ist das Meer beispielsweise auf Landschaftsgemälden stürmisch dargestellt. Auch lassen sich Tendenzen in der Oberschicht ausmachen, Naturerscheinungen ins Leben einzubeziehen. (vgl. Corbin 2007 (2005), S.39-45, S.70-76). So wird ein Image von Orten oder Regionen mit den Wetter-, Klima- und Naturerscheinungen, mit Geographie, Tieren und Pflanzen und mit den Jahreszeiten aufgebaut. 2.4.2. Wahrnehmung der Atmosphäre mit den Sinnen Die Menschen nehmen die Atmosphäre eines Ortes mit allen Sinnen, also nicht nur durch Sehen, sondern auch durch Hören, Riechen und mit dem Tast- und Geschmacksinn wahr. Nach Corbin ändert sich die Sinneswahrnehmung mit der Zeitgeschichte. In Bezug auf den Geruchssinn z.B. hat er in „Pesthauch und Blütenduft, eine Geschichte des Geruchs 138 (Le Miasme et la Jonquille)“ beschrieben, dass mit der Entwicklung der Volkshygiene in den Städten der Gestank verschwand (vgl. Corbin 1988). Beim Fühlen hat er sich in „Himmel und Meer (Le ciel et la mer)“ in die Gefühle von Damen aus der Oberschicht hineinzuversetzen versucht, die zum ersten Mal am Strand das Meereswasser auf ihrer Haut gespürt haben und barfuss auf dem Sand gegangen sind (vgl. Corbin 2007 (2001)). Beim Hören hat er in „Die Sprache der Glocken (Les cloches de la terre)“ beschrieben, wie im 19. Jahrhundert in den ländlichen Gegenden Frankreichs Menschen im Klang ihrer Glocken ein Symbol ihrer Dorfgemeinschaft erkannt haben (vgl. Corbin 1997 (1994), S.205). Der Klang von Glocken zeigte den Beginn der Messfeier an, er verlieh der Traurigkeit oder der Freude der Lebensperioden beim Feiern oder bei Zeremonien Ausgedruckt und bestimmte den alltäglichen Tagesrhythmus. Aber die Menschen haben sich mit der Modernisierung eine Welt, losgelöst von Religion, gewünscht, und Sentimentalitäten sind als solche verrufen und abgebaut worden (vgl. Corbin 1997 (1994), S.149-167, S.207). Andererseits leben die Menschen nicht nur mit einem bestimmten Klang wie dem der Glocken, sondern mit vielen verschiedenen Klängen. In solch alltäglichen Klängen wird die Atmosphäre eines Ortes komponiert. Aber die Menschen nehmen sie wenig wahr. Nach Schafer ist die Basis des Klanges in einer Region konstruiert aus Landschaftselementen wie Wasser, Wind, Wald, Flachland, Vögel, Insekten, Tieren usw. Die Klänge sind sehr tief in den Menschen eingeprägt. Deshalb empfinden sie, wenn die Klänge verschwinden, ihr Leben als sehr monoton. Schafer hat in den 1960er Jahren den Begriff der „Klanglandschaft“ (Soundscape) eingeführt. Er hat die Notwendigkeit erkannt, im Rahmen des Lärmschutzes den Schutz von historischen Klängen zu erzielen und dabei Klanglandschaft als ein umfassendes und endogenes Umweltdesign zu entwerfen (vgl. Schafer-Murray 2006 (1977)). Poesie, durch Hören entwickelt, wird mit der persönlichen Erfahrung geweckt. So hat z.B. Ipsen 2004 in Japan bei einem Vortrag eine Aufnahme aus dem Ruhrgebeit eingespielt, die den Gesang einer Nachtigall im Zusammenspiel mit Eisenbahnlärm wiedergibt. Ipsen assoziiert mit dem Lärm rangierender Diesellokomotiven das Image industrieller Entwicklung. Der schöne Gesang des Vogels erzeugt in ihm das Bild einer gefühlvollen poetischen Landschaft. Viele Besucher seines Vortrags haben durch seine Erläuterungen mit der Poesie dieses Klanges Sympathie empfunden. Es zeigt sich, dass ein Klangbild, auch dann, wenn es so von einer Person noch nie zuvor so gehört wurde, als Klanglandschaft empfunden werden kann, gerade, wenn es durch die Erzählung einer Erfahrung begleitet wird. Die Forschungsarbeit einer jungen Wissenschaftlerin aus der Forschungsgruppe, Migiwa Imaishi, eine Doktorandin für Volkskunde, vertritt die These, dass Japaner ihr 139 traditionelles Sinnesgefühl erhalten haben und sie dadurch immer noch die Poesie der Orte mit dem Gehör- und Geruchssinn wahrnehmen. Sie beschreibt den Zusammenhang von Orten und Sinnen wie folgt: „Wir hören verschiedene Signale aus der Natur, und wir sind es immer noch gewohnt, darin versteckte Symbole zu finden. Wir kennen das Gefühl, wie sich ein Raum durch den Gesang des Ugui-Vogels plötzlich in einen Ort mit Frühlingsstimmung verwandelt. Wir fühlen mit dem Zikadengesang, der in Europa eher als Lärm wahrgenommen wird, sofort den Sommer. Wir lesen die Zeichen des Herbstes in der Klanglandschaft, die von der Suzumushi-Grille rührt. Wir fühlen im Schrein die leichte feuchte Luft der ruhigen Zedern-Allee und den Geruch vom Rauch der Räucherstäbchen. Solche sinnlichen Symbole haben wir noch gerade in uns bewahrt und sind dadurch „lebendig“ geblieben“ (Imaishi 2007, S.455). In der Planungswissenschaft werden gewöhnlich andere Sinne als der Sehsinn nicht sonderlich beachtet. Eine Studentin vom Aufbaustudium für Architektur, Ayaka Furukawa, hat über den Eindruck von Häusern geforscht und darüber in „Haus als Erfahrung“ geschrieben. Furukawa verfolgt darin die Hypothese, wonach Menschen mit Sinnen wie Hören, Riechen oder Schmecken gleichermaßen ihr Haus erfahren. Aber das Ergebnis zeigt anderes. Die Interviewten sprachen über die Temperatur und den Klang ihres Hauses, aber Aspekte des Geruchs- und Tastsinns wurden kaum erwähnt. Furukawa zieht daraus den Schluss, dass mit Gerüchen, die man schon einmal erfahren hat, bei erneuter Wahrnehmung plötzlich alte Erinnerungen abgerufen werden, die aber nicht einfach ohne diesen äußeren Anlass kommen. Erinnerungen an Bilder, also mit dem Sehsinn wahrgenommenes, stellt bei den Erinnerungen an Sinneseindrücke bei der Abrufbarkeit eine Ausnahme dar (vgl. Furukawa 2006, S.84-89). Der junge Architekt Mitsumasa Yuki hat über die Räume der Gegenwart geforscht und darüber in „Forschung über die Sinne von Menschen und Räume“ geschrieben. Er schreibt, dass heutige Räume den Sinnen wenig Impulse senden, ausgenommen dem Sehsinn. Nach Yuki werden bei der modernen Planung Räume und Gestaltungen häufig allein nach optischen Aspekten entworfen. Deshalb haben die Menschen wenig Gelegenheit, auf Räume oder Einrichtungen zu treffen, die ihre übrigen Sinne ansprechen. Die traditionelle japanische Klangkultur ist nur noch in historischen Gärten anzufinden, wie z.B. das Windglöckchen, das Wind in Klang verwandelt, oder das Shishiodoshi-Wasserspiel und der Suikinkutsu-Brunnen, die fließendes Wasser zum Klingen bringen. In der gegebenen Situation gibt es verschiedene künstlerische Versuche, Mittel für die Verbindung von Sinnen und Räumen zu finden (vgl. Yuki 2006). Nach den Forschungen von Furukawa und Yuki kann man einen Zusammenhang vermuten, bei dem die jetzige Planungswissenschaft die Wahrnehmung von Räumen mit 140 verschiedenen Sinnen nicht gut genug beachtet, und dass damit die Menschen, die in solchen Räumen mit reduzierten sinnlichen Erfahrungen leben, außer über den Sehsinn immer weniger sinnliche Gefühle wahrnehmen. Der Architekturkritiker Iwao Matsuyama macht folgende Vorschläge, wie die Architektur in der modernen Zeit sein sollte: „Eine Architektur, in der man gerne barfuss laufen möchte, ist die Architektur, die man mit dem ganzen Körper genießen möchte. ( ) Man genießt die Architektur nicht nur mit dem Sehsinn. Man genießt sie auch mit dem Tastsinn, durch Riechen, Hören und Schmecken, mit dem Aktivieren aller fünf Sinne des Menschen und mit all den Erinnerungen, die man bisher mit den Orten verbindet ( ). Das Gefälle zu fühlen zwischen dem, was man in der Welt sieht und was man sehen möchte, ist das Gefühl aller kreativen Menschen“ (Matsuyama 2004, S.76-77, S.88). „Poetischen Orte“ sind die Orte, an denen Menschen mit ihren Sinnen ihr Körpergefühl wecken. Nach Sato sind „die Erfahrungen, die man macht, wenn man von einem Ort bewegt wird, an den Körper gebunden, und der Körper ist verbunden mit dem Gehirn. In der Gegenwart erfolgt das separat. „Poetische Orte“ haben die Bedeutung, diese Ebenen miteinander zu verbinden“ (Sato 2007, S.492). 2.4.3. Verborgene Poesie Nach Ipsen ist die Poesie verborgen. Wie in „Lob der Schatten“ der Schriftsteller Junichiro Tanizaki (1886-1965), so betont Ipsen, dass dieser Aspekt der Verborgenheit besonders für die „Poetischen Orte“ in Japan wichtig ist (vgl. Ipsen 2007, S.82). Tanizaki beobachtet, dass Japaner die tiefe verdunkelte Sache der seichten und hellen vorziehen. Das Japanische kennt den Begriff „nare“: Das Wort hat eine ähnliche Bedeutung wie das deutsche „gewohnt“. Nimmt man eine Sache über lange Zeit zur Hand, wird die Stelle, wo man sie umgreift, von der Haut eingefettet. Die Japaner lieben diese so entstandene Glätte. Man kann nicht abstreiten, dass dsolches als ein wenig schmutzig oder unhygienisch empfunden werden kann10. Jedoch kennt die japanische Ästhetik auch das glänzende Lackgeschirr mit schwarzer oder roter Farbe, mit Gold oder Perlmutt geschmückt. Es ist die Anmut des Moments, in dem ein solcher Gegenstand im Kerzenschein von Dunkelheit umschwebt und nicht etwa grell mit Kunstlicht angestrahlt wird. Auch die Frauen verhüllen ihren Leib bis auf ihre Hände und Füße tief mit der metaphorischen Dunkelheit ihrer Kimonos. Es gibt so nur eine einzige Stelle, an der sich im sanften Lichtschein das Hell des Nackens abhebt (Anm.: und so die Schönheit des weiblichen Körpers andeutet) (vgl. Tanizaki 2004 (1975), S.22-24, S.48). Solch traditionelle japanische Ästhetik 11 gilt allgemein für Geschirr, Werkzeug, Architektur, Garten und auch für den Charakter der Menschen. 141 Merkmal ist die Erbauung an langen Zeitabläufen, Verschattungen und nicht ganz begreifbaren Situationen. Nach dem Architekten Fumihiko Maki (1928- ) u.a., besitzen traditionelle japanische Räume, Siedlungen, Städte, Tempel und Schreine Schichten. „Hinten“, wo man nicht hineinsehen kann, werden die wichtigsten Sachen platziert (vgl. Maki et al. 2004 (1980), S.197-230). Dort, wo wegen der geografischen Bedingungen kein Auto fahren und nur zu Fuß gegangen werden kann, gibt es noch Räume die nach dem Maßstab des menschlichen Körpers bemessen sind. So z.B. in Onomichi am Binnensee Seto. Dort bewegen sich Menschen in Gassen und steigen auf Treppen den Hang hinan. So entdecken sie einen versteckten Raum nach dem anderen und die dazu gehörenden Landschaftsbilder. Man kann auf Gassen europäischer Bergdörfer, in Fischerdörfern am Mittelmeer und in mittelalterlichen Städtchen ähnliche Erfahrungen machen (vgl. Takeuchi 1991). Die Ästhetik des „Zurückhaltens“, des Verborgenen, das also, was einem nicht offensichtlich ist, hinterlässt tiefere Eindrücke und lässt uns die Orte somit als besonders poetisch erfahren (vgl. Takano 2007a, S.403). 2.5. Sich verwandelnde „Poetische Orte“ – von der Architektur zur Ruine und zurück Der Architekt Hiroshi Kagawa 10, Mitglied der Forschungsgruppe, schriebt (Kagawa 2007, S. 465): „Den Beginn einer Beziehung zwischen Mensch und Raum nennt man „Architektur“. Am Ende dieser Beziehung spricht man von „Ruine“. Natürlich könnte es danach wieder einen Anfang geben, oder aber das Bauwerk wird wieder in den Kreislauf der Natur eingehen. Sich dieses als fließenden Ablauf vorzustellen und einen Anfang zu markieren, bedeutet „planen“. Obgleich man hier von einem „Anfang“ spricht, schöpft man nicht aus dem Nichts. Ein Schriftsteller hat gesagt, „alle Grundstücke sind gebrauchte“. Es gibt immer einen Kontext. Deshalb ergibt sich, wenn man Architektur plant, im Zeitablauf irgendwann die Beziehungshinwendung zur Ruine“, schreibt der Architekt und das Mitglied der Forschungsgruppe Hiroshi Kagawa 12 (Kagawa 2007, S.465). Wenn man einen Ort im Fluss der Zeit beobachtet, wird er zunächst zielbewusst genutzt, und wenn das Ziel erreicht ist, wird dem Ort ein neues Ziel gesetzt und er wird neu genutzt. Das wiederholt sich. Die „Poetischen Orte“ machen da keine Ausnahme. 142 2.5.1. Ruine und Poesie Die Ruine wird zum Thema in Gedichten, Literatur und Malerei. Sie wird auch im Bereich der Philosophie und der Ästhetik erforscht. Nach einer Zusammenfassung Simmels durch den Ästhetiker Tanigawa zieht uns die Ruine mit großer Kraft an. Attraktiv ist der Moment, bei dem das Gestaltete, das der Mensch unter Mühen aufgebaut hat, wieder zur „Mutter Natur“ zurückkehrt 13. Gerade der Moment, in dem das Bauwerk in den Zustand der Ruine übergeht, ist ästhetisch 14 (vgl. Simmel 1976 (1911), S.118-124, von Goethe, Tanigawa 2003, S.4). Der Kunsthistoriker Woodward schreibt in “In Ruins”, dass Menschen in einer Ruine, verlassen und mit den Pflanzen verdeckt, Friede empfinden. In Nympha in Italien glaubte man z.B., dass in den Bäumen um die Ruine herum flink die Nymphen flögen. Die Menschen berauschen sich an Ruinen wie dem Kolosseum (vgl. Woodward 2004 (2001), S.122, S.11-57). Im Italien des 17. Jahrhunderts hat der französische Maler Claude Lorrain (1600-1682) Tempel, Triumphbögen und das Kolosseum als metaphorisches Arkadien gemalt (vgl. Tanigawa 2003, S.64). In England haben Klosterruinen eine große Rolle bei der Entwicklung des Begriffs „pittoresk“ gespielt 15 (vgl. Woodward 2004 (2001), S.171-181, S.204). Im 17. Jahrhundert hat der italienische Maler Salvator Rosa (1615-1673) die Ruine in Bezug auf Krieg, Sturm, einen steilen Berg und Meer als heroisches Motiv benutzt. Er hat die Ruine mit der Erhabenheit der Natur kombiniert und sie überhöht dargestellt (vgl. Tanigawa 2003, S.52-59). So verbindet man in Europa mit der Ruine ein positives Image. Auf der anderen Seite verbindet man aber nach Tanigawa auf religiösem Hintergrund mit der Ruine auch das Gefühl von Angst. Das Wort „Ruine“ stammt vom lateinischen „ruina“, was soviel wie „ das Zusammenbrechen“ oder „Untergang“ bedeutet. Im Flandern des 16. und 17. Jahrhunderts hat der Maler Pieter Bruegel der Ältere (1525/30-1569) und in Italien der französische Maler Monsu Desiderio (1588-1644) die Angst des Menschen vor der Welt mit Motiven dargestellt, in denen die Werke der Menschheit wie beim Turmbau zu Babel oder dem Eintritt des Hochwassers am Ende der Welt zu Ruinen verfallen (vgl. Tanigawa 2003, S.14-32). In Japan werden von Archäologen zwar punktuell Spuren von Fundamenten gefunden, die von Stützen der hölzernen Architektur stammen, aber man sieht sehr selten Ruinen, wie sie in Kulturen mit Steinbauten entstehen16. Trotzdem hegen Japaner beim Anblick solche steinerner Ruinen aus der europäischen Kultur nostalgische Gefühle. So wird die Ruine eines Amphitheaters, wie sie z.B. von Michael Ende als Schauplatz für seine Geschichte „Momo“ (Ende 1976 (1973)) gewählt wurde 17 , auch von Japanern als poetisch empfunden. In Japan produzierte der Trickfilm-Regisseur Hayao Miyazaki mehrere Filme über Mädchen in Ruinen, und die Filme sind bei den Leuten 143 ausgesprochen beliebt 18. Man fühlt dabei die Poesie einer ansich fremden Kultur. Es sind demnach also erlernte Gefühle 19. Andererseits vermutet Tanigawa, dass Menschen, die nicht christlich geprägt sind, keine Assoziation mit der Ruine als Symbol des Zusammenbruchs haben. So gibt es in Japan den Ise-jingu-Schrein, der alle 20 Jahre neu gebaut wird. Der Schrein ist ein wichtiger Wallfahrtsort Japans. Die Pilger glauben, dass sich Dinge im Zustand ständigen Wandels befinden, und sie glauben nicht an ein Ende (vgl. Tanigawa 2003, S.191). Japaner hören auch seit dem 14. Jahrhundert immer wieder die „Heike-Familie-Geschichte“, eine Geschichte vom Untergang einer Ritterfamilie. Sie nehmen den Untergang als Wechsel von Herrschaften wahr und nicht als Ende der ganzen Welt. Dass immer irgendetwas im Irgendwo wiedergeboren wird, ist der Gedanke, der die japanische Leben-Tod-Anschauung bestimmt. 2.5.2. Ruine in der Gegenwart und Regeneration Nicht nur die Ruine aus alten Zeiten, sondern auch das ruhige verlassene Haus zieht uns an (vgl. Woodward 2004 (2001), S.59-66). Die Gebäude, die im Modernisierungsprozess keinen Nutzen mehr haben, wirken ebenfalls anziehend. Kagawa schreibt dazu: „Der Fotograf und die Fotografin Bernd (1931-2007) und Hilla (1934- ) Becher haben den Wasserturm, den Kühlturm, den Schmelzofen, die Garage, das Förderrad aus dem Bergbau und andere Gebäude fotografiert und als „Anonyme Skulpturen“ betitelt. Mittels der Fotos schätzt man die Gebäude nicht nur unter dem Aspekt ihrer ingenieurtechnischen Leistung, sondern sie erfahren eine neue Wertschätzung in der Betrachtung. Obwohl sie ganz alltägliche Zweckbauten sind, die aus schlichter Notwendigkeit gebaut wurden, steckt doch menschliche Kreativität dahinter. Man ist überrascht, denn man erwartet dabei eigentlich keine interessante Gestaltung. ( ) Die Idee von Betrachtung der Phänomene seitens des Architekten Wajiro Kon (1888-1973) haben der Schriftsteller Genpei Akasegawa, der Architekt Terunobu Fujimori und der Zeichner Shinbo Minami in Kunst verwandelt und „die Gruppe für Straßenbeobachtung“ gegründet (Anm.: 1986). Sie finden an sich Unbedeutendes in der Stadt, z.B. die Spur einer Treppe oder eines zugemauerten Fensters, und nennen das „Thomasson“ (Anm.: nach dem Namen eines in Japan sehr wenig erfolgreichen amerikanischen Baseballstars aus der Major League im japanischen Baseballteam „Yomiuri Giants“) und haben Spaß daran. Diese Aktion an der Grenze zur Fotomanie hat ein neues Gebiet von Spaziergangsfotografie erschlossen. Statt Kunstfotografie, wie von Becher, ist es die Pop- und die bürgerliche „Knips“fotografie. ( ) Sie entdecken keine archäologischen „ R U I N E N “, sondern stellen die „versteckte Ruine“ des Alltags als kleine Fantasie bereit“ (Kagawa 2007, S.465-467). 144 Auch gegenwärtig knüpfen Menschen häufig neue Beziehungen zu verlassenen Orten und bauen sie als „ihre“ Orte wieder auf. In Deutschland wurde durch Internationale Bauausstellungen seit den 1990er Jahren dem industriekulturellen Erbe ein neues Konzept gegeben 20 . Das Ruhrgebiet wurde seit dem 19. Jahrhundert intensiv industrialisiert. Seit Ende der 1950er Jahre ist dort die Entwicklung der Stahl- und Kohle-Industrie rückläufig. Im Emscherpark (IBA-Emscher-Park 1990-2000) im Ruhrgebiet sind seit 1988 verlassene Fabriken und andere Relikte der Industriekultur unter dem Aspekt von Kunst und Ökologie in Kulturzentren und Biotope verwandelt worden. Auch die anschließende Bauausstellung IBA-Fürst-Pückler-Land (2000- 2010) die gegenwärtig in der aus der Nutzung gefallenen Braunkohle-Tagebaulandschaft der Lausitz stattfindet, begibt sich auf die Suche nach Wegen zum Umgang mit dem Erbe einer vergangenen Epoche. Ein Großteil der Tagebauten, der einst die Energieversorgung der DDR sicherstellte, ist nach der Wiedervereinigung Deutschlands geschlossen worden. In der Region versucht man seit 2000 die Gruben der Tagebauten in eine Seenlandschaft zu verwandeln 21 (vgl. Ipsen 2000c, S.572, Sieverts 2006 (2001), S.147-160, Nagamatsu 2006). Michael Sperber, der über die Regionalentwicklung in der Lausitz forscht, hat dokumentiert, wie sich das Image des Ortes in der Meinung der Bewohner geändert hat. Ein ehemaliger Bergarbeiter hat ihm im Interview erzählt: „Die Arbeit war schmutzig, die Arbeit war hart, aber es war der Ort unserer Arbeit.“ Der Ort der Arbeit wird zum Nachweis der eigenen Lebensgeschichte (Sperber 2006). Industriekulturelles Erbe als Landschaftsbestandteil zu verstehen, ist auf breite Anerkennung gestoßen. Zahlreiche Industrieanlagen und Bergwerke sind von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt worden (vgl. Kagawa 2007, S.465). In Japan sind Backsteinbauten von Lagerhallen, Häfen, Textilfabriken mit pittoresker Holzbauarchitektur oder auch Bergwerke als Restaurants, Läden, Kunst- oder Musikhallen nachgenutzt worden. Bei der Bewegung, modernes Industriekulturerbe zu erhalten, entscheidet man, ob Historie es wert ist, in sie zu investieren. Der Wert ist nicht unbedingt direkt auf wirtschaftlicher, sondern eher auf mentaler Ebene gegeben (vgl. Yahagi 2004, Teramae 2004). Auch ein Kriegsmahnmal kann zu den Ruinen der Gegenwart gehören. In Hiroshima in Japan ist die Stahlkonstruktion der Kuppel der japanischen Industrie- und Handelskammer, die beim Abwurf der Atombombe zerstört und fast eingestürzt ist, so erhalten, als sei in ihr die Zeit im Moment der Explosion stehen geblieben. Solcherlei Kriegsmahnmale gibt es in allen vom Krieg betroffenen Ländern Europas. Nach Woodward werden diese Orte heute an schönen Tagen zur Erholung genutzt (vgl. Woodward 2004 (2001), S.307). In der Rhön in Deutschland, auf der „Wasserkuppe“, die nahe der ehemaligen Grenze zwischen den Blockmächten von Ost und West liegt, steht 145 noch eine Radarkuppel aus der Zeit, in der man von dortaus weit in das Gebiet des Warschauer Paktes spähte. Um die ehemalige Radaranlage kreisen Segelflugzeuge in den Aufwinden, und die Menschen genießen es, dort zu wandern. Sie übergehen dabei die traurige Vergangenheit oder sie vergessen sie und nutzen die Ruinen immer wieder auf neue Weise. Nicht nur Gebäude werden zu Ruinen, wenn sie von Menschen verlassen worden sind. Auch Bewässerungskanäle, Äcker und Reisfelder, in deren Terrassen bisweilen noch Erinnerungen an die Menschen hängen, die dort arbeiteten, gehören dazu, genauso wie Flüsse, die einst auf vielfältige Weise von Menschen genutzt wurden, heute aber keine erkennbare Bedeutung mehr haben. Der Fotograf Kiyoshi Sonobe (1921-†), der überall in Japan das alltägliche Leben dokumentiert hat, schreibt: „In Japan waren bis in die 1960er Jahre Gewässer in der Stadt und auf dem Land Spielplätze der Kinder und der Salon der Frauen. Der Verlust des fröhlichen Lachens von Frauen, die auf wackeligen Plattformen am Fluss die Wäsche wuschen, zeigt uns, wie wichtig die Existenz der Gewässer für uns war, die wir nun verloren haben“ (Sonobe, Tamura u. Yamazaki 1995, S.70) (Anm. Poppinga 2008: Allerdings weist Poppinga zu Recht darauf hin, dass auch die mühsame Arbeit des Waschens der Wäsche mit der Hand ein Ende hatte). In Japan versuchen die Menschen mit den Orten, die verlassen und zu Ruinen geworden sind, wieder neue Beziehungen einzugehen, und diese Orte zu „ihren Orten“ zu machen. Aktionen wie z.B. die in Gujohachiman in der Präfektur Gifu, die sich für die Verbesserung der Gewässerqualität einsetzten, gehören zu dieser Bewegung. Hier in dieser Gemeinde schätzen die Bewohner ihr traditionelles Gewässersystem und schützen es. Es gibt viele Quellen in der Gemeinde, und das Wasser fließt in schmalen, miteinander vernetzten Wasserkanälen. Das traditionelle Wassernutzungssystem ist in seiner komplexen Nutzung sichtbar, und es wird von den Bewohnern sorgfältig gepflegt (vgl. Watanabe, Kaku u. Horigome 1993). In Gujohachiman sorgen die Bewohner für die Erhaltung ihrer traditionellen Wasserstellen, die „Mizubune“, und ihrer Wasserkanäle. Das Abwasser fließt in einen Teich im Hausgarten, im Teich reinigen die Karpfen und die Wasserpflanzen das Wasser, und das Wasser der Oberfläche des Teiches fließt in den Fluss. Die Frauen kennen sich aus mit dem Ökosystem des Gewässers. Sie benutzen nur organisch abbaubare Spülmittel (Gemeinde Gujohachiman 1994, Anm.: ab 2004 Stadt Gujo). Seit den 1980er Jahren gibt es viele Bewegungen für Gewässerschutz in den japanischen Städten. Die Bürgergruppen versuchen, die Flüsse, die im Zuge der Modernisierung der Stadt einbetoniert und mit dem Eintrag des Abwassers einer sich verdichtenden Stadt und 146 der Industrie zu Abwasserkanälen geworden sind, wieder als Orte für die Bewohner zurückzugewinnen. So hat z.B. eine Bürgergruppe in der Stadt Yokohama (Anm. in der Präfektur Kanagawa in der Nähe von Tokio) um Herrn Seiwa Mori Kinder in den von Industrie- und Haushaltsabwässern stark verunreinigten Flüssen spielen lassen. Das provozierte nun öffentlich die Frage, worin der eigentliche Skandal lag, in der Tatsache, dass jemand Kinder in einem verunreinigten Fluss spielen lässt, oder darin, dass er überhaupt so verunreinigt ist, dass Kinder darin nicht mehr spielen dürfen. Dadurch haben die Bürger angefangen, ein Problembewusstsein für die Situation ihrer Flüsse zu entwickeln. Die Gruppen haben den Fabrikinhabern und den übrigen Bürgern Verbesserungsvorschläge zur Wasserqualität und der Stadtverwaltung zur Flussrenaturierung unterbreitet. Die Kinder, die einst in den schmutzigen Flüssen gespielt haben, sind jetzt, nach 30 Jahren, selbst Eltern geworden. Sie versuchen, ihren Kindern die Liebe zu den Flüssen weiterzugeben. Der langjährige Versuch hat die Ökosysteme der Flüsse wiederbelebt, wo die Kinder spielen dürfen und wo heute wieder Libellen, Bachforellen und sogar Eisvögel vorkommen. In Yokohama haben Bürger neben der Arbeit an der Renaturierung der Wasserläufe auch in den Pausenhöfen der Grundschulen Feuchtbiotope eingerichtet und damit die städtischen Biotope vernetzt, sodass wieder Wanderungen von Tieren und Insekten durch die Stadt möglich sind. Herr Mori schreibt über die Aktionen der Bürger Folgendes: „Die Kinder, die Lehrer und andere Bürger kommen an Sonntagen und in den Sommerferien zur Schule. Sie graben ein Loch für einen Teich (…), sie befestigen die Ufer, bringen Wasserpflanzen mit und bauen Feuchtbiotope mit einer Fläche von ca. hundert Quadratmetern. Im nächsten Jahr vergrößern sie die Biotope um das Doppelte. (…) Die Eigeninitiative der Bürger, etwas selbst zu machen, ist in der Gegenwart sehr selten geworden, aber früher hat man Reisfelder oder Teiche für die Bewässerung und die Bewässerungskanäle immer in Gemeinschaft gebaut. Man braucht dazu kein besonderes technisches Wissen. Wichtig ist, die Herzen der Ortsgemeinschaft in Einklang zu bringen. Eine Motivation der Leute ist ihre Erinnerung an die Gegend, wie sie früher war, mit ihren Reisfeldern und Bewässerungsteichen und an die vielen Libellen, die hier einst flogen. Die Bürger leben in dem Bewusstsein, alles das selbst bewerkstelligt zu haben. Sie empfinden die Natur als Schatz ihrer Ortschaft und pflegen sie vorbildlich. (…) wie die Bürger heute die Feuchtbiotope pflegen, erinnert an die gemeinschaftlichen saisonalen Aktivitäten, wie es sie früher in den Dörfern gab“ (Mori 1999, S.120-121). Die Tiere, die in den Flüssen in der Stadt oder in den Reisfeldern und in den Flüssen auf dem Land in deren Quellengebieten leben, sind „Tiere der Heimat“ genannt worden. Im Gegensatz zu einem Naturschutzverständnis, das den Menschen ausklammert, scheint sich ein neuer Begriff von „Naturschutz“, eine Ökologisierung der Stadt, in der sich der Mensch als Bestandteil 147 des städtischen Ökosystems begreift, ausgeprägt zu haben. Dabei wird die Natur in der Stadt geschützt, die mit und durch ihre Nutzung existiert (vgl. Mori 1984, Mori 1999). Es gibt mittlerweile viele Beispiele für einen solchen Gewässerschutz in Japan. In der Stadt Yanagawa in der Präfektur Fukuoka hat beispielsweise eine Bürgergruppe die verschmutzten und zubetonierten Kanäle so umgestaltet, dass heute darauf wieder Holzboote fahren und dass am Ufer wieder die langen Zweige der Trauerweiden im Wind schaukeln. Am Mamagawa-Fluss in der Stadt Ichikawa in der Präfektur Chiba hat eine Bürgergruppe die im Zuge einer Flussregulierung gerodete Kirschallee wieder nachgepflanzt. In der Stadt Yamagata haben die Bürger eine naturnahe Flussregulierung geschaffen. Bei dieser Bewegung war der verbindende Gedank die Erinnerung der Bürger an ihre Kindheit. Darin lag auch der Grund, warum die Bürger den Fluss naturnah erhalten wollten. In dieser Form erinnerte er sie daran, wie sie hier als Kinder den Fluss mit einem kleinen Damm stauten darin schwammen oder angelten. Sie wollten den Ort der Erinnerung an ihre Kindheit erhalten. Menschen aus ganz Japan, die sich mit dem Gewässerschutz beschäftigen, besuchen einander jedes Jahr an ihren Gewässern und genießen gemeinsam deren Poesie. Regelmäßig finden „Wasserland- und Wasserstadtkonferenzen“ statt, um sich auszutauschen (vgl. Mori 1994, Mori 1999, Takano 1994). „Fuekiryuko“, „was sich ändert, und was sich nicht ändert“ ist der Vorschlag von Basho für eine Richtschnur in der Dichtung. Man lässt die „Dinge für die Ewigkeiten“ und den „neuen Wind“ gleichzeitig existieren. Diese Richtschnur kann auch in der Planung gelten. Bezüglich der „Poetischen Orte“, sollte man herausfinden, was man im Fluß der Zeit erhalten und pflegen sollte (vgl. Takano 2007a, S.390). 148 2.6. „Poetische Orte“ machen -Die Rolle von Erzählern, Künstlern und Planern Um die Poesie eines Ortes aufzuspüren, oder einen „Poetischen Ort“ zu gestalten, braucht man nach Ipsen Feingefühl und Einfühlungsvermögen (vgl. Ipsen 2000c, S.574). (Bei „Poetischen Orten“ ist Feingefühl nötig, um das Wesen des Ortes zu erkennen.) Es stellt sich, wie Poppinga anmerkt, an dieser Stelle die Frage, ob Menschen ohne Feingefühl keine „Poetischen Orte“ haben. Dazu lässt sich so viel sagen, dass sich Einfühlungsvermögen und Feingefühl niemandem generell absprechen lassen. Es handelt sich um rein subjektive Größen, die sich schwerlich objektivieren lassen. Ob man aber einem Ort gegenüber Feingefühl und Einfühlungsvermögen entwickeln kann, hängt von den Eigenarten des Ortes ab, denen Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Deutlich zu unterscheiden ist aber jegliche Form der Anteilnahme, also auch die Ablehnung, gegenüber Ignoranz oder Teilnahmslosigkeit. Nach Ipsen sind „der Entwurf prägnanter Gebäude, die Neugestaltung von Plätzen, die Aktion von Künstlern oder das Design neuer Landschaften (…) das Handwerkszeug der Identitätsplanung“ (Ipsen 2000c, S.567). Gemeinschaftliche „Poetische Orte“ werden durch Kommunikation mit verschiedenen Menschen aufgebaut. Einfühlungsvermögen und Feingefühl werden durch Kommunikation mit denjenigen Menschen geweckt, der diese Eigenschaften mitbringt. Dem Erzähler, Künstler oder Planer kommt dabei die Aufgabe zu, die Aufmerksamkeit auf das Wesen des Ortes zu lenken. Er hilft auch beim Aufbau eines positiven Images einer Region oder einer neuen Wertschätzung. Neue Ideen und Informationen, die festgefahrene regionale Gewohnheiten wieder in Bewegung versetzen, werden auch oft von Gästen oder von Einheimischen mitgebracht, die Erfahrungen außerhalb ihrer Region gesammelt haben. Ein Gesichtspunkt dazu wird in Abschnitt „II. - 1.2. Tradition und Innovation bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen“ näher beleuchtet. 2.6.1. Sympathie für Erzähler und „Poetische Orte“ Die Poesie von Orten ist nicht selten verbunden mit einer attraktiven Person, die Feingefühl und Einfühlungsvermögen mitbringt. Mit der Sympathie für eine solche Person findet man Zugang zu der Poesie eines Ortes. So überträgt sich Sympathie für Menschen auf Orte. Dazu Ipsen: „(…) z.B. im Valmarecchia, das sich östlich von Rimini in den Appenin zieht, Günter, der die Geschichte der Entstehung „Poetischer Orte“ in diesem Tal aufgezeichnet hat, (…) schildert zwei der wichtigsten Akteure. Tonino Guerra ist in dem Tal 22 geboren, hat sein berufliches Feld in Rom gefunden. Er arbeitet als Drehbuchautor für Antonioni und Fellini. Doch er verliert den Kontakt zu seinem konkreten Ort, dem Marecchia-Tal nicht. (…) Der zweite ist Gianni Giannini. Sein Beruf ist Friseur, und er kennt alle Leute und Sachen im Tal“ (Ipsen 2000c, S.572-573). Der Film von Guerra „Die Träume - italienische Illusion (la Domenica 149 Specialmente)“ ist eine Fantasiegeschichte über das Tal. Der Film hat eine eigenartige Stimmung und neue Geschichten in das Tal gebracht. Guerra erzählte: „Als ich ein Kind war, wenn ich meinen Großvater in seiner Hütte besuchte, regnete es immer. Die Regentropfen klopften auf das Dach wie kleine Steine. Ich möchte mit dieser Erinnerung eine Szene für einen Film drehen: Ein Mann kommt in ein altes, verlassenes Gebäude mit einem Blechdach. Er hört, wie der Regen auf das Dach trommelt. Als er aber nach draußen schaut, sieht er, dass es gar nicht regnet.“ Er schöpft solch neue Geschichten in Verbindung mit Orten und trägt sie weiter zu den Leuten“ (vgl. Guerra 2000, Iida 2005). Ipsen betont die Wichtigkeit des Dialoges zwischen Guerra und Gianníni: „Die Kenntnis des Ortes verbindet sich mit weltweiten Ideen und bereitet so den Boden für den Entwurf einer Vielzahl „Poetischer Orte“. Das Tal, vom Strukturwandel besonders betroffen, ein Ort der Abwanderung und des Verfalls, findet sich in diesen Orten wieder. Nicht das Alte kommt zurück, aber neue Häuser, Arbeitsplätze, Gasthöfe, Fremde hinzu“ (Ipsen 2000c, S.573). Auch in den Diskussionen der Forschungsgruppe wurden charismatische Akteure vorgestellt, durch die Menschen für „Poetische Orte“ Sympathie entwickeln. Ein Beispiel dafür findet sich in Sakuyazawa in der Gemeinde Yamanobe, westlich der Stadt Yamagata. Hier hat eine Bürgergruppe auf dem Hang an einer Bergstraße, von wo man einen ausgezeichneten Blick auf die Stadt Yamagata hat, eigenhändig eine Aussichtsterrasse gebaut. Die Bergstraße, an der die Terrasse liegt, verbindet den Ort mit der Stadt Yamagata und hat zufällig auf der Landkarte den Umriss eines Fuchses. Die Bürgergruppe hat die Bergstraße deshalb „Einmal-um-den-Fuchs-Straße“ genannt. Die Zusammenarbeit beim Bau der Terrasse empfanden die Bürger als positiv. Sie haben sich immer wieder ein neues Ziel gesetzt und dabei die Kommunikation miteinander genossen. Die Langlebigkeit der Aktion ist darin begründet, dass diese Gruppe von einem Leiter angeführt wird, der einen ruhigen Charakter mit großer Ausstrahlung hat und man gerne bei ihm sein möchte (vgl. Numazawa 2007, S.485-486). In der Stadtmitte der Millionenstadt Sendai in der Präfektur Miyagi gibt es einen Schreibwarenladen. Der Ladenbesitzer hat eine besondere Ausstrahlung. Er schreibt immer wieder Worte, die seine Gedanken über die Jahreszeit oder das Zeitgeschehen ausdrücken, mit einem Pinsel auf ein Blatt und hängt es wie ein Plakat vor den Laden. Die Leute lesen das Plakat im Vorübergehen und lassen es auf ihr eigenes Empfinden wirken oder bilden sich ihre eigene Meinung dazu. Auf diese Weise bietet der Ladenbesitzer einen Ort an, der vielen, auch ihm unbekannten Menschen, Anhalt geben kann (vgl. Sato 2007, S.491-492). In der Stadt Yamagata gibt es ein Café in einem ausrangierten alten Eisenbahnwaggon am Fluss. Von seiner Terrasse aus sieht man im Frühling die Kirschblüten und genießt 150 den kühlen Wind im Sommer. Im Herbst hackt der Cafébesitzer das Holz, und im Winter sitzt man gemütlich drinnen am warmen und duftenden Holzofen. Die Gäste kommen zum Café, weil sie mit dem Cafébesitzer eine langsam fließende Zeit verbringen möchten. Der Cafébesitzer, Shohei Takahashi, ist Mitglied der Forschungsgruppe. Er schreibt Folgendes: „Das Kind, das immer mit seinem Vater zu mir gekommen ist, kommt eines Tages als stattlicher Erwachsener zurück. Oder der ehemalige Student: nach dem Abschluss besucht er mich mit seiner Frau oder seinen Kindern. Es sind diese erfreulichen Momente. Die Gäste, die extra zu mir kommen, oder die von fern kommen, reagieren und bewegen sich mit den wechselnden Jahreszeiten mit der Natur. Für mich ist der schönste Tag nicht der, an dem viele Gäste gekommen sind und ich gute Geschäfte gemacht habe. Mir ist wichtig, wer zu mir gekommen ist oder wen ich kennengelernt habe. Mit einer schönen Geschichte als Süßigkeit und einer lustigen Erzählung als Hintergrundmusik trinkt man miteinander Kaffee. Solch einen Raum möchte ich gestalten“ (Takahashi 2007, S.473-475). Die Poesie von Orten wird, wie wir gesehen haben, mit der Sympathie für solche Personen verbreitet, die Feingefühl und Einfühlungsvermögen besitzen. 2.6.2. Kunst und gemeinschaftliche „Poetische Orte“ Es gibt viele Aktionen, die mit Kunst als Kommunikationsmittel gemeinschaftliche „Poetische Orte“ schaffen 23 . Einige davon sind Projekte, die von einem Künstler ausgehen, etwa bei der japanischen Bildhauerin Mariyo Yagi, die mit Bürgern überall in der Welt Kunstinstallationen macht. Die Teilnehmer sammeln T-Shirts und andere Textilien und drehen daraus ein riesiges Seil. Yagi verwandelt durch die Kunstaktion nicht „greifbare“ Orte in Orte der Kommunikation. So hat sie es u.a. nach der Erdbebenkatastrophe von Kobe im Jahr 1995 in Westjapan mit den Bürgern getan, mit denen sie solch ein riesiges Seil drehte. Durch das Fertigen eines riesigen Seiles, das in einer shintoistischen Schreinanlage aufgerichtet wurde, haben sich die einstigen Nachbarn, die nach der Zerstörung ihrer Häuser bei dem Erdbeben weit zerstreut lebten, wiedergetroffen und an ihre alten Beziehungen anknüpfen können. Die Leute haben in der Schreinanlage durch die gemeinsame Arbeit an dem Seil die soziale Kraft zum Aufbau ihrer zerstörten Heimatstadt geschöpft, nachdem sie durch den Verlust von Haus und Angehörigen psychisch stark belastet waren und zudem durch die Unterbringung in verschiedenen Notunterkünften oder bei entfernt lebenden Verwandten ihrer vertrauten Gemeinschaft entrissen waren. Während der Kunstaktion herrschte zunehmend eine gelöste Atmosphäre. Dem Kunstdirektor Fram Kitagawa zufolge ist die „bildende Kunst“ im Sinne von „fine arts“ in Japan nicht mehr länger nur Phänomen der Stadt. Vermehrt finden Kunstaktionen von Künstlern in Zusammenarbeit mit Bewohnern und mit der Landschaft und der Kultur 151 auf dem Land statt 24 (vgl. Kitagawa 2006, Tachiki 2006, S.14-16). Als Beispiel für „Poetische Orte“, die bei einer Kunstaktion von Bürgern geschaffen wurden, soll die Gemeinde Alheim in Nordhessen dienen. Dort glaubte man zunächst, der eigene Ort habe nichts Besonderes an sich. Vor diesem Hintergrund haben die Bewohner statt der üblichen Fremdverkehrsplanung Orte mit neuen Geschichten aufgebaut. Sie haben eigenhändig einen kleinen Spazierweg zu einem verlassenen Bergwerk gebaut, oder an einem kleinen See, um den sich eine Legende von einer Nymphe rankt, auf einem weißen Felsen die Fußspuren eines tanzenden Nymphenkindes sichtbar gemacht. So haben die Bürger von Alheim Stück für Stück Orte mit neuen Geschichten gefärbt (vgl. Ipsen 2000c, S.573, Bürgermeister von Alheim 2000, 2006). Man sieht am Beispiel dieser Gemeinde, wie bei den Bewohnern durch solche Aktionen der Stolz auf die eigene Heimat wächst und zur Motivation wird, zusammen zu arbeiten und wie dadurch der Gemeinschaftsgeist belebt wird 25. „Neue Schule“ nennt sich ein Projekt, das sich mit der Zukunft von aus der Nutzung gefallenen Schulen in den Bergdörfern der Gemeinde Asahi in der Präfektur Yamagata beschäftigt. In den Bergdörfern Japans sinkt die Einwohnerzahl besonders in der Gruppe der Jugend stetig, und immer mehr Schulen schließen. Die Bewohner der Dörfer, nicht nur die mit Kindern im schulpflichtigen Alter, haben sich zusammengeschlossen, um sich um die Kinder zu kümmern. Die Schließung einer Dorfschule ist gleichbedeutend mit dem Abbau von Beziehungen unter den Dorfbewohnern und dem Niedergang der Dorfkultur. Die Tateki-Schule in der Gemeinde Asahi ist im Jahr 2001 geschlossen worden. Seit 2003 bringen junge Künstler ihre Ideen ein und organisieren mit Kindern und Bewohnern in der stillgelegten Grundschule Kunstausstellungen und Workshops zu Themen rund um die Natur, wie Wald oder Fluss oder das Dorf im Asahi-Gebirge. 2005 haben die Künstler in der Schule das „Atelier Masato“ gegründet. Die Mitglieder des Ateliers und eine studentische Gruppe, die die Aktionen der Künstler unterstützt, versuchen bewusst, das Atelier zu einem „Poetischen Ort“ zu machen. Die Künstlerin Keiko Itagaki wohnt in der Schule, arbeitet an Kunstwerken und organisiert die Kunstausstellungen und Workshops. Sie vermutet, die unterschiedlichen Menschen, die zum Atelier kommen, sind verbunden durch ein „persönliches Gefühl eines jeden zu dem Ort“ (Itagaki 2007, S.469-471). Die Malerin Atsuko Tanaka vom Atelier Masato beobachtet, dass die Besucher nicht nur die Ausstellung anschauen, sondern auch Spaß daran haben, sich mit den Künstlern zu unterhalten und einen Spaziergang um die Schule im Dorf genießen. Wenn sie einmal hier waren, kommen sie häufig immer wieder (Tanaka 2007). Kurz nach der Gründung des Ateliers war diese Form von Kunst im Dorf fremd. Im Tagebuch des Ateliers haben die Künstler festgehalten, wie sie und die Bewohnern langsam Vertrauen zueinander aufgebaut haben. Die Künstler haben das 152 identitätsstiftende Verhältnis der Dorfbewohner zu ihrer Schule respektiert und versucht, durch die Ausstellungen und Workshops ihren Respekt auszudrücken (Siehe Exkurs 9.). So haben die Dorfbewohner die Empfindungen der Künstler aufgenommen und sind den Künstlern näher gekommen (Atelier Masato 2006, 2007). Exkurs 9. Raumidentität und „Poetische Orte“ vom Atelier Masato „Seit der ersten Ausstellung „Schön, sie kennenzulernen“ helfe ich den Künstlern beim Aufbau ihrer Ausstellungen und der Organisation von Workshops. Alle Künstler des Ateliers Masato sagen bei jeder Ausstellungen (Anm.: zu den Helfern und den Mitgliedern der Gruppe, die die Räume für die Ausstellung einrichtet): „Bitte nicht die Schule verletzen“ und „Bitte den Raum von der Schule so belassen und lediglich verfeinern“. Es ist ziemlich schwierig, diese Schule als Galerie zu gestalten. Es gibt hier keine leeren Wände in den Zimmern. Es gibt keinen Raum, der genau die richtige Größe hat. Aber es gibt Stühle und Schreibtische, von denen jedes Stück handgemacht ist, und wir haben die Wandtafeln, die sich nach oben und nach unten bewegen lassen. Es gibt auch die Regale, in die bestimmt einmal die Schüler ihre Ranzen verstaut haben. Wenn ich mich umgucke, finde ich viele charakteristische Seiten dieser Schule. Warum ich die Tateki-Schule nicht einfach als eine Ausstellungsraum behandeln kann? Weil diesen Ort hier eine besondere Art von „Charakter“ prägt. „Charakter“ verwandelt sich in „Attraktivität“ und klingt in unserem Herzen nach. Keiko Itagaki vom Atelier Masato meint, was die Menschen hier verbindet, sei das „persönliche Gefühl eines jeden zum Ort“. Sie sagt auch Folgendes: „Die Tateki Schule war früher ein Ort, in dem mit den Kindern als Zentripetalkraft persönliche Gefühle entstanden. Das Atelier Masato hat nicht eine solch starke Zentripetalkraft, wie es die Kinder gehabt haben, aber es bietet den Leuten vielleicht eine Gelegenheit, persönliche Gefühle aufzubauen. Vermutlich könnte das nicht geschehen, wenn das Atelier Masato sich nicht als „Atelier Masato in Tateki“ verstanden hätte“. Es ist schon drei Jahre her, seit ich mich mit dem Atelier Masato beschäftigte. Ich komme hier immer wieder mal vorbei, und ich fühle, dass ich hier in Tateki einen kleinen Ort für mich habe“ Nachwort für „TATEKIRHYTHM“ von der Studentin, Eriko Nino (Nino 2007, S.64) Im Tagebuch des Ateliers notieren die Künstler auch, wie das Wetter, die Stimmen von kleinen Tieren, Vögeln, Fröschen und Zikaden im Schulhof anmuten, halten die Themen fest, die für den jeweiligen Künstler aktuell sind, die Gespräche mit den Gästen, den Besuchern, den Bewohnern und was sie als Geschenk mitgebracht bekommen haben, z.B. Gemüse oder Obst oder leckere Süßigkeiten, und man findet auch Eintragungen über das Essen, das die Leute im Atelier zusammen gekocht und gegessen haben. Für die Künstler 153 ist das Atelier ein Ort, wo sie sich selbst betrachten und mit anderen kommunizieren. Die Studenten, die an den Aktionen im Atelier teilnehmen, schreiben auch in das Tagebuch. Sie schreiben über das Wetter, wie schön der Berg ist und was sie bewegt, wie lecker das Obst und die Süßigkeiten waren, was sie gekocht haben, worüber sie sich beim Essen mit den Künstlern unterhalten haben und wie sie sich näher kennengelernt und mit den Dorfkindern gespielt haben, um den Ofen gesessen und am Feuer ihr Gemüt erwärmt haben. Eine Studentin schreibt: „Die Schulgebäude sind nur eine Verpackung. Den Ort machen wir. Ich fühle mich hier wohl und sicher, weil ich hier meinen Platz habe.“ Die Künstler und auch die Besucher intensivieren durch die langfristige Beschäftigung mit der Schule ihre Gefühle zu ihr. Das Beispiel des Ateliers Masato zeigt, was passieren kann, wenn man zu einem Ort eine langfristige Beziehung aufbaut. Ist man dort häufig, werden die Kommunikation zwischen Menschen und die Atmosphäre des Ortes intensiver, und das Gefühl, dass man dazugehört, verstärkt sich. So reift ein „Poetischer Ort“ im Laufe der Zeit durch Kommunikation. Ein Ort, wo unterschiedliche Menschen gemeinsam Poesie fühlen und Zeit verbringen, ist ein reicher Ort. Gemeinschaftliche „Poetische Orte“ geben die Gelegenheit für ein soziales Leben und das stiftet Identität. Wie oben bereits von Ipsen erwähnt, wird durch „Poetische Orte“, durch das gemeinsame Handlungsfeld, eine horizontale Integration aufgebaut (vgl. Ipsen 2000c, S.570-572). Kunst kann ein Ausgangspunkt dafür sein. In einer Region leben unterschiedliche Menschen. Sie unterscheiden sich unter anderem darin, wo sie aufgewachsen sind, in ihrem Beruf, ihrem Einkommen, ihrem sozialen Status und ihrer Wertschätzung. Wenn sie ein gleiches Ereignis erfahren, haben sie nicht immer die gleichen Eindrücke davon. So können auch die Erwartungen an „Poetische Orte“ unterschiedlich sein. Aber wenn sie die Unterschiede untereinander anerkennen und wenn sie die Aspekte und die unterschiedlichen Vorstellungen einander mitteilen, kann man den Unterschied als einen Vorteil sehen und daraus Kraft schöpfen (vgl. Takahashi 2007b, S.562). Es ist auch wichtig, statt Unterschiede zu betonen, zu bemerken, dass diese im Grunde klein sind (vgl. Motokura 2005a, S.5). Wenn Menschen durch ihre Beschäftigung mit „Poetischen Orten“ einander ihre Meinungen mitteilen und einander zuhören, und wenn sie einander näher kommen möchten und versuchen möchten, einander zu verstehen, gleicht sich die Meinung jedes Menschen Stück für Stück an, un man stimmt sich aufeinander ab. Das Beispiel des Ateliers Masato zeigt nicht nur, wie man einen „Poetischen Ort“ macht, sondern es zeigt das Prinzip von Kommunikation. 154 2.6.3. Planung und „Poetische Orte“ Nach dem Philosophen Bachelard schützt das Haus den Menschen und ist seine erste Welt (vgl. Bachelard 2002 (1957), S.49). Furukawa schreibt in „Das Haus als Erfahrung“, wenn man die Menschen über ihr eindrucksvollstes Haus befragt, erzählen sie von dem Haus, in dem sie Erfahrungen mit Aktivitäten oder Ereignisse erlebt haben. Diese Erfahrungen sind an Emotionen geknüpft. Die Erinnerung an das Haus besteht aus mit Emotionen gekoppelten Bildern (vgl. Furukawa 2006, S.6). Die eindrucksvollsten Häuser schaffen eine Verbindung zur Familie und anderen Leuten und den dort mit ihnen gemachten bunten Erfahrungen. In Berichten über ihre eindrucksvollsten Häuser erwähnen Menschen oft auch Dinge, die sich in den Häusern befinden, und sie beschreiben deren Umgebung. Es sind diese Beziehungen zu den Menschen, Dingen und der Umgebung, welche die Häuser eindrucksvoll machen (vgl. Furukawa 2006, S.84-89). Das Haus kann gleichzeitig als „persönlicher Poetischer Ort“ und „gemeinschaftlicher Poetischer Ort“ für die Familie und die Nachbarschaft gelten. In Japan z.B. waren Dojunkai-Apartments gemeinschaftliche „Poetische Orte“. Diese Apartments sind nach dem verheerenden Erdbeben von Tokio im Jahr 1923 dort und in der Umgebung von der öffentlichen Hand gebaut worden. Es sind Stahlbetonbauten mit mehreren Stockwerken. Die Bewohner kamen aus dem Mittelstand. In den Apartmentanlagen waren Restaurants, Volksbäder, Salons, Höfe und verschiedene Typen von Wohnungen für die unterschiedlichen Generationen eingerichtet. Die Bewohner konnten dort einen kommunikativen Lebensstil pflegen. In der Wohnung waren die Räume im traditionellen Holzbaustil eingerichtet, z.B. waren die Schiebetüren aus Holz gebaut und als Bodenbelag wurden Tatami-Gras-Matten verwendet, wie in traditionellen japanischen Häusern üblich. Die Gebäude waren ansprechend gestaltet. So waren die Gänge zwischen den Gebäuden mit Bögen geschmückt und das Treppenhaus im Stil des Art Deco gebaut. Die Gebäudekomplexe passten sich dem Relief des Grundstücks an, und viele Bäume wuchsen im Hof (vgl. Bourdier 1993 (1992)). Bis in die jüngere Zeit wohnten viele Künstler in den Apartments. Zuletzt befanden sich viele Galerien darin, und schicke Läden hatten ihre Schaufenster zur Straße gerichtet. Auf der anderen Seite schämten sich die alten Bewohner, aus Mangel an Finanzen in den alten Apartments wohnen bleiben zu müssen. Die Apartments lagen auf teuren Grundstücken und wurden deswegen nach und nach zu Hochhäusern umgebaut. In Europa wurden Apartments nach den 1950er Jahren nicht mehr als Hochhäuser, sondern in Gebäuden mit mehreren Stockwerken gebaut. Es wurde Wert darauf gelegt, eine Beziehung zwischen Stadt und Architektur zu knüpfen 26 (vgl. Rossi 1991 (1966)). Der Architekt plant nicht nur die Wohnungen selbst, sondern beachtet ihre Auswirkung auf die Gemeinschaft, und plant sie integriert in das soziale Umfeld der Umgebung (vgl. 155 GLC (Greater London Council) 1982 (1978), Ando 1994 (1987)). Das Gegenteil haben die öffentlichen Siedlungsbau-Kooperationen (Anm.: ab 2004 heißen sie Urban Renaissance Agency) in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg in den Städten und ihrer Umgebungen mit dem Bau nüchterner Apartmentsiedlungen verbreitet. Ihre Apartments haben wenig Kontakt mit der Umgebung und bieten kaum Raum zur Kommunikation und lassen den Bewohnern kaum Möglichkeiten für eigene Erfahrungen. Die Dojunkai-Apartments der 1920er und 1930er Jahre gelten als Versuch, Wohnräume erfahrungsreich zu gestalten, bevor die Zeit des öffentlichen Siedlungsbaus mit seiner nüchternen rationalisierten Architektur sich durchsetzte. Seit den 1970ern sind einige wenige, gegen den nüchternen Siedlungsbau in Japan gerichtete, sogenannte „Kooperativ-Apartments“ gebaut worden.Das sind Apartments, bei denen Menschen, die eine eigene Wohnung haben möchten, eine Gruppe gründen und diese zusammen mit einem Architekten planen. Sie kaufen das Grundstück, planen die Gebäude, bestellen eine Baufirma usw. und arbeiten auch gemeinsam an den Häusern. Nach der Fertigstellung pflegen sie ihre Apartments gemeinschaftlich 27 (vgl. Ando 1994 (1987)). Durch die intensive Zusammenarbeit bei der Planung vermitteln die Bewohner einander besser ihren Lebensstil, und bereits vor dem Einzug haben sie sich gut kennenlernen können. Die Entscheidung, mit den Nachbarn das Leben zusammen zu genießen, wird bewusst gefällt (vgl. Motokura 2005a, S.46). Der Architekt Motokura beachtet die Erfahrungen der Bewohner in seiner Planung. Er ist in der Downtown von Tokio aufgewachsen, wo es keine städtebauliche Zonierung in Funktionsbereiche gab. Die dortigen Strukturen waren komplex. Die Durchdringung von Wohn- und Gewerbenutzung ermöglichte vielfältige sinnliche Erfahrungen in der Lebens- und Arbeitswelt, was besonders den Erfahrungsraum von Heranwachsenden bereicherte. Von diesen Erfahrungen sind seine Ideen für die Raumorganisation beeinflusst. Er plant die Anlagen so, dass Nachbarn miteinander leicht in Kontakt kommen. Dazu integriert er in seine Apartmentbauten Wohnen und Arbeiten 28 (vgl. Motokura 2005a). Wenn der Wohnort zum „Poetischen Ort“ wird, bereichert das nicht nur die persönlichen Erfahrungen, sondern man kann auch einen Effekt auf die Kooperation der Bewohner erwarten. So haben kommunikativ geplante Stadtviertel beispielsweise auch Vorteile bei Brand- oder Katastropheschutz (vgl. Takano 1981) und für die regionale Wirtschaft (vgl. Ipsen 2000c, S.569). Unter diesen Gesichtspunkten geht eine Planungsbewegung vor, die enge Gassen, wie man sie in der modernen Stadtplanung vermied, wieder aufwertet (vgl. Nishimura 2006, S.8-18). Für die Planung von „Poetischen Orten“ in öffentlichen Räumen ist die Methode des IBA- Emscher- Parks in Deutschland interessant. Dort hat die Verwaltung eine öffentliche Kooperation gegründet. Diese hat öffentlich Ideen gesammelt und die 156 bürokratischen Schwellen abgesenkt. Sie hat endogene Projekte in der Region unterstützt, die zahlreichen Projekte koordiniert und nur drauf aufgepasst, dass die Projekte in ihrem Verlauf ihre Richtung einhalten. Jedes Projekt hatte bei der Planung einen Spielraum. Damit haben sie sich bei der Umsetzung sprunghaft entwickelt. Im Emscher Park wurden Projekte in einem elastischen Planungsprozess realisiert (vgl. Nagamatsu 2006, S.47, S.93). Die Prinzipien zur Umsetzung von Projekten im Emscher- Park erfolgten: 1. mit einer innovativen Idee, 2. mit freiwilliger Teilnahme, 3. bei Flussregulierungen, Siedlungsbau, etc. unter Beachtung der Rentabilität 4. mit Schaffung neuer Arbeitsplätze, 5. unter Verbesserung der Ökosysteme 29, 6. unter Beachtung von kulturellem und ästhetischem Wert. Dem Architekten Nagamatsu zufolge ist besonders dieses letzte der genannten Prinzipien wichtig. Wenn die Gebäude oder andere Einrichtungen eine besondere Qualität besitzen und damit die Projekte eine Aura entfalten, werden sie effektiver genutzt (vgl. Nagamatsu 2006, S.44-46). Ist der Architekt oder Planer feinfühlig für die Details seiner Planung und erfahren in der Gefühlswelt der Nutzer, haben Räume, die auf diese Weise geplant sind, das Potential, „Poetischen Orten“ zu werden. Der Architekturkritiker Matsuyama schätzt Architekten, die zwischen Architektur, Umwelt, Menschen und Gemeinschaft das richtige Verhältnis von Anregung und Entspannung finden (vgl. Matsuyama 2004, S.92, S.95). Wenn man einen „Poetischen Ort“ aufbauen möchte, braucht man einen Blick dafür, die Elemente, die der Ort schon in sich trägt, zu entdeckt und zur Geltung zu bringen. „Poetische Orte“ vereinen gleichzeitig unterschiedliche Räume. Ein Raum ist neu gestaltet worden, frisch, hell und wirkt auf Menschen anregend. Ein anderer Raum ist im Kontext des Ortes gestaltet, geschmacksvoll, hat eine eigene Geschichte und wirkt entspannend. Die Kommunikation an einem „Poetischen Ort“ ist manchmal anregend, manchmal entspannend und das wiederholt sich. Die unterschiedlichen Menschen mit ihren unterschiedlichen Wertschätzungen diskutieren manchmal angeregt und unterhalten sich dann wieder gemütlich. Die Begleitung durch einen Planer, der dieses Wechselspiel von Anregung und Entspannungen versteht, hilft dem Aufbau von „Poetischen Orten“. 157 2.7. Der Dialekt von „Poetischen Orten“ Manchmal hat ein „Poetischer Ort“ eine Atmosphäre, aus der heraus jedermann den Ort leicht als „Poetischen Ort“ verstehen kann. Andererseits stoßen wir aber auch auf Orte, deren Poesie sich nicht leicht erschließt. Wenn einem gesagt wird, dass es sich dabei um einen „Poetischen Ort“ handelt, kann man das in manchen Fällen nicht richtig nachempfinden. Das heißt, es gibt sowohl „Poetische Orte“, die für Fremde ohne weiteres erkennbar sind, als auch „Poetische Orte“, die es schwer machen, sie als solche zu begreifen. Dieses Phänomen wird in der Diskussion der Forschungsgruppe für „Poetische Orte“ und Regionalentwicklung als das „materiell Unvertraute“ und „historisch Unvertraute“ beschrieben. Die junge Volkskundlerin Imaishi hat ihrem Gefühl des Unvertrautseins mit den „Poetischen Orten“, die Ipsen in seinem Vortrag in Japan vorgestellt hat, Ausdruck verliehen. Imaishi hat ihr Gefühl als „Unvertrautheit mit dem Aufstellen materieller Symbolen“ verstanden und wie folgt beschrieben: „Ich fühle mich mit Skulpturen wie der „Himmelsleiter“ aus dem Park um Frankfurt nicht vertraut 30. Ebenso ergeht es mir mit dem Monument „Ferropolis“, mit seinen riesigen Kränen und Baggern aus Metall. Vermutlich kommt dieses Gefühl von der Methode, die in den Beispielen angewandt worden ist. Man stellt in einem bestimmten Raum ein Monument als Symbol hin und gestaltet dadurch dort „den Ort“. Diese Methode erscheint mir befremdlich“ (Imaishi 2007, S.451). Als Gegenbeispiel hat Imaishi „den leeren Raum“ des Künstlers und Volkskundlers Taro Okamoto (1911-1996) angeführt, den der Volkskundler Norio Akasaka der Forschungsgruppe in seinem Vortrag vorgestellt hat (vgl. Akasaka 2007, S.559-560). „Taro hat beschrieben, was ihn bewegte, als er den heiligen Ort „Utaki“ auf den Okinawa-Inseln besuchte: „Was mich am meistens bewegt hat, war unvermutet, aber es war Utaki, der, wenn man so sagen darf, ohne Substanz existiert. Utaki, das ist ein heiliger Ort, an dem ein Gott herabkommt. An dieser heiligen Stelle steht kein Gotteshaus, keine Götterstatue- nichts. Es ist ein kleiner, freier Raum im Wald. Dort liegt nur ein kleiner, roher, viereckig geschnittener Stein, den man leicht übersieht, wenn man nicht genug aufpasst. Es hat mich sehr erstaunt, wie schön Leere ist“. In Japan kann solch ein leerer Raum als Ort bestehen. ( ) Für Deutsche könnte es schwieriger sein, einen Ort mit solcherart reduzierter materiller Setzung als „Poetischen Ort“ zu empfinden“ (Imaishi 2007, S.451). Auch wenn man keine Kenntnis über Utaki hat, könnte man sich in dem Raum, der von den Bäumen definiert ist, die ihn umgeben, sicher und wohl fühlen. Aber wahrscheinlich würde er von den meisten Menschen nicht bemerkt und so wohl kaum als „Poetischer Ort“ wahrgenommen werden. In Okinawa betet man in Utaki, und weiß um die 158 Geschichte dieses Ortes. Deshalb können sie die unsichtbare Atmosphäre spüren, die Fremden nicht finden können. Auch in Australien stößt man auf ähnliche Beispiele. Heilige Orte der Ureinwohner Australiens sind keine auffälligen Hügel oder andere markante Stellen. Sie sind nur von Menschen zu erkennen, welche mit den Mythen der Aborigines vertraut sind. Dann erst kann die Poesie dieser Orte empfunden werden. Aber selbst das Beispiel der „Ferropolis“ mit ihren gigantischen Baggern in der Braunkohlefolgelandschaft der Lausitz gibt einen Eindruck davon, was Imaishi gemeint hat. Der Grund, warum man sich als Fremder mit dem Ort unvertraut fühlt, ist, wie Imaishi es ausdrückt, in der Ungewöhnlichkeit des materiellen Symbols zu suchen. Aber die Worte eines Bewohners, die der Wissenschaftler Sperber dokumentiert hat, der in der Lausitz die Veränderungen der Region untersucht hat: „Die Arbeit war schmutzig, die Arbeit war hart, aber es war der Ort unserer Arbeit" haben plötzlich erhellt, warum „Ferropolis“ mit ihrem ungewohnten Symbol ein „Poetischer Ort“ ist. Das unvertraute Gefühl, das man gegenüber manch einem „Poetischen Orten“ haben kann, ist nicht allein auf die Verwendung von ungewohnten materiellen Symbolen zurückzuführen. Als nächstes betrachten wir das „historisch Unvertraute“ von „Poetischen Orten“. Die Poesie, die von der Historie eines Ortes ausgeht, ist in der Regel leicht erkennbar. Die langgepflegten traditionellen Symbole zu verstehen und sich einzufühlen, ist häufig nicht so schwierig. Bei unvertreuten neu gestalteten „Poetischen Orten“ kann das schwieriger sein. Es scheint, dass man bei traditionslosen Orten nicht leicht innehalten kann. Wenn Menschen mit unterschiedlicher Wertschätzung aus einem „Nicht-Ort“ einen „Poetischen Ort“ herausarbeiten möchten, brauchen sie ein neues Symbol. Aber es ist vermutlich schwieriger, ein solch neues Symbol allgemein lesbar zu machen. Betrachten wir z.B. den neugestalteten Weg, der mit seinen Skulpturen durch die Weizenfelder und Weinberge im Regionalpark Rhein-Main bei Frankfurt führt. Er liefert ein komplexes Spektrum neuer Symbole. Dort stehen beispielsweise viele lange Säulen und durch ihre Zwischenräume hindurch sieht man am Horizont die Skyline von Frankfurt. Bei einer anderen Skulptur hört man den Flugzeuglärm, wenn man sein Ohr daran hält. Eine weitere Skulptur aus Stein steht in der Landschaft gleich einer Leiter, deren Sprossen wie Fenster wirken, durch die man die Landschaft in Bildausschnitten sehen kann (vgl. Iida 2006). Wie bei „II. - 2.5. Sich verwandelnde „Poetische Orte“ – von der Architektur zur Ruine und zurück“ erwähnt, gibt es keinen „leeren Ort“, einen, der keine historischen oder gegenwärtigen Merkmale besitzt. Die Weinfelder, die Wolkenkratzer und die Flugzeuge mit ihrem Lärm sind die Symbole des Ortes. Sie erfahrbar zu machen, dafür sind die 159 neuen Zeichen, wie die Skulpturen etc., aufgestellt worden. Den Hintergrund der Skulpturen bilden die poetischen Geschichten der Menschen, die sich mit dem Ort befassen. Man kann es zwar theoretisch verstehen, aber es ist doch schwierig, ohne Kenntnis dieser Geschichten sich am Ort auf dessen im Hintergrund verborgene Poesie einzulassen. An „Poetischen Orten“ im Marecchia-Tal in Italien stehen auch durchaus neue Skulpturen wie im Regionalpark Rhein-Main bei Frankfurt. Aber die „Poetischen Orte“, die Guerra und die Bewohnern gemacht haben, haben eine direkt Verbindung mit den Dingen die die Menschen dort seit langer Zeit geschätzt oder gepflegt haben, wie z.B. mit ihrem Dialekt, den heimischen Sorten des Obstes, verlorengegangenen Namen usw. So wird ihre Poesie leichter zugänglich. Es bedarf aber der Art des Poeten Guerra, die Geschichten der Orte zu erzählen um ihnen Poesie zu verleihen, gerade um Fremden oder sich entfremdenden die Poesie der Orte zu erschließen. Menschen aus dem Tal, die ihren Lebensschwerpunkt längst schon nach Rimini verlegt hatten, der Stadt am Ausgang des Marecchia- Tals, mit dem hellen Strand und den schimmernden Wellen, kehren wieder öfter an ihre „Orte“ in ihrer Heimat zurück und nähren dadurch ihre Lebensfreude. Mit ihrer neu entflammten Liebe zu ihrer alten Heimat begeistern sie auch den Besucher für die neue Poesie von Marecchia. Lernt man „Poetische Orte“ durch jemanden kennen, kann es passieren, dass zunächst ein Gefühl des „materiell Unvertrauten“ oder des „historisch Unvertrauten“ aufkommt. Menschen, die sich mit „Poetischen Orten“ beschäftigen, entwickeln oft eine Liebe zu den Details der Orte. Dafür können sie Fremde öffnen und Ihnen so die Poesie eines Ortes erschließen. Das heißt, ein fremder Ort wird erst durch Erzählungen der Menschen, die mit dem Ort bereits eine feste Beziehung eingegangen sind, als „Poetischer Ort“ erkennbar. Dabei ist aber das Verhältnis von Erzähler und Zuhörer entscheidend. Poesie kann nicht einfach durch Erklärungen vermittelt werden. Sympathie für einen (fremden) „Poetischen Ort“ ist geknüpft an Sympathie für Personen, die sich mit dem Ort verbunden sind. Derjenige erst erschließt „Poetische Orte“, der die Herzen anderer anspricht. Das gelingt, wenn diese Person selbst von der Poesie des Ortes beseelt ist. Dann kann der Zuhörer das Verhältnis des Erzählers zu dessen „Poetischen Ort“ nachempfinden und so seinen eigenen Zugang erlangen. Dieser Vorgang ist der „Mitate-Nachahmung“ des Haiku-Dichters Basho ähnlich 31. Ipsen drückt es so aus: „Es ist nicht notwendig, dass die Ausstrahlung wie im Fall Neuschwansteins bis nach Japan reicht. Die Reichweite muss nur die Region selbst und die angrenzenden Räume erreichen, um nach innen integrativ zu wirken“ (Ipsen 2000c, S.571). Wenn man zusammen mit einer Person, welche die Poesie eines Ortes empfindet, 160 einen Ort kennenlernt, oder wenn man einen Ort selbst gestaltet hat, spürt man die Poesie des Ortes. Wichtig ist, dass der Ort für die Menschen, die sich mit ihm beschäftigen, als „Poetischer Ort“ verstanden wird. Dann wird er für diese Gruppe zu einem eigenen Instrument der Verständigung. „Poetische Orte“ sind wie Dialekte. 2.8. Die Tendenzen und Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis In Kapitel 2. von Teil II ist bis hierher die Weite des Begriffs der „Poetischen Orte“ ausgelotet worden. Darin sind die Erkenntnisse aus den Forschungsprojekten von Ipsen und anderen Teilnehmern von der Universität Kassel (Ipsen et al. 2000b, Ipsen 2000c), von der deutsch-japanischen Forschungskooperation (Iida Hrsg. 2007), der Recherche der Autorin über Orte, Planungswissenschaften und Beispiele von Bürgerplanungen, mit denen die Autorin eigene Erfahrungen gemacht hat, verarbeitet. Mit dem oben erwähnten Inhalt werden hier Tendenzen in der Praxis mit „Poetischen Orten“ systematisiert. Wenn die Bürger selbst mittels Kommunikation die Orte erarbeiten, die in der Landschaft, der Historie und der Folklore ihre Wurzeln haben, mit denen sie sich identifizieren und wo sie in Gemeinschaft leben können, hilft es, wenn sie Kriterien haben, mit denen sie ihr Projekt evaluieren können. Die unter den in „Tendenzen und Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis“ erwähnten Punkte können als Kriterien gelten, weil sie durch die Forschungen und Diskussionen der Teilnehmer der Forschungsgruppe, von Bürgern, Künstlern, Beamten, Architekten, Planern, Volkskundlern etc., die alle Erfahrungen mit „Poetischen Orten“ in der Praxis gesammelt haben, herauskristallisiert worden sind. Nach Ipsens Theorie in seiner Forschungsarbeit aus dem Jahr 2000 gibt es die folgenden Tendenzen von a bis g (vgl. Ipsen 2000c, S.570-574). Nach der Diskussion mit der Forschungsgruppe für „Poetische Orte“ und Regionalentwicklung mit Ipsen seit 2004, aus den Betrachtungen von Takano und dieser Forschungsarbeit sind die Punkte von h bis q als weitere Tendenzen zum Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis hinzuzufügen (Takano 2007, Iida 2007). Die Nummern in Klammern verweisen auf die Kriterien in der Tab. 7.; (siehe unten). a. (Nr.1) Man legt Wert auf das Detail. b. (Nr.4) Man nimmt als Instrument Aktivitäten von Künstlern, schlicht und gut durchdacht in Planung und Design. c. (Nr.6) Die Ideen von Bürgern werden mit existierenden Netzwerken in Beziehung gebracht. d. (Nr.7) Ein Planer oder die Verwaltung (z.B. eine Gemeindeverwaltung) unterstützt die Idee. e. (Nr.11) Das Schaffen des Ortes ist immer im Prozess. 161 f. (Nr.12)Es herrscht Dialog zwischen der Identität der Region und dem Profil nach außen. g. (Nr.13) Es gibt einen Erzähler (Anm.: nach Ipsen gibt es „wichtige Akteure“ (Ipsen 2000c, S.573)). h. (Nr.2) Der Ort hat eine eigene Verbindung zu Köper und Geist. i. (Nr.3) Der Ort hat Wurzeln in der Natur, Historie und Kultur der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. j. (Nr.5) Den Ort umgibt eine zurückgenommene Atmosphäre. k. (Nr.8) Komplexe Kommunikation und Gestaltung des Ortes. l. (Nr.9) Der Ort ist angemessen gepflegt. m. (Nr.10) Neue Teilnehmer werden positiv aufgenommen. n. (Nr.14) Entwicklung mit Ideen, die von außerhalb der Region stammen. o. (Nr.15) Besucher werden positiv aufgenommen. p. (Nr.16) Besucher verhalten sich angemessen. q. (Nr.17) Der Ort wird nicht zu stark kommerzialisiert. Ordnet man die Tendenzen in der Praxis der „Poetischen Orte“ inhaltlich, ergibt sich folgendes Bild (Siehe Tab.7.). Um Orte zu schaffen, die als „Poetische Orte“ wirken, mit der Umgebung in einer harmonischen Beziehung stehen und eine unnachahmliche Attraktivität haben gilt zuerst Nr.1 bis Nr.5. Um Orte zu schaffen, an denen Menschen gut kommunizieren können, gilt als nächstes Nr.6 bis Nr.11. und um Orte zu schaffen, mit denen Menschen innerhalb oder außerhalb der Region ein gutes Verhältnis aufbauen können gilt schließlich Nr.12 bis Nr.17. Tab. 7. Kriterien für „Poetische Orte“ 1. Man legt Wert auf das Detail. Um Orte zu schaffen, die als „Poetische Orte“ wirken, mit der Umgebung in einer harmonischen Beziehung stehen und eine unnachahmliche Attraktivität haben gilt: 2. Der Ort hat eine eigene Verbindung zu Köper und Geist. 3. Der Ort hat Wurzeln in der Natur, Historie und Kultur der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 4. Man nimmt als Instrument Aktivitäten von Künstlern, schlicht und gut durchdacht in Planung und Design. 5. Den Ort umgibt eine zurückgenommene Atmosphäre. 6. Die Ideen von Bürgern werden mit existierenden Netzwerken in Beziehung gebracht. 7. Ein Planer oder die Verwaltung (z.B. eine Gemeindeverwaltung) unterstützt die Idee. Um Orte zu schaffen, an denen Menschen gut kommunizieren können 8. Komplexe Kommunikation und Gestaltung des Ortes. gilt: 9. Der Ort ist angemessen gepflegt. 10. Neue Teilnehmer werden positiv aufgenommen. 11. Das Schaffen des Ortes ist immer im Prozess. 12. Es herrscht Dialog zwischen der Identität der Region und dem Profil nach außen. Um Orte zu schaffen, zu denen Menschen innerhalb oder außerhalb der Region ein gutes Verhältnis aufbauen können gilt: 13. Es gibt einen Erzähler. 14. Entwicklung mit Ideen, die von außerhalb der Region stammen. 15. Besucher werden positiv aufgenommen. 16. Besucher verhalten sich angemessen. 17. Der Ort wird nicht zu stark kommerzialisiert. Idee von Detlev Ipsen 2000 1, 4, 6, 7, 11, 12, 13, 17 Ideen der Forschungsgruppe mit Detlev Ipsen 2007 2, 3, 5, 8, 9, 10, 14, 15, 16 162 Auf der anderen Seite erwähnen Ipsen, Takano und die Autorin dieser Forschungsarbeit auch die Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis. Die folgenden Punkte könnten den Verlust von Poesie verursachen (vgl. Ipsen 2000c, Takano 2007a, Anm.: Falls nicht anders gekennzeichnet, stammen die Punkte von der Autorin): -a. man baut die Orte nicht sorgfältig genug und geistlos auf (vgl. Takano 2007a, S.394). -b. man vergleicht sie mit anderen Orten und transferiert oder kompensiert die Poesie 32 (vgl. Ipsen 2000c, S.568, S.571). -c. die Beteiligung von Bürgern fehlt (vgl. Takano 2007a, S.394). -d. eine Verwaltung leitet die Teilnahme von Privatleuten, Firmen u.a. -e. Bedeutungen werden lediglich fingiert, Merkzeichen gesetzt, denen auf Dauer eine poetische Ausstrahlung fehlt (vgl. Ipsen 2000c, S.574). -f. Poesie wird für schnelle Erfolge instrumentalisiert (vgl. Ipsen 2000c, S.574). -g. man versucht nicht, die Poesie zu vermitteln. -h. die Gestaltung erfolgt sinnlich impulsarm. -i. man beseitigt die Natur, Historie und Kultur (vgl. Takano 2007a, S.394). -j. den Ort umgibt keine zurückhaltende Atmosphäre (vgl. Takano 2007a, S.394). -k. zu anstrengende Arbeit. -l. nachlässige Pflege (vgl. Takano 2007a, S.394). -m. Abschirmung gegen neue Teilnehmer. Dadurch wird der „Poetische Ort“ zu einem exklusiven Ort. -n. zu konservative Gestaltung, die sich neuen Ideen verschließt. -o. ungastliche Aufnahme von Besuchern. -s. unangemessenes Verhalten von Besuchern (vgl. Takano 2007a, S.394). -q. zu starke Kommerzialisierung (vgl. Takano 2007a, S.394). Allgemein ist es eine der vorrangigsten Aufgaben bei Regionalentwicklungs-Projekten, sie zu „Selbstläufern“ zu machen. Beim Aufbau „Poetischer Orte“ ist hierbei besonders der unter Punkt „-m“ erwähnte Fehler zu vermeiden, einen „exklusiven Ort“ zu schaffen. Man kann häufig beobachten, dass Menschen, die sich mit „Poetischen Orten“ beschäftigen, gegenüber ihren Orten ein konservatives Verhalten entwickeln, indem sie versuchen, Veränderungen zu verhindern 33. Das beeinträchtigt die Funktion eines „Poetischen Ortes“ als gemeinschaftlichen Ort. Menschen bauen ihre „Poetischen Orte“ auf. Aber wenn sie sich im Anschluß der Aufnahme neuer Teilnehmer oder neuer Gruppen verweigern, wird der Ort „exklusiv“, d.h. er bleibt zwar möglicherweise ein „Poetischer Ort“, aber nur für eine begrenzte Gruppe. Damit verliert er die Funktion eines gemeinschaftlichen „Poetischen Ortes“, unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Wertschätzungen vertrauensvoll horizontal zu verbinden und einander bei der Entfaltung eigener Talente zu helfen. Es ist manchmal für die Macher von „Poetischen 163 Orten“ wichtig, sich auf ihre Ausgangslage zurückzubesinnen und zu berücksichtigen, dass auch ihr „Poetischer Ort“ auf der Basis von Kommunikation aufgebaut ist. Wenn die Menschen, die sich dauerhaft mit dem „Poetischen Ort“ beschäftigen, neue Ideen aufnehmen und für neue Teilnehmer offen bleiben, es dadurch also zu keiner „Stoffwechselerkrankung“ des Prozesses kommt, kann ein „Poetischer Ort“ dauerhaft Wirkung entfalten. 2.9. Die Rolle von „Poetischen Orten“ in der Planung In diesem Kapitel wurde bereits der Begriff „Poetischer Orte“ in seiner Weite dargestellt. Unter II. - 2.8. „die Tendenzen und Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis“ wurden die wichtigsten Aspekte des Begriffs zusammengefasst.Welche Rolle der Begriff „Poetischer Ort“ in der Planung spielt, wird in diesem Kapitel zunächst unter dem Aspekt von Aktionen betrachtet, die ihren Schwerpunkt im Erhalt historischer Orte haben, weil für den Erhalt historischer Orte schon einige Planungsmethoden entwickelt sind. Danach wird anhand von Betrachtungen und Beispielen näher auf die Rolle von „Poetischen Orten“ bei Aktionen für die Rekonstruktion von „Nicht-Orten“, wie verlassenen Orten oder ungreifbaren Orten, eingegangen, die mit der dadurch gewonnenen neuen Wertschätzung wieder zu eigenen Orten gemacht werden. Abb. 8. Schema „Poetische Orte“ 164 An „Poetischen Orten“ treffen regionaltypische Natur, Historie, Kultur, Arbeit und Geschichten aufeinander, wodurch die Voraussetzung für Poesie entsteht. „Poetische Orte“ wirken auf den Menschen ein, bieten ihm geistige Nahrung und berühren sein Herz. Häufig werden sie zu Orten, wo Menschen einer Region durch die Sympathie für andere und einen gewissen Stolz auf ihre Heimat miteinander verbunden werden. Solche Orte werden als Schätze betrachtet und auch so behandelt. Sie sind die symbolischen Räume der regionalen Identität (Siehe Abb. 8.). In Europa sind viele historische Gebäude, Stadtteile, Ortsteile oder Landschaften erhalten. Durch Bürgerbewegungen, die sich für den Erhalt von historischen Orten einsetzen, sind deren Werte in der Gesellschaft anerkannt worden. Heute sind viele dieser Orte sogar gesetzlich geschützt. So bedient man sich beispielsweise der Methode des „National Trust“ aus England. Die Strategie des National Trust (National Trust for Places of Historic Interest or Natural Beauty) geht zurück auf eine 1895 in England gegründete Bürgerinitiative. Das Ziel des National Trust ist, Naturlandschaften, historische Kulturlandschaften und Denkmäler zu schützen und durch die weitere Nutzung an die nächste Generation weiterzugeben. Mithilfe der Bürgerbeteiligung wird das Schutzgut in Besitz genommen, restauriert, gepflegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. (Japan National Trust 2008). In Japan gibt es ebenso Bürgerbewegungen für den Erhalt von historischen Gebäuden, Stadtteilen, Ortsteilen oder Landschaften. Seit 1964 gibt es auch in Japan Projekte, die mit der Methode des National Trusts arbeiten. So haben z.B. Bürger im Jahr 1977 auf der Shiretoko-Halbinsel einen Teil des Landes gekauft und den Urwald unter Schutz gestellt. Im Dorf Shirakawa-go haben Bürger alte Bauernhäuser mit Rieddächern erhalten. Beide Beispiele sind von der UNESCO als Weltnatur- bzw. Weltkulturerbe anerkannt worden. Allerdings ist allgemein in Japan zu beobachten, dass einem Ort oder einem Gebiet mit der Anerkennung durch National Trust oder UNESCO größere öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird. Das hat zur Folge, dass er für die Aufnahme von Touristenmassen eingerichtet wird wie z.B. ein Themenpark. Dadurch wird die Ausstrahlung solcher Orte beeinträchtigt, und das Leben der Bewohner verändert sich radikal. Um solche Probleme zu vermeiden, erlässt man in England z.B. Verbote für Bustourismus oder ergreift ähnliche Maßnahmen (vgl. Yokokawa 2003). Diese Maßnahmen in England folgen einer vergleichbaren Idee wie die Erhaltung von „Poetischen Orten“. Bei einer anderen Methode, dem „Ökomuseum“, wird darauf geachtet, dass Einwohner den Zusammenhang von Geschichte und landschaftlicher Besonderheit der Orte begreifen, um durch ihre Erhaltung oder durch ihre Entwicklung einen Zugang zu ihrer regionalen Identität offenzuhalten. Das „Ökomuseum (frz.: écomusée)“ ist eine Ende der 1960er 165 Jahre in Frankreich entwickelte Idee einer neuen Art von Museum. Das Wort setzt sich zusammen aus Öko (Anm.: von [alt] griech. οίκος oikos, „Haus, Haushalt“) und Museum (Anm.: von ([alt]griech. μουσείο[ν], musío, „Heiligtum der Musen”). Ein Ökomuseum vermittelt etwas über die Historie des Lebens, der Natur, der Arbeit und anderer sozialer Themen der Region. Das regionale Erbe wird vor Ort ausgestellt, gepflegt und entwickelt und dient so der gesamten Entwicklung einer Region. Dabei wird der Focus auf die Menschen gerichtet, die das regionale Erbe gepflegt haben und es als unverwechselbaren Schatz behandeln. Bürger und Verwaltung arbeiten bei der Gründung der Organisation und im Anschluss zusammen. Das ist ein wesentliches Merkmal des Ökomuseums (vgl. Ohara 1999, Hashima 2007, S.477-480). In Japan ist in den 1980er Jahren das traditionelle Verhältnis von Stadt und Land durch einen zu schnellen Strukturwandel zusammengefallen. In dieser Zeit ist der Begriff “Ökomuseum“ in Japan aufgekommen (vgl. Mitsuhashi 2003, S.19). Die Qualität der Projekte ist unterschiedlich, aber es lassen sich Aktivitäten dieser Art in 50 Gemeinden und Dörfern Japans finden (vgl. Fujimoto 2003, S.2). Das Ökomuseum der Gemeinde Asahi in der Präfektur Yamagata ist als Vorläufer der Ökomuseen in Japan bekannt. Dort arbeitet seit 1989 eine Bürgerinitiative mit dem Begriff und seit 1999 besteht ein Verein. Die Gemeinde hat das Ökomuseum in ihrem Entwicklungskonzept verankert. Damit versucht die Gemeinde, den Stolz der Bewohner auf ihren Lebensstil aufzubauen und ihnen den Wert ihres reichhaltigen Lebens an diesem Ort bewusst zu machen. Es ist ein Versuch, der sich mit den Maßstäben für einen gelungenen Lebensstil nicht an der Stadt orientiert, sondern die eigene Gemeinde im Gebirge studiert und versteht und darin mit Stolz zu leben ermöglichen möchte (vgl. Abe 2003). Hashima, Mitglied des Vereins des Ökomuseums in Asahi und Teilnehmer der Forschungsgruppe für „Poetische Orte“ und Regionalentwicklung vergleicht den Begriff des Ökomuseums und den Begriff des „Poetischen Ortes“ miteinander und schreibt dazu Folgendes: „Bei einem Ökomuseum wird die ganze Gemeinde als Museum betrachtet. Alle Bewohner sind Kuratoren. Das ist eine bahnbrechende Denkweise. Ökomuseen und „Poetischen Orten“ liegt das gleiche Denkmodell zugrunde. In folgenden Punkten gleichen sich die Idee des Ökomuseums und der „Poetischen Orte“: * Sie sind untrennbar mit einem bestimmten Ort verbunden. * Sie sind aus dem alltäglichen Leben entstanden. * Man kann Vergangenheit und Zukunft des Alltags der Menschen sehen oder empfinden. * Es wird eine Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Region hergestellt. * Beide zeigen mit Erinnerungen verknüpfte Orte. 166 Auf der anderen Seite unterscheiden sich die Methoden in folgenden Punkten: * „Poetischen Orte“ haben Poesie. * „Poetische Orte“ sind ästhetisch. * Der Maßstab „Poetischer Orte“ ist punktuell und nicht flächig. „Poetische Orte“ haben subjektive Aspekte wie Poesie oder Ästhetik. Wenn Bewohner mit ihrer Liebe zum Ort diese Besuchern vorstellen, berührt dies das deren Herzen und weckt so ihre Sympathie für die Orte. Das Ökomuseum vertritt verschiedene Ideen, wie die von einem neuen Museum, von Naturschutz, Denkmalschutz, von der Volkshochschule, wirtschaftlicher Regionalentwicklung u.a. und es gibt verschiedene Wege sie fortzusetzen. Vermutlich kann der Begriff der „Poetischen Orte“ in den Begriff des Ökomuseums integriert werden. Wenn man das eigene Ökomuseum weiter voranbringen oder entwickeln möchte, kann der Begriff des „Poetischen Ortes“ in der Praxis von Nutzen sein“ (Hashima 2007, S.477-480). Die Rolle des Begriffs des „Poetischen Ortes“ bei der Erhaltung historischer Orte wurde mit der Betrachtung Hashimas über das Ökomuseum ausgeführt. Mit den Beispielen dieses Kapitels, betrachtet unter dem Aspekt einer neuen Wertschätzung von „Nicht-Orten“, wie verlassenen oder ungreifbaren Orten, wird noch einmal deutlicher, dass sich die Menschen in den Aktionen ihrer Bürgerinitiativen an ihren Orten die „Poesie“ gewünscht haben. Anhand des Beispiels „Gewässerschutz in Japan“ unter dem Aspekt einer neuen Wertschätzung für verlassene Orte, wird ersichtlich, dass Städter zu Gewässern, wie etwa Flüssen, keine Beziehung mehr aufbauen, weil heute das Trinkwassersystem sorgfältig organisiert ist und sich gerade deshalb der Wahrnehmung entzieht. Dennoch wünschen Menschen Poesie an Gewässern ihres Wohnumfeldes, welche keine Funktion mehr bei der Versorgung ihres Haushaltes haben, aber noch nicht zu „Orten“ geworden sind. Nach Herrn Seiwa Mori, dem Protagonisten des Gewässerschutzes in der Stadt Yokohama, war das, was die Bewohner mit dem Einsatz für die „Tieren der Heimat“, wie Libellen, Glühwürmchen usw. erreichen wollten nicht in erster Linie der Schutz von Ökosystemen. In Japan besingt man in traditionellen Gedichten das Fangen von Libellen und das Betrachten der Glühwürmchen. Es gab eine Kultur mit einer Liebe zu Insekten, die im Kinderspiel oder jahreszeitlicher Poetik blühte. Der Wunsch der Bewohner, ihren Kindern auch heute solche Erfahrungen zu ermöglichen und auch wieder selbst diese Kultur der „Poesie“ genießen zu können, war ihre Motivation für den Schutz der Gewässer einzutreten. Mori zufolge bedeutet das, der kulturell gewachsenen Beziehung zwischen Menschen und „Tieren der Heimat“ wieder zu ihrem Recht zu verhelfen (vgl. Mori 1999). 167 Die Gemeinsamkeit, die die Beispiele industriekulturelles Erbe, Nutzung der verlassenen Schule, Wiederbelebung der Dörfer des Marecchia-Tals, Konzept „Schutz durch Nutzung“ in der Rhön usw. haben, ist u.a. die „poetische Handlung“ des Menschen. Die Menschen haben Sehnsucht nach der Erinnerung an die Leute, die früher in der Region gelebt haben, oder nach der heimischen Landschaft, und sie versuchen, dieses Erbe von der vorangegangenen Generation zu übernehmen, neue Werte hinzuzufügen und an die nächste Generation weiterzugeben. Auch ist den Beispielen von der neuen Wertschätzung für ungreifbare Orte aus der Gemeinde Alheim, vom Regionalpark Rhein-Main, vom Kunstprojekt mit dem Seil und auch vom Begriff der Klanglandschaft gemeinsam, dass Menschen mit Feingefühl neuen Orten „Poesie“ verleihen. Mit den Worten Ipsens aus seinem Vortrag in Yamagata gesprochen: „Poetik enthebt den Ort seiner materiellen Gebundenheit und umgibt ihn mit einem Feld von Deutungen. Sie löst ihn vom Heute und schlägt den Bogen vom Gestern zum Morgen“ (Ipsen 2006b). Wenn man bei der Planung in der Praxis den ästhetischen Sinn, die „Poesie“, einführt, können die Menschen, die an dem Ort leben oder sich mit dem Ort beschäftigen, mit ihm eine feste Verbindung aufbauen. Die Poesie des Ortes bringt Sympathie von Menschen hervor, und mit dieser Sympathie können Menschen sich aneinanderbinden. Das gilt es in der Planung mit Bürgern stärker zu berücksichtigen. Über das Ziel und den Zustand der Planungswissenschaften (Anm.: Environmental Design) haben Moore und andere Forscher von der EDRA (Environmental Design Research Association), die 1969 in den USA gegründet wurde, im Jahr 1985 folgende Inhalte festgeschrieben: Das Ziel von Planungswissenschaft ist es, zur Verbesserung der Lebensqualität beizutragen. Dazu behandelt man die physischen Räume mit verschiedenen Maßstäben. Man muss die Erfahrung und die Handlung von den Menschen in alltäglichen physischen Räumen achten. Man muss auch den Prozess der Entwicklung von Menschen und die Dynamik von Gemeinschaften berücksichtigen (vgl. Moore u. Howell 1997 (1985), S.20-30). In diesem Fachbereich achtet man erst seit den 1960er Jahren auf die Besonderheiten von Umwelt (Anm.: environment) und Handlung und berücksichtigt auch deren Beziehungen zueinander. Diese Theorie hat noch kein eigenes Paradigma (vgl. Moore u. Howell 1997 (1985), S.41-46). Die Zustandsbeschreibung von Moore aus dem Jahr 1985 ist schon mehr als zwei Jahrzehnte alt, aber der Zustand hat sich bisher kaum verändert. Bei der Stadt- und Landschaftsplanung werden öffentliche Vorgaben umgesetzt. Der Planer stellt vor Beginn der Planung Untersuchungen für eine zielgerichtete Umsetzung an. Er eruiert auch die Meinungen der Bürger und plant und entwirft anschließend mit den Informationen, die er gesammelt hat, durch den Filter seiner persönlichen 168 Wertschätzung. Die Vorgaben werden im Rahmen des Entwurfs und der Planung umgesetzt. Auf der anderen Seite beobachtet man heute in der Planung immer mehr Beispiele mit Bürgerbeteiligung oder von Bürgern gänzlich selbst durchgeführte Projekte. Es entwickelt sich ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Eigeninitiative bei der Gestaltung von Orten. Bei der Bürgerplanung wird in der Regel über die Problemstellungen, die sich aus dem Alltag ergeben, kontinuierlich diskutiert. Die Planung erfolgt in einem dynamischen Prozess. Dabei spielt, wie oben erwähnt, die Anwesenheit einer Person mit dem nötigen Feingefühl eine wichtige Rolle für die Motivation, diesen Prozess auch über einen längeren Zeitraum durchzuhalten sowie den Gemeinschaftsgeist zu pflegen. Durch die kommunikative Planung mit Menschen, die unterschiedliche Wertschätzung haben, wird eine Stadt oder Landschaft zu einem komplexen Lebensraum. Die Komplexität bezieht sich dabei sowohl auf die gegenseitige Durchdringung verschiedener Nutzungsformen als auch auf das Nebeneinander von Unterschieden in der persönlichen Wertschätzung. Beides erhöht das Angebot möglicher Sinneseindrücke und Deutungen, und es ermöglicht Aneignungen. Wenn Orte von regionaltypischer Natur, Historie und lokalem Lebensstil geprägt sind und besonders, wenn sie eigenhändig gestaltet wurden, identifizieren sich Menschen mit ihnen. Die gemeinsame Identifikation mit solchen Orten wirkt auf das soziale Milieu, indem der Wunsch nach Zusammenleben in einer Gemeinschaft gestärkt wird. Auf diese Weise werden „Nicht-Orte“ zu eigenen Orten rekonstruiert. Es entstehen „Poetische Orte“. Um diese dynamische und komplexe Planungsmethode in der Öffentlichkeit zu verbreiten und weiterzuentwickeln, ist es notwendig, ihr mehr öffentliche Anerkennung zuteil werden zu lassen. Dabei ist es wichtig, deutlich zu machen, dass der Begriff des „Poetischen Ortes“ nicht vom Prozess dieser Planungsmethode abgekoppelt wird und somit als reine „Worthülse“ seine wesentliche Bedeutungsebene verliert. Weiter mit Takano: „In der Gegenwart verändert sich vertraute Umgebungen sehr schnell. Die Menschen haben bewusst oder unbewusst Sorge vor der Verödung ihrer Umgebung. Deshalb spüren viele Menschen von dem Begriff des „Poetischen Ortes“ eine Strahlkraft für die Zukunft ausgehen, die ihre Region beleuchtet. „Poetischer Ort“ ist ein neuer Begriff für die Regionalplanung, der frisch ist und eine große Kraft hat“ (vgl. Takano 2007a, S.403). In der Realität ist allerdings nicht zu erwarten, dass in jede Planung Bürger miteinbezogen werden. Es sei an dieser Stelle eingeräumt, dass in der gängigen Praxis der zusätzliche Aufwand bei einer Planung mit „Bürgerbeteiligung“ nicht oder kaum ausreichenden vergütet wird und es vor allem Idealismus von Seiten der Planer bedarf, 169 sich redlich auf den Prozess einer Zusammenarbeit mit Bürgern einzulassen. Die besonderen Qualitäten der Planungsmethode liegen eben nicht im Augenscheinlichen, das bei der gängigen Art der Präsentation der Ideen, z.B. bei Wettbewerben, zu sehr im Vordergrund steht. Die Designerin Ulrike Reichhardt beobachtet bei der Planung die Tendenz, dass auf rational-funktionale Aspekte von Räumen und auf das Aussehen der Gestaltung geachtet wird, emotional- erscheinenden Aspekten aber mit Geringschätzung begegnet wird (Reichhardt 2007). Betrachtet man die emotional-erscheinenden Aspekte allein auf die Emotion reduziert, bleiben ihre Funktionen auf der menschlichen und sozialen Ebene unberücksichtigt. Planung, die sich also auf die rational-funktionalen Aspekte und den Augenschein beschränkt, kommt ihrer eigentlichen Aufgabe, der Verbesserung der Lebensqualität, nicht umfassend nach. Inwieweit das Fehlen von emotionalen Aspekten an solch einer Planungsmethode liegt, in welcher der gesammte Planungsprozess ausschließlich in den Händen von Planern liegt, ist in dieser Arbeit nicht weiter untersucht worden. Allerdings lässt sich sagen, dass ein Planer, welcher eher dem rational-funktionalen Paradigma verschrieben ist, aber dennoch mit dem Begriff der „Poetischen Orte“ arbeitet, seine Planung für emotionale Aspekte öffnet. Dadurch wird es wahrscheinlicher, dass die von ihm geplanten Orte ein breiteres Identifikationsangebot bereitstellen und bei seiner Planung keine „Nicht- Orte“ entstehen. Es bleibt also die Möglichkeit, dass Bürger sich im Nachhinein den geplanten Ort aneignen. Solche Orte können hier als potenzielle „Poetische Orte“ begriffen werden. In der herrschenden üblichen Planungspraxis kann die Berücksichtigung emotionaler Aspekte in der Planung als Übergang oder Kompromiss zum Ideal einer Planung „Poetischer Orte“ von Bürgern dienen. Planern, die durch besonderes Feingefühl ihren Planungen poetische Aspekte zu verleihen verstehen und dadurch potenzielle „Poetische Orte“ schaffen, kann der Begriff der „Poetischen Orte“ dazu dienen, der Öffentlichkeit die Idee ihrer Planung besser zu vermitteln. Sie können damit argumentieren, dass die emotional- erscheinenden Aspekte ihrer Planung nicht nur für die Gefühle Einzelner wichtig sind, sondern dass sie zur Förderung einer gemeinschaftlichen Identifikation gesellschaftlich relevant sind. Mit dem Begriff der „Poetischen Orte“ kann die Bedeutung der Einbindung von Bürgern in den Planungsprozess herausgestellt werden. Siehe Abb. 9. „Poetische Orte“ in der Planung. 170 Abb. 9. „Poetische Orte“ in der Planung 171 2.10. Das Arbeiten in Bergregionen und „Poetische Orte“ In dieser Forschungsarbeit ist das Hauptthema die „Nachhaltige Regionalentwicklung von Bergregionen durch die Nutzung regionaler Ressourcen“. In Kapitel „II. - 1. Ästhetische Bedeutungsebene „Kohärenz” -Begriff von „Schutz durch Nutzung”-“ wurde bereits beschrieben, dass für die Entwicklung einer Region ein nachhaltiges System der Ressourcennutzung wichtig ist. Wo mit regionalen Ressourcen gearbeitet wird, nimmt die Arbeit Einfluss auf die Landschaft und auf das Verhältnis von Menschen zu ihr. Außerdem fördert die Arbeit mit regionalen Ressourcen die Verbundenheit der Menschen untereinander und den Aufbau bzw. die Entwicklung einer regionaltypischen Kultur. Ab dem nächsten Kapitel wird das Ergebnis einer detaillierten Untersuchung in Regionen von Japan und Österreich betrachtet. In diesem Abschnitt wird ein Gerüst für die Betrachtung mit dem Begriff der „Poetischen Orte“ konstruiert.“ Dabei wird unter diesem Aspekt die gewerbliche Arbeit betrachtet, die heimische Ressourcen in den Bergregionen nutzt. Daneben werden die Orte betrachtet, die durch solche Arbeit geschaffen werden. In dieser Untersuchung werden Orte, die durch die Ressourcennutzung entstehen, als Orte begriffen, an denen die Ressourcen gewonnen werden, z.B. das Meer, der Fluss, der Wald, der Acker usw., aber auch Orte, wo diese Ressourcen verarbeitet und verkauft werden, z.B. die Werkstatt, der Laden, das Restaurant usw., und auch die Orte, wo die Produkte benutzt werden, z.B. daheim. In Mitteleuropa und in Japan, den Forschungsfeldern dieser Arbeit, führen die Bewohner in den Bergregionen einen modernen Lebensstil. Aber die Entwicklungssituation der Bergregionen in den beiden Gebieten sieht unterschiedlich aus. In den Bergdörfern Japans leben immer weniger Menschen, und viele Dörfer sind schon verlassen worden. Es verbleiben hauptsächlich alte Leute. Ihr Lebensstil ist modern aber gleichzeitig arbeiten die Bewohner traditionell mit ihren regionalen Ressourcen. Viele Bewohner der Bergregionen Mitteleuropas pendeln zur Stadt, und ihr Lebensstil ist modern. Einige Bewohner verarbeiten ihre regionalen Ressourcen mit modernen Methoden. Sie finden ihre Beschäftigung häufig im Bereich des Agrartourismus. Das Ausmaß von Landflucht und Überalterung der Bevölkerung ist innerhalb der Bergregionen Mitteleuropas unterschiedlich, aber im Vergleich mit den japanischen Bergregionen nicht so weit fortgeschritten. Vor diesem Hintergrund werden im folgenden Abschnitt traditionelle Arbeit mit regionalen Ressourcen in Japan und moderner Umgang mit regionalen Ressourcen in Mitteleuropa in Beziehung zu der Idee der „Poetischen Orte“ gesetzt. 172 2.10.1. Traditionelle Arbeit in den Bergregionen Japans und „Poetische Orte“ In Japan gibt es verschiedene Klimazonen und Landschaften. Die Menschen haben traditionell mit ihren regionalen Ressourcen gearbeitet. Man hat z.B. in der Landwirtschaft, der Fischerei im Meer, in See und Fluss, bei der Jagd und beim Sammeln von Naturgütern in den Bergen, oder in Kombinationen davon zusammengearbeitet 34. Takano schreibt dazu, dass man in der Literatur über Volkskunde folgende Beispiele für „Poetische Orte“ finden kann: Heilige Orte, wo Götter oder Geister der Ahnen wohnen, Felsen oder Bäume, denen Götter innewohnen, Wege, die Götter beschreiten, in Stein gehauene Buddhafiguren und Götzenbilder an der Straße 35 . Es gab auch Orte für landwirtschaftliche Zeremonien, z.B. für den Schutz vor Insekten oder Vögeln, Orte für Feste, Straßentheater und das Kirschblütenfest. Zu solchen Orten können auch ein Bergpass, eine Straße, ein auffälliger Baum, eine Rodung oder ein Denkmal für Unfallopfer gehören. Es können auch die Orte sein, wo sich junge Leute treffen, oder wo ein junger Mann mit einer jungen Frau ein Rendezvous hat (vgl. Takano 2007a, S.399-400). Es gibt auch temporäre „Poetische Orte“, die nicht ständig da sind, aber bei einem Fest oder einer Zeremonie zu finden sind (vgl. Yanagida 1999g (1949) et al., Imaishi 2007, S.451-456) 36. Solcherlei „Poetische Orte“ sind meistens relevant in Bezug auf traditionelle Arbeit. Die Arbeit ist eine wichtige Basis im menschlichen Dasein. Sie war mit dem Gebet für gute Ernte oder Zeremonien zur Beruhigung der Geister, mit Dankbarkeit und Segenswünschen verbunden (vgl. Yanagida 1999e (1947), S.616-622, Origuchi 1972 (1928), S.457, S.464, Origuchi 1972 (1929), S.383). In den Bergregionen wurde bei Zeremonien und Feiern, die in Verbindung mit der Jagd, der Brandrodung, dem Reisanbau und anderen Arbeiten standen, die Berggöttin geehrt (vgl. Yanagida 1998b (1936), Chiba 1975, S.284-319 et al.). Dem Jagdkulturforscher Hiromi Taguchi zufolge beten die traditionellen Jäger zur Berggöttin, wenn sie ein Tier fangen. Sie danken ihr, dass sie das Tier bekommen haben und entschuldigen sich, dass sie dem Tier das Leben nehmen (vgl. Taguchi 1994 (1992), S.24-29). Es gibt viele Regeln, die die Jäger bei der Jagd einhalten sollten (vgl. Chiba 1975, S.271-284, Taguchi 1994 (1992), S.49-60). So wird z.B. im Gebirge in einer eigenen Bergsprache mit der Berggöttin gesprochen, um ihr Ehrerbietung und Treue zu erweisen. Wenn die Jäger in einer Sprache kommunizieren, die sie nicht im Alltag verwenden, behalten sie dadurch auch bei gefährlicher Jagd dauerhaft ihre Konzentration (vgl. Taguchi 1994 (1992), S.49-60). Bei der Jagd verdrängen die Jäger, dass sie Menschen sind. Sie verfolgen das Tier nicht mit voller Kraft, sondern sie versetzen sich in das Tier, verinnerlichen sich dadurch dessen Verhalten, und das erhöht ihren Jagderfolg. Im Hochwinter, auf gefährlichen Bergpassagen mit Lawinengefahr, bestehen die Jäger dadurch Pirschen unter übermenschlichen Strapazen (vgl. Taguchi 1994 (1992), 173 S.3, S.11, S.61-63). Die Welt der Jagd erkennt in Dankbarkeit und Bescheidenheit an, dass ein Lebewesen anderen Leben nimmt, um selbst zu überleben. Nach Taguchi wissen die Jäger, dass ihr eigenes Leben von der Natur abhängt, und dass nicht nur sie es sind, die von der Natur am Leben gehalten werden. Sie wissen, dass sie nicht über die Natur siegen können, aber auch, dass sie der Natur nicht völlig unterworfen sind. Einerseits mäßigen sie ihre Kraft damit sie die Natur nicht vernichten, anderseits nutzen sie die Natur auf eine Weise, dass deren Regenerationsfähigkeit aktiviert wird (vgl. Taguchi 1994 (1992), S.126). Die Jäger teilen, was sie von der Natur bekommen, Wild, Fisch, Berggemüse usw. untereinander und sie garantieren einander ihr Leben. Andererseits folgen sie ebenso Regeln, mit denen die talentierteren unter ihnen ruhig auch ein bisschen mehr vom Gewinn bekommen können. Sie arbeiten weder nach dem Prinzip der Gleichmacherei noch nach dem des Wettbewerbs. Sie setzen ihre Kräfte in einem ausgewogenen Verhältnis von Mensch zu Natur und von Mensch zu Mensch ein und erreichen damit einen nachhaltigen Umgang mit der, von ihnen beeinflussten Natur. Es ist diese Wertschätzung seitens der Jäger, welche ihnen die Orte der Jagd und des Sammelns im Gebirge zu „Poetischen Orten“ macht (vgl. Taguchi 1994 (1992), S.126, S.178, S.198, S.211-212, S.226-245, Taguchi u. Iida 2005). Die Vorstellungen des Bergglaubens in Japan findet man schon in dem ältesten Geschichtenbuch „Kojiki“ (712) und dem Gedichtband „Manyoshu“ (8. Jahrhundert) (vgl. Senda 1998). Sagen, die vom Abholen der Berggöttin vom Berg handeln oder davon, dass die Seelen vom Berg zum Dorf zurückkehren, gibt es überall in Japan (vgl. Yanagida 1997 (1926), et al., Yoshimoto 2006, S.142-149). Viele Leute glauben, dass die Berggöttin weiblich ist und die Repräsentantin der Seelen des Landes. Die Berggöttin begibt sich im Frühling zu den Reisfeldern hinunter und wird zur „Göttin der Reisfelder“ (vgl. Origuchi 1972 (1928), S.451-453, Nomoto 1984, S.329-403). In Japan ist die Bergreligion ganz vielfältig ausgeprägt. Der Jäger, der Bauer, der auf Brandrodungsflächen wirtschaftet, der Holzhauer und der Reisbauer haben unterschiedliche Vorstellungen von der Berggöttin. Die Götter des Shintoismus haben einen wieder anderen Charakter (vgl. Nomoto 1991(1990), S.148). Nach dem jungen Forscher im Bereich des Denkmalschutzes und Mitglied der Forschungsgruppe Dae Seog Chang sind Räume in den Bergen abwechslungsreich. Sie unterscheiden sich u.a. in Relief, Naturbedingungen und Ökosystemen. Der Berg ist mit dem Wasserkreislauf verbunden. Hier leben viele Arten von Lebewesen. In der Zeit, in der man mit der Natur im Einklang lebte, war der Berg Voraussetzung für Leben. Deshalb hat man in den Bergen Heiliges erwartet (vgl. Chang 2007, S.439-445). 174 Dem Volkskundler und Mitglied der Forschungsgruppe Kanichi Nomoto zufolge findet man unter Vorraussetzung bestimmter geografischer Besonderheiten wie Berge, riesigen Felsen, einer Halbinsel etc. heilige Orte. Dazu stellt man sich die Götter entweder als Tiere vor, wie z.B. als Schildkröte, Schlange, Bachforelle, Schwan und andere Wandervögel, oder auch als Baum (vgl. Nomoto 1991(1990)). Ein Baumriese wird häufig als Gottesbaum im Schrein oder heiliger Baum auf Berg oder Feld verehrt. Ein heiliger Baum am Reisfeld hat die Geister der Erde und die Geister der kleinen Tiere, welche durch die Erschließung von den Reisfeldern getötet wurden, besänftigt. Auf der Grenze zwischen dem Berg und dem Dorf wird im Frühling die Berggöttin als Reisfeldgöttin empfangen. Dort steht ein riesiger Baum. Solche Baumriesen tragen Früchte und die Tiere kommen, diese zu fressen. Man hat sie gefangen und gegessen. Obendrein spenden die riesigen Bäume den Menschen kühlenden Schatten, und seine Blätter dienten als Brennstoff. Sie stehen an Kreuzungen oder Grenzen und haben den Menschen als Landmarken den Weg gezeigt. So haben die Menschen von den Bäumen die Gnade bekommen und die Menschen haben sie geschützt. Das heißt, die Menschen und die Baumriesen hatten eine symbiotische Beziehung (vgl. Nomoto 1994, S.29-60). Es gibt auch eine Region, in der zur Besänftigung der Geister von Pflanzen Denkmähler stehen. Im Wirtschaftsboom ab den 1950er Jahren geht der traditionelle Lebens- und Arbeitsstil in den Bergregionen durch Landflucht verloren und das Dörfersterben setzt ein 37 (Endo 2006, Taguchi 2006b). Dennoch pfegen in den verlassenen Bergdörfern die ehemaligen Bewohner gemeinschaftlich die Bergstraßen weiter (vgl. Takada 2005 (2002), S.59, Sato 2001a (1997)), und sie arbeiten auf den Reisfeldern und den Äckern und kultivieren die Gärten. Inzwischen alt geworden, möchten die ehemaligen Bewohner das Land, das sie von ihren Ahnen geerbt haben, nicht verkommen lassen. Der Ort, an dem man gelebt und gearbeitet hat, bleibt auch nachdem man ihn verlassen hat, ein einmaliger und unersetzlicher Ort. Im Zuge der Modernisierung sind die Orte in der Landschaft auch bewusst verändert worden. In einem extremen Fall wird in einer Bergregion ein Dorf beim Bau eines Staudamms geflutet. Dennoch bearbeiteten die Bewohner des Dorfes ihre Äcker und die Maronenbäume in den Nutzwäldern bis kurz vor der endgültigen Schließung des Dorfes weiter, obwohl sie wussten dass all dies bald im Wasser versunken sein würde. Auch nach dem Bau des Dammes suchen sie weiterhin ihren Berg zur Jagd auf (vgl. Taguchi 1994 (1992), Taguchi 2006a). „Poetische Orte“, die durch die menschliche Landnutzung entstanden sind, erwärmen auch die Herzen der Besucher 38. „Die Orte des Gebets stimmen die Seelen von Japanern friedlich. Sie sind Teil eines nostalgischen Landschaftsbildes, das sich Japaner machen. In einer solchen Landschaft verspürt man die Wünsche, die Sehnsüchte und Gebete der 175 Menschen früherer Generationen, und man lässt die Betreibsamkeit des Alltags hinter sich“, schreibt Nomoto (Nomoto 1991 (1990), S.10). Die „Poetischen Orte“ mit ihrem Ausdruck der Dankbarkeit und Ehrerbietung der Natur gegenüber können nur in enger Beziehung zwischen Leben und Arbeit mit und in der Natur lebendig bleiben (vgl. Nomoto 2007: S.436), (Siehe Abb. 10. „Poetische Orte“ und Stimmung in der Volkskunde). Die Tiere und die Pflanzen, als Träger des Lebens, dienen den Menschen seit jeher als Ressourcen. Sie haben sich traditionell bei Tieren, Pflanzen und bei der Natur, in der sie leben, bedankt, sie verehrt und angebetet. In dieser Haltung entwickelten sie ihre Weisheiten für die nachhaltige Nutzung ihrer Ressourcen. Mit Gefühl und der erworbenen Weisheit sind somit „Poetische Orte“ durch die Nutzung regionaler Ressourcen entstanden und über Generationen gepflegt worden. Heute haben sich in Japan diese symbiotische Naturanschauung und das Menschenbild in Bezug auf Arbeit in der Landschaft, die die Japaner gehabt haben, verändert. Damit gehen jene „Poetischen Orte“ verloren, die mit der traditionellen Arbeit verbunden sind, und die Kulturlandschaft der Bergregionen entwickelt sich zurück zur Wildnis. Einzig die alten Leute halten ihre symbiotische Naturanschauung und ihr Menschenbild weiter aufrecht. 176 Abb. 10. „Poetische Orte“ und Stimmung in der Volkskunde 177 178 2.10.2. Moderne Arbeit in den Bergregionen Mitteleuropas und „Poetische Orte“ In den Bergregionen Mitteleuropas findet man heute häufig einen modernen Umgang mit regionalen Ressourcen. Diese stammen hauptsächlich aus landwirtschaftlicher Produktion. Bauernhöfe und kleine Lebensmittelbetriebe verarbeiten und vermarkten die Agrarprodukte direkt. Aber auch in Läden werden heimische Agrarprodukte verkauft, und die Restaurants bieten sie in der regionalen Küche an. In der Rhön in Deutschland beteiligen sich viele Menschen in der Region an solchen Aktionen, und sie haben damit ihrer Region ein neues Profil gegeben (Siehe „II. - 1.1. „Schutz durch Nutzung“ und die daraus resultierenden Aufgaben“). In der Rhön wird unter dem Motto „Schutz durch Verzehr“ seit den 1980er Jahren ein verhältnismäßig großer Anteil an Ökosystemen der Kulturlandschaft, Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft durch die Nutzung von regionalen Agrarprodukten erhalten, die in diesem Mittelgebirge produziert worden sind, obwohl auch dort die Zahl der Bauern und Höfe zurückgeht (vgl. Iida 2000). Ähnliche Aktionen wie in der Rhön sind verstreut überall in den Regionen Mitteleuropas zu finden, wie z.B. auch im österreichischen Bundesland Steiermark, wo sich eine große Dichte solcher Projekte in den Regionen ausfindig machen lässt. Viele Menschen in der Steiermark pendeln nach Graz und Wien. Die Landwirtschaft ist nicht ihr einziges wirtschaftliches Standbein. Aber hier werden vielfältige Regionalprodukte aus der Landwirtschaft aus dem Hügel- und Bergland verarbeitet und direkt vermarktet. Ebenso gibt es auch verschiedene Regionalentwicklungsprojekte mit der regionalen Kultur und kleinmaßstäblichem Tourismus 39 (S1 2005, vgl. Land Steiermark 2005). In der Steiermark liegen Regionen mit unterschiedlichen Landschaften und damit auch unterschiedlichen Ressourcen nebeneinander. Die Regionen haben unterschiedliche Profile durch die Nutzung von eigenen regionalen Ressourcen herausgeprägt 40. Nördlich von Graz in den Alpen befindet sich z.B. die Almlandschaft. Zur Stärkung der Almregionen, durch Vernetzung von Land- und Forstwirtschaft, Gastronomie, Tourismus, Gewerbe und Kultur haben die 12 Gemeinden sowie 15 Organisationen 1995 den Verein „Almenland Teichalm-Sommeralm“ gegründet. Das Markenprodukt dieser Region ist der Almochse. Das “Almenland“ liegt auf 550 m bis 1720 m ü.d. Adria und ist von Almweiden geprägt. Dort weiden im Sommer rund 3.500 Rinder. 150 Almbauern bewirtschaften ca. 3.600 ha Almweidefläche und legen mit dieser Kulturlandschaftspflege den Grundstein für einen funktionierenden Tourismus. 22 Wirte aus dieser Region haben sich zusammengeschlossen, um den Gästen regionale Qualitätsprodukte vom heimischen Almochsen zu servieren (Verein Regionale Gemeinschaftsinitiative Almenland Teichalm-Sommeralm 2005a). 179 Auf den Höhenlagen der Alpen halten Schäfer Schafe. Die Schafe können die steilen Wiesen bis in die Hochalmen bodenschonend pflegen. Fünf Schafbäuerinnen um Graz haben die Gruppe „Wollgenuss“ gegründet. Sie produzieren Kleidung, Decken, Polster, Hausschuhe, Schmuck, Spielzeug etc. aus Schafwolle aus eigener Herstellung und organisieren gemeinsam Ausstellungen. Sie stellen individuelle künstlerische Einzelstücke auf Bestellung her. Wenn sie eine größere Menge Aufträge bekommen, können sie diese durch Aufteilung der Arbeit unter den Mitgliedsbetrieben bewältigen (S6 2005). Nordöstlich von Graz liegt der Naturpark Pöllauer Tal. Das Pöllauer Tal liegt auf 350 m bis 1.261 m ü.d. Adria. Es wird geprägt von Hügellandschaft und ist seit 1983 als Naturpark anerkannt 41. Im Tal wachsen viele Obstbäume und es gibt über 500 heimische Obstsorten. Davon ist die Hirschbirne repräsentativ für das Tal. Der Hirschbirnbaum wächst mit 20 Jahren bis zur ersten Ernte langsam, trägt dann aber bis in ein Alter von 200 Jahren Früchte. Die halbgetrocknete Hirschbirne, die Dörrbirne, ist als gesundes Lebensmittel beliebt. Ein berühmter Sportler hat sie bekannt gemacht. Mit dem Bekanntheitsgrad des Sportlers und dem Image, gesund zu sein, hat das Produkt einen guten Ruf bei Konsumenten gewonnen. Nach dem Erfolg mit der Dörrbirne werden stetig weitere neue Produkte mit der Birne produziert und vermarktet. Die Streuobstwiesen und Alleen von hochgewachsenen Birnbäumen prägen die typische Landschaft der Region. Die Hirschbirne wirkt auch auf den Fremdenverkehr (S1 2005, S1 2007, S7 2005, Ipsen 2006b). In der Steiermark ist im 18. Jahrhundert der Ölkürbis eingeführt worden. Das Kürbisöl ist heute das typische Regionalprodukt. Es wird in kleinen Werkstätten handwerklich gepresst und verkauft, wie z.B. in der Ölmühle Fandler in Pöllau, die ein Kürbisöl von hoher Qualität presst. Die Firma verarbeitet die Kürbiskerne sehr sorgfältig. Die Verarbeitung der Kerne, besonders das schonende Erhitzen der Kerne vor dem Pressen, erfordert vom Handwerker viel Fingerspitzengefühl. Die Firma achtet auf das Interesse der Konsumenten. Sie vermarktet ihr Öl mit der Werbebotschaft, dass Kürbisöl gut für die Gesundheit sei. Die Firma präsentiert mit Stolz das Landschaftsbild mit den Kürbisfeldern, wie sie typisch für die Region sind. Sie streichen in ihrer Präsentation auch heraus, dass sie die gesunden Kürbiskerne aus der Region verwendet. Flaschen, Verpackungen und Einrichtung des Ladens zeugen von feinem Geschmack und verleihen den Produkten ein edles Flair. Die Firma presst Kürbiskerne, Weintraubenkerne, Walnüsse usw. aus der Region, aber auch verschiedene Nüsse und Kerne, die aus der ganzen Welt importiert werden. Sowohl diese, als auch die Öle aus regionalen Rohstoffen werden in variantenreichen Produkten im Laden nebeneinander ausgestellt und verkauft (S5 2005). 180 In Kitzeck, südlich von Graz, versucht eine innovative Designerin aus Fasern des Kürbisfleisches Papier zu schöpfen. Der Grundgedanke ist die Verwendung der Reste aus der Kernölproduktion, die sonst nach dem Ausputzen der Kerne auf dem Acker verbleiben und verrotten würden. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, eine Technik zu entwickeln, mit der Landwirtinnen im Winter im Nebenerwerb durch Papierschöpfen attraktive Produkte, wie hübsches Briefpapier, herstellen können. Ihre Überlegungen gehen so weit, solches Papier auch in einer Fabrik industriell herzustellen und damit neue Arbeitsplätze in der Region zu schaffen (S4 2005). Südlich von Graz gibt es eine Weinlandschaft. „Der steirische Weinbau war und ist als kulturlandschaftsbestimmende und die Wirtschaftstätigkeit des Menschen entscheidend prägende Erscheinung, ein Phänomen des Alpenrandes und des Vorlandes, sodass eine Landschaftsbeschreibung des „Weinlandes“ mit diesen beiden Begriffen beginnen muss“(Latzar 1990, S.47). Im Süden von Graz liegt das Schloss zu Gamlitz, das uns hier als Beispiel dienen soll. Es wurde 1131 erbaut und ist seit jeher das gesellschaftlich-kulturelle Zentrum für Gamlitz und die ganze Umgebung. Seit etwa 1900 ist es im Besitz einer Familie, die heute auf dem Schloss einen Wein von „moderner Struktur“ keltert. Der Wein ist „vollgepackt mit viel Frucht und frischer Säure“ (S3 2005). Im Laden des Schlosses findet sich eine Inneneinrichtung mit moderner Beleuchtung, und es werden dort die verschiedenen Weinflaschen mit eleganten Etiketten nebeneinander präsentiert. Im Schlosshof stehen die Tische eines Restaurants unter dem Schirm einer riesigen Trauerweide. Das Schloss bietet Übernachtungsgästen elegante Zimmer, die teils in die alten Gewölbe integriert sind. Auf solche Weise nutzen die Menschen in der Steiermark ihre regionalen Ressourcen mit der traditionellen Arbeit und Kultur als Basis. Kleine Betriebe produzieren ihre Produkte handwerklich mit hoher Qualität und vermarkten sie Abgestimmt auf die Bedürfnisse eines modernen Lebensstils. Die Landschaft, in der man die regionalen Ressourcen gewinnt, die Werkstätten, in denen sie verarbeitet und die Läden, in denen die Produkte aus ihnen verkauft werden, bilden „Poetische Orte“. Die Beispiele zeigen, dass die Regionen durch die Arbeit von Menschen mit regionalen Ressourcen „Poetische Orte“ schaffen, die auf der Bassis regionaler Natur und Kultur stehen und dadurch der Regionen ein eigenes Profil verleihen können. Die Beispiele aus der Steiermark zeigen auch, dass man „Poetischen Orte“, die mit der regionalen Natur, Historie, Kultur und mancherlei Geschichten verwurzelt sind, auch durch eine moderne gewerbliche Nutzung von regionalen Ressourcen aufbauen kann. Wo viele solcher Orte in Beziehung zueinander entstehen, wird das regionale Profil geschärft. Außerdem werden sowohl die Menschen, die in der Produktion und der Verarbeitung 181 tätig sind, als auch die Verbraucher durch die Nutzung einer Ressource der Region aneinander gebunden. Infolge dieser beiden genannten Gesichtspunkte können Menschen, die Orte und Landschaften, die durch gewerbliche Ressourcennutzung geschaffen werden, mit einem gewissen Stolz als Schatz ihrer Heimat betrachten. Das stellt eine grundlegende Vorraussetzung zum Aufbau einer regionalen Identität dar. Anmerkungen 1 2 3 4 5 182 Siehe folgende Anmerkung: Punkt 3 in „III. - 1.2.3. Traditionelles Handwerk”. Man schreibt Nah-Berg „Hayama“ mit den Schriftzeichen für Berg am Rand, Berg mit Blatt, Berg mit Flügel, Bergfuß usw. „Fern-Berg“, japanisch ausgesprochen „Miyama“ lässt sich übersetzen mit hübscher Berg, geehrter Berg, Schau-Berg usw. Wenn jemand starb, so setzte man ihn früher am Fuße des Nah-Berges in der Nähe des Dorfes bei (vgl. Chitose 2000, S.3-11, Miura, Y. 2007, S.447-450). „Dewa“ ist der alte Name eines Landes in Nordjapan. „San“ bedeutet drei, „Zan“Berg. Dewasanzan bedeutet etwa „Die drei Berge im Dewa-Land“. Nach Ito, Dewasanzan ist der zusammenfassende Name des Haguro-Berges, Gassan und Yudono-Berges im Dewa-Gebirge. „Gassan“ schreibt man Mond-Berg. Man sieht den Gassan als Himmel der buddhistischen Göttin Amida. Der Gassan ist 1984 Meter hoch und auf dem Gipfel steht der Gassan-Schrein. Menschen in der Region Shonai in der Präfektur Yamagata glauben, wenn man stirbt, wird man von der Göttin Amida abgeholt und auf den Gassan gebracht, wo man in Frieden bleibt. Das dort verbreitete Wolkenmeer und die unzähligen Blüten lassen empfinden, hier ist eine Welt ohne Kummer, die Habgier ist abgeschafft. Der Hagrosan ist 436 Meter hoch. Vor dem Tor ab Toge (Anm. Ortsname) liegt ein Treppenaufgang mit 2446 Stufen aus Stein bis zum Gipfel. Dort steht ein mächtiger Palast mit Rieddach zur Verehrung der drei Götter und Göttinnen des Hagurosan, Gassan und Yudonosan. Dort befindet sich auch das Grab des Hachikonoohji-Prinzen (562-641), der dort 593 die lokale Religion gestiftet hat. Auf dem Hagurosan lebt eine Priester-Gemeinschaft, die sich dort mit asketischen Übungen trainiert. Der Yudonosan-Schrein ist kein Gebäude, wie es oben beschrieben ist, sondern ein riesiger Felsbrocken, der als „Körper der Göttin“ angesehen wird. Dem „Kopf des Felsens“ entspringt heißes Quellwasser, das am Felsen herunterfließt. Man glaubt, bei der letzten Phase des asketischen Trainings der Mönche, verließen diese die Welt mit Hilfe der Seelenwanderung, fänden Frieden in der Schatzhöhle der Göttin Yudonosan-Dainichinyorai und würden ohne Sünde neu geboren (vgl. Ito et al 2005, S.68-74). Die Präfektur Yamagata unterstützt das religiöse Bewusstsein der Bürger. Sie schreibt in ihrem Masterplan fest, dass man den Glauben weiter als heimische Kultur pflegen sollte. Es gibt in ganz Japan keinen weiteren Entwicklungsplan, der dem Glauben mit einer solchen Wertschätzung begegnet (Aita 2007). Er schlägt vor, dass man seine Bewegung von der Hochgeschwindigkeit des Autos zu der niedrigen Geschwindigkeit, die man zu Fuß erreicht, verlangsamen sollte. Er schreibt auch, 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 dass die Verbindung zwischen Gebäuden und der Welt draußen, z.B. zu den Straßen, Plätzen, privaten Gärten und den Eingängen der Häuser oder Läden verbessert werden sollte (vgl. Gehl 1999 (1971)). Über das Machen „Poetischer Orte“ wird im Abschnitt II. - 2.6. „„Poetische Orte“ machenDie Rolle von Erzählern, Künstlern und Planern“ geschrieben. Es gibt in Japan viele Wörter für verschiedene Arten von Regen. Corbin schreibt dazu Folgendes: „Künstler haben in früheren Zeiten die Vielfältigkeit von Nebel und Regen genau differenziert. Sie haben sich häufig für das Wasserspiel der Brunnen, des Bachs und des Teiches interessiert. Japanische Maler schätzten die Details von Mineralien, Pflanzen und Tieren auf eine Weise, die in Europa nicht ihres Gleichen findet. In Japan feiert man den Anblick des Vollmonds oder der Ästhetik der vergänglichen Schönheit der Kirschblüten. Im Fernen Osten wurde die Wertschätzung der Landschaft enger als in Europa mit der Gesellschaft verbunden. Im 18.-, und besonders im 19. Jahrhundert wurden die europäischen Maler, vorweg die französischen, auf der Suche nach einer neuen Ästhetik stark von der japanischen Kunst beeinflusst“ (Corbin 2003 (2001), S.1-3). In den Dörfern Japans hängen die alten Menschen heute noch einer Naturanschauung an, die von einer Mischung aus Animismus, Taoismus und Buddhismus geprägt ist. Aber: es ist gebraucht, genutzt und hat sich bewährt (Anm. von Poppinga 2008). Eine Ästhetik, bei der man Wert auf seichte, helle und leicht begreifbare Dinge legt, wie sie in der Moderne aus Europa eingeführt wurde, hat die traditionelle Ästhetik in Japan verdrängt. Tanisaki dachte, dass diese Form der Ästhetik typisch europäisch ist. Auf der anderen Seite beobachtet man in Europa Menschen, die Antiqualität mit ihrer Patina schätzen. Es bleibt also zu vermuten, dass die Ästhetik seichter, heller und leicht begreifbarer Dinge, von dem Europa der Moderne hervorgebracht wurde. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wird das Thema aber nicht weiter verfolgt. Der Architekt Arata Isozaki sagt, dass die Architektur die Ruine schon im Entwurf als Voraussetzung in sich trägt (vgl. Tanikawa 2003, S.6). Nach Simmel: „Anders ausgedrückt ist es der Reiz der Ruine, dass hier ein Menschenwerk schließlich wie ein Naturprodukt empfunden wird“ (Simmel 1976 (1911), S.120, die Idee von Goethe). Nach Simmel „Die Säulenstümpfe des Forum Romanums sind einfach hässlich und weiter nichts, während eine etwa bis zur Hälfte abgebröckelte Säule ein Maximum an Reiz entwickeln mag“ (Simmel 1976 (1911), S.123). Woodward schreibt über die Entwicklung der Wertschätzung der Ruine. Im 16. Jahrhundert hat Henry VIII (1491-1547) die Klöster erobert und 800 Klöster wurden zu Ruinen. Im 17. Jahrhundert schrieben die Historiker dem Bild der Ruine schmerzhafte Gefühle zu. John Webster (1580?-1634?) stellte das Leben im Kloster in seinem Theaterbuch „The Duchess of Malfi“ (1608?) vor. Er war vermutlich der Ersten, der einer Ruine etwas Positives abgewinnen konnte. Im 18. Jahrhundert haben Maler Ruinen gemalt, bei Ruinen ihre Häuser erbaut und mit ihr Landschaften bildhaft gestaltet. So entstand das ländliche arkadische Kulturlandschaftsbild mit der Ruine, wofür der Begriff pittoresk geprägt wurde. Ein Landschaftsgarten mit Ruine wurde als englischer Garten bei Château de Versailles in Paris gebaut. Dieser Stil wurde nach Europa und Amerika verbreitet und es entstand dabei auch die gebaute Ruine (Woodward 2004 (2001), S.150-152, S.171-181, S.204). 183 16 17 18 19 20 21 22 23 24 184 Die Ruinen in Japan, die man heute sehen kann, sind meist aus Gebäuden entstanden, die nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden (vgl. Tanigawa 2003, S.206, Zitat von Tanemura „Die Methode des Besuchs der Ruine“ (Tanemura -)). Die Menschen bringen Möbel usw. und richten für das Mädchen Momo eine warme Wohnung in der Ruine eines Amphitheaters ein. Sie besuchen Momo dort. Das Amphitheater wird auch zum fantasieanregenden Spielplatz der Kinder. Die einsame Ruine wird in der Geschichte Endes von Momo in einen „Poetischen Ort“ verwandelt (vgl. Ende 1976 (1973)). In dem Film „Das Schloss des Cagliostro“ (Miyazaki 1979) wird in einem mittelalterlichen Schloss nach dem Schatz des Königs gesucht. Am Ende des Films bricht ein Damm und die Ruine einer archaischen Stadt auf dem Grund des Sees taucht auf. Der Film „Das Schloss im Himmel“ (Miyazaki 1986) dreht sich um ein sagenumwobenes fliegendes Schloss. Sein Aussehen wurde an Darstellungen des Turmbaus zu Babel angelehnt und seine Steinblöcke sind von den Wurzeln eines riesigen Baumes überwachsen. In dem Film „Nausicaä aus dem Tal der Winde“ (Miyazaki 1984) findet eine couragierte Prinzessin tief in einem Wald aus riesigen Giftpilzen, der durch Umweltverschmutzung entstanden ist, wieder saubere Erde und sauberes Wasser. Japanern wird die Poesie der Ruine, wie des Kolosseums oder anderer Amphitheater, des Tempels mit Götterstatuen usw. gewöhnlich durch die Medien vermittelt. Das Ziel dieser Projekte waren die Entwicklung von Architektur und Stadtplanung (vgl. Nagamatsu 2006, S.28-31). Seit der IBA-Emscher-Park ab 1989 widmen sich die Konzepte auch der Rekonstruktion von Orten mit negativem Image (cgl. Nagamatsu 2006, S.91). „Ferropolis in den Abraumlöchern südlich von Dessau mit seinen Kränen und Baggern hat für Einheimische wie Fremde eine Ausstrahlungskraft, der man sich nur schwerlich entziehen kann. Dieser Ort - im Rahmen des Projekts „Industrielles Gartenreich“ erdacht und von der EXPO realisiert - könnte in der Lage sein, diese Region neu und aufs Neue zu integrieren“ (Ipsen 2000c, S.572). Man findet die Besonderheiten dieses Beispieles auch in der Literatur von Sieverts und Nagamatsu beschrieben (vgl. Sieverts 2006 (2001), Nagamatsu 2006). Ein „Poetischer Ort“ im Tal ist z.B. der „Garten der vergessenen Früchte (l’orto die frutti dimenticati)“. „Dieser „Garten der vergessenen Früchte“ wurde von Tonino (Anm.: Guerra) und Gianni (Anm.: Giannini) auf einem Grundstück der Gemeinde als erster poetischer Ort angelegt. Neben dem Rathaus liegt er im Zentrum der Stadt und beherbergt alte Obstgehölzsorten. Der urwüchsige Geschmack der Früchte soll die Leute auf dem Weg des Schmeckens daran erinnern, das die Jungen und die Alten ihre Vergangenheit wieder finden und das die Zuchtexperimente der Industrie nicht unbedingt zu olfaktorischen Genüssen bestimmt sind“ (Ipsen 2000b et al., S.37). Anm.: nach Poppinga, gibt es auch viele Versuche, wo das misslingt (Poppinga 2008). Der Kunstdirektor Fram Kitagawa schreibt über sein Projekt „Echigo-Tsumari Art Triennial“ Folgendes: „The landscape, livelihood and communities of Echigo-Tsumari have been connected to the earth through agriculture for a 1,000 years. Nestling among, and nurtured by, mountains and rivers, whose colors change with the seasons, this area beyond the snow-covered Joetsu border represents the very archetype of the Japanese “satoyama,” the spiritual home of our people. (…) In addition to the 130 artworks produced in the past two triennials, works scattered over an area of 760 square kilometers of mountains, rivers, terraced paddy fields (tanada) and beautiful villages, works by 200 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 groups of artists from 40 countries will be newly produced and installed. The artists and supporters, who over the past three years have been working together with local people to prepare for the upcoming Triennial, have also been helping communities repair the damages from the earthquake and heavy snowfalls“ (Kitagawa 2006). Die Bürgerinitiative bewirtschaftet einen Dorfladen mit einem kleinen Café. Es gibt auch ein Schullandheim, wo Erfahrungen mit der Ökologie, dem Bauernhof, dem Tierschutz, einer Kunsttöpferei oder Käsewerkstatt und mit alternativer Energieerzeugung aus Sonne usw. angeboten werden. Im 15. Jahrhundert schrieb Leon Battista Alberti in „De Re œdificatoria“, dass die Stadt ein großes Haus ist. Diesen Gedanken brachte der Architekt Aldo Rossi mit „L'Architettura della cittã“ in die Moderne. Rossi kritisiert den Bruch traditioneller Beziehungen zwischen den Häusern und der Stadt durch die Modernisierung (vgl. Berque 2004 (1989), S.141, Alberti 1485, Rossi 1991 (1966)). Die Vorteile der Kooperativ-Apartments sind folgende: man kann 1. freie Räume je nach Familienstruktur oder Geschmack planen, 2. fehlerfrei und sicher bauen, 3. gemeinschaftliche Räume oder Höfe einrichten, 4. neue gemeinschaftliche Beziehungen aufbauen (vgl. Ando, S.102-106). „Die Bewohner der Downtown achten immer auf die Nachbarschaften. Sie helfen sich einander in Herzlichkeit. Ich habe häufig bei Freunden zu Hause gespielt. Eine Familie von Freunden betrieb eine Druckerei, Papierschneiderei, Buchbinderei, einen Betrieb für Metallverarbeitung, eine Tatami-Matten-Weberei, einen Gemüseladen, oder Laden für getrocknete Lebensmittel, einen Friseursalon usw. Dort arbeiteten die Eltern voll Eifer. ( ) Die Bewohner leben statt im Haus im Stadtviertel. Das Wohnen und Arbeiten war nicht getrennt. In „Hillside Terrace“ (Anm.: von Motokura geplant) wurde die Architektur der Läden und der Wohnungen gemischt. Es gibt verschiedene Verbindungen zwischen den Gassen, den Plätzen und der Architektur. Eine Strömung in der Architektur möchte das Wohnen und die Arbeit integriert planen. Wenn das gelänge, könnte man die Freude am Wohnen in Stadtvierteln wiedererlangen“ (Motokura 2005a). Anm.: Poppinga: Durch den großen Erfolg des Emscher-Parks erhöhte sich der Wohnwert der Umgebung, sodass durch die Erschließung großflächiger Wohngebiete im Umkreis faktisch ein Verlust an Freiräumen entstand (nach Ulrich Häpke). „Himmelsleiter“ ist eine Skulptur des Bildhauers Hubert Maier im Regionalpark Rhein-Main (vgl. Ipsen 2000c, S.571-572). Siehe dazu: „II. - 6.4.1. Image mit dem Wetter, dem Klima und der Natur“. Vergleicht man die Orte mit anderen Orten und transferiert oder kompensiert die Poesie, so verliert der Ort Ipsen zufolge seine Aura (vgl. Ipsen 2000c) Wenn Poetische Orte gemacht werden, treffen in der Anfangsphase Menschen, die sich vorher nicht kennen, leichter zusammen. Durch Kommunikation bei der gemeinsamen Arbeit an den Orten lernen sie sich einander besser kennen. Mit der Zeit spielen sich dabei auch die Entscheidungsprozesse bezüglich der Gestaltung der Orte oder der Aktivitäten ein. Der so gefundene Konsens über den Ort manifestiert sich allmählich und gilt als ungeschriebenes Gesetz. Wird dieses Gesetz von Fremden infrage gestellt, begegnet ihnen die angestammte Gruppe mit Ablehnung. Über traditionelle Arbeit in Japan wurden von dem japanischen Ethnologen Kunio Yanagida, Tsunekazu Miamoto, Kanichi Nomoto und dem Geographen Tokuji Chiba etc. geforscht. 185 35 36 37 38 39 40 41 186 Nomoto schreibt über die geographische Merkmale und andere Bedingungen für heilige Orte. Beispiele dafür sind: Halbinseln, Strände, Höhlen, Schluchten, Wasserfälle, Teiche, Berge, Gipfel, Flussinseln, Buchten, küstennahe kleine Inseln, Thermalquellen, Flussufer und auffällige Felsen (vgl. Nomoto, 1991 (1990)). Imaishi, ein Mitglied der Forschungsgruppe, schreibt dazu: Im Tagebuch von Mazumi Sugae aus dem 19. Jahrhundert wird beschrieben, dass Orte manchmal aufleuchten und danach wieder verschwinden. Das geschieht, wenn z.B. bei einem spirituellen Fest ein Ort geschmückt wird. Diese Zeichen werden auch im Japan von Heute noch verstanden (vgl. Imaishi 2007, S.452). In den Bergregionen haben die Menschen, die in den 1930er Jahren geboren wurden, noch eine Ahnung davon, wie eng die Beziehungen zur Landschaft in vergangenen Zeiten waren. Die Poetischen Orten, die durch die Landnutzung in den Bergregionen entstanden sind, werden in der Zukunft durch Landflucht und Überalterung weiter verschwinden (Endo 2006, Taguchi 2006b). In Reiseberichten von Schriftstellern wird häufig nicht nur die Schönheit des Landschaftsbildes beschrieben, sondern auch häufig über regionale Natur, Kultur oder der Gastfreundlichkeit der Bewohner berichtet. So z.B. tut es der Dichter Basho Matsuo in „The Narrow to the Interior Lands“ (Matsuo, Basho 1702), der Geographin Isabella Bird in „Unbeaten Tracks in Japan“ (Bird 2004 (1885)) oder der Kunstkritikerin Masako Shirasu in „Verborgene Dörfer“ (Shirasu 2003 (1991)) (vgl. Takano 2007a, S.392). Auf der Homepage des österreichischen Bundeslandes Steiermark sind ca. 300 regionale Entwicklungsprojekte vorgestellt (vgl. Land Steiermark 2005). In dieser Forschungsarbeit werden von der unter Fußnote 39 erwähnten Homepage die Projekte ausgewählt und untersucht (Siehe Anhang 1; Liste der Interviewpartner). Im Naturpark Pöllauer Tal ist von sechs Gemeinden getragen. Es leben dort 8.600 Menschen. Ⅲ. Beschreibung über die Ressourcennutzung in Bergregionen und ländlichen Regionen in Japan 187 188 1. Produktion und Verbrauch regionaler Ressourcen in Bergregionen und ländlichen Regionen in Japan In diesem Kapitel werden Betrachtungen zu verschiedenen Versuchen für regionale Ressourcennutzung und ihre Zielsetzungen anhand von Beispielen aus Japan angestellt, die hauptsächlich aus Bergregionen stammen und zu einem kleineren Teil auch aus ländlichen Regionen, die an die Bergregionen angrenzen. Bei der Betrachtung wird ein Rahmen abgesteckt, wie z.B. „Ökologische Landwirtschaft” oder „Hausbau mit heimischem Holz” usw. 1 und durch jeden dieser Rahmen Art und Weise der regionalen Ressourcennutzung betrachtet. Die Rahmen werden nach ihren Schwerpunkten in die vier Bereiche regionale Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft sortiert und in dieser Reihenfolge im folgenden Abschnitt beschrieben. Jeder Rahmen wird unter den Aspekten von regionaler Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft betrachtet und mit Hilfe der im letzten Abschnitt (1.4. Punkte bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen auf die in der Praxis zu achten ist) beschriebenen Punkte bewertet. Zudem wird jeder Rahmen auch mit den Aspekten von Tradition und Innovation und regionaler Zusammenarbeit betrachtet, auf welcher der Schwerpunkt in diesem Kapitel gelegt wird. Die Informationen in diesem Abschnitt stammen hauptsächlich aus dem Austausch der Autorin mit Menschen aus der Präfektur Yamagata, die mit der Nutzung regionaler Ressourcen zu tun haben. Er fand zwischen den Jahren 1993 bis 1997 und ab 2001 bis 2007 statt. Dazu kommen weitere aktuelle Informationen durch Interviews mit ihnen. Die Informationen über die anderen japanischen Regionen sind der Literatur und diversen Internetseiten entnommen. Am Ende des Abschnitts wird die allgemeine Tendenz von Produktion und Verbrauch mit regionalen Ressourcen in Bergregionen und ländlichen Regionen in Japan betrachtet. Dabei wird überprüft, ob Versuche, die mit unterschiedlichen Zielsetzungen angefangen haben, mit der Zeit zu einer umfassenden Regionalentwicklung führten und nach dem Beispiel der Strategie „Schutz durch Nutzung” aus der Rhön 2 fortgesetzt wurden. Die Betrachtungen in diesem Abschnitt geben Hinweise für die Analyse der detaillierten Feldforschung in den Regionen in Teil IV. 1.1. Regionale Ressourcennutzung für den Erhalt von Landschaft und Ökosystemen - Ökologische Landwirtschaft, Handwerk von Naturliebhabern Hier wird die regionale Ressourcenutzung der Betrachtung unterzogen, die auf den Erhalt von Landschaft und Ökosystemen in den Bergregionen abzielt. Als Erstes wird die ökologische Landwirtschaft betrachtet, die dem biologischen Leben Respekt zollt. Als Zweites wird das Handwerk betrachtet, das von Naturliebhabern ausgeübt wird, die mit der sorgsamen Nutzung des Holzes aus dem Wald das Waldökosystem erhalten wollen. 189 1.1.1. Ökologische Landwirtschaft Anfang der 1970er Jahren haben einige Landwirte in Japan sich gegen die moderne Landwirtschaft mit chemisch synthetisierten Pflanzenschutzmitteln und chemisch synthetisiertem Dünger gewandt und mit dem ökologischen Landbau angefangen (vgl. Hoshi 2001, Une 2004a, Takamatsu 2001). Herr Kanji Hoshi aus der Gemeinde Takahata, im Gebirge der Präfektur Yamagata hat im Jahr 1973 seinen Hof auf ökologischen Landbau umgestellt. Er hat auf die Produktion von sicheren Lebensmitteln abgezielt und die Böden der Feldflur verbessert, auf chemische Pflanzenschutzmittel und chemischen Dünger verzichtet und seine eigene Selbstversorgungsrate gesteigert. Er schreibt, dass der Versuch vom Erhalt der Landschaft so langsam und anstrengend ist, wie auf der Erde zu kriechen (vgl. Hoshi 2006, S.79). Nach Herrn Hoshi folgt man beim ökologischen Landbau nicht dem Prinzip einer rationalisierten Monokultur. Man pflanzt vielmehr auf einem Acker verschiedene Nutzpflanzen und lässt beim Wachsen biologische Synergieeffekte wirken. Mit Mühe bereitet man einen reichen Boden vor und zieht darauf eine bunte Vielfalt von Nutzpflanzen. Ein solcher „Acker mit hundert Pflanzen” ist Symbol für die Reichhaltigkeit der Selbstversorgung in einem Bauerndorf (vgl. Hoshi 2001, S.163). In Japans feuchtem und warmem Klima wächst das Unkraut sehr schnell, besonders das Unkraut in den Reisfeldern, in denen das japanische Hauptnahrungsmittel wächst. Um es zu jäten braucht es viel Zeit und Mühe, auch wenn man Karpfen oder Enten zur biologischen Schädlingsbekämpfung einsetzt. Dennoch schreibt Herr Hoshi: „Unauffällige und ungeschätzte Arbeit und endlosen Zeitaufwand empfinde ich nicht als vergebliche Mühe. Die Jahreszeiten, die Erde und die Pflege des Lebens geben mir das Gefühl, in meinem Innersten zu pflügen. Es füllt mein Herz” (Hoshi 2001, S.50). Die Landwirte des ökologischen Landbaus achten auch auf den Tierschutz. Sie richten den Tieren einen angenehmen Stall ein und lassen sie weiden (vgl. Takamatsu 2001, S.156-158). Yutaka Une, ein Landwirtschaftsberater, versucht den ökologischen Landbau zu verbreiten. Er erklärt den Landwirten, dass sich die Fauna der Felder nicht einfach in Schädlinge und Nützlinge einteilen lässt, sondern dass es beispielsweise auch vielerlei Insekten gibt, die weder das eine noch das andere sind, sondern „bloß Insekten”. Er versucht den Landwirten den Unterschied zwischen ihnen zu lehren. Allein wenn die Landwirte schon in der Lage sind, sie zu unterscheiden, kann das den Einsatz von chemisch synthetisierten Pflanzenschutzmitteln verringern und so können sie Schritt für Schritt auf ökologischen Landbau umsteigen. Herrn Une zufolge respektiert der ökologische Landbau das Leben von allen: den Tieren, Pflanzen und den Menschen (vgl. Une 2004a, S.38-39,S.34). Die Ökolandwirte bieten den Kindern in der Region Erfahrungen mit dem ökologischen Landbau. Dadurch bauen die Kinder die nötige Wertschätzung auf, das Leben und die Natur zu respektieren (Ito 2007, vgl. Hoshi 2006). 190 Die Produkte des ökologischen Landbaus sind schon von Anfang an direkt von Stadtbewohnern gekauft worden, die sichere Lebensmittel wünschen. Es gibt auch ein System namens „field trust”, bei dem sich Ökolandwirte mit Verbrauchern zusammenschließen und mit ihnen einen Treuhandvertrag für eine bestimmte Größe eines Feldes abschließen. Die Verbraucher bekommen für den vorher vereinbarten Betrag die Menge des Ertrages, wie sie die jeweilige Ernte hergibt. So teilen sich Produzenten und Verbraucher das Risiko der Produktion 3. Die Verbraucher aus der Stadt besuchen manchmal die Produzenten auf dem Land. Sie kommunizieren mit den Produzenten, sammeln ihre eigenen Erfahrungen mit der Landwirtschaft und einige ziehen schließlich sogar selbst in die Dörfer. So sind z.B. in der Gemeinde Takahata in der Präfektur Yamagata, wo Herr Hoshi wohnt, viele Menschen aus der Stadt hinzugezogen. Sie haben dort mit ökologischer Landwirtschaft angefangen. In den 1990er Jahren sind 70 Personen eingewandert. Dadurch ist diese Gemeinde, die eigentlich unter der, in Gebirgsregionen weit um sich greifenden Landflucht leidet, lebendiger geworden. Auf der anderen Seite ist Hatano zufolge die Direktvermarktung von Produkten aus der ökologischen Landwirtschaft in den letzten Jahren ins Stocken geraten. Seit Ende der 1980er Jahre sind Lebensmittel aus dem ökologischen Landbau im Großmarkt und der Gastronomie wirtschaftlich vermarktet worden (Hatano 2004, S.53-70). Die Regierung hat im Jahr 2001 die Richtlinien für den ökologischen Landbau gesetzlich geregelt 4. Dadurch hat die Wirtschaft großes Interesse an Ökolebensmitteln auf dem Weltmarkt entwickelt (vgl. Hoshi 2006, S.145). Die Ökolandwirte in den kleinen Städten und ihrer Umgebung verkaufen ihre Produkte direkt an den Verbraucher in der Region. So verkauft z.B. der Ökolandwirt, Herr Toshihiko Ito, in der Stadt Yamagata seit den 1980er Jahren sein Gemüse und seine Eier an ca. 20 Familien und eine Kindergartenküche in seiner Nähe. Er betreut Kinder und Jugendgruppen aus der Nachbarschaft und teilt mit ihnen seine Erfahrungen mit der heimischen Natur und Landwirtschaft in der Bergregion. Sie bauen z.B. gemeinsam Reis und Gemüse an, pflegen die Hühner, beobachten das Ökosystem eines Flusses und steigen auf örtliche Berge usw. (Ito 2007). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Sie erhalten die Gesundheit von Menschen und die Ökosysteme auf den Feldern. Viele Produkte werden mit hohem Transportaufwand in weit entfernte große Städte gebracht. • Aspekte zur regionalen Kultur: Die Kinder können vom ökologischen Landbau Respekt vor dem biologischen Leben lernen. Die Stadtbewohner bekommen durch die Kommunikation mit den Produzenten die Gelegenheit zur Erholung und zur Fortbildung im Bereich der Umweltpädagogik. Der ökologische Landbau erhält und schafft ein Landschaftsbild mit einer Vielfalt von Wildpflanzen, Wildtieren und Insekten. Mit diesen 191 Punkten verleiht er einer Region ein positives Image. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Die moderne Landwirtschaft bildet die Hauptströmung der Landnutzung in ländlichen Regionen. Die Stadtbewohner haben das meiste Interesse an der ökologischen Landwirtschaft. Die oben genannten Beispiele zeigen auch, dass es Verbraucher aus der Stadt gibt, die auf das Land ziehen und dadurch Dörfer, die unter Landflucht leiden, wieder lebendiger werden. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Stadtbewohner stellen die Hauptgruppe der Verbraucher von Produkten aus ökologischem Anbau. Es gibt wenig intraregionalen Verbrauch. Die Ökolandwirte versorgen sich selbst mit ihren eigenen Lebensmitteln. • Tradition mit Innovation: Der Reisanbau ist in einem Maße mechanisiert, wie er auch in der modernen konventionellen Landwirtschaft üblich ist. Wegen des Verzichts auf chemische Pflanzenschutzmittel haben Ökolandwirte einen Mehraufwand bei der Bekämpfung von Unkraut und Schädlingen. • Horizontales Netzwerk: Häufig arbeiten die Ökolandwirte für sich. Es gibt manchmal Gruppen von Ökolandwirten, die untereinander Informationen austauschen, wie z.B. in der Gemeinde Takahata in der Präfektur Yamagata. Selten fördert die Öffentlichkeit den ökologischen Landbau 5. 1.1.2. Handwerk von Naturliebhabern Menschen, die sich für den Wald und seine Ökosysteme interessieren, nutzen die Ressourcen in den Bergregionen mit neuen Ideen und verleihen den Ressourcen einen neuen Wert. So gibt es beispielsweise eine Werkstatt für Bienenwachskerzen am Fuß des Asahi-Gebirges in der Gemeinde Asahi in der Präfektur Yamagata. Der Handwerker produziert seit 1988 zusammen mit seiner Frau Kerzen. Er fertigt sie zu 100% aus Bienenwachs. 1988 hat in Japan niemand Kerzen aus Bienenwachs gemacht. Traditionell werden dort Kerzen aus der Nuss des Talgbaums oder aus dem Lackbaum gemacht. Standard ist heute die Kerze aus Paraffin, also aus Erdöl. Der Handwerker, Herr Ryuji Ando, stammt aus einer Imkerfamilie. Ihm kam der Einfall zur Produktion von Bienenwachskerzen. Er hat bei einem Kerzenhandwerker in der Nachbarregion eine traditionelle Methode der Kerzenproduktion kennen gelernt. Aber sonst fing er ohne Unterweisungen an, selbst Bienenwachskerzen zu produzieren, und Stück um Stück hat er seine Technik verbessert. Er gewinnt das Wachs aus den Bienenstöcken seiner Familie und kauft es von anderen Imkern aus der Imkergenossenschaft hinzu. Als er angefangen hat, Bienenwachskerzen zu produzieren, hat er die Kerzen den Kunden geschenkt, wenn sie seinen Honig gekauft haben. Die Kunden haben sich nach und nach für seine Bienenwachskerzen interessiert und so hat er angefangen, sie zu verkaufen. Danach verkaufte er seine Kerzen via Internet in ganz Japan. Er bietet seiner Kundschaft Workshops über den Imkerberuf und den Buchenwald an. Die 192 Teilnehmer lernen etwas über das Leben von Bienen und sie formen selbst Kerzen aus Bienenwachs, gestalten Lampenschirme aus Holz oder auch Schnee, je nach Saison, und lassen ihre Kerzen im Buchenwald leuchten. Sie pflegen auch den Wald. Die Kastanie gibt guten Honig, aber es gibt immer weniger Kastanien auf dem Berg. Sie sammeln die Kastanien, lassen sie keimen, pflanzen junge Bäume auf dem Berghang und pflegen sie weiter. Die Teilnehmer, die Kinder und die Erwachsenen aus der Region und auch von außerhalb, bauen dadurch eine Wertschätzung gegenüber dem Wald und seinem Ökosystem auf 6 (vgl. Ando 2005). In Hidatakayama in der Präfektur Nagano ist im Jahr 1972 eine Gruppe von einigen jungen Männern, die das Gebirge lieben und die Verarbeitung von Holz attraktiv finden, eingezogen und hat angefangen, bei einem traditionellen Schreiner zu lernen. Sie haben im Jahr 1974 ein verlassenes Grundstück auf dem Berg im Dorf Kiyomi-mura gekauft und dort die Handwerkerkolonie „Oak Village” aufgebaut (vgl. Inamoto 2005, S.76-80, Ei 2002, S.36-37). Sie haben in einer Buchhandlung in Tokyo eine Ausstellung gemacht. Dadurch haben sie Kundschaft gewonnen. Die Kundschaft unterstützt die Gruppe und gleichzeitig ist sie auch der Kritiker ihrer Arbeiten (vgl. Inamoto 2005, S.91-95). Im Jahr 2002 arbeiteten in Oak Village über 100 Personen (vgl. Ei 2002, S.36-37). Oak Village hat sich folgende Motti gegeben: „Von der Suppenschale bis zur Architektur”, „Hundertjährige Bäume zu Produkten, die hundert Jahre halten” und „Ein Kind, eine Eichel”. Sie produzieren mit diesen Motti moderne handwerkliche Waren und Architektur aus Holz und pflegen den Wald (vgl. Inamoto 2005, S.88-89). Sie lassen die Wälder natürlich regenerieren, und sie haben das Ziel, dickstämmiges Bauholz aus hundertjährigen Eichen und anderen Baumarten zu gewinnen. Sie produzieren Möbel, die 100 Jahre lang halten sollen. Diese Zeitdimension haben die Menschen in der Gegenwart längst vergessen (Terue Igarashi 2006). Der Vorsitzende von Oak Village, Herr Tadashi Inamoto, zielt darauf, Umweltprobleme zu lösen, publiziert viele Bücher und hält Vorträge 7. Oak Village versucht über die „Mingei Bewegung” 8 hinaus mit ihrer modernen Produktion eine neue Strömung zu schaffen, die international anerkannt wird. Sie arbeiten nicht als einzelne Kunsthandwerker, sondern als Gruppe. Dadurch können sie eine gewisse Menge von Produkten mit guter Qualität herstellen (vgl. Inamoto 2005, S.112). Oak Village produziert auch innovative Produkte im Auftrag von einer Musikinstrumentenfirma oder einer Uhrenfirma (vgl. Inamoto 2005, S.120-128) Die Handwerker von Oak Village arbeiten mit der traditionellen Technik von Zimmerleuten, Schreinern und Holzschnitzern aus der Region Hida. Sie bauen ihre Produkte und Häuser nur mit traditionellen Holzverbindungen ohne Metall und haben dabei die Unterstützung von Handwerkern aus der Region. Zwanzig Jahre ist die 193 Gründung von Oak Village bereits her. In den letzten Jahren sind die Nachfolger, die neuen Meister, in der Gruppe herangewachsen (vgl. Inamoto 2005, S.100-101). Viele junge Handwerker arbeiten nach ihrer Ausbildung selbständig. Oak Village hat jetzt die feste Aufgabe, junge Mitarbeiter auszubilden. Sie haben im Jahr 1991 eine Schule für Handwerker namens „Meister vom Wald” gegründet. Sie geben 30 Schülern Unterricht in Entwurf, Planung und Fertigung (vgl. Inamoto 2005, S.100-101). Die Schüler lernen auch die Hege und Pflege vom Wald und haben umweltpädagogischen Unterricht. Sie lernen die Beziehung zwischen Entwurf und Handwerk, zwischen Menschen und Natur. Herr Inamoto denkt, dass die Schüler dadurch eine neue Kultur mit dem Holz aufbauen können (vgl. Inamoto 2005, S.104-105). Ein junger Handwerker, der in Oak Village mit der Kundenbetreuung und Möbelproduktion beschäftigt war, erzählt: „In Oak Village gibt es einen neuen Wissens- und Techniktransfer im Handwerk, der nicht auf der persönlichen Beziehung von Meister und Schüler beruht, sondern gemeinschaftlich in Gruppen organisiert ist” (Watanabe 2002). Eine junge Handwerkerin, die in der Schule „Meister vom Wald” gelernt hat, schätzt die Ausbildung in der Schule, weil sie nicht nur in den handwerklichen Tätigkeiten, sondern auch über die Waldpflege in der Praxis Erfahrungen sammeln kann und auch in Umweltpädagogik ausgebildet wird (Terue Igarashi 2006). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Die Probleme von lokalen und globalen Umweltbelastungen werden beachtet. Die Handwerker nutzen die Ressourcen aus dem Wald in der Region und kaufen sie zusätzlich von außerhalb dazu. Sie pflegen den Wald und produzieren die Ressourcen nachhaltig. • Aspekte zur regionalen Kultur: Sie entwickeln eine neue Handwerkerkultur auf der Basis von traditionellen Techniken. Ihre Tätigkeiten, die mit der Erhaltung des Waldes und seines Ökosystems einhergeht, prägen das gute Image der Regionen. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Sie haben die traditionelle Technik von den Handwerkern in der Region gelernt, geben Workshops und halten Vorträge. Dadurch beleben sie das Beziehungsgeflecht mit den eingesessenen Bewohnern. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Sie haben neue Arbeitplätze in den Bergregionen geschaffen. • Tradition mit Innovation: Sie entwickeln eine neue Handwerkerkultur auf der Basis von den traditionellen Techniken. • Isolation: Bei oben erwähnten Beispielen handelt es sich entweder um Familienbetriebe oder eine Gruppe von Gleichgesinnten. Es gibt kein Netzwerk mit den eingesessenen Bewohnern oder Unternehmern. 194 1.2. Regionale Ressourcenutzung für die Erhaltung und Entwicklung von Kultur - Regionalküche, Gastwirtschaften mit regionalen Produkten, Traditionelles Handwerk, Hausbau mit heimischem Holz Durch die Nutzung von regionalen Ressourcen pflegen die Menschen wieder ihr Gemüt, was im modernen Leben nicht hoch geachtet wird. Es gibt zahlreiche Versuche, die mit Lebensmitteln und Landwirtschaft zu tun haben, z.B. der Genuss der Regionalküche zu Hause für mehr Vielfalt und seelischen Reichtum oder die Versuche der Gastronomie mit regionalen Agrarprodukten. Beim traditionellen Handwerk oder Hausbau mit heimischem Holz wird regionale Kultur durch regionale Ressourcenutzung erhalten. 1.2.1. Regionalküche Japan ist eine Inselkette, die sich in Nordsüdrichtung erstreckt. Durch den Einfluss des Höhenunterschiedes zwischen den Stränden und den Berggipfeln, der Meeresströmung und saisonaler Winde gibt es vielfältige Landschaftsräume. In den unterschiedlichen Landschaften haben die Menschen ihre eigene Esskultur entwickelt. Folgt man dem Experten für regionale Kultur, Herr Tomio Yuki 9, so werden in den Dörfern auf dem Land, dem Gebirge und am Strand von alten Menschen die unterschiedlichsten heimischen Nutzpflanzen angebaut, gekocht und damit die eigene Regionalküche zu Hause gepflegt und damit verbunden eine regionale Esskultur. In einer Region hat jede Familie ihre eigenen Rezepte und die alten Landwirte möchten ihre Grundstücke, die sie von ihren Ahnen geerbt haben, nicht brach liegen lassen (vgl. Yuki 2005). Die Medien zeigen die Vielfalt der Regionalküche, z.B. die traditionellen Lebensmittel, die mit viel Mühe produziert und verarbeitet sind, die fermentierten Speisewürzen, Lebensmittel oder Getränke. Sie berichten auch über die Produzenten, die Gastronomie und die Läden. Die Menschen in Japan haben ein großes Interesse daran (vgl. Kanamaru 2002, Koizumi 2002, Iida, T. 2006) und der Genuss von Regionalküche ist in Japan ein wichtiger Grund für eine Reise. Auf der anderen Seite bieten die Gaststätten oder Läden häufig Regionalküche oder Reiseandenken mit traditionellen Rezepten an, deren Zutaten oder Rohstoffe gar nicht aus der Region kommen. So z.B. bei den frisch geschnittenen Buchweizennudeln, die eine Spezialität der Präfektur Yamagata sind. Hier werden 90 % des Buchweizens für die Nudeln aus Kanada oder China importiert. Unternehmer, die es ernst mit der Lebensmittelverarbeitung oder der Regionalküche meinen, kaufen ihre Zutaten direkt von heimischen kleinen Landwirten ein. Der Einkauf und die Verarbeitung heimischer Zutaten kostet mehr Zeit und ergibt weniger Profit. Es gibt kein Vermarktungssystem, durch das die Gastronomie oder die Hersteller von Reiseandenken eine ausreichend große Menge von Agrarprodukten aus der Region einkaufen würden (Niizeki 2001, Ishizawa 2002, Hatakebara 2002, Suzuki 2002). 195 • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Die heimischen Nutzpflanzen werden für die Selbstversorgung produziert und damit die Gerichte der Regionalküche zubereitet. Die alten Landwirte möchten ihre Grundstücke, die sie von ihren Ahnen geerbt haben, nicht brach liegen lassen. Mit diesem Verantwortungsgefühl wird die Produktion von traditionellen Lebensmitteln noch erhalten. Nur wenige Unternehmer im Bereich der Verarbeitung von Lebensmitteln und Gaststätten nutzen regionale Produkte. Sie achten nicht auf die Erhaltung der Agrarlandschaft in der Region. • Aspekte zur regionalen Kultur: Die Regionalküche wird von den Alten zu Hause gepflegt, wie die traditionelle Familien- und Regionalkultur. Die Unternehmer der Lebensmittelverarbeitung und die Gaststätten präsentieren bei der Werbung für ihre Produkte den Konsumenten die regionale traditionelle Esskultur. Damit leisten sie einen Beitrag für das Bewusstsein der Konsumenten für eine traditionelle Esskultur, obwohl sie eigentlich keine regionalen Lebensmittel verwenden und es sich deshalb um eine Illusion handelt. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: In den Bauerndörfern oder Bergdörfern gibt es heute noch Großfamilien. Die Regionalküche, die von den Alten zu Hause gepflegt wird, wirkt sich auf die Kommunikation und die Gesundheit ihrer Familien aus (vgl. Yuki 2005). Die Unternehmer aus der Lebensmittelverarbeitung und die Gaststätten haben kaum ein gewerbliches Interesse an der Pflege von sozialen Beziehungen in der Region. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Es gibt keine wirtschaftlich relevante intraregionale Produktion und Verbrauch. Die Selbstversorgung wird aber erhalten. • Tradition: Die Regionalküche pflegt die traditionelle Familienkultur und Regionalkultur. • Isolation: Die traditionelle Regionalküche wird in der Familie zubereitet. Die Unternehmer aus der Lebensmittelverarbeitung und die Gaststätten mit regionaler Ressourcennutzung arbeiten ohne Beziehungsnetz vereinzelt nebeneinander. 1.2.2. Gastwirtschaft mit regionalen Produkten Exkurs 10 Slow-Food-Bewegung Gegen die Verbreitung von zeitsparenden und eigenschaftslosen Essgewohnheiten, wie Fastfood, wendet sich die in den 1980er Jahren in Rom entstandene Slow-Food-Bewegung, die versucht, die Wertschätzung für die seelische Freude an der Esskultur zu Hause und in der Region zu heben. Im Jahr 1989 hat die Gruppe der Bewegung für nachhaltige seelische Esskultur den Verein „Slow Food” gegründet 10 (vgl. Shimamura 2004, Slow Food 2007). In Japan hat es ein breites Echo auf das Buch von Shimamura über die Gründung und die 196 Aktionen des Vereins „Slow Food” gegeben. Das hat zu zahlreichen weiteren Publikationen darüber geführt (vgl. Shimamura, Kanamaru 2004). Das Konzept von Slow Food hat sich mit dem wachsenden Interesse für die italienische Küche in Japan verbreitet (vgl. Vallone 2004). In Japan hat sich der Begriff „Slow Food” als Pseudonym für eine seelisch orientierte Esskultur durchgesetzt. Die folgenden Beispiele von einer Bauerngaststätte und einem Restaurant mit heimischen Nutzpflanzen werden von vielen auch als Slow-Food-Aktionen bezeichnet, obwohl sie selbst kein Mitglied dieser Bewegung sind oder das von sich behaupten. Bei der Bauerngaststätte oder der Gastronomie mit regionalen Produkten kann man die Agrarlandschaft genießen und das Leben von Tier- und Pflanzenwelt durch die Erfahrungen mit der Landwirtschaft respektieren lernen. Als Beispiel soll uns hier die „Honamikaido (Ährenwellen Straße)” in der Stadt Tsuruoka in der Präfektur Yamagata dienen, wo Italienische Küche aus Produkten aus eigener Agrarproduktion angeboten wird. Die Wirtin, Frau Yuko Shoji, ist in der großen Metropole Tokio geboren und aufgewachsen. Sie hat einen Landwirt geheiratet und ist nach Tszuruoka gezogen. Sie genießt die Reisfelderlandschaft in der Region Shonai, die sie an die Bilder von Jean-François Millet erinnert. Sie hat 15 Jahre lang in dieser Landschaft Reis, Gemüse und Blumen angepflanzt. In der Mitte der 1980er Jahre hat sie auf ihrem Hof einen Bauernhofladen eingerichtet und mit der Gastronomie angefangen. Frau Shoji erzählt Folgendes: „Ich bin das Leben auf dem Land nicht gewohnt. Deswegen habe ich hier das Land mit Tokio verglichen und nachgedacht, was ich produziere. Ich wollte meine Landwirtschaft der Kundschaft zeigen. Ich wollte das Leben auf dem Land, das ich genieße, zeigen. Deshalb habe ich hier den Laden und die Gaststätte eingerichtet. Ich verkaufe Reis, Kekse, Kräutertees usw. Die meisten Agrarprodukte werden als Italienische Küche angeboten. Die Gäste freuen sich an der Landschaft, die sie aus unseren Fenstern sehen, am frischen und gesundheitlich unbedenklichen Salat und Gemüse und an der Einrichtung der Gastronomie. Sie genießen einfach so mitten in der idyllischen Landschaft zu sitzen und leckeres Essen zu bekommen. In der Nachbarstadt Sendai haben viele Landwirte in den letzten Jahren mit Bauerngaststätten angefangen. Sie haben es mir nachgemacht. Wenn ich auf meinen Versuch zurückschaue, finde ich gut, dass ich mit dieser zeitgemäßen Aktion angefangen habe. Ich bin selbst nicht auf dem Land aufgewachsen, sondern habe die Hälfte meines Lebens in der großen Stadt als Konsument verbracht. Ich kenne das Land aus der Sicht der Stadt. Das ist das Land, die Seele von Menschen zu 197 heilen. Ich habe hier gelebt mit der Sehnsucht nach dem Land. Damit habe ich ein natürliches Konzept entwickelt und die Kundschaft hat es gerne angenommen. Die Gastronomie liegt inmitten von Reisfeldern. Seit meinen Versuchen sind allerdings einige Häuser und Läden um die Gaststätten herum gebaut worden. Die neuen Bewohner sagen, weil es hier „Honamikaido” gibt, habe ich hier auch mein Haus gebaut. Ich freue mich sehr. Die Einfachheit vom Land ist schön, aber wenn es so einfach wäre, denkt man, das ist nicht so cool oder schmutzig. Es gibt auch solche Seiten hier, aber es ist auch der Charme und die Freude, die einem ein Lächeln abgewinnt. Davon gibt es hier sogar viel. Die Leute, die solchen Charme gefunden haben, haben hier nach und nach ihre Häuser gebaut. Hier ist heute eine schöne Ecke in den Reisfeldern. Das ist die Belohnung für mich, auf die ich seit 10, 20 und 30 Jahren hingearbeitet habe” (Shoji 2004). In der Präfektur Yamagata werden noch vielfältige heimische Nutzpflanzen angebaut. Herr Masaaki Egashira, einem Dozenten der Universität Yamagata zufolge, sind Gemüse, Obst und Getreide heimische Nutzpflanzen, die auf dem Land seit langer Zeit angebaut werden. Sie haben unterschiedliche Sorten und Anbaumethoden. Heimische Nutzpflanzen haben die Menschen in der Region ernährt und die eigene regionale Esskultur geprägt. Aber das benötigt mehr Aufwand bei der Zubereitung und da sie auch eigene geschmackliche Eigenschaft haben, werden sie in den letzten Jahren von immer weniger Leuten angebaut. Deshalb werden sie beim Generationswechsel nicht mehr weitergegeben. Heute bauen die Landwirte überall in Japan die gleichen Sorten von Nutzpflanzen an. Von den heimischen Nutzpflanzen bleiben in jeder Präfektur ca. fünf bis zwanzig Sorten übrig. In der Präfektur Yamagata aber erhalten die Landwirte über hundert Sorten. Die Landwirte haben für die Selbstversorgung die schmackhaften heimischen Nutzpflanzen weiter angepflanzt (vgl. Egashira; Okuda, Egashira, Taguchi u. Iida 2006). „Al.che-cciano”, das Restaurant in der Stadt Tsuruoka in der Präfektur Yamagata bietet kreative Gerichte aus heimischen Nutzpflanzen an. Der Wirt, Masayuki Okuda, erzählt Folgendes: „Das Gemüse aus der Region Shonai ist frisch und duftet gut. Das Klima der Region Shonai und die Geografie mit dem Gassan-Berg haben darauf ihren Einfluss. Auch die Landwirte arbeiten engagiert. Ich wollte dies den Konsumenten zeigen und ihre Produkte zum Essen anbieten. Als ich zwanzig Jahre alt war, habe ich bei einem Luxusrestaurant in Tokio gelernt. Eines Tages ist ein Gemüse aus meiner Heimat Tsuruoka geliefert worden, das eine hohe Qualität hat und teuer ist. Als ich das aber den Landwirten in Tsuruoka erzählt habe, haben sie gesagt, dass sie sehr wenig für ihr Gemüse kriegen. Dann habe ich entschieden, ein Koch zu werden, der die Produzenten und die Gäste miteinander in Beziehung setzt. Ich bin in meine Heimat zurückgekehrt, als ich 25 Jahre alt war. In der 198 Zeit habe ich den Dozenten Egashira kennengelernt, der über die heimischen Nutzpflanzen forscht. Er hat mich zu einem Landwirt mitgenommen, der die heimischen Kartoffelsorten Karatoriimo anbaut. Als ich sie gegessen habe, hat das natürlich gut geschmeckt, aber ich habe mich an die Landschaft und den Duft der Reisfelder aus meiner Kindheit erinnert und ein warmes Gefühl bekommen. Das hat mich angesprochen. Es gibt ein Potential mit heimischen Nutzpflanzen. Ich habe Stück für Stück heimische Nutzpflanzen besorgt, mir passende Rezepte dafür überlegt und eine Probe gekocht. Die Produzenten haben sie immer gegessen und kommentiert. Dadurch ist eine neue Küche entstanden. Wir haben eine Fortsetzungsreihe in einer Zeitschrift. Herr Egashira erklärt darin die Sorten der heimischen Nutzpflanzen aus wissenschaftlicher Sicht und ich zeige neue Rezepte dazu. Dann haben die Produzenten, die die Zeitschrift gelesen haben, eine Motivation zum Weitermachen bekommen. Unter den Produzenten hat sich das als Tipp verbreitet, wenn du ein Gemüse hast, kannst du es zu Okuda bringen. Viele Landwirte bringen mir ihre Gemüse. Sie nehmen aber kein Geld von mir. Sie sagen, dass sie es für ihre Familie angepflanzt haben und es deshalb nichts kostet. Ich habe mir das überlegt und hatte die Idee, wenn sie bei mir essen, nehme ich nur wenig Geld dafür. Aber ich wünsche immer wieder ihr Gemüse. Wenn ich von ihnen Gemüse bekomme, schenke ich ihnen manchmal auch frische Fische vom Markt. So haben wir unsere Beziehung aufgebaut. Im Restaurant bereite ich das frisch geerntete Gemüse unmittelbar zu. Dadurch bleiben die Lebenskraft und der eigentliche Geschmack des Gemüses erhalten. Man sagt heute, dass unsere Erde krank ist. Die Lebenskraft von den Menschen ist auch schwach. Was die Menschen wünschen, ist Kraft für das Leben. In Tokio bezahlt man (Anm.: umgerechnet) 70 oder 150 Euro im Restaurant. Hier in der Region Shonai kann man das gleiche Essen für 30 Euro bekommen. Auf dem Land hat man weniger Einkommen. Trotzdem kann man mit wenig Geld ein angenehmes Leben führen. Ich nehme die Kinder aus der Nachbarschaft mit zu den Gemüsefeldern und lasse sie die Tomaten pflücken und anbeißen. Ich versuche auch, den Kindern eine „Essens-Erziehung” beizubringen 11 (vgl. Okuda; Okuda, Egashira Taguchi u. Iida 2006). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Viele Agrarprodukte aus dem ökologischen Landbau werden in der Küche verwendet. Agrarprodukte, die nicht aus ökologischem Landbau, aber aus kleinen landwirtschaftlichen Betrieben für die Selbstversorgung kommen, werden auch verwendet. Das verleiht den Aktionen das Image, umweltschonend und sicher für den Köper zu sein. • Aspekte zur regionalen Kultur: Heimische Nutzpflanzen werden erhalten. Durch die Erfahrung mit der Landwirtschaft bringen Konsumenten der Kultur auf dem Land eine 199 höhere Wertschätzung entgegen. Zudem werden mit der neuen Kultur auf dem Land innovative Ideen aufgebaut. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Durch die Zusammenarbeit zwischen Produzenten oder zwischen Produzenten und dem Gastwirt wird Vertrauen aufgebaut, womit die Aktionen bewältigt werden. Die Produzenten und die Bewohner genießen das Leben auf dem Land. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Die Gastwirtschaften haben ein stabiles Einkommen. Die Produzenten und die Gastwirtschaft bieten einander ihre Arbeit an. Damit erreichen sie Vorteile gegenüber dem Geldsystem. Die oben erwähnten Bauerngasthöfe und Restaurants liegen am Rand des Gebirges zum Flachland an einer kleinen Stadt. Allerdings gibt es auch viele Gastwirtschaften in den Bergregionen, die mit heimischen Agrarprodukten stabil wirtschaften 12. • Tradition mit Innovation: Die Landwirte produzieren weiterhin, was sie immer angebaut haben, z.B. Reis und Gemüse, und haben das gute Image von der ländlichen Gegend in Europa, z.B. vom Agrartourismus oder Slow Food, in die japanischen Dörfer geholt. Der Wirt verwendet dabei eigene regionale Ressourcen, die heimischen Nutzpflanzen, mit innovativen Ideen und steigert die Wertschätzung dafür. • Horizontales Netzwerk: Die Produzenten, die Gastwirte und die Universität bilden ein horizontales Netzwerk in der Region. 1.2.3. Traditionelles Handwerk In Japan ist im Jahr 1974 das „Gesetz für die Entwicklung des Gewerbes mit traditionellem Handwerk” festgeschrieben worden. Das Gesetz hat das Ziel, das Gewerbe mit traditionellen handwerklichen Techniken oder Fähigkeiten zu entwickeln. Dadurch soll die regionale Wirtschaft entwickelt und dem Leben der Bevölkerung ein mentaler Reichtum verliehen werden. Der Voraussetzungen für die Produkte, die mit dem traditionellen Handwerk hergestellt werden, sind Folgende: 1. Sie werden hauptsächlich im Alltag gebraucht. 2. Sie werden hauptsächlich von Hand hergestellt. 3. Sie werden mit traditionellen Techniken oder Fähigkeiten hergestellt. 4. So weit wie möglich werden traditionelle Materialien verwendet. 5. Eine gewisse Anzahl von Produzenten hat ihren Sitz in einer Gegend. 2005 waren vom Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie in Japan 207 Produkte als traditionelles Handwerk offiziell anerkannt. Die Produkte sind damit berechtigt, ein entsprechendes Markenzeichen zu führen. Die Produzenten erhalten auch Subvention für die Ausbildung von Nachfolgern etc. (vgl. Traditional Crafts of Japan 2006). 200 Einige lokale Handwerker produzierten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Mingei Bewegung die so genannten Mingei Waren 13. Aber im Allgemeinen sind die Waren des traditionellen Handwerks entweder Luxuswaren oder billige Reiseandenken 14 (vgl. Hatsuzawa 2005, Zentrum zur Aktivierung der Produktion in Tohoku 2004, S.25-154). Das lokale Handwerk war vor der Modernisierung des Gewerbes für seinen hohen Stand der Handwerkstechnik anerkannt. Als aber das oben erwähnte Gesetz gemacht worden ist, war es bereits schon schwach gewesen. Das lokale Handwerk, das in der Vergangenheit mit dem Lebensstil verbunden war, wurde unter dem Begriff des Traditionsschutzes zu einem zu schützenden Subjekt. Mit dem damit verbundenen Verlust der freien Entwicklung des Gewerbes ist es im Konservativismus erstarrt (vgl. Zentrum für Aktivierung von Produktion in Tohoku 2004, S.164). In Japan wünschen sich die Konsumenten einerseits billige Produkte und andererseits, mit wachsender Reife des Lebensstils, auch mentale Bereicherung durch Konsum. In diesem Trend wird auf traditionelle Kultur Wert gelegt. In den Regionen Japans versuchen Firmen, Genossenschaften und Institute von Genossenschaften oder Verwaltungen von Gebietskörperschaften, die sich mit traditionellem Handwerk beschäftigen, moderne Produkte zu entwickeln und Regionalmarken aufzubauen. Ein Unterschied zwischen den Regionen besteht darin, ob sie ihre Produkte in der Region vermarkten oder in eine große Stadt exportieren. Innovative Produkte werden auch in Zusammenarbeit mit großen Firmen produziert (vgl. Zentrum zur Aktivierung der Produktion in Tohoku 2004, S.164, S.25-154). Gewerbetourismus ist keine Seltenheit in Japan. Hierbei werden von Firmen oder in Einrichtungen von Genossenschaften oder Verwaltungen Besichtigungen und Erfahrungen im Bereich der Produktion für Touristen angeboten 15 (vgl. Teramae 2004). Für die Herstellung von Produkten des traditionellen Handwerks braucht der Handwerker Zeit und einen hohen Reifegrad bei seiner Tätigkeiten. Trotzdem erzielen diese Handwerker ein nur geringes Einkommen. So erzielt beispielsweise ein Produkt der Ohshimatsumugi-Weberei umgerechnet ca. 2.500 bis 3.500 Euro im Laden. Die Handwerker bekommen dafür aber nur 35 Euro (sic!) 16 . 5.000 Weberinnen sind Mitglieder einer Genossenschaft von Ohshimatsumugi-Webern. Sie sind durchschnittlich schon 62 Jahre alt. Meist sind es alte Frauen, die mit ihrer Rente ihren Lebensunterhalt gesichert haben und sich ein zusätzliches Taschengeld verdienen möchten (vgl. Chin 2002, S.4, S.7-8). Das Handwerk hat heute ein Problem, Nachfolger zu finden. Auf der anderen Seite arbeiten Handwerker in Regionen, die kein Nachfolgerproblem haben, im Nebenerwerb in der Landwirtschaft oder als Angestellte von Firmen (vgl. Zentrum für Aktivierung von Produktion in Tohoku 2004, S.25-154). So produziert z.B. in der Stadt Fukuoka in der Präfektur Fukuoka das lokale Gewerbe Hakataningyo-Puppen. Die wohlbewanderten Handwerker geben jungen Handwerkern einen Teil ihrer Aufträge ab. 201 Die Anfänger produzieren die Puppen am Wochenende und in den Ferien. Das Einkommen durch die Produktion ist gering und das Gewerbe wird immer bedeutungsloser. Trotzdem arbeiten die jungen Handwerker gerne in ihrem Beruf, weil sie dieses Handwerk als attraktive Arbeit empfinden, denn sie können sich damit ausdrücken und sich damit identifizieren (vgl. Chin 2002, S.4, S.7-8). Das traditionelle Handwerk hat heute Schwierigkeiten, sein Material aus der Region oder aus dem Inland zu beziehen. Die meisten Materialien, z.B. der Lack, das Holz, der Bambus, die Faserpflanzen Kozo oder Mitsumata für das Reispapier, die Seide u.a. werden in der Land- bzw. Forstwirtschaft produziert. Deren Niedergang hat Einfluss auf der Produktion im traditionellen Handwerk. Obwohl es abhängig von Region, Handwerk und Material unterschiedlich ist, woher das Material stammt, werden im Extremfall über 90 % von Lack und Seide aus China oder Brasilien importiert (vgl. Zentrum für die Aktivierung der Produktion in Tohoku 2004, S.20-23). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Wegen der Verringerung der Produktion oder der Ausschöpfung der regionalen Ressourcen werden immer weniger davon verwendet. • Aspekte zur regionalen Kultur: Ein großer Anteil der Gewerbe des traditionellen Handwerks verfolgt das Ziel, die traditionelle Kultur zu schützen. Auf der anderen Seite versuchen einige Handerker oder Regionen eine neue Handwerkskultur aufzubauen. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Mit der Verringerung des Verbrauchs von Produkten aus dem traditionellen Handwerk gibt es immer weniger Nachfolger. Bei manchen lokalen Gewerben sind die Großhändler, die die Produktion und die Vermarktung koordiniert haben, wirtschaftlich geschwächt. Aus diesen Gründen ist die produktionsbedingte Gemeinschaft in der Region schwächer geworden. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Mit der Verringerung des Verbrauchs von Produkten aus dem traditionellen Handwerk ist die Bewirtschaftung durch Handwerker, Firmen und Großhändler schwächer geworden. • Tradition mit Innovation: Ein großer Anteil des Gewerbes mit traditionellem Handwerk hat das Ziel, die traditionelle Kultur zu schützen. Einige Handwerker oder Regionen, die versuchen, eine neue Handwerkskultur aufzubauen, setzen auf moderne Produkte oder den Gewerbetourismus. • Horizontale Netzwerke/ Leitung durch eine Verwaltung: Bei dem Gewerbetourismus arbeiten die Handwerker mit ihrer Genossenschaft oder unter der Leitung einer Verwaltung in den Einrichtungen zusammen. 202 1.2.4. Hausbau mit heimischem Holz In Japan sind immer mehr Häuser, Schulen und andere Gebäude aus importierten billigen Holzverbundplatten oder Holzspanwerkstoffen gebaut 17. Mit den Ausdünstungen der für die Platten verwendeten Kunstharze oder der chemischen Behandlung des Holzes erkranken viele Menschen. Die Häuser halten heute in Japan meistens nur 30 Jahre lang. Die meisten Hausbesitzer haben große Schulden (vgl. Kikuma u. Masuda 2004). Solche Probleme sind durch die Wohnungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden (Takano 2007b). Die Häuser, die die Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg gefördert hat, sind nach den Richtlinien des Baugesetzes oder den Kriterien der Wohnungsbaugesellschaften ausgerichtet. Diese Häuser haben ca. 10 cm dünne Holzstützen, viele Strebebalken und Metallverbindungen. Solche Häuser halten im japanischen Klima mit seiner hohen Luftfeuchtigkeit ca. 30 Jahre lang. Diese Kriterien werfen Fragen auf. Mit der Fragestellung bauen einige Zimmerleute, Zimmereien und Architekten in Japan Häuser oder andere Bauten mit traditionellen oder innovativen Techniken von Holzverbindungen mit dem Holz aus der Region oder aus dem Inland. Sie denken, dass die Regierung ihre Politik ändern sollte (vgl. Kikuma u. Masuda 2004). Beim traditionellen Hausbau benutzt man Stützen von 12 cm bis 15 cm Dicke ohne Strebebalken und Metallverbindungen. Solche Häuser halten mindestens 100 Jahre. Das massive Holz ohne chemische Behandlung belastet nicht den menschlichen Organismus, ist ein nachwachsender Rohstoff und beim Abbruch gehen von diesem Baustoff keine Gefahren für die Umwelt aus. Die Verwendung von heimischem Holz unterstützt die Forstwirtschaft in der Region. Damit kann man die Wälder in der Region pflegen. Der traditionelle Holzbau passt gut zu den Klimabedingungen, ist sicherer bei Erdbeben und hält lange. Außerdem hat die Konstruktion des traditionellen Holzbaus selbst eine schöne Form. Man denkt, dass der traditionelle Holzbau kostbar ist. Wenn man ihn aber mit anderen Bauweisen vergleicht, ist eigentlich ein „Two-by-four-Bau” 18 am teuersten, danach kommt der Fertigbau und dann der traditionelle Holzbau. Heute bauen die großen Hausbaufirmen im Two-by-four-Bau und im Fertigbau 10.000 Häuser pro Firma und Jahr. Die lokalen Zimmerleute und Zimmereien, die ihre Häuser im traditionellen Holzbau errichten, arbeiten allein, im Familienbetrieb oder als kleine Firma. Ihre ökonomische Situation wird immer schwächer (vgl. Kikuma u. Masuda 2004, S.3-5, S.7-8, S.52-56, S.143). Nach einer Untersuchung von Kawanabe et al. wird das Holz aus dem Inland von kleinen Sägewerken geschnitten (vgl. Kawanabe u. Iijima 2006). Heute existieren noch 700.000 Zimmerleute in Japan, die mit dem traditionellen Holzbau arbeiten. Für die Verbreitung des Hausbaus mit heimischem Holz braucht man die Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzer, Sägewerk, Zimmermann, Zimmerei, Architekt und Hausbesitzer in der 203 Region (vgl. Kikuma u. Masuda 2004, S.143-146). Das Beispiel aus der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata, das in dieser Forschungsarbeit beschrieben wird, ist ein vorläufiger Versuch dazu 19. Einige öffentliche Einrichtungen in Japan sind auch mit heimischem Holz gebaut. So sind z.B. die vielen öffentlichen Einrichtungen in Kaneyama aus heimischem Zedernholz gebaut worden. Auch ein Architekt in der Präfektur Kohchi, Hisami Yamamoto, plant viele öffentliche Einrichtungen aus heimischem Holz und lässt sie von heimischen Zimmerleuten und Handwerkern mit innovativen Techniken bauen. • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Die Verwendung von massivem Holz ohne chemische Behandlung zum Bauen gilt als unbedenklich für den menschlichen Organismus. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff und als Abfall belastet es nicht die Umwelt. Durch die Verwendung von heimischem Holz wird die Forstwirtschaft der Region unterstützt. Damit können die Wälder in der Region weiter gepflegt werden. • Aspekte zur regionalen Kultur: Beim Holzbau mit heimischem Holz arbeiten Zimmerleute häufig mit der traditionellen Holzbautechnik. Auf der anderen Seite planen Architekten mit heimischem Holz moderne Architektur. Manchmal arbeiten Zimmerleute und Architekten zusammen und die Ideen von beiden ergänzen sich. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Beim Holzbau mit heimischem Holz arbeiten verschiedene Handwerker oder Firmen zusammen. Häufig arbeiten Handwerker oder Firmen in der Region beim Bau zusammen, wodurch Menschen in der Region verbunden werden. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Beim Holzbau mit heimischem Holz arbeiten verschiedene Handwerker oder Firmen zusammen. Das stärkt den regionalen Wirtschaftskreislauf. In den letzten Jahren aber brechen große Hausbaufirmen in den Markt der kleinen Städte und in ihre Umgebung ein. Dadurch haben die heimischen Handwerker und Firmen Schwierigkeiten, Aufträge zu bekommen. • Tradition mit Innovation: Auf der Basis der traditionellen Holzbautechnik wurden neue Raumkonzepte oder innovative Bautechniken entwickelt. • Horizontales Netzwerk: Beim Holzbau mit heimischem Holz arbeiten Waldbesitzer, Sägewerke, Architekten, Zimmerleute, Zimmereien und andere Handwerker zusammen. 204 1.3. Regionale Ressourcenutzung für die Pflege des Sozialsystems -Produktionsgruppe von Behinderten, Tourismus in aufgelassenen Schulen, Kommune Menschen, die Wert auf Zusammenarbeit und gemeinschaftliches Leben in der Region legen, arbeiten häufig in der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und der Verarbeitung ihrer Produkte. An dieser Stelle wird über diese Produzentengruppe geschrieben, zu der Behinderte, die in der Landwirtschaft arbeiten, genauso gehören, wie der Tourismus in aufgelassenen Schulen in Bergdörfern und die Kommune, in der Gleichgesinnte mit Idealismus in Land- und Forstwirtschaft arbeiten und gemeinschaftlich leben. 1.3.1. Produzentengruppe von Behinderten Es gibt Sozialwohlfahrts-Körperschaften, Produktionsgenossenschaften und andere Gruppen, in denen Behinderte arbeiten. Sie haben das Ziel, dass der Behinderte als Mensch mit Persönlichkeit und Teil des Sozialsystems respektiert wird und in der Region, in der er arbeitet und lebt, eine Aufgabe hat. Die Gruppen unterstützen mit diesen Zielen das Leben und die Aktivitäten von Behinderten (vgl. Watashinokaisya 2007). Bei ihnen hat die Landwirtschaft mehr Bedeutung als andere Wirtschaftstätigkeiten. Die Arbeit in der Landwirtschaft erweist sich als nützlich bei der Übung und Rehabilitation von Lernund körperlichen Behinderungen (vgl. JEED 1998, S.1, Japan Horticultural Well-being Association 2004). Die Aktionen werden durch die Zusammenarbeit des Personals oder der freiwilligen Mitglieder der oben erwähnten Gruppen, von Bürgern und Jugend- und Kindergruppen unterstützt. So werden z.B. von der Sozialwohlfahrts-Körperschaft „Watashinokaisya (Meine Firma)” in der Stadt Yamagata in der Präfektur Yamagata Hühner von Lernbehinderten mit Hilfe eines Ökolandwirts, Herrn Toshihiko Ito, in Bodenhaltung gehalten. Zum Füttern der Hühner mischen die Behinderten Brotabfälle, Fischmehl, Muschelmehl, Reiskleie, Sojabohnenabfälle aus der Tofuproduktion usw. und lassen sie gären. Die Behinderten sammeln Eier und backen Brot und andere Backwaren mit Naturhefe. Sie produzieren auch handwerkliche Produkte und verkaufen sie in einem eigenen Laden bei ihrer Einrichtung. Bei diesem Projekt sind die Behinderten und die Bewohner durch die Landwirtschaft mit Erde, Tieren und Pflanzen in Kontakt (vgl. Watashinokaisya 2007). In der Landwirtschaft gibt es eine große Vielfalt an Tätigkeiten. Deshalb kann jeder eine Aufgabe bekommen. Wenn der Behinderte seine feste Aufgabe hat, mit der er sich identifizieren kann, fördert das seine Entwicklung. Die Behinderten entwickeln sich durch die Pflege von ihren Pflanzen und Tieren psychisch weiter. Die Arbeit an der frischen Luft tut ihnen körperlich gut und ist gut für die Stärkung des Immunsystems und das allgemeine körperliche Wohlbefinden (vgl. Takashima Nagominosato 2007). Die „Japan Horticultural Well-being Association” 20 fördert Gartenbau und Landwirtschaft, 205 weil hier in Gemeinschaft mit anderen Menschen mit Freude zusammen gearbeitet werden kann und dabei Wohlfahrt, Gesundheit und Landschaft gepflegt wird. Der Verein unterstützt Aktionen und die Vorbereitung von Einrichtungen dafür (vgl. Japan Horticultural Well-being Association 2007). Solche Aktionen sind in der Stadt und in den Dörfern in Stadtnähe häufig. Es gibt auch Familien mit Behinderten, die mit der Landwirtschaft arbeiten möchten und sich dafür Grundstücke auf dem Land oder in den Bergdörfern besorgen 21. In Europa gibt es viele Sozialenhöfe 22 für Behinderte oder die Ausbildung von arbeitslosen Jugendlichen (vgl. JEED 1995, Iida et al. 1999, The Japan Agricultural News 2007). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Die meisten Produkte werden in der Region verbraucht. Es wird nicht unbedingt ökologische Landwirtschaft betrieben. • Aspekte zur regionalen Kultur: Das Leben von Pflanzen und Tieren wird respektiert. Der Reichtum der Landwirtschaft und der Esskultur wird geschätzt. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Die Aktionen werden durch die Zusammenarbeit des Personals oder freiwilliger Mitglieder der oben erwähnten Gruppen, der Bürger und den Jugend- und Kindergruppen unterstützt. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Die Behinderten haben die Gelegenheit, zu arbeiten und damit selbst Geld zu verdienen. • Tradition mit Innovation: Die Behinderten arbeiten viel mit ihren Händen, wie es bei der Landwirtschaft in der Vergangenheit üblich war. Die Arbeit mit den Maschinen erledigen Nichtbehinderte. • Horizontales Netzwerk: Gleichgesinnte in der Region arbeiten zusammen und sie nehmen weitere Teilnehmer auf. 1.3.2. Tourismus in aufgelassenen Schulen In den Bergdörfern Japans sinkt die Einwohnerzahl besonders unter der Gruppe der Jugendlichen stetig und immer mehr Schulen werden geschlossen. Es gibt auch viele verlassene Bauernhöfe. Die Dorfbewohner nutzen solche ungenutzten Gebäude als Gaststätten oder Einrichtungen für den Tourismus. So nutzen z.B. die Bewohner eines Ortsteils der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata, die im 8. Kapitel dieser Forschungsarbeit über die Nutzung von Ressourcen aus dem Wald erwähnt wird, gemeinschaftlich ihre aufgelassene Schule. Die Schule war die Zweigschule Taniguchi von der Kaneyama-Grundschule. Sie ist 1887 gegründet worden und das verlassene Schulgebäude ist im Jahr 1950 von den Bewohnern selbst gebaut worden. Wenn man aus der Ortsmitte der Gemeinde Kaneyama durch den Zedernwald in das Tal kommt, in dem der Ortsteil liegt, sieht man den alten Holzbau des 206 Schulgebäudes in den Reisfeldern liegen. Im Jahr 1996 ist die Schule geschlossen worden. Seit 1997 arbeiten die Bewohner und die Besucher aus den Städten in der Schule zusammen. Sie haben mit ihren eigenen Ideen „Die Schule der vier Jahreszeiten” gegründet und pflegen das Schulgebäude und genießen das ländliche Leben. Im Frühling sammeln sie auf dem Berg wildes Berggemüse und pflanzen im Schulgarten Blumen. Im Sommer jäten sie Unkraut im Gelände und lackieren das Dach des Schulgebäudes. Im Herbst hacken sie Brennholz und bauen einen Schneeschutz für das Gebäude auf. Im Winter schieben sie die Schneemassen vom Dach. In Kaneyama schneit es viel und das Schneeschieben ist harte Arbeit. Aber die gemeinschaftliche Arbeit wird bei den Teilnehmern zu schönen Erinnerungen. In der Schule betreiben ca. 10 Frauen der Ortschaft eine Gaststätte namens „Gakkosoba (Schulnudel)” und bieten dort Buchweizennudeln als regionale Küche an. Sie benutzen den Buchweizen von den Landwirten in der Gemeinde. Die verschiedenen Gerichte aus den regionalen Agrarprodukten sind mühevoll zubereitet und werden nach der Idee von Stadtbewohnern auf kleinen Schälchen hübsch dekoriert und zusammen mit den Nudeln angeboten. Die Gaststätte ist immer gut besucht (Kurita 2006). Es gibt immer mehr solcher Versuche, die regionale Küche aus regionalen Agrarprodukten anbieten, wie z.B. „Sansankan” in der Gemeinde Shizukawa in der Präfektur Miyagi, „Kusunoki (Kampferbaum)” in der Gemeinde Wada in der Präfektur Chiba, „Katakuri (Hundszahn)” in der Gemeinde Mishima usw. Dabei kommunizieren die Bewohner und die Menschen aus den Städten miteinander (vgl. Yuki u. Sawada 1998, Kumano 2001, Urban-Rural Interchange Revitalization 2002, Kurita 2006 u.a.). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Es werden Agrarprodukte aus kleinen landwirtschaftlichen Betrieben in der Region verwendet. Dadurch wird die Agrarlandschaft vital gehalten. Es werden aber nicht unbedingt Produkte aus ökologischer Landwirtschaft verwendet. • Aspekte zur regionalen Kultur: Die Esskultur in der Region mit ihrer traditionellen Regionalküche wird gepflegt. Auf der anderen Seite entsteht durch die Kommunikation mit den Städtern eine innovative Esskultur. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Die Bewohner des Ortsteils arbeiten zusammen. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Die Frauen arbeiten und verdienen das Geld im Ortsteil. • Tradition mit Innovation: Auf der traditionellen Regionalküche als Basis ist eine neue Esskultur mit den Ideen von den Menschen aus den Städten aufgebaut worden. • Horizontales Netzwerk: Die Bewohner des Ortsteils, die Bewohner in der Gemeinde und die Menschen aus den Städten arbeiten zusammen. Die Frauen des Ortsteils arbeiten bei der Gaststätte. Bei einigen Beispielen trägt die Gemeindeverwaltung einen Anteil an der Pflege der Schulgebäude. 207 1.3.3. Kommune Es gibt in Japan Kommunen, Lebensgemeinschaften von Idealisten, die gemeinsam einen Hof bewirtschaften. In Japan ist die Yamagishi Association bekannt. Nach dem Vorschlag von Miyozo Yamagishi, der Landwirt im Bereich der Hühnerhaltung ist, wurde im Jahr 1959 die Yamagishi Association mit Gleichgesinnten aus ganz Japan gegründet. Sie halten Zuchttiere unter Berücksichtigung des Tierschutzes und bauen Nutzpflanzen mit wenig Einsatz von chemischen Pflanzschutzmitteln an. Sie haben eigene Wälder und sie kombinieren Forstwirtschaft und organische Landwirtschaft. Die Sägespäne werden im Stall verwendet und mit dem Mist Reisfelder und Äcker gedüngt (vgl. Yamagishi Association 1987, S.199-200, Kawada 1998, S.5, S.112-121, S.135-143, S.152-157). Die Assoziation produziert und vermarktet über 150 Produkte, z.B. Eier, Frischmilch, Milchprodukte, Fleischprodukte, Gemüse und Reis. Die Produkte werden in einer extra eingerichteten Ecke im Kaufhaus oder im Supermarkt verkauft. Verbraucher, die nach sicheren Lebensmitteln suchen, kaufen die Produkte (vgl. Kawada 1998,S.186, Yamagishi Association 1987, S.39). Zur Assoziation gehören Ende der 1990er Jahre 39 Höfe in Japan und 7 Höfe im Ausland. Es werden verschiedene Produkte aus unterschiedlichen Landschaften produziert. Im Haupthof in der Präfektur Mie leben Ende der 1990er Jahre 800 Erwachsene und 900 Kinder und bewirtschaften eine Fläche von ca. 100 ha 23 . Jedes Mitglied arbeitet spezialisiert in einem eigenen Bereich. Der Betrieb ist mechanisiert (vgl. Kawada 1998, S.218-222, Yamagishi Association 1987, S.26-29, S.55-57). Die Mitglieder machen alle Arbeiten im Hof selbst, z.B. die Herstellung und die Verarbeitung von Agrarprodukten, die Bewirtschaftung der Gastronomie, den Transport von Waren, den Bau von Einrichtungen usw. Es gibt Kindergärten, Schulen und eigene private Universitäten und Krankenhäuser auf den Höfen. Die Kinder werden gemeinschaftlich betreut, lernen die Landwirtschaft, Forstwirtschaft und anderen Berufe in der Praxis und werden Hofnachfolger. Die Alten werden gemeinschaftlich gepflegt (Kawada 1998, S.218-222). Die Assoziation versucht, ein ideales Sozialsystem aufzubauen. Allerdings gibt es seit Ende der 1990er Jahre gerichtlich ausgetragene Konflikte, wie mit den Verbrauchern über die Verwendung von chemischen Pflanzschutzmitteln, mit ehemaligen Mitgliedern über die Zurückzahlung von eingebrachtem Vermögen, dem Schulungssystem oder mit dem Baurecht (Takeda 2006). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Die Mitglieder sind Selbstversorger. Sie verkaufen ihre Produkte auch in der Region. Aber die Höfe tauschen in großen Massen ihren Dünger und die Produkte. Deswegen ist der organische Materialkreislauf innerhalb der Region nicht geschlossen. Sie bauen ihre Nutzpflanzen unter Einsatz von nur geringen Mengen an chemisch synthetisierten Pflanzschutzmitteln 208 an und verwenden bei der Tierzucht Antibiotika nur im akuten Fall. • Aspekte zur regionalen Kultur: Die Natur und das Leben werden respektiert. Es gibt keine besonderen Aktivitäten mit regionaler Tradition oder Kultur. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Die Mitglieder leben gemeinschaftlich unter einem weltanschaulichen Ideal. Der Hof und die Bauernhöfe in der Umgebung tauschen Dünger und Stroh. Das gibt Anlass zur Kommunikation. In Japan gilt eine Kommune allgemein als sonderbar. Deshalb wird die Kommune in der Gesellschaft mit größerer Skepsis beäugt. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Es gibt wirtschaftliche Effekte für die Läden, die mit Produkten von den Höfen handeln, oder für Nachbarbauernhöfe, die mit der Assoziation zusammen ihren Reis vermarkten. • Tradition mit Innovation: Das gemeinschaftliche Leben mit der Landwirtschaft in Kommunen gilt in Japan als innovativ. Die Produkte sind mit denen vergleichbar, die gewöhnliche Bauernhöfe produzieren. • Horizontales Netzwerk: Menschen und Familien mit dem gleichen Ideal aus ganz Japan arbeiten und leben zusammen. Es gibt allerdings wenig Zusammenarbeit mit anderen Betrieben der Region. 1.4. Regionale Ressourcenutzung für die Entwicklung der Wirtschaft - Direktvermarktung, Agrartourismus, Landwirtschaftsunternehmer, Landbewirtschaftung in Ortsteilen, Konsumentenkooperation Die Einkommen von Landwirten aus ihrer Produktion sind gering. Es gibt wenige Arbeitsplätze in den Bergregionen, wo Landwirte arbeiten und sich zusätzliches Einkommen erschließen könnten. Die Landwirte versuchen mit der Direktvermarktung ihre Produkte zu verkaufen oder mit dem Agrartourismus zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften. Es gibt kaum Landwirte, die ihren Hof als Körperschaft, wie z.B. einer Art GmbH oder Aktiengesellschaft, bewirtschaften. Auf der anderen Seite fördert das Ministerium in den letzten Jahren mit der Landbewirtschaftung in Ortsteilen den Versuch, Arbeiten zu rationalisieren und die Vermarktung zu verbessern. Die Konsumentenkooperationen bieten Verbrauchern regionale Produkte an. Das ist allerdings ein Versuch, der von den Konsumenten ausgeht. 1.4.1. Direktvermarktung Nach Tanaka gibt es zwei Richtungen bei der Entwicklung der Direktvermarktung in den 1960er Jahren bis in die 1970er Jahre. Ein Versuch ist die Verbesserung des Transports, der andere ist die Verbindung zwischen Produzenten und Verbrauchern mit der Bewegung des ökologischen Landbaus und der Verbraucherbewegung. Beide sind aus der Kritik am Großmarkt entstanden. Seit Ende der 1980er Jahre haben sich die 209 Konsumentenkooperation und die Transportfirmen vergrößert. Dadurch haben Verbraucher die Direktvermarktung geleitet. Aber in den letzten Jahren gibt es auch Direktvermarktung auf Initiative von Produzenten (vgl. Tanaka 2004a, S.13). In Japan findet die Bewegung „Food miles” 24 für die Vermeidung von Umweltbelastungen durch lange Transportwege keine Beachtung. Es ist nicht üblich in Japan, dass man Agrarprodukte aus seiner Region oder aus seiner Nähe nachfragt. Direktvermarktung läuft auch häufig nicht als intraregionale Produktion und Verbrauch. Manche Produkte werden in der Region verbraucht, aber die meisten hochwertigen Produkte werden zu großen Städten transportiert. Manche Produzenten verkaufen ihre Produkte in der Region, aber die meisten verkaufen die ganzen oder einen Teil ihrer Produkte in großen Städten und wirtschaften stabil 25. In der Präfektur Yamagata versuchen die zwanzig- bis fünfzigjährigen Landwirte aktiv neue Vertriebswege zu erschließen und haben damit Erfolg. Als Beispiel soll hier Ohya in der Gemeinde Asahi-machi dienen. Dort haben Apfelbauern eine eigene Genossenschaft gegründet. Sie verkaufen ihre Äpfel an eine Konsumentenkooperation in der Präfektur zu einem Festpreis, der nicht vom Marktpreis beeinflusst ist. Damit haben sie ihre Bewirtschaftung gesichert. (Anm.: In Japan ist es Sitte, jemandem hin und wieder etwas Gutes als Geschenk zu schicken. Dabei werden gerne Gemüse oder Obst oder andere edle Agrarprodukte verschenkt. Deshalb bieten manche Produzenten einen entsprechenden Lieferservice an). Solche Produzenten schicken beispielsweise auch edle Äpfel auf Bestellung an Privatkunden und erzielen damit ein zusätzliches Einkommen (eine Produzentin in Ohya 2007). In der Gemeinde Iide produzieren Landwirte Reis mit hoher Qualität. Sie bekommen bei der Produktausstellung immer wieder Preise verliehen. Ein Produzent von ihnen verkauft den meisten Reis an ein Luxushotel in der Stadt Yamagata (Nino 2006). In der Gemeinde Nakayama arbeiten 150 Landwirte auf eigene Initiative zusammen. Sie koordinieren ihre Anbautermine und liefern jeden Tag frisches Gemüse der Saison an Schulkantinen 26. Wenn viele Produzenten zusammen arbeiten, können sie auch auf einem Gemüsemarkt verschiedenes Gemüse anbieten (Aoyagi 2007). In den letzten Jahren sind zahlreiche lokale Gemüsemärkte entstanden, auf denen Produzenten und Verbraucher miteinander kommunizieren können (vgl. Tanaka 2004a, S.13). In den Bergdörfern und ländlichen Gegenden in der Präfektur Yamagata gab es häufig Stände von Landwirten an der Straße oder am Gemüsemarkt. Seit Ende der 1990er Jahre sind zahlreiche Regionalläden entstanden. Markt und Regionalladen sind bei den Verbrauchern beliebt, weil die Produzenten frische und wohlschmeckende Produkte anbieten. Aber die Produzenten können auf dem Markt oder im Regionalladen keine größeren Mengen verkaufen. Mit dem Einkommen können sie keinen ausreichenden Stundenlohn erzielen und auch nicht den Dünger und andere Kosten vollständig 210 finanzieren (Iwasaki 2005). Viele Produzenten, die auf dem Gemüsemarkt oder im Regionalladen ihre Produkte verkaufen, sind Landwirte im Nebenerwerb oder alte Landwirte. Sie produzieren hauptsächlich für die Selbstversorgung und sie verkaufen nur den Überschuss. Das Einkommen davon ist gering, aber sie erwarten auch nicht mehr. Nach Futagi legen die alten Landwirte oder die Landwirtinnen beim Gemüsemarkt oder Regionalladen wenig Wert auf den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Produkte. Sie freuen sich an der Freude der Verbraucher an ihren Produkten, die sie produziert und verarbeitet haben (vgl. Futagi 2004, S.13). Auf der andere Seite gibt es nach Tanaka heute zu viele Märkte und Regionalläden in den Regionen (vgl. Tanaka 2004b, S.13). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Es gibt Direktvermarktung von Seiten des ökologischen Landbaus. Dennoch sind die meisten Produkte, die direkt vermarktet werden, aus konventioneller Landwirtschaft. Beim Gemüsemarkt oder Regionalladen verkaufen die Produzenten die Produkte, die sie für ihre Selbstversorgung produziert haben. Deshalb ist die Produktpalette vielfältig. Manchmal sind es heimische Nutzpflanzen und sie sind mit wenig chemisch synthetisierten Pflanzenschutzmitteln behandelt. Das heißt, bei ihrer Produktion werden die Vielfalt von Nutzpflanzen und davon abhängige Ökosysteme erhalten und eine Umweltbelastung mit giftigen Substanzen weitgehend vermieden. • Aspekte zur regionalen Kultur: Beim Gemüsemarkt und Regionalladen kommunizieren die Produzenten und die Verbraucher. Dabei werden die Anbaumethoden von Agrarprodukten oder durch Rezepte der Regionalküche vermittelt. Gemüsemarkt, Regionalladen und die Produkte machen einen derben Eindruck. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Produzenten und Verbraucher oder Produzenten und Läden arbeiten bei der Direktvermarktung kommunikativ zusammen. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Bei der Direktvermarktung haben die Produzenten und die Verbraucher beide preisliche Vorteile. In dieser Forschungsarbeit wurde nicht untersucht, inwieweit der Großmarkt oder die Bauerngenossenschaft in der Region davon geschädigt werden. • Tradition mit Innovation: Sowohl heimische Nutzpflanzen als auch neue Sorten werden produziert. Die Methode der Vermarktung ist innovativ. • Horizontales Netzwerk: Die Produzenten bauen aus eigener Initiative horizontale Netzwerke auf und entwickeln neue Produktionssysteme und Vermarktungswege. 211 1.4.2. Agrartourismus In den Bergregionen Japans haben die Bewohner in den 1970er Jahren aus eigener Initiative verschiedene Versuche im Bereich des Agrartourismus unternommen. Als Beispiele dafür seien genannt: Das Agrar-Patensystem von Kälbern, Obstbäumen, Wald oder Reisfeldern. Hier investieren die Stadtbewohner vor der eigentlichen Produktion. Die Paten besuchen manchmal das Dorf und schauen, wie ihre Tiere oder ihre Pflanzen wachsen. Oder bei Partnerschaft zwischen einer Stadt und einem Bergdorf besuchen die Bewohner einander. Im „Heimatclub” bieten Familien in Bergdörfern den Stadtbewohnern, die keine Heimat auf dem Land haben, eine neue Heimat in ihren Dörfern an 27 (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1999, S.7-15, S.185-190). In den 1980er Jahren besuchten immer mehr Menschen aus der Stadt die Bergdörfer und ländlichen Gegenden zur Erholung der Seele in der Natur. Die Bergdörfer und ländlichen Gegenden sind als Erholungsgebiete oder für die gesunde Entwicklung der Jugend anerkannt worden. In dieser Zeit sind lauter Versuche in den Bergdörfer durchgeführt worden, wie z.B. das Agrar-Patensystem, Partnerschaften zwischen der Stadt und dem Bergdorf, einer Schule im Bergdorf, Erfahrungsangebote für das Anpflanzen, Ernten, die Pflege von terrassierten Reisfeldern, Produktausstellungen und andere Veranstaltungen (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1999, S.7-15, S.185-190, Tanaka 1986, S.219-222; aus Japan Tourism Assosciation 1984). Mit der Vermehrung der Touristen sind die Bergdörfer und ländlichen Gegenden für den Tourismus erschlossen worden. Besonders seit dem Jahr 1987 sind mit einem neuen Erschließungsgesetz für die Erschließung gesamter Erholungsgebiete große Kapitalmengen von außerhalb der Region in die Dörfer geflossen und Erholungsgebiete sind erschlossen worden. In den Erholungsgebieten sind groß dimensionierte Einrichtungen entstanden und die Touristen sind in diesen Einrichtungen förmlich eingeschlossen worden. Dadurch sind die Natur, die Dorflandschaft und das Sozial- und Wirtschaftssystem des Dorfes zusammengebrochen (vgl. Shinohara 2000). Im Zuge der Entwicklung ist der europäische Agrartourismus unter dem Begriff „Green Tourism” aus England, der Schweiz und Deutschland in Japan eingeführt worden. Der europäische Agrartourismus Regionalwirtschaft. Die berücksichtigt Landwirte bieten Aspekte den für Touristen die die Entwicklung der Erfahrung von Landwirtschaft, die Agrarprodukte, die verarbeiteten Lebensmittel und die Regionalküche an und verdienen damit (vgl. Shinohara 2000). Beim europäischen Agrartourismus bleiben die Touristen aus der Stadt zu günstigen Preisen einige Tage lang auf dem Bauernhof oder im Gasthof. Sie erfahren das Leben im Dorf oder die Landwirtschaft und kommunizieren dadurch mit den Einheimischen. Sie genießen den Wald, den Fluss und die Kulturlandschaft. In Japan reist man von einem touristischen Ort zum nächsten. Es ist nicht üblich, dass man, außer beim Ski- oder Badeurlaub, in den Bergdörfern oder 212 ländlichen Gegenden mehrere Tage bleibt. Die Dorfverwaltung achtet nicht auf die Dorflandschaft. Deshalb ist die Dorflandschaft nicht für den Tourismus eingerichtet. Die Bauernhäuser haben ein offenes Raumkonzept mit Papierwänden. Sie sind nicht geeignet, dort Fremde übernachten zu lassen (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1999, S.2-3). Japaner sind allgemein extrem in ihrer Gastfreundschaft. Das führt bei den Gastgeberfamilien zu anhaltendem Stress (Terue Igarashi 2005). Aus diesen Gründen hat sich der europäische Agrartourismus, bei dem die Touristen aus der Stadt auf einem Bauernhof oder in einem Gasthof mehrere Tage lang bleiben, in Japan nicht verbreitet 28. Obwohl der europäische Agrartourismus als Gegenmaßnahme zu den großmaßstäblichen Erschließungsmaßnahmen von Erholungsgebieten gefördert wird, sind in vielen Bergdörfern mit staatlichen Subventionen für den Agrartourismus öffentliche Einrichtungen für die Touristen gebaut worden (vgl. Aoki 2007, S.69-71). Diese sind meist kleine Hotels mit Restaurants, Läden für Reiseandenken und einige Erfahrungsbauernhöfe oder Regionalläden. Die Touristen aus der Stadt übernachten in diesen Einrichtungen preisgünstig aber nur für kurze Zeit. Sie sind mit der Politik des neuen japanischen Agrartourismus entstanden. In den Bergdörfern stehen überall öffentliche Einrichtungen und Regionalläden gleichen Stils. Die Beziehungen zwischen den Dorfbewohnern und Touristen, die durch die Kommunikation bei Veranstaltungen geknüpft werden, oder beim Agrar-Patensystem halten nicht lange. In die Aktionen der Dorfbewohner ist die regionale Produktion nicht genügend integriert. Ein solcher Agrartourismus fördert nicht die Entwicklung von Bergregionen, sondern hier haben eher die Städte und das Großkapital als Nutznießer und Investoren Vorteile. Die Situation lässt erkennen, dass die Stadt und das Kapital die Bergregion geschluckt haben 29 (vgl. 30 (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1999, S.20). Agrartourismus funktioniert in Dörfern, die in der Nähe einer Stadt liegen Miyazaki 2002). Die Dörfer, die weit entfernt von einer Stadt liegen, sind benachteiligt und ihre regionale Wirtschaft ist im Niedergang begriffen. Die Direktzahlung von Staatsmitteln für benachteiligte Landwirte in den Bergdörfern reicht nicht aus. Die Probleme der Land- und Forstwirtschaft werden hinten angestellt und der neue japanische Agrartourismus wird gefördert (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1999, S.7-15, S.185-190, Tarumi 2007(2006)). Auf der anderen Seite ist die Quote von Besitzern von Einrichtungen des Agrartourismus um das Jahr 2000 herum von öffentlich zu privat umgeschlagen 31 (vgl. Miyazaki 2002). Zudem gibt es auch Gemeinden oder Dörfer in Bergregionen, wie die Gemeinde Kuman-cho in der Präfektur Ehime oder das Dorf Kawaba-mura in der Präfektur Gunma, wo Agrartourismus mit der Land- oder der Forstwirtschaft verknüpft und regionalwirtschaftlich entwickelt wird. Die Gemeinden oder die Dörfer haben sich durch 213 den Agrartourismus einen Namen gemacht und damit die Vermarktung von Produkten aus Land- und Forstwirtschaft, also ihren wichtigsten Wirtschaftsfaktor, gestärkt (vgl. Shinohara 2000, S.206). Auch im Dorf Shirakawa-mura in der Präfektur Gifu pflegen die Bewohner ihre hübsche Kulturlandschaft mit Rieddachhäusern. Das Dorf hat sich mit dem Tourismus wirtschaftlich gut entwickelt (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1999, S.10) und ist heute aber beinahe mit einem Themenpark vergleichbar. In den genannten Beispielen haben die Bewohner ihr Dorf mit dem Agrartourismus aus eigener Initiative entwickelt. Über den Agrartourismus erzählt die oben erwähnte Wirtin Frau Yuko Shoji vom Bauerngasthaus „Honamikaido (Ährenwellen Straße)” in der Gemeinde Tsuruoka in der Präfektur Yamagata Folgendes: „Die Landwirte in der Präfektur Yamagata sprechen nicht gerne über das Geld. Aber ich sehe, in anderen Präfekturen haben sich die Landwirte mit dem Agrartourismus wirtschaftlich entwickelt. Ich lege großen Wert auf die Erholung auf dem Land. Es ist wichtig, dass die Bewohner im Dorf mit den Menschen aus der Stadt die Schönheit des Landes gemeinsam haben. Wenn man diese Schönheit nachhaltig erhalten möchte, braucht man die Wirtschaft. Der Landwirt pflegt die Landschaft, kommuniziert und tauscht Informationen mit den Menschen aus der Stadt aus, aber dafür muss er auch seine Produkte verkaufen. Wir leben auf dem Land, aber gleichzeitig genießen wir auch das städtische Leben. Es wäre ideal, wenn die Leute in der Stadt von der Existenz unseres Bauerngasthauses wüssten und sie unsere Agrarprodukte immer kauften. So bliebe die Beziehung im Alltag erhalten und wenn sie uns manchmal hier besuchten, hätten sie die schöne Kulturlandschaft vor sich” (Shoji 2004). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Die Agrarprodukte werden für Touristen intraregional produziert und von ihnen verbraucht. Man denkt, die Erhaltung der Landwirtschaft und die Erhaltung der Landschaft zusammen. Der ökologische Landbau wird nicht häufig thematisiert. • Aspekte zur regionalen Kultur: Typische regionale Produkte werden benutzt. Die Einrichtung für die Übernachtung oder die Regionalläden ist überall ähnlich. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Es gibt Versuche, die einzelne Produzenten alleine machen. Es gibt auch Versuche, die in Ortsteilen oder Dörfern gemeinschaftlich gemacht werden. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Die Produzenten erzielen ein Nebeneinkommen. Allerdings haben die Stadt und das Großkapital einen großen Vorteil. • Tradition mit Innovation: Man vermarktet Produkte mit hoher Qualität durch den Tourismus. Diese Idee war am Anfang sehr innovativ. Die Produkte und die Verarbeitungsmethoden sind meist traditionell. Es gibt auch eigene Dörfer die 214 europäische Produkte eingeführt haben, z.B. Fleisch, Fleischwaren, Milchprodukte und Bier. • Horizontales Netzwerk/ Leitung durch eine Verwaltung: Urlaubsbauernhof, Agrar-Patenschaft, Bauerngasthof usw. sind Versuche von einzelnen Landwirten. Die Partnerschaft zwischen Dorf und Stadt, die Bewirtschaftung von Übernachtungseinrichtungen oder Regionalläden stehen unter der Leitung der öffentlichen Verwaltung. 1.4.3. Landwirtschaftsunternehmer Ein unternehmerisches Milieu gab es in Japan seit der Mitte der Meijiperiode Ende des 19. Jahrhunderts. Die Adligen und Konzerne mit der Unterstützung von Politikern haben in der Zeit viele große Agrarbetriebe gegründet. Aber sie sind Bankrott gegangen, sind abgebrochen oder verpachtet worden. Der Koiwai-Hof ist der einzige Agrarbetrieb aus dieser Zeit, der bis heute gut gewirtschaftet hat. Er ist der einzige Landwirtschaftskonzern und der größte Agrarbetrieb Japans (vgl. Sugeno 1965, S.3, Murakami 1998, S.44, S.66). Die Milchproduktion hat in Japan in der Meijiperiode angefangen. Damals gab es kaum Nachfrage an Milchprodukten. Der Koiwai-Hof ist im Jahr 1890 von drei Mitgliedern der Oberschicht auf einer Heide auf einem Berg in der Präfektur Iwate aufgebaut worden (vgl. Murakami 1998, S.2-5). Der Hof erlitt 40 Jahre lang Verluste. Aber die Besitzer haben in den Hof mit dem Kapital des Konzerns weiter investiert (vgl. Ono 1965, S.13). Der Betrieb hat unermüdlich über die Kuhhaltung mit importierten Rassen geforscht. Im Jahr 1938 wurde eine Körperschaft gegründet (vgl. Murakami 1998, S.199). Seit den 1970er Jahren produziert er variantenreiche Milchprodukte. Der Verkauf frischer Milch in die Region und ihre Umgebung ist konstant. Die Butter und andere Produkte der Marke Koiwai gelten als Luxuswaren und sind angesehene Geschenke (vgl. Murakami 1998, S.356, S.365-371). Im Jahr 1976 hat der Hof mit dem riesigen Brauereikonzern Kirin einen Vertrag zur Zusammenarbeit geschlossen. Sie haben zusammen neue Produkte und ein neues Image entwickelt und mit der Koiwai-Marke japanweit vermarktet (vgl. Murakami 1998, S.444-448). Seit den 1930er Jahren kommen immer mehr Besucher zum Hof. In den 1950er Jahren hat der Hof einen Freizeitpark eröffnet (vgl. Murakami, S.395-397). Der Tourismus wurde zu einem Wirtschaftszweig des Hofes. Seit dem Jahr 1894 wurde auch mit der Forstwirtschaft begonnen. Zudem bringt der Verkauf von Heu stabile Erträge (vgl. Murakami 1998, S.182, S.479). Der Hof verfügt seit seiner Gründung immer über Personal. 184 Personen waren im Jahr 1938 angestellt. Im Jahr 1991 arbeiteten ca. 400 Personen im Hof und ca. 500 Personen in der Verarbeitung von Milchprodukten, insgesamt also ca. 900 Personen (vgl. Murakami 1998, S.444-448). Der Hof betreibt mit den Tieren organischen und modernen Landbau. Mit den 215 Ausscheidungen der Tiere und den Lebensmittelabfällen gewinnt der Hof Biogas und erzeugt Strom. Der Hof bietet das ganze Jahr über Erfahrungen im Bereich der Landwirtschaft und Regionalkultur an. Dabei arbeitet er mit anderen Betrieben und öffentlichen Einrichtungen in der Region zusammen (Koiwai Farm 2007). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Der Hof betreibt mit den Tieren organischen und modernen Landbau. Mit den Ausscheidungen der Tiere und den Lebensmittelabfällen gewinnt der Hof Biogas und erzeugt Strom. • Aspekte zur regionalen Kultur: Der Hof ist eine touristische Attraktion. Die Landschaft mit der Weide und dem Wald vom Hof bringt ein europäisches Image in die Region. Der Hof bietet Touren zur regionalen Kultur, Besichtigungen von anderen Betrieben und öffentlichen Einrichtungen für die Touristen an. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Der Hof bietet ganzjährig Erfahrung von Landwirtschaft und Regionalkultur. Dabei arbeitet er mit heimischen Betrieben und öffentlichen Einrichtungen zusammen. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Der Hof hat viele Arbeitsplätze. Er ist japanweit bekannt. Er arbeitet mit heimischen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen zusammen. Dadurch wächst die Zahl der Touristen in der Region (vgl. Dei 2007(-), S.67). • Innovation: Der Hof hat in Japan die Kuhhaltung eingeführt. Das war sehr innovativ. Er ist heute der einzige Landwirtschaftskonzern in Japan. Er hat kontinuierlich die Kuhhaltung mit Hilfe von importierten Rassen, die Forstwirtschaft, neue Produkte und neue Vermarktungswege entwickelt. • Isolation/ Horizontales Netzwerk: Der Hof produziert und verkauft als ein Unternehmen. Beim Tourismus arbeitet der Hof mit heimischen Betrieben und öffentlichen Einrichtungen zusammen. 1.4.4. Landbewirtschaftung von Ortsteilen Im Jahr 2005 hat das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei ein Subventionsprogramm für die Stabilisierung der Landbewirtschaftung mit verschiedenen Produkten gegründet. Die Gruppe für die Landbewirtschaftung von Ortsteilen ist einer der Projektträger der Subvention 32 (vgl. NARO 2007). Die Ortschaften in ländlichen Gegenden versuchen, Gruppen für die Landbewirtschaftung der Ortsteile zu gründen und damit Subventionen zu bekommen (vgl. Tashiro 2006, S.15). Die Landbewirtschaftung von Ortsteilen geschieht als Kooperation von Landwirten eines Ortsteils. Die Gruppe stellt einen Bewirtschaftungsplan auf. Die Mitglieder besitzen die Maschinen gemeinsam oder arbeiten zusammen. Sie stellen ihre Leistungen auch anderen Landwirten oder anderen Gruppen zur Verfügung (vgl. The Ministry of Agriculture, Forestry and Fisheries of Japan 2007). Nach einer Untersuchung des Ministeriums im 216 Jahr 2005 gibt es 10.063 Gruppen der Landbewirtschaftung von Ortsteilen in Japan 33. 61 % der Gruppen produzieren Reis, 17 % Weizen und anderes Getreide und 15 % Bohnen (vgl. The Ministry of Agriculture, Forestry and Fisheries of Japan 2007, Association of Agriculture and Foresty Statistics 2002). Seit dem Jahr 1970 hat sich im Bereich der Landwirtschaft der Anteil an Nebenerwerb erhöht. Es gibt seitdem Diskussionen über die Landbewirtschaftung von Ortsteilen. Seit Mitte der 1980er Jahre sind die Preise von Agrarprodukten mit der Zulassung von Agrarimporten gesunken. Seit den 1950er Jahren gibt es das Phänomen der Landflucht und seit den 1980er Jahren ist der Anteil von alten Menschen in den Bergdörfern gestiegen. In den 30 Jahren von 1965 bis 1995 ist der Anteil an Haupterwerbsbetrieben um 87 % gesunken 34 (vgl. Sakai et al. 1998, S.26). In der Zeit ist klar geworden, dass sich selbst die intensive Landbewirtschaftung mit großen Flächen nicht mehr lohnt. Viele Landwirte haben ihre Produktpalette auf Produkte umgestellt, mit denen ein höherer Gewinn zu erzielen ist und diese direkt vermarktet. Die meisten Landwirte jedoch produzieren nur für die Selbstversorgung. In den letzten Jahren lohnt sich der Reisanbau, der Hauptzweig der Landwirtschaft, nicht mehr und die Subventionen für die Landbewirtschaftung von Ortsteilen sind ins Leben gerufen worden (vgl. Tashiro 2004, S.20-22). Die Gruppe für die Landbewirtschaftung von Ortsteilen haben meist nicht vor, eine Körperschaft zu gründen. Sie möchten zurzeit nur die Felder nicht brach liegen sehen (vgl. Tashiro 2004, S.34). Aber dennoch haben 6 % der Gruppen schon Körperschaften gegründet, 15 % sind jetzt in der Vorbereitung dafür und 79 % möchten das auch nicht in der Zukunft tun (vgl. The Ministry of Agriculture, Forestry and Fisheries of Japan 2007, Association of Agriculture and Foresty Statistics 2002). So sind die meisten Gruppen für die Landbewirtschaftung von Ortsteilen nicht motiviert, sich zu Körperschaften zusammenzuschließen. Sie nutzen lediglich ihre großen Maschinen zusammen. Es gibt bei den Landwirten Unterschiede zwischen der Qualität ihrer Produkte und der Motivation zur Bewirtschaftung. Sie können sich auch schlecht auf Investitionen für die Erschließung von Feldern einigen. Aus solchen Gründen können sie keinen ausreichenden Gewinn erzielen, um Personal für eine Körperschaft zu bezahlen. Die Gruppen für die Landbewirtschaftung von Ortsteilen arbeiten nicht effektiver und trotzdem bleiben die Landwirte abhängig von Subventionen (vgl. Tashiro 2004, S.47-53, S.271). • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Durch weitere Intensivierung der Flächennutzung und der Landbewirtschaftung, d.h. dem Einsatz größerer Maschinen und Vergrößerung der Wirtschaftsflächen durch Ausräumung der Landschaft, können die Felder weiterhin kultiviert werden. Der ökologische Landbau wird nicht thematisiert. 217 • Aspekte zur regionalen Kultur: Es gibt keinen Aspekt zur Kultur. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Das Ziel von Subvention ist die Zusammenarbeit von Landwirten in einem Ortsteil. Meistens besitzen sie aber nur ihre Maschinen zusammen. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Die Gruppen für die Landbewirtschaftung von Ortsteilen arbeiten effektiver als Einzelbauern. Trotzdem bleiben diese Landwirte weiterhin abhängig von Subventionen. • Tradition mit Innovation: Die Produkte sind die gleichen, die schon immer angepflanzt wurden, wie z.B. Reis, Getreide oder Bohnen. Die Mechanisierung und die Flurbereinigung werden weiter fortgesetzt. Die Maschinenringe sind neu. • Leitung unter einer Verwaltung: Die Aktionen sind eine Reaktion auf die Subventionspolitik. 1.4.5. Konsumentenkooperation Die Konsumentenkooperation beschäftigt sich mit der Verbesserung des Lebens von Bürgern. Viele Konsumentenkooperationen in Japan bieten wegen der Konkurrenz mit den Supermärkten preisgünstige Waren an. Deshalb handeln sie wenig mit regionalen Produkten. Die Konsumentenkooperation Kyoritsusya jedoch, die überall in der Präfektur Yamagata ihre Zweigstellen hat, handelt mit regionalen Produkten (vgl. Tanaka 2006). Eine Bürgerinitiative in der Gemeinde Tsuruoka in der Präfektur Yamagata hat gegen die Kontrolle durch zentrales Kapital durch den Anstieg der Preise oder die Ansiedlung von Einkaufszentren in kleinen Städten im Jahr 1955 einen kleinen Laden eröffnet (vgl. Sato u. Midoro 1968, S.13-16). Daraus ist die Konsumentenkooperation Kyoritsusya entstanden. Sie haben vor der Einführung von Begriffen wie „Intraregionale Produktion und Verbrauch” schon auf regionale Lebensmittel Wert gelegt, die immer mehr verschwinden. Sie haben nach regionalen Agrarprodukten gesucht und die Produzenten unterstützt. Damit haben sie versucht, den Reichtum an regionaler Esskultur zu erhalten (vgl. Tanaka 2006). Heute arbeiten sie mit Tierzuchtbetrieben, der Agrargenossenschaft, der Fischereigenossenschaft und Firmen aus dem Bereich der Lebensmittelverarbeitung zusammen. Dadurch können sie den Mitgliedern frische und gute Lebensmittel anbieten (vgl. Sawada u. Hirai 2006, S.198-199). Sie exportieren den Überschuss regionaler Produkte außerhalb der Präfektur und leisten auch dadurch einen Beitrag für die regionale Wirtschaft (vgl. Tanaka 2006). Seit den 1970er Jahren befindet sich die japanische Volkswirtschaft auf Talfahrt. Seitdem verkaufen sie die Waren des regionalen Gewerbes. Sie bieten dem regionalen Gewerbe und Handwerk ihre Vermarktungswege an. Dadurch schützen und entwickeln sie die regionale Kultur und Tradition (vgl. Sawada u. Hirai 2006, S.198-199, S.203, S.211-223). Die Konsumentenkooperation Kyoritsusya hat 125.000 Mitglieder und 12 Läden in der Präfektur Yamagata (Stand 2007) (Kyoritsusya 2007). 218 • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Sie nutzen die regionalen Produkte, aber zeigen nicht den Aspekt für die Erhaltung von Landschaft oder Ökosystemen auf. • Aspekte zur regionalen Kultur: Durch den Verbrauch von traditionellen Lebensmitteln und handwerklichen Produkten erhalten sie die regionale Kultur. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Sie schätzen das Netzwerk in der Region und arbeiten mit den regionalen Produzenten zusammen. Die Mitglieder haben Interesse an einem funktionierenden Sozialsystem und an Kultur. Sie vertreten ihre Meinung in der Gesellschaft. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Durch den Verbrauch von regionalen Produkten schützen sie die Bewirtschaftung des Produzenten. Sie stellen fest, dass Produzenten gleichzeitig auch Verbraucher sind. Sie versuchen, eine Wirtschaft mit regionalem Kreislauf aufzubauen. • Tradition mit Innovation: Durch die Zusammenarbeit mit den Produzenten haben sie neue Vermarktungswege für die üblichen regionalen Produkte in der Region erschlossen, die immer weniger Chancen zur Vermarktung haben. • Horizontales Netzwerk: Die Verbraucher arbeiten organisatorisch zusammen. Sie bilden auch ein Netzwerk mit den Produzenten. 1.5. Die Tendenz von Produktion und Verbrauch mit regionalen Ressourcen in den Bergregionen und ländlichen Regionen in Japan In diesem Abschnitt sind die verschiedenen Versuche von regionaler Ressourcennutzung, ihre Art und Weise und Zielsetzung mit Beispielen aus Bergregionen und zum Teil auch aus ländlichen Regionen, die an Gebirge grenzen, in Japan betrachtet worden. Die Versuche sind vielfältig, aber es lassen sich die folgenden Tendenzen bezüglich der Erkenntnis der Betroffenen gegenüber einer nachhaltigen Entwicklung der regionalen Landschaft, Kultur, des Sozialsystems und der Wirtschaft ausmachen: • Aspekte zur regionalen Landschaft mit ihren Ökosystemen: Die Landwirtschaft ist rückläufig. Man denkt, die Unterstützung von Landwirten durch den Verkauf ihrer Lebensmittel bedeutet auch zugleich den Erhalt der Kulturlandschaft. Man denkt ebenfalls, dass die Agrarprodukte aus der Region per se gesund, also sicher für den menschlichen Organismus sind. Aber außer Landwirten aus dem ökologischen Landbau kommen wenig Menschen dazu, ernstlich die Umweltbelastung, die Einflüsse auf das Ökosystem oder die Gesundheit des Menschen durch die Landbewirtschaftung zu hinterfragen. Die Forstwirtschaft ist auch rückläufig und der überwiegende Anteil der Wälder in Japan wird nicht mehr genutzt. Aber auf der anderen Seite versuchen häufig Waldbesitzer bei 219 der Nutzung regionaler Ressourcen aus der Forstwirtschaft organisatorisch zusammen zu arbeiten und die nachhaltige Nutzung von Ressourcen und die Erhaltung des Ökosystems zu erreichen. Die Träger von Land- und Forstwirtschaft sind meist Familienbetriebe. Es ist zwar eher eine Seltenheit, aber wenn die Produzenten aus Land- oder Forstwirtschaft oder Verarbeiter der Ressourcen sich zu Körperschaften zusammengeschlossen haben, präsentieren sie tatkräftig, dass sie umweltschonend und nachhaltig wirtschaften. • Aspekte zur regionalen Kultur: Es gibt zahlreiche Versuche, durch die Nutzung von regionalen Ressourcen die regionale Kultur, z.B. Regionalküche, heimische Nutzpflanzen, traditionelle Handwerkstechnik, Agrarlandschaft, Waldlandschaft usw. zu erhalten. Die neue Ess- oder Wohnkultur ist auch bei den Versuchen mit den innovativen Ideen entstanden. Aber es fehlt ihnen meist der Feinschliff. Bei der Kinderpädagogik werden Land- und Forstwirtschaft in der Region, soweit sie Lebewesen pflegen, als Lehrstoff genutzt. Die regionale Kultur, die durch die regionale Ressourcennutzung entstanden ist, verleiht einer Region ein gutes Image. • Aspekte zum regionalen Sozialsystem: Bei der regionalen Ressourcennutzung arbeiten häufig Produzenten in der Region zusammen. Bei manchen Projekten arbeiten viele Produzenten von einem Ortsteil, einem Dorf oder einer Gemeinde zusammen. Die Produzenten vermarkten direkt oder bieten den Verbrauchern, den Verarbeitungsfirmen, den Gastwirtschaften usw. ihre Produkte oder ihre Dienstleistungen direkt an. Nicht nur beim Verkauf von Produkten, sondern häufig auch beim Angebot von Landwirten an die Verbraucher für das Erleben der Landwirtschaft, der Naturschule oder einem Workshop kommunizieren Produzenten und Verbraucher. Die Beziehung zwischen Produzenten und Verbrauchern gilt nicht nur beim Verkauf von Produkten oder bei der Dienstleistung. Sie pflegen zueinander auch eine freundschaftliche Beziehung. Die politischen Aktionen, wie Schutz des traditionellen Handwerks oder der Landbewirtschaftung von Ortsteilen, erhalten den Status quo, in der sich Landwirtschaft oder das Gewerbe befinden, haben aber keine langfristige Perspektive. • Aspekte zur regionalen Wirtschaft: Produzenten und Verarbeiter nutzen die regionalen Ressourcen, die man traditionell genutzt hat oder die man bisher nicht genutzt hat, mit innovativen Ideen. Sie produzieren neue Produkte oder bieten neuen Service an und damit schaffen sie neue Arbeitsplätze in den Bergregionen. Es gibt Versuche regionaler Ressourcenutzung von Frauen, alten Menschen oder Behinderten. Sie schaffen es damit, in den Bergregionen Geld zu verdienen. Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen sind häufig mit dem Tourismus verknüpft. Wenn die Region mit dem Tourismus bekannt wird, steigt das Image der Produkte und Dienstleistungen in der Region. Die Produkte und Dienstleistungen werden 220 häufig von Menschen in der Stadt durch Tourismus oder Warentransport genutzt. Es gibt auch Versuche, die Produzenten gleichzeitig als Verbraucher zu begreifen und intraregionale Produktion und Verbrauch zu schaffen. • Innovation und Tradition bei regionaler Ressourcennutzung: Die Auswahl der Ressourcen, der Entwurf von Produkten, die Technik und das System der Produktion, das Ausbildungssystem, die Vertriebswege usw. bei der regionalen Ressourcennutzung sind häufig weder traditionell noch innovativ. Bei der Landwirtschaft z.B. werden häufig die Nutzpflanzen verwendet, die traditionell in der Region angebaut werden und die Produkte werden mit neuen Verarbeitungsmethoden oder neuen Rezepten verarbeitet. Dadurch entstehen neue Produkte oder eine neue regionale Küche. Auf der anderen Seite gibt es manchmal gänzlich innovative Versuche, wenn z.B. neue Ressourcen, wie neue Nutztiere für die Fleisch- oder Milchproduktion, gezüchtet werden oder neue Produkte, wie Bier nach europäischem Rezept, hergestellt werden. Sie sind traditionell nicht in der Region vorhanden. Sie werden eingeführt und mit dem Tourismus verknüpft. Solche Produkte oder Dienstleistungen fragen meistens Menschen aus der Stadt nach. Intraregionale Produktion und Verbrauch sind in Japan nicht so weit entwickelt. Die Versuche der Ressourcennutzung der Forstwirtschaft entwickeln eine neue Handwerkskultur. Die Handwerker arbeiten auf der Basis von traditioneller Technik und entwickeln moderne Produkte, Produktionssysteme, Ausbildungssysteme usw. Bei regionaler Ressourcenutzung werden die Produkte nicht massenhaft produziert, sondern in geringer Stückzahl und mit hoher Qualität gefertigt. Damit haben die Produkte einen besonderen Wert und die Produzenten können die Produkte besser verkaufen. Die innovativen Ideen für regionale Ressourcenutzung entstehen häufig durch die Kommunikation zwischen den Menschen in den Bergregionen oder ländlichen Regionen und in den Städten. • Projektträger und ihre Netzwerke: Wenn die Landwirte für die Selbstversorgung oder als Nebenerwerb regionale Ressourcen nutzen, was im Großteil der Fälle so ist, arbeiten sie vereinzelt oder mit der Familie. Wenn sie gewerblich regionale Ressourcen nutzen, arbeiten die Produzenten und die Verarbeiter häufig aus eigener Initiative zusammen. Sie bauen ein neues Produktionssystem und neue Vertriebswege für ihre Produkte auf. Bei der Landwirtschaft arbeiten auch Frauen in der Region häufig zusammen. Beim Gewerbe kooperieren verschiedene Handwerker und Unternehmen miteinander und dadurch realisieren sie die Nutzung regionaler Ressourcen. Es gibt auch Versuche, bei denen viele Produzenten oder Wissenschaftler unter der Koordination von Designern, Architekten oder Gastwirten zusammenarbeiten. Es ist selten, dass ein Unternehmen den ganzen Produktionsprozess 221 alleine trägt. Es gibt auch Versuche, die auf die Initiative von Verbrauchern zurückgehen, die Konsumentenkooperationen oder NPOs gründen und mit Produzenten zusammenarbeiten. Die Aktionen unter der Leitung einer Verwaltung haben keinen dauerhaften Bestand. Alle Versuche regionaler Ressourcenutzung von Menschen in der Region haben meistens komplexe Zielsetzungen. Sie bleiben nicht in dem Rahmen, der in diesem Abschnitt gesteckt wurde. Ein Landwirt z.B. arbeitet mit „Ökologischer Landwirtschaft” für den Erhalt der regionalen Landschaft und der Ökosysteme und finanziert sich durch „Direktvermarktung” oder „Agrartourismus” (Green Tourism). Die Versuche regionaler Ressourcenutzung sind mit einem Ziel oder mehreren Zielen für die regionale Landschaft, Kultur, das Sozialsystem oder die Wirtschaft begonnen worden. Bei der Durchführung der Projekte aber werden auch häufig zugleich Probleme in anderen Bereichen gelöst. Das heißt, die Versuche wirken auch in anderen Bereichen positiv. Bei den Projekten regionaler Ressourcennutung beobachtet man die Tendenz, dass separate Ereignisse, die in der Region verstreut sind, durch Kommunikation zusammengeschlossen werden und kohärieren. Die Versuche regionaler Ressourcennutzung verwandeln sich in der Praxis wie bei der Strategie „Schutz durch Nutzung” in der Rhön. Sie führen die Menschen in der Region zu einer Bewegung für eine gesamte nachhaltige Regionalentwicklung. Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 222 Folgende Schlüsselbegriffe (Keywords) aus diesem Kapitel finden sich häufig auch in anderen japanischen Forschungsarbeiten: Ökologische Landwirtschaft, Regionale Küche, traditionelles Handwerk, Hausbau mit heimischem Holz, Direktvermarktung, Agrartourismus, Landbewirtschaftung von Ortsteilen und Konsumentenkooperation. Die übrigen Begriffe sind im Rahmen dieser Forschungsarbeit frei zusammengestellt worden. Siehe dazu: „II. - 1.3. „Schutz durch Nutzung“ und Zusammenarbeit in der Region“. Z.B. in Shinjo in der Präfektur Yamagata schließen sich einige Landwirte zu einem ReisTrust oder Sojabohnen-Trust zusammen. Es gibt in Japan Zertifikate ökologische Lebensmittel von der JAS. Ackerbauern und Viehzüchter und ökologische Verarbeiter können ein Zertifikat erhalten. Siehe dazu: http://www.maff.go.jp/soshiki/syokuhin/heya/new_jas/organic.html (Ministerium für Land-, Forstwirtschaft und Fischerei (2007)). Es gibt in Japan etwa 4000 Betriebe, die zertifiziert sind (vgl. Futagi 2004, S.64). Die EU gibt Zuschüsse zur Umstellung auf ökologischen Landbau. In Japan gibt es keine staatlichen Subventionen für eine solche Umstellung(Nosangyosonbunkakyokai 2006). Herr Ando hat in der Zeit des großen Wirtschaftswachstums in Japan sowohl auf dem Dorf als auch in der Stadt gelebt. Das hat einen starken inneren Stadt- und Landkonflikt bei ihm 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 ausgelöst, was zu der bewussten Entscheidung für ein Leben auf dem Land führte. Herr Inamoto war Ingenieur in einem Kernkraftwerk. Er hat die Energieversorgung hinterfragt und angefangen, die Energiefrage mit der Nutzung von Holz anzugehen (vgl. Ei 2002, S.36-37). Über die Mingei-Bewegung siehe „I. - 2.2.4. Design mit Regionalität“. Herr Yuki besuchte ca. 6000 Dörfer, hauptsächlich in Nordjapan, und untersuchte dort die regionale Küche und die Art der Arbeit von alten Menschen. Er veröffentlichte viele Berichte darüber in Zeitschriften und Zeitungen. “Slow Food is a non-profit, eco-gastronomic member-supported organization that was founded in 1989 to counteract fast food and fast life, the disappearance of local food traditions and people’s dwindling interest in the food they eat where it comes from, how it tastes and how our food choices affect the rest of the world. Today, we have over 80,000 members all over the world.” (http://www.slowfood.com/) Die Vermarktung dieser Bewegung ist lifestyle- und designorientiert und hat damit großen Erfolg. Kleine Betriebe haben durch die Arbeit der Organisation eine gute Chance sich auf dem Markt zu präsentieren. Die Produzenten schaffen es dadurch auch, sich global zu vermarkten (vgl. Kanemaru 2007, S.24-37). In Japan hat man Interesse an Ernährungspädagogik und Gesundheit seit den 1980er Jahren. Seit 2005 gibt es ein Gesetz für Ernährungspädagogik. In den Schulen und Gebietskörperschaften werden Projekte dafür angeboten (vgl. Hashimoto 2006). In der Präfektur Yamagata z.B. werden auf dem Berg viele Buchweizenstuben betrieben, zu denen Städter weite und umständliche Anfahrtswege in Kauf nehmen. Über die Mingei-Bewegung siehe „I. - 2.2.4. Design mit Regionalität“. Japaner kaufen meist eifrig Reiseandenken, wie z.B. Süßigkeiten, Lebensmittel, Wein oder andere Getränke, Gemüse oder Obst und handwerkliche Produkte (vgl. Maeda 2000). In den letzten Jahren steigt die Anzahl an Regionalläden an den Staatsstraßen, die wie Raststätten eingerichtet sind. Diese Einrichtungen heißen „Straßenbahnhof“ (Michinoeki) (vgl. Gonta 1999, Kato 2000). Auf der anderen Seite werden viele Reiseandenken verkauft, die nicht aus der Region stammen (vgl. Nakatani 2007). Z.B. bei Töpfereien in Kasama in der Präfektur Ibaraki, Mashiko in der Präfektur Tochigi (vgl. Hatsusawa 2005), Tobe in der Präfektur Ehime (vgl. Miagawa 1996), Arita in der Präfektur Saga (vgl. Asao 1999) oder bei den Lackwerkstädten „Wajima“ in der Präfektur Ishikawa und Hirosaki in der Präfektur Aomori (vgl. Zentrum für die Aktivierung von der Produktion in Tohoku 2004). In den Bergregionen koordinierte der Großhandel häufig die Produktionsreihe und die kleinen und mittelgroßen Unternehmen oder Handwerker erzielen nur geringen Profit. Regionen mit handwerklichen Produktionen sind auch durch die Globalisierung des Marktes geschwächt worden (vgl. Zentrum für Aktivierung von Produktion in Tohoku 2004, Chin 2002). Konstruktionsholz von traditionellen Holzbauten war bis in die 1980er Jahre meistens Massivholz. Das Bauwesen forderte standardisierte und exakt geschnittene Maße, aber die meisten Sägewerke haben sich darauf nicht eingestellt. Es gab damals auf dem Holzmarkt eine große Nachfrage und die Sägewerker haben Produkte mit schlechter Qualität geliefert. Daraufhin haben sich importierte Holzprodukte mit hohem Qualitätsstandard verbreitet. Auch die Fertighausfirmen sind vom Massivholz zum Leimholz übergegangen. Im Jahr 1995 gab es in Westjapan ein verheerendes Erdbeben und obwohl sich traditionelle 223 18 19 20 21 22 23 24 25 26 224 Holzbauten gegenüber in den Zeiten des großen Wirtschaftsbooms schnell und billig gebauten Holzhäusern dabei als deutlich widerstandsfähiger erwiesen, geriet der Massivholzbau in Misskredit (vgl. Shimase 2007, 2006, S.108-109, Murao 2005, S.185-189, Iijima u. Kawanabe 2006, Kikuma u. Matsuda 2004, S. 43-44). So haben sich in Japan bei der Mittelschicht Fertigbauten verbreitet und nur eine kleine Gruppe einer Oberschicht, die auf dem Land lebt, hat aus Prestigegründen weiterhin Häuser im traditionellen Holzbau errichten lassen (Takano 2007b) Das ist ein aus den USA in den 1970er Jahren übernommenes System der Holztafelbauweise, das auf Modulen mit den Basismaßen von 2 x 4 Inch aufbaut. Das Bauholz wird in der Fabrik zugeschnitten und auf der Baustelle ist kaum Bautechnik nötig. Der Aufbau kann binnen weniger Tage erfolgen. Siehe dazu: „IV. - 2. Kaneyamahaus aus Kaneyamazeder -Ein Beispiel aus der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata in Japan“. Die “Japan Horticultural Well-being Association” unterstützt viele Bürgerinitiativen in ganz Japan. Sie forschen und machen Öffentlichkeitsarbeit. Die Organisation hat 300 Mitglieder. Seit 2002 ist sie als Non-Profit-Organization anerkannt (vgl. Japan Horticultural Well-being Association 2004). Forschungsarbeiten über dieses Thema konnten von der Autorin bei ihrer Recherche nur im Internet gefunden werden. Die Quellen wurden von der Autorin ausgewertet und zusammengefasst. Ein Sozialhof ist eine Einrichtung für Behinderte oder Menschen, die auf dem regulären Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben, die es ermöglicht, einer Tätigkeit im Bereich der Landwirtschaft nachzugehen (vgl. The Japan Agricultural News 2007). Auch in Deutschland gibt es solche Einrichtungen, wie z.B. Mechthildshausen bei Wiesbaden, wo benachteiligte Jugendliche eine Ausbildung im Bereich Gemüsebau, Tierzucht, Lebensmittelverarbeitung, Direktvermarktung oder im Bereich der Gastronomie machen können. Im Gut Mölkau bei Leipzig werden arbeitslose Jugendliche aufgenommen (vgl. Iida et al. 1999). Im Antoniusheim in Fulda arbeiten und wohnen Lernbehinderte. Gemeinsam ist diesen Einrichtungen, dass sie besonders schön eingerichtet sind und sie hochwertige Produkte anbieten. Die Mitglieder geben ihren gesamten Besitz bei der Organisation ab. Die Landwirtschaftsfläche pro Familie beträgt 2,5 ha. Durch gemeinschaftliche Bewirtschaftung arbeiten sie mit einer solch kleinen Fläche wirtschaftlich (vgl. Kawada 1998, Yamagichi Association 1987). Siehe dazu „I. - 2.3. Regionale Ressourcennutzung in der Praxis und Standpunkt dieser Forschungsarbeit zu Intraregionaler Ressourcennutzung“. Seit den 1960er Jahren sind in den Regionen Japans, in denen keine Industrie eingeführt werden konnte, besonders in den Bergregionen, regionale Produkte entwickelt worden. Die meisten dieser Produkte werden nicht in den Regionen verbraucht, sondern in die großen Städte geliefert. Diese Produkte haben sich in den 1970er Jahren als Marken etabliert. Seit Ende der 1980er Jahr aber haben die Produzenten durch vermehrten Import Absatzschwierigkeiten (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1996 S.14-15, S.181-182, Shinohara 2000). Nach einer Untersuchung des japanischen Ministeriums für Land-, Forstwirtschaft und Fischerei aus dem Jahr 2002 ist die Lieferung von regionalen Lebensmitteln an Schulkantinen nicht jeden Tag möglich, weil die Menge oder der Abwechslungsreichtum 27 28 29 30 31 32 33 34 des Sortiments nicht vorbereitet werden kann (vgl. Futagi 2004, S. 128-129). Mit dem Agrarpatensystem ist im Jahr 1972 in Yufuin in der Präfektur Oita und in Kuman in der Präfektur Ehime begonnen worden. Die Partnerschaft zwischen einer Stadt und einem Bergdorf ist im Jahr 1974 zwischen Musashino in Tokio und dem Dorf Toga in der Präfektur Toyama eingeführt worden. Die Aktion „Heimatclub“ wurde 1974 in Mishima in der Präfektur Fukushima gestartet. Die Menschen aus der Stadt schreiben sich als Sonderbürger in der Gemeinde ein und besuchen eine bestimmte Familie in der Gemeinde wie ihr eigenes Zuhause (vgl. Yorimitsu u. Kurisu 1996, Shinohara 2000). Das Ministerium für Land-, Forstwirtschaft und Fischerei fördert Agrartourismus seit 1994. Dabei sind 533 private Übernachtungsangebote angemeldet worden (Stand 2003) (vgl. Aoki 2007, S.69-71). Der Bau von öffentlichen Einrichtungen für Agrartourismus bietet Stadtmenschen einen Erholungsraum. Gleichzeitig werden Planungsbüros und Baufirmen aus der Stadt mit deren Bau beauftragt. Die meisten Baumaterialien kommen aus der industriellen Massenproduktion. Der politische Hintergrund war Folgender: Nach der Wirtschaftskrise Ende der 1980er Jahren erlebte die private Erschließung von Erholungsgebieten auf dem Land einen Bruch. Daher sprang die öffentliche Hand in die Bresche, um die Bauwirtschaft vor größeren Einbußen zu bewahren, und finanzierte Großprojekte (vgl. Kurisu 1999, S.10. S.20). 79% der Einrichtungen für Agrartourismus liegen in Bergregionen. 84% der Gäste kommen aus benachbarten Zentren oder der Umgebung (vgl. Miyasaki 2002). Vor 1990 wurden 47% der Einrichtungen von der öffentlichen Hand bewirtschaftet. 47% waren Bauerngenossenschaften oder andere ländliche Genossenschaften oder speziell dafür gegründete Genossenschaften. Ende der 1990er Jahre hat sich dieses Verhältnis verändert: Öffentliche Träger waren 32% und regionale Träger 57% (vgl. Miyasaki 2002) 2005 wurde ein neues Basisgesetz für die Landwirtschaft verabschiedet. Subventionen sind seither nicht mehr an die Produktion gekoppelt, sondern werden pro Betrieb gezahlt. Das war eine Wende in der Agrarpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Landbewirtschaftung von Ortsteilen ist durch die Idee entstanden, die Ortsteile als eine Organisationseinheit zu sehen (vgl. NARO 2007, National Agriculture and Food Research Organization; http://www.naro.affrc.go.jp/top/seika/2005/tohoku/to05049.html). Im Vergleich zu 2000 wurde die Anzahl der Gruppen nur wenig gesteigert, aber in Tohoku ist die Anzahl um etwa ein Drittel mehr geworden (Gruppen in Nordjapan: im Jahr 2000: 990; im Jahr 2005: 1624). In ganz Japan besteht die Hälfte der Gruppe aus unter 30 Betrieben. 12 % sind Gruppen mit über 70 Betrieben. 55% der Gruppen schließen sich zur Koordination der Landnutzung zusammen, um Flächen bei der Bewirtschaftung zusammen zu legen. 46% der Gruppen bilden Maschinenringe. 41% der Gruppen haben für die Maschinen ein Lohnsystem. 31% der Gruppen arbeiten gemeinschaftlich (vgl. jap. Ministerium für Land-, Forstwirtschaft und Fischerei 2007, 2002). In den 30 Jahren zwischen 1965 und 1995 hat sich die Anzahl der gewerblichen Landwirte, die unter 60 Jahren alt sind, von ca. 7 Mio auf ca. 1 Mio verringert, d.h., sie hat sich effektiv um 87% verringert. Die Anzahl der Betriebe ist von ca. 5,5 Mio auf 3,5 Mio gesunken (vgl. Sakai et al. 1998, S.26). 225 226 IV. Ästhetik und nachhaltige Entwicklung in Bergregionen durch Ressourcennutzung - Fallbeispiele aus Japan und Österreich - 227 228 1. Das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ mit Ressourcen aus dem Wald - Ein Beispiel aus der Gemeinde Mishima in der Präfektur Fukushima in Japan 1.1. Merkmale Mishimas und das Ortsbild der Bergdörfer 1.1.1. Ortsbilder von Mishima Durch die Ortsmitte von Mishima fließt im Schatten von Bäumen der Tadami-Fluss mit seinem blaugrünen Wasser behäbig dahin. Nebel umschwebt ihn am Morgen und am Abend. Das Hauptuntersuchungsfeld bei dieser Forschungsarbeit liegt im Tal des Ohtani-Flusses, ein Nebenfluss des Tadami-Flusses. Er hat sich tief in das Tal geschliffen. Wenn der Schnee schmilzt, schwillt er vom Schmelzwasser. Die steilen Hänge des Tales sind von Mischwald und Zedernwald bedeckt. Auf dem fragilen steilen Berggrat wachsen Kiefern. Foto 1. Tal des Otani-Flusses Wenn man im Frühling durch das Tal kommt, sieht man am Eingang des Dorfes auf einem sanften Hang mehrere Blauglockenbäume (Paulownia tomentosa) mit ihren violetten Blüten wachsen 1. In der Umgebung wächst Berggemüse, wie z.B. Adlerfarn (Pteridium aquilinum)und Königsfarn (Osmunda japonica Thunb.). Im Dorf stehen Bauernhäuser mit großen Rieddächern. Sie bilden zusammen mit den Reisfeldern und den Äckern das Ortsbild des Bergdorfes. Der Schornstein der Hütte am Fluss raucht. In der Hütte kocht ein alter Mann Wasser in einem Kessel auf dem Holzofen. Er taucht die Rinde einer Kletterpflanze ins Wasser und beginnt, einen Korb daraus zu flechten. Im Frühsommer fährt eine alte Dame in einem winzigen Auto mit einem Anhänger voll beladen mit Gräsern die Straße des Tales entlang. Sie braucht die Gräser für ihr Handwerk. Auf dem Hang, im Schatten von Bäumen, machen Leute eine Pause. Sie mähen das Unkraut zwischen den Bäumen im Wald. Auf dem kleinen Platz vor der 229 Feuerwehr trinken geschwitzte Männer mit einem feuchten Handtuch um den Hals Dosenbier. Sie mähen die Gräser an der Straße und am Flussufer. Am Abend machen die Kinder einen Umzug mit Lampions und skandieren eine Gebetsformel gegen Agrarschädlinge. Zu den Elemente, aus denen die Ortsbilder des Tales räumlich konstruiert sind, gehören z.B. der schnell fließende Fluss, die steilen Hänge, die Wälder, Blauglockenbäume, Reisfelder, Äcker und Bauernhöfe usw.. Aber auch die Menschen und Kinder, die mit ihrer traditionellen Kultur in dem Bergdorf leben, sind konstituierend dafür. 1.1.2. Merkmale Mishimas Die Gemeinde Mishima in der Region Aizu in der Präfektur Fukushima liegt an der Grenze zwischen der Präfektur Fukushima und der Präfektur Niigata. Sie umfasst 90 Quadratkilometer und hat ca. 2.100 Einwohner (Stand 2007). Die Stadt Aizuwakamatsu, die mit ca. 130.000 Einwohnern größte Stadt in der Region, liegt 40 km nordöstlich von der Gemeinde und man kann sie mit dem Auto in eine Stunde erreichen. Die zwei Dörfer am Tadami-Fluss, das Dorf Miyashita und das Dorf Nishikata sind im Jahr 1955 zusammengeschlossen und die Gemeinde Mishima gegründet worden. In der Gemeinde erreicht das Gebirge eine Höhe von unter 1.000 m über dem Meer. Die 18 Dörfer der Gemeinde liegen am Tadami-Fluss und seinen Nebenflüssen zwischen 270 m und 400 m über dem Meer. Die Gemeinde wurde durch eine Eisenbahnstrecke und ein Wasserkraftwerk aus den 1940er Jahren erschlossen. Dadurch sind viele Arbeitsplätze entstanden. In der Zeit hat sich der Lebensstil der Bürger verändert. Sie leben nicht mehr in ländlicher Selbstversorgung. Sie verdienen Geld und konsumieren. Der Bau der Eisenbahn und des Wasserkraftwerks war allerdings innerhalb von 10 Jahren abgeschlossen. Wie in anderen Bergdörfer oder ländlichen Dörfern in Japan auch, ist seit den 1950er Jahren ein Teil der Bevölkerung der Gemeinde Mishima mit dem Wirtschaftswachstum in die Städte abgewandert. Mishima liegt in der Nähe des Japanischen Meeres. Im Winter schneit es einen feuchten Schnee, der über 2 m hoch liegen bleibt. Die Bewohner, die in der Gemeinde bleiben, gehen im Winter außerhalb der Gemeinde arbeiten. Wegen der gebirgigen Landschaft gibt es nur wenige Reisfelder und Äcker, die nur für die Selbstversorgung bewirtschaftet werden. Man hat mit der Forstwirtschaft Geld verdient, aber seit den 1970er Jahren ist dieser Wirtschaftszweig abgeflaut. Im Jahr 1950 hatte die Gemeinde ca. 8.000 Einwohner, aber es werden immer weniger. Es gibt immer weniger Kinder und immer mehr Alte (vgl. Sato 1992, M19 2006). Den Ergebnissen der Volkszählung aus dem Jahr 2002 zufolge sind ca. 1.200 Menschen berufstätig und davon ca. 5 in der Forstwirtschaft und Jagd, 100 in der Landwirtschaft, ca. 250 im Bauwesen, ca. 250 im Gewerbe, ca. 600 in Dienstleistungsbranchen usw. (vgl. 230 Gemeinde Mishima 2003). Im Bereich des Gewerbes produzieren kleine und mittelgroße Firmen in Vertragsarbeit Teile von Maschinen. Sie bieten jungen Leuten keine guten Arbeitplätze (vgl. Sato 1992). Es gab 20 Fabriken in der Gemeinde, aber die Hälfte der Fabriken ist nach China und andere asiatische Länder abgewandert. Seit 1990 ist vielen Mitarbeiter der übrigen Fabriken auch gekündigt worden (vgl. Gemeinde Mishima 2003). In der Gemeinde gibt es heute kaum Arbeitsplätze für junge Leute. Sie arbeiten in der Umgebung von Tokio oder in der Nachbarstadt Aizuwakamatsu (M6 2006). Auf der anderen Seite versucht die Gemeinde mit einem Projekt namens „Heimat Bewegung“ Touristen aus der Stadt anzusprechen. In den 1980er Jahren kamen 30.000 Touristen im Jahr in die Gemeinde. In den 1990er Jahren stieg die Zahl der Touristen auf 120.000 im Jahr (vgl. Gemeinde Mishima 2003). Die Gemeinde hat neben dem Projekt „Heimat Bewegung“ auch ein Projekt namens „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ durchgeführt. Die Gemeinde hat auf das Handwerk mit Ressourcen aus dem Wald gesetzt und versucht, die handwerklichen Techniken weiter zu geben. Mit diesem Projekt mit dem Handwerk hat sich die Gemeinde Mishima ein Image erarbeitet (M19 2006). 1.2. Merkmale von handwerklichen Waren aus Ressourcen aus dem Wald 1.2.1. Handwerk für den Alltagsgebrauch im Bergdorf Die Menschen in Mishima haben bis in die 1970er Jahre für die Selbstversorgung auf den Reisfeldern und den Äckern gearbeitet. Um Geld zu verdienen, haben sie Seidenraupen gezüchtet, geköhlert, Berggemüse, wie Adlerfarn oder Königsfarn gesammelt, und den Kupferfasan (Syrmaticus soemmerringii), den Hasen (Lepus brachyurus), den Marder (Martes melampus), den Marderhund (Nyctereutes procyonoides) und den Kragenbär (Ursus thibetanus) gejagt (M2 2006, M6 2006). Sie haben die Waren des alltäglichen Gebrauchs aus verschiedenen Materialien selbst produziert. So haben sie z.B. ihre Siebe aus der Kletterpflanze Matatabi (A. polygama (Sieb.et Zucc.) Planch. ; engl. silvervine) gemacht, Körbe aus der Kletterpflanzen Akebia (Akebia quinata), Taschen aus der Rinde des Wilden Weins (Vitis Coignetiae Pulliat.), aus dem Bast der Linde (Tilia japonica (Miq.) Simonk.), aus Seggen (Carex multifolia Ohwi) oder aus Akaso, einem Brennnesselgewächs, (Boehmeria tricuspis), Schuhe und Schachteln aus Reisstroh (Oryza sativa), Sitzkissen aus Rohrkolben (Typha latifolia) und Schalen aus Kastanienholz (Aesculus turbinata) usw. produziert (M3 2006, vgl. Okuaizushobo 2004 (1999)). Sie haben von Mai bis Oktober die benötigten Pflanzen gesammelt, sie weiter verarbeitet und in Vorrat gehalten. Wenn im Winter draußen hoher Schnee lag, haben sie mit den Materialien aus den Pflanzen die Waren produziert und auf den Frühling gewartet. Die Siebzigjährigen, die in den 1930er Jahren geboren sind, haben noch in ihrer Kindheit Schuhe und Stiefel aus Reisstroh getragen, die ihre Eltern oder die Großeltern produziert 231 haben und sind damit in die Schule gegangen. Es war ein immerwährender Kreislauf, im Sommer die Pflanzen zu sammeln und damit im Winter Waren zu produzieren. Die Waren sind im Alltag genutzt worden und jene, die bei der Arbeit im Bergwald genutzt wurden, sind stabil und haltbar gebaut worden. Die Waren für die Arbeit im Bergwald hat man dann neu hergestellt, wenn die alten kaputt gingen. Die Schuhe aus Reisstroh gehen schnell kaputt, deswegen hat man sie jedes Jahr neu gemacht. Die Waren wurden nach dem Gebrauch kompostiert und man hat damit die Äcker gedüngt (M3 2006). Seit den 1970er Jahren hat sich ihr Lebensstil schnell verändert. Die alten Leute arbeiten heute noch auf den Reisfeldern und den Äckern für die Selbstversorgung, weil sie die landwirtschaftliche Fläche, die sie von ihrem Ahnen geerbt haben, nicht wüst lassen möchten (M6 2006, M8 2006). Sie sammeln aber das Berggemüse, z.B. den Adlerfarn und den Königsfarn, nicht mehr im Berg, sondern haben diese Pflanzen auf ihren Äckern kultiviert. Sie köhlern keine Holzkohle mehr und die Praxis der Brandrodung im Nutzwald für die Produktion von Buchweizen, Kolbenhirse und Adzuki-Bohnen ist auch verschwunden. Sie jagen nicht mehr häufig. In den letzen Jahren kommen die Bären, die früher nur im tiefen Bergwald gewohnt haben, auch in die Dörfer (M6 2006, M10 2006). Sie sammeln heute immer noch Pflanzen für die handwerkliche Produktion, aber diese handwerklich hergestellten Waren sind heute nicht mehr nötig für ihr Leben. Deshalb produzieren sie die Waren in Gemütlichkeit. Ihre Kinder sind schon selbstständig und wohnen meistens nicht mehr im Dorf. Deswegen haben die Leute, die über 70 Jahre alt sind, nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer die Zeit, zwischen der Feldarbeit die Handwerkswaren zu produzieren. Sie arbeiten draußen auf den Feldern oder im Bergwald und arbeiten auch zu Hause handwerklich. Sie genießen die Abwechslung bei diesen Arbeiten (M2 2006, M3 2006, M1 2006). Foto 2. Reisfelder in Irumagata im Frühling 232 Viele der noch sechzigjährigen sind noch berufstätig und arbeiten bei Landwirtschaftsunternehmen oder in der Waldpflege für die Forstgenossenschaft. Sie produzieren ihre Handwerkswaren nur im Winter (M6 2006, M8 2006). 1.2.2. Merkmale von den geflochtenen Handwerkswaren Wie oben erwähnt, sind in Mishima folgende Pflanzen traditionell für das Flechten verwendet worden: die Kletterpflanzen Wilder Wein (Vitis Coignetiae Pulliat.), Matatabi (A.polygama (Sieb.et Zucc.) Planch.), Akebia (Akebia quinata), und Kudzu (Pueraria lobata), Akaso (Boehmeria tricuspis) und Karamushi (Boehmeria nivea var. nipononivea), beides Nesselgewächse, Segge (Carex multifolia Ohwi), Rohrkolben (Typha latifolia), Reis (Oryza sativa) und Linde (Tilia japonica (Miq.) Simonk.) 2. Die Ranken des Wilden Weins z.B. haben eine raue rotbräunliche Rinde. Die Rinde ist elastisch und stark. Man hat damit die Rahmenreifen für die Schneeschuhe gebunden und große Rucksäcke für das Sammeln von Berggemüse geflochten. In einem Grab aus der Jomon-Periode, dem Arayashiki-Grab in Mishima, ist ein Korb aus Wildwein gefunden worden, der vermutlich um das Jahr 500 vor Christus gefertigt worden ist. Die Körbe, die man heute in Mishima produziert, weisen die gleiche Flechttechnik auf. Foto 3. Tragesack aus der Rinde des Wilden Weins um 1930 (© Handwerksmuseum in Mishima) Seggen sind Gräser, die ca. 500 mm hoch wachsen. Man flicht mit den Seggen Säcke für die Werkzeuge bei der Arbeit im Bergwald, für das Mittagessen, die gesammelten Materialien um das gesammelte Berggemüse zu tragen ((vgl. Okuaizushobo 2002, Okuaizushobo 2004 (1999), Präfektur Fukushima 1987)). Die Seggen werden schnell wieder trocken und sind stabil. Deswegen hat man damit auch Regenumhänge produziert (M3 2006). 233 Die Handwerkswaren werden heute verkauft. Beim Konsumenten sind die Waren aus dem Wilden Wein und der Segge am Beliebtesten. Viele Menschen in Mishima produzieren heute damit Handtaschen, Schultertaschen und Rucksäcke. Handwerklich tätige Bürger und Designer haben in der Anfangszeit des Projekts „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ ein neues Design für die Waren in Anlehnung an industrielles Design entworfen (M2 2006). Dekorative Waren, wie z.B. Blumenkörbe, Lampenschirme, Schmuck usw. werden auch produziert. Heute geben die Kunden den handwerklich tätigen Bürgern häufig Aufträge für die Produktion von Waren mit beliebigen Materialien und Formen (M2 2006, M3 2006, M8 2006, M16 2006, M15 2006). Foto 4. Handtaschen aus der Rinde des Wilden Weins (im Laden der Familie Itabashi) 1.3. Wiedereinführung der handwerklichen Produktion, Ressourcen aus dem Bergwald 1.3.1. Das Projekt „Heimat Bewegung“ in Mishima In der Gemeinde Mishima wird seit dem Jahr 1974 das Projekt „Heimat Bewegung“ fortgeführt. Damit bieten die Bürger der Gemeinde Menschen aus der Stadt, die keine Heimat in ländlichen Gebieten haben, eine neue Heimat. Die Menschen aus der Stadt schreiben sich als Sonderbürger in der Gemeinde ein und besuchen eine bestimmte Familie in der Gemeinde wie ihr eigenes Heim. Diese Aktion verfolgt zwei Ziele. Erstens ein sozialpädagogisches Ziel: Durch die Kommunikation mit den Menschen aus der Stadt können die Bürger in der Gemeinde neue Aspekte kennen lernen. Zweites ein 234 wirtschaftliches Ziel mit dem Tourismus. Die Aktion erregt in ganz Japan öffentliche Aufmerksamkeit. Im Jahr 1969 wurde ein neues Rahmenkonzept für die Nationalentwicklung ausgearbeitet. Damit haben die meisten Städte, Gemeinden und Dörfer für ihre wirtschaftliche Entwicklung um die Ansiedlung von Firmen geworben. Im Jahr 1987 floss mit der Gesetzgebung für die Erschließung großer Erholungsgebiete viel Kapital von außerhalb in die Gemeinden und Dörfer und Erholungsgebiete sind erschlossen worden. Dafür haben die meisten Gemeinden und Dörfer den großen Unternehmen Steuervergünstigungen gewährt. Unter diesen politischen Umständen war das Fremdenverkehrskonzept von Mishima, bei dem die Bürger selbst die Basis bildeten, einzigartig (vgl. Sato 1992, Okuaiyushobo 2002, Gemeinde Mishima 2004). Die Gemeinde hat mit der Idee des letzten Bürgermeisters das Konzept der „Heimat Bewegung“ vor 30 Jahren eingeführt. Es hat zu keiner besonders großen wirtschaftlichen Entwicklung in der Gemeinde geführt, aber die Bürger arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft und empfinden das Leben auf dem Land als gemütlich und lebenswert. Der jetzige Bürgermeister von Mishima erzählt, dass er die Philosophie des letzten Bürgermeisters übernommen hat. (M19 2006). Bei der „Heimat Bewegung“ gibt es Familien in der Gemeinde, die mit den Menschen aus der Stadt eine dauerhafte Beziehung pflegen, wie bei echter Verwandtschaft. Auf der anderen Seite bedienen manche Familien ihre Gäste zu aufmerksam, oder manche Gäste aus der Stadt erwarten zu viel von den Familien (vgl. Sato 1992). Dadurch ist bei vielen Familien die Aktion nicht dauerhaft machbar. Manche Bürger fühlen, dass durch die Aktion ihr Leben auf dem Land Stück für Stück von den Menschen aus der Stadt konsumiert wird (M21 2006). 1.3.2. Förderung der Erhaltung der traditionellen Technik und Kommunikation durch das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ Die Gemeinde Mishima führt neben der „Heimat Bewegung“ noch vier weitere Projekte mit den Themen saisonale Feste, ökologische Landwirtschaft usw. durch. Die Projekte zielen darauf ab, dass Bürger durch die Kommunikation in der Familie und in der Ortschaft das reiche Leben auf den Bergdörfern wieder schätzen lernen. Das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ ist ein Projekt davon. In den 1970er Jahren hat der damalige Bürgermeister angeregt durch die Idee des Professors Kiyoshi Miyazaki der Fakultät Technik der Universität Chiba, das Projekt vorgeschlagen, mit dem er durch das Projekt „Heimat Bewegung“ bekannt geworden war. Ein paar zuständige Beamte der Gemeindeverwaltung und die Handwerker haben die Aktionen angestoßen. Die Gemeinde hat 1981 die „Charta des Handwerks in Mishima“ 3 geschrieben (M10 2006, M2 2006, vgl. Gemeinde Mishima 2004, Okuaizushobo 2002). 235 In Japan fanden billige industriell gefertigte Haushaltswaren verstärkt seit den 1980er Jahren weite Verbreitung. Körbe, Siebe, Strohmatten, Strohsandalen, Strohumhänge usw., die man in den Bergdörfer zu Hause produziert und benutzt hat, verschwanden. Manche Familie haben solche handwerklichen Waren weiter genutzt, aber sie begannen, sich dafür zu schämen. Vor diesem Hintergrund entstand das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“. In Mishima haben die Menschen, die im Bereich des Handwerks Erfahrungen haben, durch das Projekt wieder angefangen, Handwerkswaren zu produzieren und viele Menschen, die keine Erfahrung hatte, haben neu damit begonnen (M2 2006, M15 2006, M21 2006). Die Gemeinde hat im Jahr 1986 ein Museum für Handwerk im Alltag gebaut, um das Handwerk vorzustellen und die Techniken weiterzugeben. Im Handwerksmuseum beraten die Handwerker Bürger und Besucher beim Flechten, holzverarbeitendem Handwerk und Töpfern und vermitteln ihnen die handwerklichen Techniken. Im Winter bieten sie Kurse im Handwerk an. Beim Flechten lehren und beraten die Handwerker beim Sammeln der richtigen Pflanzen für die Materialien und beim Erlernen der Produktionstechniken. Heute arbeiten ehemalige Schüler als Lehrer und die Technik ist weiter gegeben worden. Die Lehrer entwickeln moderne handwerkliche Produkte. Sie entwickeln auch eine neue Anwendung der heimischen pflanzlichen Materialien, z.B. der Rinde der Walnuß (Juglans mandshurica Maxim.) oder des Süßklees (Lespedeza) und den Hobelabfälle von Balsaholz (Anm.: von Blauglockenbaum: Paulownia tomentosa) usw., die man früher nicht für das Handwerk genutzt hat (M2 2006, M3 2006, M15 2006). Für das holzverarbeitende Handwerk sind Maschinen im Handwerksmuseum installiert und werden von den Bürgern für ihre Hobbys oder von Instrumentenbauern ständig genutzt (M21 2006, M11 2006). Im Museum arbeitet eine junge Handwerkerin als Lehrerin. Die Erwartungen der Bürger an sie bezüglich der Gemeindeentwicklung durch das Handwerk sind hoch (M1 2006, M21 2006). Sie bemüht sich um eine langfristige Entwicklung des Handwerks (M21 2006). Die Gemeinde hat sich durch das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ ein Profil mit dem Handwerk gegeben. Der heutige Bürgermeister denkt, die Weitergabe der Techniken, die heute verloren zu gehen drohen, nutzt nicht sofort, aber bestimmt in ein paar Jahrzehnten (M19 2006). 1.3.3. Wirtschaftliche Entwicklung durch das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ Die Gemeinde Mishima versucht auch, das regionale Gewerbe mittels Handwerk zu entwickeln. Die Handwerkslehrerin des Museums denkt, dass das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ langlebig ist, weil es deutlich mit Einkommen verknüpft ist (M21 2006). 236 In Mishima findet seit 1981 jedes Jahr im Handwerksmuseum eine Ausstellung von Handwerk für den Alltagsgebrauch statt. Bei der ersten Ausstellung kamen die wichtigsten Leute für den Erhalt des japanischen Handwerks durch die Vermittlung von Professor Miyazaki der Universität Chiba. Darunter waren z.B. Mitarbeiter des japanischen Volkshandwerks-Museums in Tokio (Anm.: The Japan Folk Crafts Museum in Tokyo), der Zentrale der japanischen Mingei Bewegung von Soetsu Yanagi (Anm.: Muneyoshi Yanagi), der Präsident von „Takumi“, des Ladens für Handwerk in Ginza in Tokio und von „Tatsumiya“, einem Großhändler von Handwerkswaren für die Kaufhäuser. Die Handwerker und angestellten Designer des Handwerksmuseums in Mishima haben mit der Beratung von diesen Leuten neue Entwürfe für handwerkliche Produkte entwickelt, besonders beim Flechten (Sato 1992, M20 2006). Das Museum hat im Jahr 1987 mit dem Thema Kommunikation zwischen Produzent und Nutzer das „Heimat-Aizu-Handwerkerfest vol.1.“ veranstaltet und angefangen, handwerkliche Produkte mit Schwerpunkt auf Flechtwaren zu verkaufen (Sato 1992). Bei diesem Fest haben vier heimische Handwerker und sechzehn Handwerker aus dem holzverarbeitenden Handwerk, der Töpferei usw. aus ganz Japan teilgenommen und es kamen 500 Besucher. In der Anfangsphase des Fests haben sich die Handwerker nicht nur auf ihren Warenverkauf und den Profit orientiert, sondern sie haben über ihre eigenen Werke auch kommuniziert (M15 2006, M18 2006). Regelmäßig veranstaltete Ausstellungen und Feste sind durch Mundpropaganda oder Zeitschriften bekannt geworden und so ist das Handwerk in Mishima in ganz Japan berühmt geworden. Besonders die Handtasche aus der Rinde des Wilden Weins hat einen Boom ausgelöst. Die handwerklich hergestellten Produkte haben sich gut verkauft. Heute werden 20 Stände von Privatleuten und Ortschaften aus der Gemeinde aufgestellt und es nehmen über 100 Handwerker und Kunsthandwerker aus Japan an dem Fest teil und verkaufen dort ihre Produkte. Die Anzahl der heimischen Handwerker, die Handtaschen aus der Rinde des Wilden Weines machen, betrug in der Mitte der 1990er Jahre nur 3 Personen, aber heute werden sie von ca. 50 Personen hergestellt (M1 2006). Die Besucher des Festes tragen häufig Handtaschen, die sie in der Vergangenheit gekauft haben. Besucher, die in der Vergangenheit schon ca. 10 Taschen gekauft haben, kaufen wieder zwei bis drei Tasche, wenn sie welche mit neuem Design finden (M9 2006, M10 2006). Die Besucher übernachten vor dem Tag des Festes vor Ort und bilden vor den Ständen der beliebtesten Handwerker vor der eigentlichen Öffnungszeit schon Schlangen. Die Besucher versuchen an die Produkte schneller als die anderen Besucher zu kommen. Die Produkte der berühmten Handwerker werden sofort nach der Öffnung des Festes vollständig verkauft. Die Besucher verhalten sich beim Einkauf wie im Schlussverkauf in einem Kaufhaus (M15 2006, M18 2006). 237 Die Gemeinde Mishima empfiehlt den Handwerkern, vor ihrem Haus Banner mit den Worten „Heimat des Handwerks“ stehen zu lassen und beim Eingang ihres Hauses ihre Handwerksprodukte zu präsentieren, damit die Besucher alltäglich mit der handwerklichen Produktion in Berührung kommen können. Aber es ist dabei schon passiert, dass Händler einen Tag vor dem Handwerkerfest in die Dörfer gekommen sind und alle Waren aufgekauft haben (M20 2006). Die meisten Läden in der Ortsmitte benutzen Handwerkswaren zur Dekoration ihrer Schaufenster neben ihren eigentlichen Verkaufswaren, damit die Kunden und Besucher alltäglich das Handwerk anschauen können, wie z.B. im Schaufenster eines Kosmetikladens, wo eine Tasche aus Lindenbast als Dekoration steht. Aber in der Ortsmitte ist kein Mensch auf der Straße zu sehen (M15 2006). Auch am Wochenende im Sommer, wo üblicherweise viele Menschen zum Einkaufen gehen, sind die Läden häufig zu oder es ist kein Verkäufer im Laden und man sieht keine Kundschaft oder Besucher. So war man mit der alltäglichen Präsentation und Vermarktung von handwerklichen Produkten nicht erfolgreich. 1.3.4. Vermehrung der Zahl der Handwerker und Verschlechterung der handwerklichen Waren In Mishima fangen immer mehr Menschen nach ihrer Pensionierung an, hobbymäßig handwerkliche Waren zu produzieren (M18 2006). Seit den späten 1990er Jahren werden sie von ca. 10 % der Bürger produziert. Die Handwerker mit hohen Fertigkeiten lehren im Handwerkmuseum alle Prozesse von der Produktion im Detail. Die Anfänger haben Vorkenntnisse mit dem Handwerk, weil sie in ihrer Kindheit zu Hause in ihren Familien die Produktion mitgekriegt haben. Deswegen lernen sie ganz schnell und ihre Fertigkeiten lassen sich sofort steigern. Aber mit der Vermehrung der Zahl der Handwerker bleiben seit um das Jahr 2000 herum viele der Produkte, die beim Fest verkauft werden sollten, übrig (M18 2006). In den letzten Jahren produzieren die Anfänger Produkte, die zwar eine auffällige Gestaltung haben, die sich gut zum Verkauf eignet, aber mit geringem Materialaufwand und durch schnelle Bearbeitung eine schlechte Qualität aufweisen. Viele Produkte mit schlechter Qualität werden beim Fest verkauft, aber die Kunde finden sie schön rustikal und billig und kaufen sie gerne. Auf der anderen Seite kann man Produkte mit höherer Qualität, die langlebig sind, wegen ihres vergleichsweise höheren Preises nicht mehr gut verkaufen (M1 2006, M18 2006, M11 2006). Die Handwerker müssen immer neue Produkte entwickeln, sonst können sie nicht mehr verkaufen (M5 2006). Im Handwerkermuseum kontrollieren die mitarbeitenden Handwerker alle Handwerksprodukte von Bürgern, ob sie verkaufsfähige Qualität haben. Wenn das Produkt eine zu grobe Qualität hat, beraten sie, wie man es verbessern kann (M20 2006). 238 Es gibt auch Anfänger, die zeitaufwändig und sorgfältig produzieren (M6 2006, M8 2006, M5 2006). Allgemein aber legt das Handwerksmuseum denselben Preis für Produkte von Handwerkern mit höheren Fertigkeiten und Produkten von Anfängern fest. Trotz Direktverkauf von Produzenten ist der Preis so hoch wie bei einer Galerie oder im Kaufhaus. Der Preis ohne Qualitätsbestimmung und Vermarktungsverstand ist von der Öffentlichkeit schwer akzeptierbar. Die Fachleute unter den Handwerkern, die in der Anfangsphase das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ unterstützt haben, haben Ratschläge für das Halten der Qualität und für Vermarktungsmethoden gegeben, aber die Gemeinde hat die Ratschläge als eine Behauptung von Händlern empfunden, die sie nur ausbeuten möchten. Die Kundschaft, welche die alten Nummern der Zeitschrift mit Berichten über das Handwerkerfest bestellt und gelesen haben und Kenntnis von gutem Handwerk haben, beschweren sich bei dem Verlag. Auf der anderen Seite vermehrt sich die Kundschaft, die billige Handwerkswaren kaufen möchte (M18 2006, M11 2006). Es ist üblich bei öffentlichen Projekten unter der Leitung einer Gemeinde oder eines Dorfes, dass aus Mangel an Finanzen kein Experte angestellt wird. Der zuständige Beamte hat übermäßig viele Aufgaben in verschiedenen Bereichen und versucht, sein Möglichstes für das Projekt zu tun. Er kann den Status quo aufrechterhalten, aber er kann das Projekt nicht weiter voranbringen. Es liegt an der Begrenzung der Fähigkeiten des Personals (M20 2006, M21 2006). Das Handwerkermuseum hat keinen Designer mehr angestellt. Wegen des Kostenaufwands gibt es keinen Plan, dass die Gemeinde einem Designer den Auftrag für den Entwurf oder die Vermarktung von Produkten gibt. Die Gemeinde zielt nicht darauf ab, mit dem Handwerk das Gewerbe entwickeln zu lassen. Sie denkt, wenn die Bürger nach der Pensionierung in der Gemeinde nebenbei Geld verdienen könnten, wäre das schon genug (M20 2006, M15 2006). Diese Tendenz sieht man auch im Nachbardorf Showa. Im Dorf Schowa gibt es ein Projekt zur Erhaltung des traditionellen Webens aus Karamushi, einem Brennnesselgewächs, (Boehmeria n. var. nipononivea). Das Dorf hat ein Handwerkermuseum und verkauft Stoff mit hoher Qualität. Es bezahlt aber den Weberinnen nur geringe Arbeitskosten und verkauft den Stoff zu einem hohen Preis. Der Stoff wird kaum verkauft. Auf der anderen Seite aber werden billige kleine Reiseandenken aus dem Stoff verkauft. In den Bergregionen erwarten die Bürger von den öffentlichen Projekten eine Verbesserung ihres Einkommens. Die Gemeinden und Dörfer, die im Zuge der Landflucht schwach geworden sind, sehnen sich danach, aber fühlen auch die Grenze ihrer Kräfte (M18 2006). Das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ in Mishima verfolgt heute sein eigentliches Ziel weniger, mit der Produktion von hochwertigen handwerklichen Waren traditionelle Technik zu erhalten und kommunikativ zu leben. Es ist aber auch kein 239 gewerbliches Produktionssystem von hochwertigen handwerklichen Waren aufgebaut worden (M18 2006, M11 2006). Die pflanzlichen Ressourcen, die Materialien für das Handwerk, sind immer weniger vorhanden oder ausgeschöpft worden. Drüber wird im folgenden Abschnitt geschrieben (Siehe „IV. - 1.5.2. Sammeln von pflanzlichen Materialien für das Handwerk im Nutzwald und im tiefen Wald“). 1.4. Handwerker, Technik und Werkstatt Sieben Handwerker, die in dieser Forschungsarbeit befragt worden sind, sind über 60 Jahre alt und wohnen in den Dörfern Irumagata, Magata, Asamata und Otani im Tal des Otani-Flusses in der Gemeinde Mishima. In den Dörfern haben die Bewohner vom Bergwald gelebt und zu Hause handwerkliche Techniken erhalten (M18 2006). Nicht alle mögen das Handwerk und haben entsprechende Fertigkeiten, aber in der Zeit, in der man aus Notwendigkeit die handwerklichen Waren produziert hat, hat jemand in der Familie, egal ob er handwerklich geschickt oder ungeschickt war, die Waren produziert (M6 2006, M8 2006). Heute sammeln die Handwerker die Materialien und produzieren die Waren neben der Landwirtschaft für die Selbstversorgung (M3 2006, M1 2006, M6 2006, M8 2006, M5 2006). Manche Handwerker, die in ihren 60ern sind, arbeiten in der Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft usw. (M6 2006, M8 2006). Es gibt unter den Handwerkern solche, die neben ihrer Produktion im Bergwald wie beim Köhlern der Holzkohle, immer auch handwerklich tätig waren und hohe Fertigkeiten entwickelt haben und solche, die nach ihrer Pensionierung mit dem Handwerk wieder angefangen haben oder solche, die damit neu angefangen haben. Die Handwerker mit hoher Fertigkeit sind heute über 75 Jahre alt. Sie haben in ihrem alltäglichen Leben die Handwerkswaren produziert und benutzt. Sie haben ihren Eltern oder Großeltern beim Produzieren zugekuckt und dabei haben sie den Arbeitsprozess gelernt (M2 2006, M3 2006). In einem anderen Fall hat eine Handwerkerin nach ihrer Heirat die Waren, die ihre Schwiegermutter produziert hat, auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt und so hat sie auch unbekannte Flechttechniken weiter kennen gelernt (M3 2006). So haben sich die Handwerker mit hoher Fertigkeit durch Beobachtung der Produktionsweise oder der Produkte des Vorgängers weitergebildet. Ihre feinen Fertigkeiten haben sie durch Versuche entwickelt (M2 2006, M3 2006). Die Waren von Handwerkern mit hoher Fertigkeit haben eine hohe Qualität und halten lang. Eine 60-jährige Anfängerin hatte Ende der 1990er Jahre Kurse des Handwerksmuseums besucht und mit der Produktion angefangen. Sie hatte keine Erfahrung mit dem Handwerk, aber sie hat schon Mal in ihrer Kindheit zu Hause bei der Produktion zugeschaut (M8 2006, M5 2006, M9 2006, M6 2006). 240 Die Produktion läuft ausschließlich in Handarbeit. Man kann ohne elektronische Geräte flechten und man konnte ursprünglich nur mit heimischen Materialien produziert (M21 2006). Hier werden zwei Beispiele über die Produktion von geflochtenen Handtaschen oder Schultertaschen aus der Rinde des Wilden Weins oder der Segge und mit Lindenbast (Anm.: Innenhaut von der Rinde der Linde), die viel in Mishima produziert werden, beschrieben. Flechten mit der Rinde des Wilden Weins: Die Rinde des Wilden Weins wird häufig ohne Kombination mit anderen Materialien alleine genutzt. Für eine kleine Handtasche sammelt man 3 kg Rinde. Aus ungefähr der Hälfte der Menge lässt sich gute Qualität gewinnen und nutzen (M1 2006, M6 2006). Man reibt die Rinde über einem Metallrohr oder mit einem Handroller weich und schneidet sie mit der Schere in die richtige Breite. Die Rinde ist getrocknet und zusammengezogen. Man lässt sie in heißem Wasser quellen und weichen. Dann flicht man mithilfe einer Holzform, die der Handwerker selbst geschnitzt hat die Form (M1 2006). Die Rinde wird mit der Zeit wieder trocken. Wenn man eine Tasche in einem Arbeitsgang fertig flicht, entstehen zwischen den Maschen Lücken. Deshalb lässt man sie nach dem Flechten von ein Paar Reihen einmal trocknen und schiebt dann die Lücken zu. Man flicht abwechselnd an mehreren Taschen gleichzeitig (M6 2006). Foto 5. Herr Fumio Igarashi flicht eine Handtasche aus Wildem Wein Flechten mit Seggen und Lindenbast: Man braucht kein Werkzeug für die Produktion von Handtaschen aus Seggen und Lindenbast. Man benutzt 20 m bis 40 m Seil aus Seggen für eine Handtasche. Dazu lässt man gebündelte und getrocknete Seggen im Wasser quellen und eine Nacht durch hängen. Dadurch werden die Seggen feucht und weich. Man nimmt in jede Hand zwei bis vier 241 Gräser und dreht daraus ein dünnes Seil mit ca. 3 mm Durchmesser. Die Seile aus Seggen werden miteinander verhäkelt. Häufig werden dünne gerissene Lindenbaststreifen oder Fasern des Akaso, einem Nesselgewächs (Boehmeria tricuspis), als Schuss beim Flechten mit eingedreht. Die Segge hat eine grüne Farbe, aber sie bleichen mit der Zeit bei der Nutzung der Produkte aus. Die meisten Lindenbaste haben eine rote Farbe, aber es gibt auch einige weiße. Man flicht Muster mit den Farben. Für den Griff oder den Schulterriemen dreht man drei Seile zusammen oder flicht sie (M3 2006, M5 2006, vgl. Okuaizushobo 2002). 6 7 8 Foto 6. Handtasche in Arbeit (von Frau Tomeko Funaki) Foto 7. Haus mit Werkstatt einer Handwerkerin Foto 8. Frau Setsuko Kubota mit Handtasche aus Segge und Lindenbast Manchmal wird eine Tasche aus Stoff in die Tasche aus der Rinde des Wilden Weines oder aus Seggen eingenäht. Dabei benutzt man eine Nähmaschine oder andere Werkzeuge zum Nähen (M2 2006, M3 2006). Die Handwerker produzieren in einer Werkstatt, die sie in ihrem Zuhause eingerichtet haben. Die Werkstatt ist ca. 10 ㎡ groß und liegt häufig in einer warmen Ecke im oder am Wohnzimmer. Manche Handwerker haben ihre Werkstatt in einer eigenen Hütte eingerichtet. Berühmte Handwerker bekommen viele Bestellungen von der Kundschaft. Die Bestellungen werden beim Handwerkerfest oder telefonisch aufgegeben. Ca. zehn 242 Kunden pro Werkstatt im Jahr kommen mithilfe einer Landkarte, auf der die Betriebe der Handwerker eingezeichnet sind und die von der Gemeinde herausgegeben wurde, direkt zur Werkstatt und bestellen dort Produkte. Mit den Informationen aus Fernsehen, Zeitschriften und durch Mundpropaganda bekommen die Handwerker von privater Kundschaft, Galerien und Läden aus ganz Japan Bestellungen. Das Handwerkermuseum präsentiert und verkauft die Waren mit dem Namen der Handwerker. Die Kunden erfragen im Museum die Handwerker und melden sich daraufhin bei ihnen (M1 2006, M5 2006). Es gibt manchmal Kunden, die selber produzieren möchten und dazu eine Werkstatt besuchen. Die Handwerker geben den Kunden die Materialien und lehren sie die Produktionsweise (M5 2006). Die Menge der Materialien, die ein Handwerker sammeln kann, ist begrenzt. Die Produktion ist feine Handarbeit und belastet die Augen der Handwerker. Sie ist zeitaufwendig. Deswegen kann ein Handwerker nur ca. 10 Handtaschen im Jahr produzieren. Viele Handwerker nehmen keine Bestellungen an und verkaufen so viel sie fertig haben (M2 2006, M3 2006, M1 2006, M8 2006, M6 2006, M9 2006). Es ist schwierig, dass junge Menschen mit dem Handwerk ihr Leben finanzieren. Man kann für die Produkte keinen adäquaten Preis für den Zeitaufwand erwarten (M2 2006). 1.5. Merkmale der Bergwaldnutzung in Mishima 1.5.1. Forstwirtschaft in Mishima und verlassener Nutzwald Die Fläche der Gemeinde Mishima ist ca. 9.000 ha groß. Die Waldfläche nimmt mit ca. 8.000 ha 88 % der Gemeindefläche ein (Mishima 2003). Um die Dörfer in der Gemeinde herum liegen Nutzwälder, in denen man die pflanzlichen Materialien für das Handwerk, Berggemüse und Pilze sammelt. Es gibt auch Zedernforste (M2 2006, M12 2006). In den Nutzwäldern wachsen vielfältige Baumarten, wie z.B. Buche (Fagus crenata, Blume), Eiche (Quercus mongolica), Kastanie (Aesculus turbinata, Blume), Edelkastanie (Castanea crenata), Erle (Alnus hirsuta, Turcz.), Japanische Zelkowe, (Zelkova serrata (Thunb.)), Japanische Großblättrige Magnolie (Magnolia obovata Thunb.), Walnuss (Juglans ailantifolia), Linde (Tilia japonica (Miq.) Simonk.), Berglack (Rhus trichocarpa, Mil.), Eberesche (Sorbus conmixta, Hedl.), Sachalin-Kirsche (Prunus sargenti,i Rehder), Japanischer Streifenahorn (Acer rufinerve, Sieb. et Zucc.) usw. (M12 2006, vgl. Nomoto 2005, Okuaizushobo 2004 (1999), Präfektur Fukushima 1987). Die Bäume der Nutzwälder sind für die Gewinnung von Holzkohle genutzt worden. Seit den 1960er Jahren sind die Nutzwälder mit der Verbreitung von fossiler Energie nicht mehr für die Holzkohleproduktion genutzt worden. Heute verwildern sie. In den tiefen Wälder, die weit entfernt der Dörfer liegen, wachsen hauptsächlich Buchen (vgl. Okuaizushobo 2004 (1999)). Dort werden manche Materialien für das Handwerk gesammelt und Tiere, wie 243 der Bär gejagt (M2 2006, M12 2006). Es gibt keine Wälder in Mishima, in denen aufrecht wachsende Laubbäume für den Möbelbau wachsen (M21 2006). In den Zedermonokulturen in Mishima wachsen die Bäume schnell. Die abgestorbenen Äste bleiben am Stamm und deshalb kann man von den Bäumen nur knotiges Holz gewinnen. Durch die abgestorbenen Äste gelangen Schädlinge in die Bäume. Sie sind nach dem Zweiten Weltkrieg gepflanzt worden, aber man hat sie nicht gut gepflegt. Man kann von den Wäldern kein gutes Holz ernten und der Preis für Holz ist allgemein niedrig. Die Waldbesitzer zeigen kaum Interesse an ihren Wäldern. Nur sehr wenige von ihnen pflegen ihre Wälder in Mishima. Die verlassenen Zedernwälder und Nutzwälder sind verwildert. Bei Sturm fallen die Bäume mitsamt der Wurzel um. Sie reißen so die Oberfläche des Bodens des Hanges weg, was zu Erosion führt. In den letzten Jahren sind Zedern auch auf den verlassenen Äckern und Reisfeldern angepflanzt worden und sie stehen ohne Pflege (M12 2006, M6 2006). Die Waldbesitzer, die heute noch ihre Wälder pflegen, haben Angst und ein schlechtes Gefühl, durch die verwilderten und dunklen Wälder von anderen Waldbesitzern zu ihrem eigenen Wald zu gehen, um ihn zu pflegen (M15 2006). Die staatlichen Wälder werden durch beauftragte Firmen gepflegt und Forstgenossenschaften pflegen öffentliche Wälder im Auftrag von Dörfern oder Gemeinden (M12 2006, M6 2006). 1.5.2. Sammeln von pflanzlichen Materialien für das Handwerk im Nutzwald und im tiefen Wald Die Handwerker sammeln die Materialien für ihr Handwerk im Bergwald. Die Handwerker mit hoher Fertigkeit sind in den Dörfern im Gebirge geboren und aufgewachsen. Sie wissen, wo die Pflanzen für die Materialien wachsen (M9 2006, M10 2006). Heute werden in Mishima Wilder Wein, Segge und Linde häufig für Flechtarbeiten angewendet. Die Merkmale für das Sammeln und die Verarbeitung von diesen drei Pflanzen zu Rohmaterialien sind folgende: Rinde des Wilden Weins (Vitis Coignetiae Pulliat.): Wilder Wein klettert mit seinen Ranken an den Bäumen hoch. Mit seinen breiten Blättern beschattet er das Laub des Wirtsbaumes und schadet ihm auf diese Weise. Er wächst in Nutzwäldern an Dörfern, aber heute nur in den tiefen Wäldern. Die Rinde des Wilden Weins wird in der Regenzeit im Juni schön, wenn die Esskastanien blühen und ist dann leicht abzuschälen. Man sammelt sie in dieser Zeit. Pflanzen, die über 20 Jahre alt sind, eignen sich für das Handwerk. Die gesammelte Rinde wird bis Oktober an einer gut durchlüfteten Stelle im Haus aufgehängt und getrocknet (M2 2006, M1 2006, M6 2006, vgl. Okuaizushobo 2004 (1999)). Nach der Ernte der Rinde entscheidet man, ob die Pflanze abgeschnitten wird, je nach dem Wachstum des Wilden Weins und dem Baum, 244 auf den er geklettert ist. Wenn man die Pflanze abschneidet, wächst eine neue Pflanze aus dem Stamm. Wenn man die Pflanze nicht abschneidet, bildet sie in ein paar Jahren eine neue Rinde (M2 2006, M1 2006). Foto 9. Kletterpflanzen (Wilder Wein: große Blätter u. Matatabi: weiße Blätter) In den Bergdörfern mit großem Waldbesitz sammelt man die Rinde des Wilden Weins heute noch in den Dorfwäldern. Die Handwerker haben in ihrer Kindheit in den Dorfwäldern im Gebirge gespielt, geangelt und Berggemüse und Pilze gesammelt. Mit den dabei gemachten Erfahrungen kennen sie die Vegetation vom Nutzwald bis zum tiefen Wald sehr genau. Sie kennen auch die Merkmale und das Verhalten von dem Wild, das von der Vegetation abhängig ist. Sie haben früher gewerblich Holzkohle geköhlert und die Wälder gepflegt. Sie tauschen heute noch alltäglich Informationen darüber aus, was für eine Pflanze, wann und wo sie gesammelt haben. Deshalb haben sie einen guten Überblick über das Wachstum einer jeden Pflanze in den Wäldern und sammeln sie effektiv. Sie achten darauf, dass sie den Nachschub an Rinde vom Wilden Wein nicht erschöpfen. Die Trauben des Wilden Weines ernähren die Bären. Deswegen achten die Handwerker beim Sammeln der Rinde darauf, dass sie die Pflanzen richtig behandeln und sie weiter Früchte tragen (M2 2006). Sie brauchen für das Sammeln der Rinde 20 bis 30 Tage. Sie laufen lange Strecken und sammeln die Rinde in den Bergwäldern. Es ist eine harte körperliche Arbeit. Die alten Handwerker sammeln mithilfe ihrer Familie oder Verwandtschaft (M2 2006, M1 2006). In den letzten Jahren haben viele Bürger in Mishima mit dem Flechten aus der Rinde des Wilden Weins angefangen. Seit den 1990er Jahren mangelt es in der Gemeinde an 245 Material dazu. Das Handwerkermuseum organisiert Touren für die Bürger, die keinen Wald besitzen, oder die keine Kenntnisse über den Wald haben, um die Rinde des Wilden Weins zu sammeln. Bei einer Tour nehmen ca. 50 Bürger teil. Sie fahren zu staatlichen Wäldern in der Nachbargemeinde oder zum Bandai-Berg, der 70 km von der Gemeinde entfernt liegt. Die Mitarbeiter des Museums lehren die Bürger, wie man die Rinde sammelt. Es ist aber schwierig, sich in den Wäldern, die man nicht kennt, zu orientieren und die Pflanzen zu finden. Außerdem suchen die Teilnehmer die Pflanzen wie in einem Wettkampf (M1 2006, M6 2006). Manche Bürger, die in der Ortsmitte der Gemeinde wohnen, sammeln die Rinde nicht selbst. Das Museum verkauft die Rinde an solche Leute. Die Rinde des Wilden Weins hat einen hohen Preis. Das Material für eine Tasche kostet ca. 60 Euro. Eine Tasche wird für umgerechnet ca. 90 Euro verkauft und damit hat der Produzent einen geringen Gewinn (M1 2006, M16 2006). In den letzten Jahren stehlen manche Leute die Materialien aus den Wäldern, die sie nicht besitzen, oder in denen sie kein Recht zum Sammeln von Materialien haben, obwohl sie keine Schwierigkeiten mit der Finanzierung haben (M18 2006). Foto 10. Ableger des Wilden Weins vom Handwerkermuseum Mit dem Mangel an Rinde vom Wilden Wein hat das Handwerkermuseum angefangen, ihn auf einem Acker probehalber anzubauen. Das Museum hat heimischen landwirtschaftlichen Betrieben den Auftrag erteilt, ihn unter der technischen Leitung des zuständigen Mitarbeiters des Museums anzupflanzen. Der Versuch wurde im Jahr 2002 246 angefangen und es gibt über die Qualität der Rinde noch keine Ergebnis 4 (M20 2006, M2 2006). Der Mangel an Wildem Wein in den Wäldern der Gemeinde ist seit den 1990er Jahren bekannt, aber es gab keine rechtzeitig eingeleiteten Maßnahmen dafür und binnen ein paar Jahren war diese Ressource in den 1990er Jahren erschöpft. Wenn der Anbau des Wilden Weines funktionieren würde, werden die Wälder in den Gebirgen weiter verwildern. Manche Bürger denken, dass der Aufbau eines neuen Systems für die Waldpflege mit den Aspekten und Erfahrungen der alten Handwerker, die nachhaltig die Pflanzen durch ihre Nutzung geschützt haben, dringend erforderlich ist (M18 2006). Segge (Miyamakansuge: Carex multifolia Ohwi): Die Segge, die für das Flechten benutzt wird, nennt man im Dialekt Mishimas „Hiroro“ 5. Die Segge ist ein Gras mit ca. 7 mm Breite und ca. 500 mm Höhe. Sie wächst wild an Bächen oder auf feuchten Stellen an den Wegen im Gebirge. Sie wird meist von Handwerkerinnen gesammelt. Sie sammeln die Pflanzen innerhalb von ca. 2 km Entfernung von ihrem Haus auf privaten Grundstücken oder auf der Dorfallmende. Foto 11., 12. Frau Tomeko Funaki sammelt und trocknet Seggen Sie sammeln die Pflanzen alleine und brauchen ca. eine Stunde pro Tag und drei Tage pro Jahr zum Sammeln des Materials, was sie in einem Jahr verarbeiten. Sie sammeln die Seggen Anfang September an sonnigen Tagen. Nach Mitte September wird die Segge hart, deswegen muss man sie vorher sammeln. 247 Beim Ernten haltet die Handwerkerinnen mit ihren Füßen den Büschel am Boden fest und ziehen von den einzelnen Pflanzen 5 bis 6 Blätter ab. Damit bleibt der Büschel und die Wurzel unbeschädigt und wächst jedes Jahr wieder. Nach dem Ernten lassen sie die Gräser sofort an einem sonnigen Platz trocknen. Wenn sie mit dem Regen feucht werden, werden die Fasern schwach. Deswegen passen sie auf, dass die Gräser nicht vom Regen nass werden. Nach dem Trocken haben die Gräser eine hellgrüne Farbe. Wenn man sie zu Hause an eine gut durchlüftete Stelle hängt, kann man sie mehrere Jahre lang benutzen (M3 2006, M8 2006, M5 2006, M9 2006). Als man noch durch die Produktion von Holzkohle oder durch Brandrodung an den Hängen, die Äcker und Flächen am Gewässer erweitert hat, lag um die Bergdörfer eine Graslandschaft. Damals hat sich die Segge weiter verbreitet als heute. Seit man die Grundstücke verlassen hat, sind andere Pflanzen überlegen. Durch die Aufforstung mit der Zeder wachsen heute so viele Bäume, dass man das Profil des Berges nicht mehr sieht. In den letzten Jahren haben viele Bürger die handwerkliche Produktion mit der Segge angefangen und die Pflanzen sind übermäßig genutzt worden. So ist der Büschel der Seggen, der früher groß war, heute klein und schwach (M10 2006, M9 2006, Sato 2006). Lindenbast (Tilia japonica (Miq.) Simok.): Lindenbast ist in den Regionen in Nordjapan zu Umhängen, Sandalen, Seilen, Stoffen usw. verarbeitet worden (vgl. Nomoto 1987, S.337-339). In der Präfektur Niigata und in der Präfektur Yamagata gibt es die sog. Shinaori-Weberei aus Lindenbast (M3 2006, M8 2006). Man nennt den Lindenbast im Dialekt Mishimas „Mowada“. Er wird im Juni in der Regenzeit gesammelt. Man sucht den Baum im Bergwald und holzt ihn ab. Linden entwickeln sich zu großen Bäumen, aber große Linden haben eine harte Rinde. Deswegen nimmt man für die Gewinnung von Bast junge Bäume mit ca. 12 cm Durchmesser. Nach dem Abholzen nimmt man die Rinde ab und lässt den Baum im Wald liegen. Man lässt die Rinde in einem Teich im Garten oder in Wasserkanälen von Reisfeldern ca. 20 Tage lang unter Wasser liegen. Dann werden die Bastschichten eingeweicht und lassen sich leicht von der Rinde trennen. Man nimmt ein paar Bastschichten ab und lässt die Rinde wieder 10 Tage lang unter Wasser liegen. Danach macht man die nächsten Schichten ab. Wenn man das mehrfach wiederholt, bleibt nur noch die bröckelige Borke übrig. Die Baste werden in gut durchlüfteten Stellen im Haus aufgehängt und dann für das Flechten benutzt (M3 2006, M8 2006, M5 2006). 248 13 14 Foto 13. Frau Suiko Kuriki nimmt die Bastschichten ab Foto 14. Getrocknete Bastschichten In den letzten Jahren haben viele Bürger angefangen, mit Lindenbast zu flechten. Dadurch gibt es heute wenige Linden in den Bergwäldern. Man muss lange Strecke in den Wäldern im Gebirge zurücklegen, um einen geeigneten Baum zu finden und es ist eine anstrengende Arbeit. Manche Dörfer in der Gemeinde haben sich eine Regel gegeben, z.B. dass jeder Handwerker im Jahr nur eine Linde im Wald der Dorfallmende fällen darf. Das Fällen ist trotz des geringen Stammdurchmessers für ältere Menschen eine gefährliche Arbeit, besonders dann, wenn die Bäume in steiler Hanglage stehen. Früher haben das die Ehepaare zusammen gemacht. Heute macht das für die alten, oft über siebzigjährigen Handwerker ein Familienangehöriger oder jemand aus der Verwandtschaft hilft beim Fällen der Bäume (M3 2006, M8 2006). Wie erwähnt, hat sich der Bestand der Gräser und Kräuter für die Rohmaterialien des Handwerks verringert, aber dennoch werden sie noch heute jedes Jahr gesammelt. Bei den Pflanzen, die lange Zeit zum Wachsen brauchen, wie Kletterpflanzen, z.B. der Wilde Wein, Matatabi usw., oder der Linde, sind die Bestände auffällig verringert worden oder bei manchen Dörfern erschöpft. 249 1.6. Produktion und Verbrauch von handwerklichen Waren 1.6.1. Das Bewusstsein von Handwerkern und Bürgern gegenüber der Produktion von Flechtwaren Die Handwerker mit hoher Fertigkeit machen ihre Arbeit gerne und bis heute haben sie weiterhin Handwerkswaren produziert. Sie sind glücklich bei der Produktion, wenn sie eine neue Gestaltung entwerfen, sich die fertigten Werke vorstellen oder bei dem Gedanken daran, wie sich die Kunden darüber freuen. Sie produzieren mit großem Aufwand und hoher Qualität. Die Arbeit ist nicht einfach und man muss Geduld haben. Sie denken, wenn man nur für den Verkauf produzieren möchte, kann man nicht weiter arbeiten. Es gibt auch Handwerker, die ihre Waren nicht verkaufen, sondern nur für ihr Alltagsleben produzieren (M3 2006, M1 2006). Man sieht in Mishima die Pflanzen für das Handwerk tagtäglich neben der Landarbeit. Sie sind für alle Leute etwas Gewöhnliches und jeder kann sie sammeln. Für die handwerkliche Produktion braucht man kein Wergzeug und das macht auch den Einstieg in das Handwerk leicht. Die Bürger wissen, dass man mit dem Verkauf von handwerklichen Waren etwas Taschengeld dazuverdienen kann. Deswegen ist die Produktion und der Verkauf von Handwerkswaren trotz des vergleichsweise geringen Gewinns attraktiv (M21 2006). Im Winter hat man keine Arbeit auf den Feldern und die Produktion hilft auch gegen Langeweile (M6 2006, M5 2006). So haben viele Bürger in Mishima mit dem Handwerk angefangen. Manche Handwerker wünschen, gemeinschaftlich zu arbeiten, weil die Arbeit allein zu Hause doch einsam ist. Aber der viele Schnee verhindern diese Möglichkeit (M1 2006, M8 2006). Die Handwerker verkaufen ihre Waren gern durch die Kommunikation am Handwerkerfest direkt an die Kundschaft. Viele Kunden kommen jahrelang zum Fest. Die Handwerker mögen es, sich mit solchen Stammkunden zu unterhalten (M8 2006, M15 2006). Der Großteil der Kunden sind alte Menschen. Die Handwerker denken, dass die jungen Menschen lieber im Kaufhaus die prächtigen industriell gefertigten Waren kaufen möchten (M5 2006). 1.6.2. Aufbau einer Marke für Flechtwaren Das japanische Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie zertifiziert traditionelle Handwerkswaren für die Gewerbeentwicklung mit traditionellen handwerklichen Techniken oder Fertigkeiten in den Regionen 6. Die Gemeinde Mishima hat zum Ende der 1990er Jahre in ihrem Konzept mit der handwerklichen Produktion nicht nur wie bisher gesellschaftliche und pädagogische Aspekte, sondern auch wirtschaftliche Aspekt eingefügt. Sie empfiehlt darin den Bürgern, ihre Produkte durch das Handwerkermuseum zu verkaufen. Die Gemeinde hat im Jahr 2001 mit den Mitgliedern von in und außerhalb der Gemeinde „Arbeitsgruppen für das Handwerk für den Alltagsgebrauch“ gegründet 250 und 170 Personen sind Mitglied (Stand 2006). Im Jahr 2003 haben sich 130 Handwerker als „Arbeitsgruppe für die Entwicklung des Flechtens in Okuaizu“ zusammengeschlossen und für das Flechten in Mishima das Zertifikat für traditionelles Handwerk vom Ministerium bekommen (M20 2006). In Mishima werden alle Flechtenwaren von den Bürgern beim Handwerkermuseum kontrolliert und die Preise dafür bestimmt (M1 2006). Die Waren mit einer hohen Qualität bekommen das Gütesiegel des traditionellen Handwerks. Beim Museum beraten Handwerker mit hoher Fertigkeit bei der Kontrolle der Qualität von Materialien und Verarbeitung (M2 2006). Das Museum verbietet den Bürgern aus Gründen des Preisschutzes, ihre Waren zu einem niedrigeren Preis, als dem, vom Museum bestimmten, zu verkaufen (Anm.: das funktioniert nach den Mechanismen des Gruppenzwangs). Die Handwerker finden es nicht angenehm, obwohl sie mit großem Aufwand ihre Waren produzieren, ihrer Kundschaft, die extra von weit entfernten Orten zu ihnen gefahren kommen, ihre Waren für einen hohen Preis zu verkaufen. Allerdings erzählen die Handwerker, dass ihre Kundschaft nicht erwartet oder wünscht, ihre Waren billiger zu kaufen, weil ihnen der Aufwand der Handwerker bei der Produktion bekannt ist (M1 2006, M8 2006, M5 2006). Die Gemeinde achtet auf den Aufbau von Marken des Handwerks und den Preis. Auf der anderen Seite hat das Handwerkerfest eine Atmosphäre wie ein Flohmarkt und im Museum und im Regionalladen in der Raststätte an der Autobahn werden die Waren unprofessionell präsentiert. 1.6.3. Verkauf von handwerklichen Waren am Handwerkerfest und das Bewusstsein der Kundschaft Hier wird über den Verkauf von handwerklichen Waren beim „Heimat-Aizu-Handwerkerfest vol.20.“ im Jahr 2006 und das Ergebnis der dabei durchgeführten Kundenbefragung geschrieben. Beim „Heimat-Aizu-Handwerkerfest vol.20.“ waren 144 Stände aufgebaut. Davon sind 27 Stände von den Bürgern und Bürgergruppe aus der Gemeinde hauptsächlich mit Flechtwaren bestückt. 117 Stände sind von Handwerkern, die aus ganz Japan kommen und Produkte aus dem holzverarbeitenden Handwerk, Töpferwaren, Kunstglas und Textilien feilbieten 7 (vgl. Gemeinde Mishima 2006b). Das Festgelände ist ein Platz mit einer Wiese und eine Parkanlage mit Bäumen rund um das Handwerkermuseum. Die Handwerker legen ihre Waren auf einen Tisch, auf provisorische Regale oder legen sie auf einer blauen Plastikplane aus und verkaufen sie. Das Fest fängt um 9 Uhr früh an, aber viele Kunden sind schon auf dem Gelände und lassen sich bei den Handwerkern die Waren reservieren, die sie haben möchten. Das Fest 251 findet an einem Samstag und Sonntag statt. Am Mittag des Samstags ist es am besten besucht. Am Sonntag locken auch Veranstaltungen, wie z.B. ein Seil-dreh-Wettbewerb und Tombola-Spiel usw. viele Besucher. Das Wochenende, an dem die Befragung durch die Autorin stattgefunden hat, war sonnig und es kamen insgesamt ca. 10.000 Besucher. Häufig beobachtet man darunter 50-jährige Frauen mit ihrer Freundschaft oder ihrer Familie 8. Man sieht auch junge Ehepaare mit kleinen Kindern. In dieser Forschungsarbeit werden 19 Besucher in der Altersgruppe 20 bis 60 über das Handwerk und die Materialien für das Handwerk befragt 9. Die Befragten sind meist Frauen. Die Hälfte von ihnen sind Hausfrauen oder Rentnerinnen und die andere Hälfte ist berufstätig. Die Hälfte von ihnen kommt von weit her und die andere Hälfte aus der Nachbarschaft der Gemeinde. Die Befragten, die sich für das Handwerk interessieren sind über 40 Jahre alte Frauen. Ihre Männer, Familien, Freunde oder die Arbeitskollege sind mit den Befragten gekommen. Die Männer, die mitgekommen sind, haben kein Interesse am Handwerk. Die jungen Frauen mit kleinen Kindern genießen ein Wochenende auf dem Fest mit ihrer Familie. Sie kaufen für ihre Kinder handwerklich gefertigte Spielzeuge, aber sie haben ein geringes Interesse am Handwerk. Die Hälfte der Befragten ist zum Fest gekommen, weil sie vielfältige handwerkliche Waren anschauen möchten. Die anderen Befragten suchen bestimmte Waren, besonders viele von ihnen suchen eine Tasche aus der Rinde des Wilden Weins. Die Hälfte der Befragten haben eine Tasche für umgerechnet ab ca. 100 bis 300 Euro gekauft. Die andere Hälfte hat meist mehrere billige Waren kombiniert und ca. 100 Euro ausgegeben. Viele Befragte haben schon ihre Kinder groß gezogen und haben einen finanziellen Spielraum. Viele kennen die Preise der Waren schon vor dem Fest. Die Befragten haben die Waren für den alltäglichen Gebrauch gekauft. Die meisten Befragten haben die Waren gekauft, weil sie das Handwerk mögen. Die Hälfte von ihnen schätzt die Fertigkeit der Handwerker und macht sich eine Vorstellung von dem Arbeitsaufwand der Handwerker. Die andere Hälfte mag das Handwerk allgemein. In Mishima kann man die Werkstätte von den Handwerkern besuchen, aber nur eine der Befragten hat schon einmal eine dieser Werkstätten besichtigt. Die meisten Befragten interessieren sich nicht für die Werkstatt. Die Hälfte der Befragten hat die Waren gekauft, weil sie die Naturmaterialien mögen. Die meisten von ihnen mögen allgemein Naturmaterialien. Manche Befragte haben die Waren gekauft, weil die Gestaltung von den Waren zum Geschmack ihrer Kleider oder ihrer Zimmereinrichtung passt. Die Hälfte der Befragten hat schon einmal Pflanzen für die Materialien des Handwerks gesehen. Sie haben aber kein Interesse an der Herkunft der Materialien. Die Hälfte der Befragten, die nie die Pflanzen für die Materialien des Handwerks gesehen haben, hat 252 kein Interesse an den Materialien. Die Hälfte der Befragten bewertet ihren Eindruck von Mishima positiv, weil es hier reiche Natur gibt. Aber im Vergleich mit den oben erwähnten Antworten kann man vermuten, dass sie die Natur nicht als die Bergwälder, in denen die Pflanzen für das Handwerk wachsen, wahrnehmen. Die Hälfte der Befragten hat zum ersten Mal das Fest besucht. Die andere Hälfte hat schon ca. 5 Mal das Fest besucht. Die meisten Befragten schätzen das Fest, weil man vielfältiges Handwerk anschauen kann. Die meisten Befragten sind nur für das Fest nach Mishima gekommen. Wenige haben die Gegend als Touristen angeschaut. Die meisten der Befragten möchten die Handwerkswaren, wie sie auf dem Handwerksmarkt in Mishima angeboten werden, nicht im Alltag kaufen. Sie sagen, diese Waren seien im Kaufhaus oder in der Galerie teuer. Das bedeutet, dass die Handwerkswaren von den Befragten als Luxusgüter und nicht als Gebrauchswaren angesehen werden, wie es ursprünglich einmal war. 1.7. Das Bewusstsein über Produktion und Verbrauch von handwerklichen Waren -Aspekte der Handwerker, Waldpfleger, Beamten, Verleger von Zeitschriften der regionalen Kultur und Verbraucher In dieser Forschungsarbeit wird nach dem Grund gesucht, warum heute noch handwerkliche Waren produziert, verkauft und verbraucht werden. 35 Personen sind befragt worden. Davon sind 7 Personen in der Altersklasse der 60- bis 70-jährigen Handwerker von Flechtwaren, eine 40-jährige Weberin, eine 50-jährige Schmuckkünstlerin, ein 30-jähriger Instrumentenbauer, der mit Holz arbeitet, eine 20jährige Schreinerin und gleichzeitig Beraterin des Handwerkermuseums, eine 50-jährige Beamtin des Handwerkermuseums, ein Beamter und ehemaliger Projektbetreuer des Projekts „Handwerk für den Alltagsgebrauch“, der Bürgermeister, ein 40-jähriger Waldpfleger, eine 40-jährige Verlegerin einer Zeitschrift für regionale Kultur, 19 Verbraucher vom Handwerkerfest. Über das Bewusstsein der Handwerker für die Produktion von Flechtwaren und das Bewusstsein von Verbrauchern für den Verbrauch von handwerklichen Waren beim Handwerkerfest sind im letzten Abschnitt schon Betrachtungen angestellt worden. In diesem Abschnitt werden die oben erwähnten Informationen und auch das Bewusstsein bei den Handwerkern von verschiedenen Handwerkern, Beamten usw. zusammen dargestellt. Hier wird nach ihren Antworten in zwei Typen unterschieden. Typ 1 hat primär die Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur oder Umwelt in der Gemeinde im Kopf, Typ 2 primär den eigenen Vorteil. Mehrfachnennungen sind möglich und so kann es sein, dass eine interviewte Person zu mehreren Typen gerechnet wird. Die Anzahl in Klammern bezieht sich aber auf die Anzahl der Befragten und nicht auf die Antworten. 253 Typ 1 sind häufig Antworten von Beamten, Waldpflegern, Schreinerinnen, Instrumentenbauern, Verlegerinnen und ein paar wenigen Verbrauchern. Sie wünschen eine nachhaltige gesamte Entwicklung der Gemeinde mit Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Umwelt durch Produktion und Verbrauch der handwerklichen Waren aus heimischen pflanzlichen Materialien. Sie teilen die Erfahrung, außerhalb der Gemeinde gelebt zu haben, oder sie haben häufig Kontakte nach außen. Unter Typ 2 finden sich Antworten von Handwerkern für Flechtwaren und die meisten Verbraucher. Type 1: Für Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Umwelt in der Gemeinde (13 Personen) • Für Gesellschaft und Wirtschaft in der Gemeinde (8 Personen) Vier Personen, davon drei von der Gemeindeverwaltung und eine Verlegerin, fördern die Produktion und den Verbrauch der handwerklichen Waren, weil sie davon wirtschaftliche Entwicklung in der Gemeinde erwarten. Vier Verbraucher schätzen den Aufwand der Handwerker, mögen die Kommunikation mit ihnen und möchten die Waren langfristig mit Liebe benutzen. • Für Kultur (6 Personen) Sechs Personen, zwei von der Gemeindeverwaltung, eine Weberin und eine Verlegerin und zwei Verbraucher möchten die handwerklichen Fertigkeiten und Kultur erhalten. • Für Schutzwald (2 Personen) Zwei Personen, ein Waldpfleger und eine Verlegerin denken, dass Maßnahmen für den Aufbau nachhaltiger Waldpflege durch die Produktion von handwerklichen Waren erforderlich sind. • Ökologisch (2 Personen) Eine 20-jährige Schreinerin und gleichzeitige Beraterin des Handwerkermuseums schätzt die intraregionale Ressourcennutzung durch die Produktion der handwerklichen Waren mit den heimischen Pflanzen. Sie findet die Arbeitsweise, besonders beim Flechten, für die man keine elektrischen Geräte braucht, belastet die Umwelt wenig. Ein Verbraucher begeistert sich mit den Fertigkeiten von Handwerkern und dafür, dass sie von der Natur die Ressourcen gewinnen und sie alle Prozesse von der Sammlung des Materials bis zur Produktion von Waren alleine schaffen. Type 2: Für den eigenen Vorteil (24 Personen) • Handwerkliche Produktion (11 Personen) Alle elf Handwerker haben als Grund für ihre handwerkliche Produktion genannt, dass sie Handarbeit mögen • Handwerkliche Waren (8 Personen) Acht Verbraucher haben die Waren gekauft, weil sie handwerkliche Waren mögen. 254 • Naturmaterial (11 Personen) Elf Verbraucher haben die Waren gekauft, weil sie Naturmaterialien mögen, aber wie oben erwähnt, mögen sie allgemein Naturmaterialien. Bei der Befragung hat niemand auf die Herkunft der Materialien geachtet, außer einer Befragten, die denkt, dass die importierten Naturmaterialien nicht mit dem Klima in Japan passen. • Gestaltung (5 Personen) Fünf Verbraucher haben die Waren gekauft, weil deren Gestaltung geschmacklich mit ihren Kleidern oder mit ihrer Zimmereinrichtung passt. 1.8. Das Bewusstsein über Verwendung von pflanzlichen Materialien und heimischem Bergwald -Aspekte der Handwerker, Waldpfleger, Beamten, Verleger von Zeitschriften der regionalen Kultur und Verbraucher Wie unter Punkt „IV. - 1.7. Das Bewusstsein über Produktion und Verbrauch von handwerklichen Waren“, wurden in der Forschungsarbeit 35 Personen über ihre Gedanken über Verwendung von pflanzlichen Materialien aus dem heimischen Bergwald befragt. Wie oben erwähnt, werden in Mishima für das Handwerk, besonders beim Flechten sowohl die Pflanzen aus heimischen Bergwäldern als auch Pflanzen von außerhalb der Gemeinde verwendet. Das hängt davon ab, ob die Handwerker in dem Bergdorf aufgewachsen sind und hohe Fertigkeiten mit dem Handwerk haben, oder ob sie Anfänger sind. Auch bei den Sorten der Pflanzen gibt es zahlreiche Unterschiede bezüglich ihrer Herkunft. In Mishima ist es sehr unterschiedlich, woher die einzelnen Handwerker ihre Materialien bekommne, sodass in diesem Kapitel nicht weiter differenziert werden kann, sondern die Antworten von allen Fällen zusammengefasst werden. Die Antworten werden in drei Kategorien geteilt. 16 der Befragten achten beim Wald auf physische Beziehungen, wie unter Aspekt 1, „Wald mit der Nutzung“ und Aspekt 2: „Schutzwaldpflege“. Neun Befragte haben eine psychische Verbindung zum Wald geschildert. Sechzehn Befragte, besonders die Verbraucher, haben kein Interesse am Wald. Aspekt 1: Wald mit der Nutzung (11 Personen) Zwei Handwerker von Flechtwaren leben von der Nutzung pflanzlicher Materialien aus dem heimischen Bergwald, weil sie bescheiden sind und kein Bargeld für Lebensmittel und Wohnen ausgeben. Sie möchten die Handwerkswaren produzieren, so lange sie im Bergwald laufen können und die Materialien sammeln können. Sie betrachten das Handwerk in ihr Leben im Gebirge integriert. Auf der anderen Seite denken fünf Handwerker, die meist nach ihrer Pensionierung mit dem Flechten angefangen haben, 255 wenn man handwerklich etwas produzieren möchte, geht man natürlich zum Bergwald. Sie finden das Sammeln von Materialien im Bergwald nicht schlecht. Von neunzehn befragten Verbrauchern haben vier Interesse am Bergwald, wo die Pflanzen für die Materialien des Handwerks wachsen. Elf Verbraucher haben niemals die Pflanzen für die Materialien des Handwerks gesehen. Von diesen wünschen sich drei sie zu sehen. Von diesen findet eine die Technik der Materialgewinnung aus der Natur erhaltenswert und möchte selbst mitmachen. Eine ist skeptisch gegenüber der Materialnutzung aus dem Wald und äußert, „wenn man die Rinde des Wilden Weins abmacht, stirbt die Pflanze. Es ist eine Zerstörung der Natur und es ist schwer es anzuschauen. Auf der anderen Seite sagt man auch, der Wilde Wein klettert und tötet den Baum“. Aspekt 2 : Schutzwaldpflege (5 Personen) Fünf Befragte, davon drei Beamte, ein Waldpfleger und eine Verlegerin, denken, für die Erhaltung von Bergwäldern muss man ein neues System zur Nutzung von den Ressourcen aus den Wäldern aufbauen. Aspekt 3 : Psychische Verbindung mit dem Wald (9 Personen) Die meisten Handwerker von Flechtwaren, die „Aspekt 1: Wald mit nachhaltiger Nutzung“ genannt haben, haben auch eine psychische Verbindung mit dem Wald. Zwei Handwerker mit hoher Fertigkeit haben in ihrer Kindheit im Bergwald gespielt und haben mit der Nutzung der Ressourcen aus dem Bergwald ihre Leben verbracht. Sie gehen gerne in den Bergwald, die Pflanzen für die Materialien des Handwerks zu sammeln. Ein Handwerker hat in seiner Werkstatt ein Schild mit den Wörtern, „Lieber Bär, bitte gib mir ein wenig von den Ranken des Wilden Weins. Wenn ich fertig mit flechten bin, zeige ich es Dir“. Vier Handwerker von Flechtwaren arbeiten noch für die Selbstversorgung auf den Reisfeldern und Äckern, weil sie die Flächen von ihren Ahnen geerbt haben und nicht verwildern lassen möchten. Allerdings arbeiten sie gerne auf dem Land und sind vom Wachstum der Pflanzen fasziniert. Sie lieben die Ähren der Reispflanzen und finden es langweilig, nur im Haus zu sitzen und zu flechten. Eine Weberin, die in Tokio aufgewachsen ist und im Nachbardorf Showa das Karamushi-Weben gelernt hat und weiter in Mishima lebt, ist bewegt vom Leben der Menschen hier mit ihrer reichen Natur des Gebirges und dem Geist des Handwerks. Sie kann sich nicht mehr vorstellen, wieder in der Stadt zu leben. Sie denkt, wenn man das Handwerk, das mit dem Leben fest verbunden ist, wirtschaftlich nutzen möchte, wird zu viel gefordert. Ein Beamter und eine Verlegerin möchten die Ressourcenutzung aus dem Bergwald, obwohl sie als Notwendigkeit des schlichten Lebens in der Vergangenheit entstanden ist, als Historie dieses Landes erhalten. 256 Ohne Bewusstsein mit dem Wald (16 Personen) Eine Schmuckhandwerkerin, die Anfängerin ist und in der Ortsmitte lebt, kauft die Materialien für das Handwerk ein und hat kein Interesse am Sammeln von Materialien im Bergwald. Ein Beamter engagiert sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung von handwerklicher Produktion und versucht, auf dem Acker die Pflanzen für das Material zu kultivieren. Die meisten Verbraucher betrachten die Handwerkswaren als „Produkte“ und sie haben kein Interesse an den Materialien oder dem Herstellungsprozess. Bei der Kundenbefragung haben vierzehn Verbraucher von neunzehn befragten sich nicht für den Bergwald, wo die Pflanzen für die Materialien des Handwerks wachsen, interessiert. Neun Verbraucher von neunzehn befragten haben schon Mal die Pflanzen gesehen 10 , aber alle haben kein Interesse an der Herkunft des Materials für das Handwerk. Zehn Verbraucher haben niemals die Pflanzen gesehen 11 und fünf von diesen haben kein Interesse an der Herkunft des Materials für das Handwerk. Sie sind in der Stadt aufgewachsen und äußern, dass ihr Interesse nicht bis zur Herkunft des Materials reicht, man solle die Besorgung der Materialien Einheimischen überlassen oder man möchte nicht in den Bergwäldern dem Bär begegnen. Die Handwerker mit hoher Fertigkeit verstehen den Prozess des Handwerks ab dem Sammeln des Materials bis zum Flechten als „einen Teil ihres Lebens“. Auf der anderen Seite verstehen die Anfänger des Flechthandwerks das Handwerk als „Einkommensmöglichkeit mit Freizeitnutzung“. Sie beachten das nachhaltige Sammeln von Seggen, aber der Bestand an Linden ist kurz vor der Erschöpfung. Die Bestände an Wildem Wein ist schon in den meisten Wäldern der Gemeinde ausgeschöpft, aber die Befragten denken, man kann ihn natürlich auch woanders, in Wäldern außerhalb der Gemeinde sammeln. Den Handwerkern mit hoher Fertigkeit und den Anfängern ist bewusst, dass sich wegen der Vermehrung der Zahl der Handwerker und des Verwilderns von Nutzwäldern, die Pflanzen für die Materialien des Handwerks in der Gemeinde verringern, aber sie äußern ihre Meinungen darüber nicht. In der Forschungsarbeit von Miyazaki et al. aus den Jahren 1991 und 1997 werden die lebendigen Aktionen und Diskussionen von den Handwerkern mit hoher Fertigkeit mit dem Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ dokumentiert (Miyazaki, Mitsuhashi u. Nishimaki 1991, Miyazaki, Saito u. Mitsuhashi 1997). Allerdings ist bei der Befragung von Lee et al. im Jahr 2003 herausgekommen, dass die Bürger denken, dass das Problem mit der Erschöpfung der pflanzlichen Ressourcen durch politische Maßnahme gelöst werden soll (Lee, Miyazaki u. Ueda 2003). 257 Zum Zeitpunkt dieser Forschungsarbeit produzieren die Handwerker mit hoher Fertigkeit die Handwerkswaren zwar immer noch, aber sie sind schon alt und leiten das Projekt nicht mehr. Es gibt keine neuen leitenden Personen des Projektes. Nicht nur bei der Problemlösung für den Ressourcenschutz, sondern durch das gesamte Projekt scheint es so, als erwarte man die Antriebskraft für das Projekt von der Gemeindeverwaltung. Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 258 Diese Art von Balsaholz war bis in die 1960er Jahre sehr wertvoll und hatte für Mishima eine große wirtschaftliche Bedeutung. Es wurden daraus Möbel für edle traditionelle Seidenkimonos gefertigt, weil diese sich darin gut lagern lassen. In den 1960er Jahren konnte man für einen 30-jährigen Baum für zwischen 1Mio und 6Mio jap. Yen verkaufen. Das sind nach heutigem Wert zwischen 6000 und 36.000 Euro. Durch die Ölkrise 1973 verringerte sich die Nachfrage. Dazu kam billiges Importholz. Vor der Ölkrise wurde die Hälfte der Nachfrage Japans aus der Region Aizu gedeckt. Heute ist der Anteil auf 3% gesunken (vgl. M12 2006). Über das Sammeln und die Verarbeitung von Wildtrauben, Seggen u. Lindenbast wird geschrieben im Kapitel 6.5.2. “Sammlung von pflanzlichen Materialien für das Handwerk im Nutzwald und im tiefen Wald“. Darin steht: „mit Familien und Nachbarn in der Runde sitzen; die Materialien aus der Umgebung verwenden; traditionelle Techniken aus Großvaters Zeiten anwenden; Waren für den Alltagsgebrauch herstellen; authentische und im Alltag nützliche Waren herstellen; als Ausdruck der Lebensfreude herzlich produzieren; im Alltag benutzen; gestalten wir unsere Lebensräume eigenhändig!“ Die Stecklinge werden im Gewächshaus vorbereitet. Ca. 1000 Pflänzchen davon wurden auf einem Acker im Hochland der Gemeinde eingepflanzt. Die Pflanzen werden gedüngt und sie haben genug Sonne, deshalb wachsen sie sehr schnell. In der Wildnis wird die Rinde nach 20 Jahren geerntet, aber auf dem Acker vermutet man, dass man nach 10 Jahren ernten kann. Da die Pflanzen dort auf einem Gerüst wachsen, erwartet man, knotenlose Rinde ernten zu können. Auf der anderen Seite ist das Wachstum so schnell, dass die Faser nicht widerstandfähig genug und somit von niedrigerer Qualität sein könnte (M20 2006, M2 2006). Es gibt zwei Sorten von Seggen in Mishima, die differenziert werden. Eine heißt Ubahiroro*. Sie hat harte Blätter. Zum Flechten werden die weichen Honhiroro* verwendet (*Dialektworte für die Pflanzennamen) (M9 2006). Siehe „III. - 1.2.3. Traditionelles Handwerk“. Das Handwerkerfest fand Samstag und Sonntag, 10. u. 11. Juni 2006 statt. Bei der Befragung wurde die Herkunft der Materialien der Handwerkswaren abgefragt. Es sind Handwerker aus verschiedenen Regionen Japans befragt worden. Manche Handwerker verwenden heimische Materialien und manche verwenden importierte Materialien aus der ganzen Welt und manche kombinieren beide. Die Handwerker verkaufen ihre Waren auch 8 9 10 11 bei Handwerkerfesten in West- oder Ostjapan oder in Handwerkswaren- Läden in ganz Japan oder in Kaufhäusern. In dieser Forschungsarbeit wurde keine quantitative Untersuchung bei der Kundschaft durchgeführt, aber man bekommt den Eindruck, dass die meisten Kunden, fünfzigjährige Frauen mit ihren Freundinnen oder der Familie sind. Die Beraterin des Handwerksmuseums vertritt die Ansicht, dass die meisten Verbraucher aus dieser Gruppe kommen (M21 2006). Die Befragungen wurden ganztägig an beiden Tagen durchgeführt. 2 waren 20-jährig, 2 waren 30-jährig, 3 waren 40-jährig, 5 waren 50- jährige, 7 waren 60-jährige. Von den 19 Befragten waren 18 Frauen. Es gab keine Einheimischen. Berufe: 11 Personen kamen aus unterschiedlichen Berufen und 8 waren Hausfrauen oder Rentner. Die Befragten wurden von insg. 47 Personen begleitet. Diese waren die Ehegatten oder Familienangehörige, Freunde oder Arbeitskollegen, aber die Männer und jungen Leute zeigten kein Interesse an den Handwerkswaren. Die Zahlen, die im Haupttext vorkommen beziehen sich ausschließlich auf die Antworten der 19 Befragten. Von den neun Verbrauchern, die schon einmal die Pflanzen gesehen haben, sind vier Personen auf dem Land aufgewachsen und haben die Pflanzen in ihrer Kindheit gesehen. Zwei Personen haben die ganze Zeit in der Stadt gewohnt, aber sie haben die Pflanzen schon einmal beim Ernten von Berggemüse gesehen. Zwei Personen haben sie vom Auto aus, oder im Garten als Zierpflanzen gesehen. Eine Person hat selbst mit dem Handwerk angefangen und geht zum Sammeln. Zehn Verbraucher haben niemals die Pflanzen gesehen. Davon sind 8 Personen in der Stadt geboren und aufgewachsen. Davon stellen sich sechs Personen vor, dass solche Pflanzen im tiefsten Bergwald wachsen. Eine Person denkt, dass die Pflanzen auf dem Acker wachsen. Fünf der zehn Personen hatten kein Interesse an den Pflanzen. 259 2. Kaneyamahaus aus Kaneyamazeder -Ein Beispiel aus der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata in Japan2.1. Merkmale Kaneyamas und Ortsbilder mit dem Kaneyamahaus 2.1.1. Ortsbilder in Kaneyama Im Jahre 1878 hat eine Engländerin auf ihren Reisen die Gemeinde Kaneyama besucht. Sie heißt Isabella Bird (1831-1904) und war Mitglied der RGS (The Royal Geographical Society (with IBG)) in England. Sie hat ihren Eindruck von Kaneyama in „Unbeaten Tracks in Japan“ wie folgt beschrieben (vgl. Gemeinde Kaneyama 2006d): „After leaving Shinjo this morning we crossed over a steep ridge into a singular basin of great beauty, with a semicircle of pyramidal hills, rendered more striking by being covered to their summits with pyramidal cryptomeria, and apparently locking all northward progress. At their feet lies Kanayama in a romantic situation, and, though I arrived as early as noon, I am staying for a day or two, for my room at the Transport Office is cheerful and pleasant, the agent is most polite, a very rough region lies before me, …… and it is difficult to find pretty, quiet, and wholesome places for a halt of two nights“ (Bird 2006 (1880), S.131-132, Bird 2004 (1880), S.228-229, vgl. Gemeinde Kaneyama 2006d). Auch der Schriftsteller Katai Tayama (1872-1930), ein Naturalist, hat sich mit Blick auf den Gassan-Berg in Richtung Sonnenuntergang bewegt und sich in Kaneyama von der Reise ausgeruht (vgl. Muramatsu 2007a, S.505). Foto 15. Drei Berge in Kaneyama (Foto von Makoto Muramatsu) 260 Der Eindruck bleibt heute noch. Herr Muramatsu schreibt über die Bilder von Kaneyama folgendes: „Man steigt am Shinjo-Bahnhof aus und nimmt den Bus nach Kaneyama. Nach einer Weile Fahrt auf der Bundesstraße 13 nach Norden, gelangt man irgendwann in eine Hügellandschaft. Man fährt tief in die Berge hinein. Dann plötzlich wird der Blick geöffnet und man sieht unten ausgebreitet ein kleines Becken zwischen dem Gebirge. Hier ist Kaneyama. Es gibt drei auffällige kleine Berge in der Landschaft hinter dem Becken, den Yakushisan-Berg, den Nakanomori-Berg und den Kumatakamori-Berg. Man erzählt sich, eines Tages haben sich der Yakushisan-Berg, und der Kumatakamori-Berg gestritten und der Nakanomori-Berg ist zwischen sie getreten, um sie zu besänftigen. Das ist das heimische Landschaftsbild von den Menschen in Kaneyama“ (vgl. Muramatsu 2007a, S.505) (Siehe Foto 15.). Im Becken ändern die Reisfelder mit der Jahreszeit ihr Aussehen. An der Straße durch die Reisfelder sieht man Dörfer mit ihren Häusern aus Holz. Wenn man näher zur Mitte von Kaneyama vordringt, sieht man am Eingang zur Ortsmitte ein Sägewerk mit den geschichteten dicken Rundhölzern aus riesigen Bäumen stehen. Das ist ein starkes Bild. Wenn man der Straße folgt, sieht man Holzhäuser, die Kaneyamahäuser, mit ihren dunkelbraunen Dächern und den Stützen und weißen Wänden. Foto 16. Kaneyamahäuser Kaneyama war seit dem 17. Jahrhundert Reisestation für Händler und andere Reisende. Man sieht noch heute Relikte davon im Ortsbild (vgl. Kaneyama 1988). In der Ortsmitte ergänzt ein Netz von kleinen Gassen den historischen Eindruck. Wenn man den Gassen folgt, kann man das Ortsbild genießen. Es wird z.B. geprägt von den feuerfest gebauten Schatzhäusern mit ihren weißen Wänden (Anm.: Schatzhäuser, jap. Kura, sind massive 261 Lehmbauten, die nur kleine Fenster haben, die sich, wie die Türen, mit starken, ebenfalls aus Lehm gebauten Läden feuerfest verschließen lassen. In solchen Gebäuden, von denen reiche Familien oft mehrere besaßen, wurden alle Güter aufbewahrt, die man vor Feuersbrünsten sichern wollte. Sie zeigten auch den Status der Familien. Siehe Foto 17.), den Toren mit ihren Ried- oder Holzschindeldächern, den Kaneyamahäusern mit ihrem Kontrast von dunkelbraunen Stützen und weißen Wänden, von Retroarchitektur und von den, mit Naturstein gemauerten Kanälen mit frischem fließendem Wasser (Siehe Foto 18.). Den Hintergrund des Bildes bilden stets die mit Zedern bewaldeten Berge (Siehe Foto 19.) (vgl. Muramatsu 2007a, S.506). Foto 17. Schatzhaus (jap. Kura) Foto 18. Wasserkanal mit Gasse 262 Die Elemente, die Ortsbilder von Kaneyama räumlich konstruieren, sind z.B. Becken, Berge, Wälder, Reisfelder, historische Architektur wie Schatzhäuser, Kanäle, Gassen und eben die Kaneyamahäuser. Es ist dem Feinsinn der Bewohner zu verdanken, dass sie mit diesen Elementen die poetische Qualität erspüren und in diesem Sinne weiter konstruieren. Foto 19. Zedernwald im Hintergrund 2.1.2. Geographische Merkmale Kaneyamas Die Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata liegt an der Grenze zwischen die Präfektur Yamagata und die Präfektur Akita. Sie umfasst ca. 160 Quadratkilometer und zählt ca. 7.000 Einwohner (Stand 2006). Im Jahr 1925 haben sich mehrere einzelne Dörfer zur Gemeinde Kaneyama zusammengeschlossen. 70 Jahren lang, seit dem Beginn einer eigenen Gemeindeverwaltung, von 1927 bis 1998, hat eine Familie, die Kishi-Familie, die Bürgermeister gestellt und die Gemeinde mit einem einheitlichen und kontinuierlichen Konzept regiert (vgl. Gemeinde Kaneyama 2000, K15 2006). Diese Familie hat den größten Waldbesitz in der Gemeinde. Im Jahr 1982 hat die Gemeinde Kaneyama größere öffentliche Aufmerksamkeit erregt, indem sie als erste in Japan per Satzungsänderung ihre gesamten Akten und Dokumente zur öffentlichen Einsicht frei gegeben hat (vgl. Mori 1985). Am Rande von Kaneyama erhebt sich der Kamurosan-Berg mit 1.365 Meter Höhe. Kaneyama liegt auf einem Schwemmkegel des Kaneyama-Flusses. Kaneyama hat einen ländlichen Charakter, geprägt von Reisanbau und Forstwirtschaft. Die Temperatur steigt bis 30 Grad Celsius, sinkt bis -10 Grad und liegt im Jahresdurchschnitt bei 10 Grad. Der Niederschlag beträgt 2.000 mm im Jahr. Besonders im Sommer liegt er in jedem Monaten 263 bei über 200 mm und im August erreicht er sein Maximum bei 650 mm. Im Winter liegt der Schnee über 2 m hoch (vgl. Gemeinde Kaneyama 2000, Gemeinde Kaneyama 2006e). Nach der Volkszählung aus dem Jahr 2000 sind ca. 3.700 Menschen berufstätig und davon ca. 530 in der Landwirtschaft, ca. 700 im Bauwesen, ca. 1.100 im Gewerbe, ca. 130 in der Verwaltung und ca. 1.200 im Bereich Handel und Dienstleistung (vgl. Gemeinde Kaneyama 2000, Gemeinde Kaneyama 2006e). Tab. 8. Nettoproduktion der Berufsgruppen in Kaneyama (Stand 1997) Im Bereich des Gewerbes produzieren kleine und mittelgroße Firmen Teile von Maschinen als Zulieferer. Sie sind abhängig vom zentralen Kapital (vgl. Nishida 2000). Im Winter nehmen viele Menschen eine Arbeitsstelle außerhalb der Region an. Die Zahl dieser Saisonarbeiter lag in den 1970er Jahren bei ca. 1.400 Personen, aber bis zum Jahr 2000 ist sie auf ca. 150 Personen gesunken (vgl. Gemeinde Kaneyama 2000, Gemeinde Kaneyama 2006e). Im Jahr 1950 hatte Kaneyama eine Bevölkerung von 10.000 Menschen. Danach sank die Zahl stetig bis auf heute ca. 7000 (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2000, S.27). Der Anteil von alten Menschen beträgt 28 % und in manchen Ortsteilen bis 40 % (Muramatsu 2006). Eine Bundesstraße, die durch die Präfektur Yamagata in Richtung der Präfektur Akita führt, verläuft auch durch Kaneyama. Es gibt keinen Eisenbahnanschluss, aber die Nachbarstadt Shinjo ist seit 1999 an das Schnellzugnetz angeschlossen. Somit kann zwischen Kaneyama und Tokio eine Fahrzeit von 4 Stunden erreicht werden. Die Stadt 264 Yamagata, die Verwaltungshauptstadt der gleichnamigen Präfektur Yamagata ist und eine Bevölkerung von ca. 260.000 Einwohnern hat, liegt 80 Kilometer entfernt. Man kann sie von Kaneyama, wenn die Straßen schneefrei sind, in 2 Stunden mit dem Auto erreichen. Die Stadt Shinjo, die Kreisstadt des Mogami-Kreises, hat ca. 40.000 Einwohner, grenzt an Kaneyama an, verfügt aber über eine nur schwache Zentripetalkraft. Es gibt keine höher entwickelte Stadt im Umkreis von Kaneyama. 2.2. Merkmale von Architektur aus heimischem Holz 2.2.1. Merkmale des Kaneyamahauses Zufolge der Gemeindechronik waren die traditionellen Häuser in Kaneyama Holzbauten mit Rieddach oder Holzschindeldach (vgl. Gemeinde Kaneyama 1988, S.820). Die Holzhäuser hatten in der Ortsmitte ein Satteldach und weiße Wände und auf dem Land ein tief reichendes Walmdach (Muramatsu 2007b). In den 1960er Jahren verschwindet diese Bauform allmählich. Seit den 1970er Jahren haben Häuser mit buntem Blech verkleideten Wänden das Ortsbild völlig verändert (vgl. Gemeinde Kaneyama 1988, S.820). Heute verleihen die Kaneyamahäuser, die mit heimischem Holz gebaut werden, den Ortschaften einen integrierten und auch einen historischen Eindruck. Kaneyamahaus nennt man heute einen Holzbau, der zu einem hohen Anteil aus dem Holz der Kaneyamazeder von einem Zimmermann aus Kaneyama gebaut worden ist (vgl. Muramatsu 2007a, S.506). Dem Zimmermeister von traditionellem Holzbau in Kaneyama, Shunji Watanabe, zufolge wird das Kaneyamahaus in der traditionellen Holzbautechnik errichtet. In Kaneyama schneit es einen wasserreichen schweren Schnee in großen Massen. Das Satteldach des Kaneyamahauses ist stabil gegen die Last des Schnees und praktisch, um den Schnee, der sich auf dem Dach anlagert, manuell nach unten zu schieben 1. Das Merkmal des Kaneyamahauses 2 sind weiße Wände 3 zwischen sichtbar hervortretenden dunklen Holzstützen 4 und, dass ein Teil von der Wand mit Holzschindeln verkleidet ist (Siehe Foto 16.) (K2 2006). Es gibt zwei Typen des Kaneyamahauses. Einer ist der Bauernhaustyp auf einem großen Grundstück und der andere ist das kompakte Stadthaus. Der Bauernhaustyp hat große Räume für Familienfeste zu Hause. Im Haus wohnen zwei bis drei Generationen zusammen und teilen sich die Kosten von Haushalt und Hauspflege. Die Nachfrage nach solchen Typen von Häusern könnte in der Zukunft sinken (K5 2006). Die junge Generation bevorzugt ein modernes und kompaktes Haus. Sie baut zwar noch Häuser mit der Form des Kaneyamahauses, aber sie baut sie mit vielen neuen Baumaterialen, z.B. werden die Wände aus billigen Holzplatten errichtet und im Haus 265 wird das Wohnzimmer nach europäischem Vorbild mit einem Holzfußboden eingerichtet und die Wände mit Tapeten beklebt (Hayashi 2006). Auf der anderen Seite baut die ältere Generation das Zimmer in dem Gäste empfangen werden und das ihnen auch zum Übernachten hergerichtet wird und das Zimmer mit dem buddhistische Ahnenaltar, sowie den Eingang, mit edleren Materialien, die anderen Zimmer aber mit billigen (K13 2006). Aber sowohl das Raumkonzept als auch die Funktion mancher Kaneyamahäuser sind nicht auf den modernen Lebensstil angepasst. So passen z.B. die hohen Fundamente oder großen Fenster nicht zu den traditionellen Proportionen des Haustyps. Zudem ist der, an traditioneller japanischer Raumgestaltung orientierte Zuschnitt der Grundrisse nicht auf einen, vom Massenkonsum bestimmten Lebensstil ausgerichtet. So finden eine Reihe von Möbeln, die es früher nicht in der Art gab, und eine große Zahl von Sachen von unterschiedlichem Stil nicht ihren rechten Platz im Haus. Hierin besteht noch eine Aufgabe. Es gibt in Kaneyama verschiedene Typen von Holzhäusern. Sie haben unterschiedliche Dachformen, hohe Fundamente, Stützen als sichtbares Konstruktionsmerkmal, das unterschiedlich farblich hervorgehoben wird, verschiedene Fensterformen und werden mit oder ohne Außentreppen oder Balkon gebaut 5. Die Gemeinde hat eine freiwillige Richtlinie namens „Richtlinie für den Aufbau des Ortsbildes in Kaneyama“ erstellt. Darin sind die Größe der Gebäude, die Baulinien auf den Grundstücken, die Konstruktion, die Materialien, die Farbe und Form des Daches, die Materialien und Farben der Wände, und die Notwendigkeit einer Gartenhecke usw. geschildert. Wenn die Richtlinien eingehalten werden, bezuschusst die Gemeinde das Bauvorhaben. Die Richtlinie ist nach den Merkmalen der Kaneyamahäuser aufgestellt worden, die die Zimmerleute in Kaneyama seit den 1970er Jahren gebaut haben, sowie am Aussehen von historischen Schatzhäusern und Händlerhäusern orientiert, die moderne Wohnhäuser integriert haben (vgl. Muramatsu 2007a, S.506). 2.2.2. Nutzung der traditionellen Häuser Die Ortsmitte von Kaneyama ist vom 17. bis zum 19. Jahrhundert mehrere Male abgebrannt (vgl. Gemeinde Kaneyama 1988, S.695). Die meisten historischen Gebäude, die heute noch existieren, sind nach dem Brand von 1887 gebaut worden. Über hundertjährige Schatzhäuser und Stadthäuser liegen in der Gemeinde. Die Innenräume von den Gebäuden sind modern umgebaut und werden weiterhin genutzt. Auf der anderen Seite sind viele historische Gebäude unter der Schneelast zusammengebrochen oder aus Mangel an Wertschätzung abgerissen worden (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.42-43). 266 Foto 20. Altes Händlerhaus (links) und neu gebautes Kaneyamahaus (rechts) Foto 21., 22. u. 23. Bürgerhaus in Retroarchitektur Viele historische Gebäude in Kaneyama sind umgenutzt worden und dienen so den heutigen Zwecken, wie z.B. der Laden der großen Waldbesitzer Familie Kishi, der 1898 gebaut wurde. Damals sind in dem Gebäude Sojasoße und Miso-Bohnenpaste produziert und verkauft worden (vgl. Nishida 2000). Heute wird darin ein Restaurant für Buchweizennudeln betrieben. Die beiden Schatzhäuser gegenüber dem Laden waren 267 ebenfalls im Besitz der Kishi-Familie. Die Gemeinde hat sie gekauft. Im Jahr 1995 hat sie eins davon als Bürgerhaus eingerichtet. Dort finden Ausstellungen oder kleine Konzerte statt. Am Sonntag bieten die Bürgerinitiativen für die Besucher hier den traditionellen grünen Tee und eine Ortsbesichtigung an. Das andere Schatzhaus ist als Büro der Wirtschaftskammer eingerichtet (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.42-43, K14 2006). Die Nutzung der Schatzhäuser in der Ortsmitte hat auf die Bürger Einfluss ausgeübt. So hat z.B. eine Bank ein Reisspeicherhaus von der Bauerngenossenschaft gekauft und darin eine Zweigstelle eingerichtet. Auch das Haus von der großen Waldbesitzer Familie Kawasaki, das im Jahr 1918 gebaut worden ist, steht heute noch in der Stadtmitte. Die Nachbarfamilie der Kawasaki-Familie hat ihr Haus mit ähnlicher Fassade gebaut (Siehe Foto 20.). Immer mehr Häuser und Läden sind mit harmonischen Fassaden, wie bei den traditionellen Gebäuden, neu gebaut oder umgebaut worden (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.42-43). Die Gemeinde hat ein altes Postamt, das 1939 gebaut worden ist und schon marode war, im Jahr 2002 vorbildgetreu wieder neu aufgebaut. Das Gebäude wird als Bürgerhaus genutzt (K6 2006). Die Architektur hat der Architekt Herr Kanji Hayashi geplant. Das Gebäude hat moderne Innenräume. Im Erdgeschoß gibt es eine kleine Halle mit Tischen und Stühlen. Die Frauen einer Bürgerinitiative bereiten jeden Tag frischen Tee vor und jeder Besucher kann dort einen Tee trinken, sich unterhalten und den Garten anschauen. Die Besucher können auch durch die Halle in den Garten kommen und weiter bis zum benachbarten Park durchgehen. Die Frauen der Bürgerinitiativen haben im ersten Stock eine Kinderbibliothek eingerichtet und bieten den Kindern dort auch Bastelkurse an. Am Rande der Gemeinde nutzen die Bewohner auch die historischen Gebäuden. So z.B. im Ortsteil Taniguchi, das mit dem Auto 5 Minuten entfernt von der Ortsmitte liegt. Dort wird eine aufgelassene Schule als Kommunikationshaus zwischen den Bewohnern und den Besuchern aus der Stadt und auch als Buchweizennudelladen genutzt 6. Foto 24.u. 25 Nachnutzung der Schulgebäude als Buchweizennudel- Restaurant 268 Auch im Ortsteil Sugisawa bieten die Bewohner den Besuchern aus der Stadt das Dorfleben als Event an. Dabei nutzen die Besucher aus der Stadt ein verlassenes Bauernhaus, das 1930 gebaut worden ist, in Gemeinschaft (K16 2006).Zusammenfassend kann man sagen, in Kaneyama haben die Bürger Liebe zu den historischen Gebäuden entwickelt, pflegen sie, nutzen sie und identifizieren sich mit ihnen. 2.2.3. Moderne Architektur aus heimischem Holz und die Rolle des Architekten Es gibt moderne Architektur, wie z.B. Häuser, Läden, Büros und öffentliche Einrichtungen, die aus heimischem Holz aus Kaneyama gebaut sind. Sie haben eine Gestalt, die mit dem, von den Kaneyamahäusern geprägten Ortsbild harmoniert. Viele dieser Gebäude sind von Architekten von außerhalb der Gemeinde geplant worden. Die meisten Zimmerleute und Zimmereien in Kaneyama haben eine Lizenz als Architekt und planen die Häuser selbst. Es gibt nur ein Architekturbüro in Kaneyama. Das Büro leitet ein einheimischer Architekt, Herr Toshihiro Abe. Die modernen Häuser, die Herr Abe geplant hat, sind kompakt und schlicht und haben schöne Proportionen 7. Nach Auskunft von drei Hausbesitzern, die Herrn Abe die Aufträge gegeben haben, wird seine Arbeit hoch geschätzt. Die Häuser halten im Gegensatz zu den üblichen japanischen Haustypen im Winter die Wärme gut und passen zu den Lebensstilen und den Geschmäckern der Hausbewohner (K28 2006, K13 2006, K18 2006). Die Gebäude von Unternehmen und Genossenschaften, die sich mit heimischem Holz beschäftigen, haben meistens eine moderne Architektur aus Kaneyamazedern. So hat z.B. das Sägewerk Kaneyamamokuzai eine schöne und ruhige Atmosphäre 8. Die Räume in der Anlage sind aus heimischem Holz konstruiert und die gesamte Anlage macht einen ordentlichen Eindruck. Werkstatt und Büro haben Satteldächer und im Lager befindet sich ordentlich gestapeltes Schnittholz. Im Hof stehen im Schatten von Balsabäumen Ständer, an denen Schnittholz lehnt, um an der Luft zu trocknen. Foto 26. Sägewerk 269 Seit den 1970er Jahren sind öffentliche und halböffentliche Einrichtungen in Kaneyama aus heimischem Holz mit moderner Gestaltung gebaut worden. Das erste Gebäude war ein privater Kindergarten, der von dem Architekten Herrn Kanji Hayashi geplant und im Jahr 1976 gebaut worden ist. Das Gebäude ist ein moderner Holzbau im japanischen Stil. Es liegt am Fuße eines Berges, der mit Zederbäumen bewaldet ist. Nach dem Bau des Kindergartens ist den Bewohnern in der Gemeinde die Notwendigkeit des Umbaus von öffentlichen Einrichtungen bewusst geworden (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.56). Seither sind u.a. 1980 ist ein neues Rathaus, 1982 ein neues Krankenhaus, 1983, 1987 und 1988 neue Gemeindewohnhäuser, 1978 und 1986 die Grundschule, 1992 die Junior-High-School, 1998 eine Skianlage mit Erholungszentrum, 1995 eine Bestattungsanlage, und 1996 ein Park in der Ortsmitte aus heimischem Holz gebaut worden (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002). Viele Entwürfe stammen von Architekten, die allesamt Absolventen der renommierten Tokio Universität für Kunst und Musik sind. Sie achten das harmonische Ortsbild von Kaneyama. Deshalb hat die Gemeinde den Architekten die Aufträge ohne öffentliche Ausschreibung gegeben (Sumiyoshi 2006). Die Bürger schätzen die Arbeiten von den Architekten hoch, weil sie frischen Wind nach Kaneyama bringen (K2 2006, K4 2006, K9 2006, K27 2006, K3 2006). Foto 27. Moderne Siedlung aus Kaneyamazeder Die modernen Gebäude, die von den Architekten aus Tokio geplant worden sind, haben eine elegante Gestaltung, aber gehen mit dem Schnee leicht kaputt. In Tokio ist das Klima viel wärmer und die Probleme, die mit den großen Schneemassen einhergehen, bei der Planung selten präsent genug. Die einheimischen Zimmerleute warnten die ortsfremden Architekten und vermitteln ihnen die Tücken des Schnees. Trotzdem bleibt 270 für die Architekten die Gestaltung vorrangig (K4 2006). Auch haben die Gebäude ungünstige Formen oder stehen an ungünstiger Stelle für das Schneeschieben (K27 2006, K9 2006). So braucht man z.B. bei dem neuen Grundschulgebäude, große Maschinen für das Schneeschieben, die viel kosten und trotzdem müssen auch die Schüler und Eltern noch viel mitarbeiten (K2 2006). Allerdings haben diese berühmten Architekten auf der Ebene der Verknüpfung der traditionellen Holzbautechnik mit moderner Formensprache und für den Aufbau des Ortsbildes, sowie die Bekanntheit der Gemeinde viel geleistet. Deshalb werden ihre Gebäude trotz der herrschenden Probleme mit dem örtlichen Klima von den Betroffenen als Experiment verziehen. In Japan studiert man an der Universität moderne Architektur und hat kaum Gelegenheit, etwas über den Holzbau zu lernen. Der heimische Architekt Herr Abe kommuniziert eng mit den Zimmerleuten und plant seine Holzbauten mit der Erfahrung der Zimmerleute. Dadurch passen die modernen Gebäude, die er geplant hat, zu dem Klima von Kaneyama und halten gut (K9 2006). 2.3. Verbreitung des Kaneyamahauses aus heimischem Holz 2.3.1. Maßnahmen zum Aufbau der Ortsbilder und das Bewusstsein der Bürger Die Gemeinde Kaneyama stellte sich seit den 1960er Jahren den Aufbau der Ortsbilder als politische Aufgabe (Muramatsu 2006). Am Anfang hat der Bürgermeister, Herr Eiichi Kishi, im Jahr 1958 Beispiele aus Europa und Amerika besichtigt und war von den Ortsbildern und der Natur bewegt. Unter dem Eindruck hat er 1963 ein Projekt namens „Verschönerung der Gemeinde“ vorgeschlagen (vgl. Okuda 2006). Damals haben die Bürger darunter verstanden, dass Straßen und Freiräumen sauber zu halten sind (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.12). Der nachfolgende Bürgermeister Kohichi Kishi hat 1971 den Aufbau der Ortsbilder als vorrangige politische Aufgabe formuliert. Die historischen Gebäude sind in den 1970er Jahren verschwunden. Im Bewusstsein dessen hat die Wirtschaftskammer von Kaneyama mit der Unterstützung der Gemeinde den Wettbewerb für das Kaneyamahaus ausgeschrieben. Die heimischen Zimmerleute und Zimmereien können mit den Häusern, den Läden, den Büros usw., die sie in und außerhalb der Gemeinde gebaut haben, an dem Wettbewerb teilnehmen (K14 2006, vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.20). Der Wettbewerb fand bis zum Jahr 2006 bereits 29 Mal statt 9. Es werden damit zwei Ziele verfolgt. Das eine ist die Entwicklung der Vermarktung der Kaneyamazeder, die der Hauptwirtschaftsfaktor in Kaneyama ist. Das zweite ist die Erhaltung und die Entwicklung von Techniken des Zimmermanns. Die meisten Häuser werden in Kaneyama ohne Architekten allein vom Zimmermann geplant und gebaut. Deshalb hat man gedacht, dass das Verständnis und das Bewusstsein von den Zimmerleuten wichtig sind. 271 Als der Wettbewerb angefangen hat, haben Zimmerleute und Zimmereien zusammen mit Architekten aus Tokio über die Häuser und das Ortsbild diskutiert und sich weitergebildet Sumiyoshi 2006). Die Zimmerleute haben miteinander um den Preis gewetteifert und die Qualität der Häuser in Kaneyama ist mit der Zeit stark gestiegen (K14 2006). Auch wenn der Wettbewerb mehrere Male durchgeführt wurde, haben jedes Mal Häuser ähnlichen Typs einen Preis bekommen. Dadurch hat sich der Begriff des Kaneyamahauses allmählich herauskristallisiert (K15 2006). Die Bürger nannten die Häuser, die einen Preis von dem Wettbewerb davontrugen, Kaneyamahaus. Dadurch ist den Zimmerleuten immer stärker die eigene traditionelle Technik und der Wert der Kaneyamazeder bewusst geworden (Muramatsu 2006, vgl. Muramatsu 2007a, S.506). Die Gemeinde hat 1984 ein neues Rahmenkonzept geschrieben. Darin hat sie ein Projekt namens „Aufbau des Ortsbildes in 100 Jahren“ vorgeschlagen. Das Projekt hat ebenfalls zwei Ziele verfolgt, den Aufbau von hübschen Lebensräumen und die Entwicklung der Forstwirtschaft mit dem Bauwesen (vgl. Muramatsu 2007a, S.508-510). Damals waren die Gemeinden und die Dörfer auf dem Land in Japan durch die Landflucht geschwächt. In dieser Situation fiel ein Thema auf fruchtbaren Boden, bei dem alle Bürger durch die Art, wie sie ihr neues Haus bauen, dabei mitmachen konnten, ihre Gemeinde zu verschönern. In Kaneyama gab es Zimmerleute mit hohem technischem Wissensstand. Sie haben versucht, Häuser mit 100-jährigen Kaneyamazedern so zu bauen, dass sie 100 Jahre lang halten (Sumiyoshi 2006). Es gibt ca. 2.000 Häuser in der Gemeinde. Damals sind 20 Häuser davon umgebaut worden. Man hat geglaubt, wenn man jedes Jahr 20 Häuser zum Kaneyamahaus umbaut, wird in 100 Jahren das Ortsbild einheitlich (Muramatsu 2006). Um das Projekt „Aufbau des Ortsbildes in 100 Jahren“ zu fördern, hat die Gemeinde 1986 die „Satzung für das Ortsbild von Kaneyama“ festgesetzt. Darin hat sie die Richtlinie für das Ortsbild in Kaneyama“ mit Hilfe des Stils des Kaneyamahauses aufgestellt, wie er von den Zimmerleuten entwickelt worden ist (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.13). Die Gemeindeverwaltung bestätigt bei der Baugenehmigung mit der Hilfe von den Architekten aus Tokio den Plan mit der Richtlinie. Wenn der Plan nicht stimmt, erklärt der zuständige Beamte dem Bauherrn wo der Plan im Sinne der Richtlinien noch zu verändern ist. Die meisten Bürger können auf diesem Wege überzeugt werden und ändern ihren Plan (K15 2006, Sumiyoshi 2006, K24 2006). Neben der Beratung der Bauherren bezahlt die Gemeinde Subventionen für die Häuser, die mit der Richtlinie neu gebaut oder umgebaut werden 10. Eine Befragung der Bürger zeigte, dass die meisten über die Möglichkeit einer Subvention mit der Richtlinie Bescheid wissen. Die meisten, die in der Zukunft ein Haus bauen möchten, wünschen ein Kaneyamahaus aus Kaneyamazeder 11 (vgl. Okuda 2006). 272 Tab. 9. Zuschüsse für Kaneyamahäuser durch die Gemeinde Die öffentlichen Einrichtungen, die in den 1980er Jahren gebaut worden sind, spielen eine wichtige Rolle für das Ortsbild. Sie haben sich harmonisch in die Umgebung eingefügt. Sie sind auch in der Ortsmitte geblieben und nicht, wie oft üblich, in die Peripherie verlagert worden. Damit hat Kaneyama seine gewachsene Raumkonstruktion in der Gemeinde erhalten (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.12, S.56). Die Gemeinde hat 1985 an einem Projekt vom Ministerium für Bauen „ Housing with Proper Environment“ teilgenommen. Sie hat damit ein Konzept für die Ortsmitte entwickelt und darin die alten Gassen, traditionellen Ortsbilder und die Harmonie zwischen der Ortsmitte mit der Berg- und Agrarlandschaft bewertet. Mit dem Konzept hat die Gemeinde die Umnutzung von alten Schatzhäusern für das Bürgerhaus, wie oben erwähnte, realisiert. Außerdem hat sie die Gassen und Kanäle renoviert (Sumiyoshi 2006). Im Jahr 1990 hat sie einen Flächennutzungsplan aufgestellt und 1993 mit dem neuen Plan für die Ortsmitte die Gasse, die Kanäle und die Parks für die Fußgänger weiter eingerichtet (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.28-29). Die Architekten aus Tokio sind die Berater des Beratungssausschusses von der Gemeinde. Ihre Beratertätigkeit reicht vom einzelnen Bauwerk bis zum Gesamtplan der Gemeinde. Die Bürger hören ihren Worten gut zu und nutzen die Idee (K14 2006). Das Konzept der Gemeinde hat sich über den Aufbau des Ortsbildes von einem engen Begriff einer Häuserreihe in der Ortsmitte gelöst und zu einem gesamten Raumkonzept auf der ganzen Gemeindefläche entwickelt (vgl. Muramatsu 2007a, S.510). 273 Bis zu den 1980er Jahren hat hauptsächlich die Gemeindeverwaltung den Aufbau des Ortsbildes geleitet und die Bürger haben sich dafür nicht besonders interessiert. Dann hat die Verwaltung ab 1984 zehn Jahre lang versucht, jeden einzelnen Ortsteil zu besuchen, mit den Bewohnern zu diskutieren und Konzepte für alle Ortsteile zu planen. Dadurch ist den Bürgern die Wichtigkeit des Aufbaus eines Ortsbildes bewusst geworden (vgl. Muramatsu 2007a, S.510). Die Gemeinde hat ab 1992 zehn Jahre lang Exkursionen von Bürgern zum Thema Dorferneuerung und den Aufbau der Ortsbilder nach Deutschland koordiniert 12 (Sumiyoshi 2006, K2 2006). Herr Sumiyoshi hat in Deutschland studiert und seine Begeisterung für deutsche Ortsbilder mit in die Gemeinde gebracht. In den 1990er Jahren, zehn Jahre nach der Einführung des Projekts „Aufbau des Ortsbildes in 100 Jahren“ ist das Ortsbild mit den Kaneyamahäusern wahrnehmbar geworden (Sumiyoshi 2006). Die Bürger haben ein einheitliches Image von ihren Häusern aufgebaut und als die Eigenart von Kaneyama identifiziert (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.13). Damals waren 80 % der 20 Neubauhäuser in der Gemeinde Kaneyamahäuser 13 (K18 2006, K5 2006). Die Hausherren, die ihre Häuser nicht als Kaneyamahäuser gebaut haben, haben ihre Häuser trotzdem unter Beachtung der Idee des Aufbaus des Ortsbildes gebaut (K5 2006). Um 2000 hat man schon gefühlt, dass überall in der Gemeinde Kaneyamahäuser stehen (K9 2006). Heute sind 35 % der Häuser in der Gemeinde Kaneyamahäuser (Stand 2006, Muramatsu 2006). Die Bürger erzählen, „Wenn man nach Kaneyama kommt, haben die Häuser einen anderen Ausdruck. Mit ihrem dunkelbraunen Dach und den Hecken sehen die Kaneyamahäuserreihen an der Straße schön aus“ (K21 2006, K18 2006). In der Gemeinde ist seit den 1990er Jahren die Zahl von Neubauten unter dem Einfluss der Schwäche der japanischen Volkswirtschaft zurückgegangen. Die Gemeindeverwaltung denkt, weil das Bewusstsein von den Bürgern schon stabil ist, wird sich der Aufbau des Ortsbildes in der Zukunft langsam aber stetig weiter entwickeln (K15 2006). Die Gemeinde hat 1991 den ersten Preis im Wettbewerb für „Schöne Dörfer“ des Ministeriums für Landwirtschaft, Fischerei und Forsten bekommen. Sie hat auch 1995 einen Preis für „Ortsbilder in der Stadt“ vom Ministerium für Bauwesen verliehen bekommen. Die Architekten Herr Kanji Hayashi, Herr Kazutoshi Katayama und der Stadtplaner Herr Yoji Sumiyoshi, die seit der Anfangsphase den Aufbau der Ortsbilder und die Gemeindeentwicklung von Kaneyama unterstützt haben, haben 2002 einen Preis vom Institut für Architektur in Japan (Architectural Institute of Japan) bekommen (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.12, S.56). Kaneyama erregt die Aufmerksamkeit von Experten und Studierenden für Architektur, Stadtplanung, Regionalentwicklung und Forstwirtschaft. 274 Es gibt in Kaneyama keinen Massentourismus, aber seit Ende der 1990er Jahre besuchen kleine Gruppen Kaneyama immer wieder, um die Architektur anzuschauen. Der Zahl der Touristen in Kaneyama liegt im Jahr bei 75.000 Personen (Stand 2004). Die Gemeinde denkt, dass die Gemeindeentwicklung wichtig für den Stolz der Bewohner ist. Sie hat aber dabei eigentlich nicht den Tourismus im Auge gehabt. Dennoch empfand die Fraueninitiative der Wirtschaftskammer Mitleid mit den vermehrt erscheinenden Touristen, die in Kaneyama keinen Platz zum Ausruhen fanden. Sie hat dann freiwillig angefangen, einen traditionellen grünen Tee für die Besucher im, zum Bürgerhaus umgebauten Schatzhaus anzubieten. Es hat sich auch eine Bürgerinitiative mit 35 Freiwilligen für die Ortsbesichtigung in Kaneyama gegründet (K15 2006). Es gibt aber immer noch kein Café in Kaneyama und keinen messbaren wirtschaftlichen Effekt. Touristische Orte gibt es in Kaneyama nicht, aber manche Besucher sagen, dass gerade dies das Schöne an Kaneyama ist (K16 2006). Der Planer Herr Sumiyoshi denkt, dass die Gemeinde langsam über eigene Wege für Tourismus und Wirtschaft nachdenken sollte (Sumiyoshi 2006). In den 1980er Jahren haben sich in Japan Städte, Gemeinden und Dörfer Satzungen für ihre Ortsbilder gegeben. Die meisten davon sind für die Erhaltung von historischen Gebäudereihen geschrieben worden. In Kaneyama ist die alte Struktur der Ortschaften erhalten geblieben. Allerdings fand man keine zusammenhängenden Ensembles historischer Gebäude. Der Aufbau von einem Ortsbild, das auf die Zukunft abzielte, war in Kaneyama einzigartig (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.13). Die meisten Orte haben für den Aufbau ihrer Ortsbilder nur ihre Ladenstraßen erneuert. Aber das Projekt von Kaneyama war für alle Bürger offen (K14 2006). 1982 hat Kaneyama zum ersten Mal in Japan eine Satzung für die Offenlegung von offiziellen Dokumenten verfasst. Die Erfahrung der Beamten, ohne vorgegebenes Schema eine eigene Satzung aufzubauen, hat den Aufbau von einer ganz eigenen Satzung für das Ortsbild ermöglicht (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.13, Mori 1985). Außerdem planen die Städte, Gemeinden und Dörfer in Japan in ihrem Rahmenkonzept für einen Zeitraum von den nächsten 20 Jahren. Eine Planung mit einer so langen Zeitdimension wie in Kaneyama ist außergewöhnlich (Sumiyoshi 2006, K14 2006). Die Bürger vermuten, weil die aufeinander folgenden Bürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg selbst große Waldbesitzer waren, verfügten sie über eine derart weite zeitliche Perspektive, wie sie bei der Pflege von Kaneyamazedern nötig ist. Die Häuser, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan gebaut worden sind, halten um die 30 Jahre. Der Bau von Häusern, die drei Generationen lang halten, erhöht den Kapitalwert der Häuser. Die Bürger denken, dass die Politik von Kaneyama nicht nur für die Entwicklung von Forstwirtschaft und Bauwesen, sondern auch unter diesem Aspekt für sie gut ist (K18 2006, K15 2006). 275 2.3.2. Die Integration der Forstswirtschaftspolitik in die Verbreitung von Kaneyamahäusern durch politische Projekte für den Aufbau von Ortsbildern Über den Forst von Kaneyama wird detailliert im Kapitel „IV. - 2.5. Merkmale von Wald und Forstwirtschaft, die heimisches Holz erzeugt“ berichtet. In diesem Abschnitt erfolgt dazu nur ein knapper Überblick, soweit er zum Verständnis der Forstwirtschaftspolitik der Gemeinde dienlich ist. Die Gemeinde Kaneyama hat mit ihrem Projekt für den Aufbau von Ortsbildern die örtliche Forstwirtschaft mit dem Bauwesen verbunden. Damit hat sie die Nachfrage nach Kaneyamazedern und die Aufträge für heimische Zimmerleute effektiv gefördert (vgl. Muramatsu 2007a, Gemeinde Kaneyama 1989, Okuyama 2006). Herrn Muramatsu zufolge gestaltet sich die Entwicklung der Forstwirtschaft in Kaneyama wie folgt: seit den 1960er Jahren mehrte sich in Japan die Verwendung von importiertem Holz rasant. In Kaneyama wurde während des Baubooms in den 1970er Jahren von den Zimmerleuten und Zimmereien billiges Holz aus Sägewerken außerhalb der Gemeinde gekauft und verwendet. Das war damals völlig normal und die Kaneyamazeder war wenig geachtet. Unter diesen Umständen wurde 1978 die Jugendorganisation der Forstgenossenschaft (ab hier „Jugendorganisation“) gegründet. Unter den Mitgliedern der Jugendorganisation waren die Nachfolger der großen Waldbesitzer, die in die Gemeinde zurückgekehrt sind. Sie hatten auf die Gründung und die Aktionen der Jugendorganisation großen Einfluss. Die Jugendorganisation hat die Entwicklung der Forstwirtschaft angeführt. Sie hat die Notwendigkeit einer Entwicklung der Forstwirtschaft in der Gemeinde präsentiert. Eine Umfrage wurde von ihr an die Bürger gerichtet. Dadurch hat sie das Bewusstsein der Bürger geschärft, sich als die „Gemeinde mit Zedern“ wahrzunehmen. Die Jugendorganisation hat das Ergebnis ihrer Umfrage mit der Gemeindeverwaltung und den Gemeindevertretern diskutiert und sie hat die Einrichtung von forstwirtschaftlichen Anlagen, Projekte für Aufforstung und Waldpflege, ein Projekt für Holzverarbeitung, eins für die Ausbildung von Nachfolgern der Förster, ein Projekt für die Ausbildung von Forstwirtschaftstechnikern usw. von der Gemeinde gefordert. Sie hat den üblichen Begriff von Forstwirtschaft erweitert und die Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftszweigen vorgeschlagen. Dabei haben sie die vier Stichwörter „Kaneyamaforstwirtschaft, „Kaneyamazeder“, „Kaneyamazimmermann“ und „Kaneyamahaus“ eingeführt (vgl. Muramatsu 2007a, S.506). Die Gemeindeverwaltung hat sich von dem Konzept überzeugen lassen und hat Ende der 1970er Jahre mit der Jugendorganisation die Notwendigkeit der Entwicklung der Forstwirtschaft den Bürgern vermittelt. Allerdings wurde mit dieser Entwicklung auch ein Konflikt zwischen den Generationen heraufbeschworen. Die alte Generation hat behauptet, dass man sich, wie in der üblichen Forstwirtschaft, hauptsächlich auf die 276 Holzproduktion konzentrieren sollte. Aber mit dem Ende des starken Wirtschaftswachstums seit der Ölkrise in den frühen 1970er Jahren setzte sich in Japan allmählich die Bedeutung der komplexen Funktionen und Nutzungen des Waldes durch. Das hat in Kaneyama die Wahl einer Strategie begünstig, die den Ressourcenkreislauf in der Gemeinde mit den Kaneyamahäusern und Kaneyamazedern beförderte (vgl. Muramatsu 2007a, S.506). Anfang der 1980er Jahre haben sie die Techniken für die Forstwirtschaft verbreiten lassen und Mitte der 1980er Jahre das gesamte Konzept für die Entwicklung der Forstwirtschaft aufgebaut. Die Gemeinde hat in der Zeit den Wettbewerb für das Kaneyamahaus von der Wirtschaftskammer unterstützt und die Strategie „Aufbau des Ortsbildes in 100 Jahren“ vorgeschlagen (Muramatsu 2006, vgl. Muramatsu 2007a, S.508). Durch die Nutzung von Zedern, als der regionalen Ressource, hat die Gemeinde gezielt versucht, einen Lebensstil und eine Wirtschaftsform zu fördern, die symbolisch für ein harmonisches Verhältnis zur Natur steht (Anm.: dabei wird Forst mit Natur gleichgesetzt) und gleichzeitig die Charakteristik der Gemeinde ausprägt (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002, S.12). Es gibt keine andere Forstwirtschaftsregion, die Forstwirtschaft mit dem Aufbau eines harmonischen Ortsbildes verbindet. Für die Integration von der Entwicklung der Forstwirtschaft und dem Aufbau des Ortsbildes in Kaneyama in ein Konzept haben folgende drei Aspekte eine Rolle gespielt (vgl. Muramatsu 2007a, S.510): 1. ein neuer Begriff von der Forstwirtschaft mit der Nutzung und Erhaltung der komplexen Funktion des Waldes 14. 2. das Schließen des Ressourcenkreislaufs in der Gemeinde durch den Aufbau des Ortsbildes mit Kaneyamahäusern 15. 3. der Aufbau der Marken Kaneyamahaus und Kaneyamazeder und ihre Vermarktung 16. Tab. 10. Anzahl der Forstwirte in Kaneyama (nach Volkszählung) 277 2.4. Zimmermann und Technik 2.4.1. Der Zimmermann und seine Werkstatt Die meisten Häuser in Kaneyama wurden von Zimmerleuten und Zimmereien gebaut. In Kaneyama gab es viele Zimmerleute. In den 1970er Jahren waren es bei einer Bevölkerung von 9.000 noch 200 Zimmerleute. Ihre Zahl ist heute auf 63 Personen gesunken (Stand 2006) 17 . Es gibt heute dreizehn Zimmermeister und bei jedem Zimmermeister arbeiten häufig zwei bis drei Zimmerleute. Es gibt drei Zimmereien. Davon wurden zwei in dieser Forschungsarbeit befragt. Es sind die Firmen, die aus traditionellen Zimmermannsfamilien hervorgegangen sind. Bei den Zimmereien arbeiten fünf oder zehn Zimmerleute und ca. drei Mitarbeiter im Büro und in der Vermarktung, insgesamt also ca. 10 Personen (K8 2006, K5 2006). Die drei Zimmermeister, die in der Forschungsarbeit befragt wurden, arbeiten allein oder mit zwei bis drei Zimmerleuten zusammen (K2 2006, K3 2006, K4 2006). Im Vergleich mit den riesige Zimmereien und Fertighausfirmen, die mit ihren Büros in der Stadt sitzen, sind die Betriebe in Kaneyama sehr klein. Zimmerleute und Zimmereien in Kaneyama bekommen ihre Aufträge durch Mundpropaganda. Sie erfragen die Wünsche von Bauherren, planen, berechnen und schließen daraufhin die Verträge ab. Dafür braucht man ein halbes Jahr. Nach dem Vertragsabschluß wird ein Haus häufig ab dem Frühling in einem halben Jahr errichtet. Foto 28.,29.,30. Zimmerleute fertigen die Holzverbindungen 278 Der Zuschnitt des Holzes und der Bau der Verbindungen erfolgt durch die Zimmerleute unter einem Dach. Die Werkstatt ist ca. 50 bis 100 ㎡ groß. Wenn die Werkstatt mit den Holzkonstruktionen zu voll wird, bauen die Zimmerleute provisorische Hütten mit Foliendächern an. In der Werkstatt gibt es kleine Maschinen, z.B. Motorsägen, Hobelmaschinen, Bohrmaschinen usw.. Die meisten Balken werden Stück für Stück mit der Hand bearbeitet. Für die Verarbeitung des Holzes für ein Haus brauchen die Zimmerleute lange Zeit, im Schnitt sind es ein bis zwei Monate (K2 2006, K3 2006, K4 2006, K8 2006). Die Zimmerleute achten dabei auf besonders feine Verarbeitung und Perfektion. So wird z.B. auf den Schimmer der Oberfläche des Holzes nach dem Hobeln geachtet oder auf die perfekte Zusammensetzung der Holzverbindungen und auf eine stabile Konstruktion mit der besonderen Eigenart eines jeden einzelnen Balkens. Die Arbeiten der Zimmerleute ist von der handwerklichen Tätigkeit und der Erfahrung mit der traditionellen Technik geprägt. Besonders die Zimmerleute, die über 50 Jahre alt sind, lehnen den Einsatz von Maschinen ab (K3 2006, K2 2006, K7 2006). Foto 31. Baustelle eines Kaneyamahauses An einer Baustelle arbeiten ca. drei Zimmerleute. Pro Jahr erstellt ein Zimmermann durchschnittlich einen Neubau (K7 2006). Die Arbeiten an einer Baustelle sind von langer Dauer. Bei Wohnhäusern dauern sie ca. sieben Monate. Die meisten Häuser werden im Sommer gebaut (K4 2006). Es gibt auch einen Zimmermeister, der drei Jahre lang an einem Haus arbeitet. Allgemein bieten in Kaneyama die Zimmerleute und Zimmereien die hohe Qualität ihrer Häuser preisgünstig an. Im Vergleich kosten sie sogar weniger als industriell produzierte Fertighäuser. Das erklärt sich damit, dass die 279 Zimmerleute kaum kostendeckend arbeiten und kein Geld für Werbung ausgeben. Auf dem Grundstück der Baustelle lebt die Familie des Bauherrn in ihrem alten Haus weiter oder zieht in eine provisorische Wohnung in eine Scheune o. ä. (K2 2006, K3 2006, K4 2006, K8 2006). Die selbständigen Zimmermeister geben die Arbeiten am Fundament, die Maurerarbeiten, die Türen und Fenster, das Tapezieren und die Ausstattung bei den jeweiligen Handwerksbetrieben in Auftrag (K4 2006). Die meisten Zimmerleute und Zimmereien haben eine Architektenlizenz und übernehmen die Planung selbst, aber sie geben auch Aufträge an Architekturbüros ab, wenn es um die Vorbereitung der Baugenehmigung geht, weil sich die Baugesetze häufig ändern und die Vorbereitung aufwändig ist (K2 2006, K4 2006). In den letzten Jahren gab es keine größere Veränderung der traditionellen Holzbautechnik in Kaneyama 18 (K8 2006). Heute bauen die Zimmerleute in Japan allgemein die traditionellen Häuser aus Edelhölzern für eine reiche Oberschicht. Aber die Zimmerleute in Kaneyama versuchen, die traditionellen Häuser nicht unter dem Aspekt des Edlen zu bauen, sondern für ganz normale Bürger. Sie lernen anhand von Büchern oder Internetseiten die traditionelle Holzbautechnik für das Teehaus, den Tempel oder Schrein von den Zimmerleuten in anderen Regionen kennen (K2 2006, K3 2006). Auf der anderen Seite lernen die Zimmerleute mit der Forstgenossenschaft zusammen bei den Architekturbüros etwas über die neue Funktion der Häuser und die neuen Formen der Ausstattung. Damit erfüllen sie die Wünsche der Bauherren. Seit den 1990er Jahren wünschen immer mehr Bauherrn die Häuser mit abgedichteten Wänden mit elektrischer Lüftung und Ausstattung 19. Auf die Frage nach der Gesundheitsbelastung der Bewohner durch schlechte Luft, hat ein Zimmermannmeister mit einem Architekten aus der Gegend von Tokio einen neuen Haustyp entwickelt. Das Haus ist ein traditioneller Holzbau, aber die Innenwände sind aus massiven Blöcken aus Kaneyamazeder „gemauert“. Der Luft fließt zwischen den Außenwänden und Innenwänden. Im Haus ist so die Luft immer frisch. Im Sommer ist es kühl und im Winter warm (K3 2006). Die Zimmerleute und die Zimmereien bauen auch Restaurants oder öffentliche Einrichtungen nach Plänen von Architekten. Bei den Holzbauten ohne Tapeten und Decken sieht man die ganze Holzkonstruktion in den Innenräumen. Bei solchen Entwürfen bearbeiten die Zimmerleute das Holz besonders sorgfältig und brauchen dafür aber auch das Doppelte an Zeit (K2 2006, K3 2006, K6 2006). Man kann die Fertighäuser nicht verändern. Aber die traditionellen Holzbauhäuser kann man renovieren. Die Zimmerleute und die Zimmereien übernehmen auch den Umbau oder Anbau von Häusern (K6 2006). Massivholz arbeitet. Das berücksichtigt man beim traditionellen Holzbau. Zu den verschiedenen Jahreszeiten dehnt es sich aus und zieht sich zusammen (K8 2006). Das 280 muss in der Konstruktion ausgeglichen werden (K7 2006). Nach dem Hausbau kommt der Zimmermann regelmäßig, um zu korrigieren, wenn sich z.B. die Türen verzogen haben sollten und nicht gut funktionieren. Auf diese Weise bleiben der Hausherr und der Zimmermann auch nach dem Hausbau weiter in Verbindung. Der Zimmermann pflegt solche Beziehungen gerne (K7 2006). Heute denken allerdings viele, dass das Holz nach dem Bau immer gleich bleiben müsse. Deshalb bevorzugen sie Holzbauten mit Stützen und Balken aus Leimholz (K8 2006). Immer weniger Bauherren sind tolerant gegenüber einer längeren Bauzeit und entscheiden sich deshalb für Fertighäuser. Vor dem Wirtschaftswachstum hat man das Haus „gebaut“ bekommen. Aber in der heutigen Zeit „kauft“ man das Haus (K7 2006). Heute rechnet man alles aus dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit 20. Deshalb haben Handwerker Schwierigkeiten, sorgfältig zu arbeiten (K8 2006). 2.4.2. Verminderung des Auftragseingangs bei Zimmerleuten und Zimmereien In der Gemeinde Kaneyama hat die Bevölkerung abgenommen, der prozentuale Anteil von Alten ist in der Bevölkerung höher geworden und der Wirtschaft geht es nicht gut. Seit den 1990er Jahren vermindert sich die Zahl der Neubauten (K6 2006). Bis 2002 sind im Jahr noch um die 20 Häuser gebaut worden. Aber ab 2003 ist die Zahl schlagartig gesunken. 2005 sind 8 Häuser, 2006 sind nur noch 6 Häuser im Jahr gebaut worden. Und außerhalb der Gemeinde sind die Fertigbauten weit verbreitet. Damit ist es schwierig, außerhalb der Gemeinde Kaneyamahäuser zu bauen. Die Zimmerleute und die Zimmereien in Kaneyama haben kein Geld für Werbung, wie die Fertighausfirmen (K8 2006). In Kaneyama kann man die Kaneyamahäuser an der Straße anschauen, beinahe wie in einem Schaufenster. Aber man kann die Innenräume nicht besichtigen (K3 2006). Die Zimmerleute und die Zimmereien haben auch nicht das Kapital, Ratenzahlung bei der Begleichung der Baukosten anzubieten (K16 2006). Das Architekturbüro in Kaneyama bekommt seine Aufträge durch seine Internetseite und durch Mundpropaganda. Das Büro arbeitet mit den Zimmerleuten zusammen, welche die Bauherren wünschen und da die meisten Bauherren im Ort Beziehungen zu einem der örtlichen Zimmerleute haben, ist es selten derselbe Betrieb. Das Büro hat keinen bestimmten Zimmermann zum Partner und deshalb Schwierigkeiten, über diese Schiene an Aufträge zu kommen (K9 2006). Daher ist die Vermarktung der Häuser von Zimmerleuten, Zimmereien und Architekturbüros in Kaneyama und Umgebung nicht gut entwickelt (K16 2006). Von den 1980er Jahren bis in die 1990er Jahre hat jede Zimmerei in Kaneyama ca. zehn Zimmerleute angestellt. Aber die Zimmereien haben in den letzten Jahren viele Zimmerleute entlassen. Heute versuchen sich die Zimmerleute und die Zimmereien in der Nachbargemeinde und in der Stadt Yamagata zu vermarkten und bekommen so einige 281 Verträge (K16 2006). Im Winter fahren viele Zimmerleute zum Arbeiten in die große Stadt in der Nachbarpräfektur, nach Sendai, wo kein Schnee liegt. Aber die Fahrt ist im Winter auf der langen Strecke anstrengend, oder sie leben und arbeiten in der Umgebung von Tokio. Es gibt auch Zimmermeister, die sich als Fahrer von Schneeschiebern verdingen (K4 2006). Die Zimmermeister wünschen, dass die jungen Zimmerleute die traditionelle Technik weiter tragen, aber gleichzeitig die neuen Techniken erlernen oder neue Ausstattungen nutzen und weiter als Kaneyamazimmermann arbeiten (K7 2006). Der jüngste Zimmermeister in Kaneyama, der vierzig Jahre alt ist, erzählt, dass er Freude an der Arbeit mit traditioneller Holzbautechnik hat (K4 2006). Allerdings gibt es immer weniger Zimmerleute, die noch mit traditioneller Holzbautechnik arbeiten und die es noch tun, sind älter geworden (K4 2006, K8 2006). Es gibt wenig junge Zimmerleute die noch die traditionelle Holzbautechnik lernen. In den zwei Zimmereien, die in dieser Forschungsarbeit befragt worden sind, arbeiten 15 Zimmerleute. Davon sind drei in ihren Zwanzigern, einer in seinen Dreißigern und zwölf in ihren Fünfzigern (K8 2006, K5 2006). In Japan lernen wenige Handwerker ihre Fertigkeiten in der Berufsschule. Die Zimmermeister oder Zimmerleute in den Zimmereien bilden die jungen Zimmerleute in der Praxis aus. Es gibt zurzeit keine einheimischen Lehrlinge. Die Lehrlinge kommen aus den Nachbargemeinden oder aus Tokio (K2 2006). Die Ausbildung in traditioneller Holzbautechnik dauert in der Praxis ca. zehn Jahre. Man lernt die Eigenschaften der Hölzer kennen, lernt, wie man das Holz aufmisst und anreißt, die Benutzung der Schlagschnur und Balken richtig anzuschlagen, zu schnitzen, die zahlreichen Holzverbindungen zu konstruieren und fachgerecht anzuwenden und lernt auch, wie man Innenräume einrichtet (K7 2006). Besonders beim Schnitzen der Holzverbindungen braucht man die richtige Technik und es ist die gefährlichste Arbeit, sind doch die Stecheisen und Beitel und andere Werkzeuge äußerst scharf (K8 2006). In den1960er Jahren, als die heute 60-jährigen Zimmermeister selbst Lehrlinge waren, haben sie davon geträumt, dass sie selbständige Zimmermeister werden und mit eigenen Händen Häuser bauen werden, aber die jungen Zimmerleute haben heute trotz ihrer langen und fundierten Ausbildung bei der gegenwärtigen Auftragslage keine Zukunft. Unter diesen Umständen zögern die alten Zimmermeister, Lehrlinge anzunehmen. Die Lehrer an der High-School können ihren Schülern auch nicht mehr empfehlen, Zimmermann zu lernen. Wenn man aber jetzt keine Nachfolger mehr ausbildet, werden die 50- und 60- jährigen Zimmermeister mit ihrem hohen Wissensstand zu alt sein, um Lehrlinge bis zum Ende auszubilden. Dann wird mit einer mehrere hundert Jahre währenden Tradition gebrochen, denken die Zimmermeister (K7 2006). 282 Ein junger Zimmermeister denkt, dass sich die Zimmerleute in Kaneyama die Qualität ihrer Technik und der Kaneyamazeder bewusst machen und ihrer Kundschaften vermitteln müssen (K4 2006). In Kaneyama können nicht nur die Waldbesitzer, sondern auch die Sägewerke, die Zimmerleute und Zimmereien bis zum Detail alles über die Kaneyamazeder erklären (K8 2006). Die Forstexperten einer Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung denkt, dass die Leute, die Zedern pflegen und die Leute, die ein Haus daraus bauen, über die besonderen Eigenschaften der Kaneyamazeder gut vermitteln können müssen, welche Vorteile von der Pflanzung junger Bäume bis zum Hausbau, für Umwelt und Gesellschaft entstehen. Dann könnte die Kundschaft Lust bekommen, mit Kaneyamazeder zu bauen (K11 2006). 2.4.3. Verbreitung von Fertigbaufirmen In den Schneeregionen bevorzugen die Hausherren besonders Baustellen, die von kurzer Dauer sind. Aus diesem Grund sind Fertighäuser weit verbreitet (Sumisoshi 2006). In den letzten Jahren haben in Nachbargemeinden von Kaneyama Fertighäuser weite Verbreitung gefunden (K5 2006). So ist z.B. in der Nachbarstadt Shinjo im Jahr 2005 Bauland erschlossen worden. Auf dem Neubaugebiet sind 25 Häuser gebaut worden. Davon sind nur zwei traditionelle Holzhäuser. Die meisten anderen sind Fertighäuser (K16 2006). In Kaneyama waren Fertighäuser bisher eine Ausnahme (Sumiyoshi 2006), aber 2003 ist zum ersten Mal in Kaneyama ein Haus von einer Fertighausfirma errichtet worden, die in der Stadt Sendai und in der Stadt Yamagata Zweigstellen hat. Seither sind die Hälfte der Neubauten in Kaneyama Fertigbauten (K15 2006). Die Fertighausfirmen bauen die Fertighäuser meistens mit neuen Baumaterialien aus Kunststoffen. Die Fertighäuser kosten genauso viel wie traditionelle Holzhäuser oder sind sogar teurer. Sie halten nur 30 Jahre. Aber die Bauzeit ist mit zwei bis drei Monaten vergleichsweise kurz (K6 2006, K16 2006). Bei den Fertighausfirmen arbeiten junge Architekten. Sie planen immer neue und moderne Gestaltung, Funktion und Ausstattung. Die Firmen haben eigene Ausstellungsgelände. Die Kundschaft kann dort die Häuser besichtigen und auch die Innenräumen anschauen. Die jungen Bauherren betrachten die Häuser als Produkte. Sie wählen ihr Haus aus wie ein Auto, unterschreiben auf dem Formular für die Ratenzahlung und wünschen sofort in das Haus einzuziehen (K7 2006, K16 2006). In den Fabriken der Fertighausfirmen gibt es CNC Maschinen. Die Fertigung erfolgt weitgehend computergesteuert. Die Hölzer werden schnell und in großer Stückzahl verarbeitet. An der Baustelle arbeiten die Arbeiter arbeitsteilig. Manche Handwerker sind nur für die Konstruktion, manche für das Nageln der Holzwerkstoffplatten und andere für die Inneneinrichtung zuständig usw. Die Hölzer, die mit der CNC Maschine geschnitten 283 worden sind, kann man leicht zusammenbauen, aber die Holzverbindungen sind nicht sauber. Da aber beim Fertigbau sowieso Tapeten auf das Holz geklebt werden, fragt niemand nach der Qualität der Holzverbindungen (K8 2006). Die Handwerker bei den Fertigbaufirmen können in zwei Jahren in der Praxis ihre Arbeit lernen. Ihre Arbeit ist einfach und während ihrer Lehre werden sie vollständig bezahlt. Der Arbeitsplatz ist für junge Handwerker sicher (K7 2006). Viele Zimmermeister aus Kaneyama, die über 50 Jahre alt sind, arbeiten bei den Fertighausfirmen. Sie finden es schade, dass sie ihre Technik nicht bei der Arbeit nutzen können. Sie müssen ihr Leben finanzieren. Deshalb beschäftigen sie sich aus ihrer Sicht mit weniger anspruchsvollen Aufgaben (K7 2006, K3 2006). Auf der anderen Seite finden junge Handwerker solche Art von Arbeit normal (K8 2006). Die Zimmermeister, die bei einer Fertighausfirma gearbeitet haben, bauen auch bei eigenen Aufträgen in Kaneyama einfacherer (Sumiyoshi 2006). Foto 32. Fertighaus 2.5. Merkmale von Wald und Forstwirtschaft, die heimisches Holz erzeugt 2.5.1. Wald und Forstwirtschaft in Kaneyama Im Forst von Kaneyama produziert man Zedern (Cryptomeria japonica D.Don.) 21. Die Zeder wird über 90 Jahre alt und mit über 40 cm Durchmesser schlagreif. Sie ist unter dem Namen „Kaneyamazeder“ bekannt. Die Gemeinde Kaneyama liegt tief im Ohu-Gebirge. Im Sommer sind die Temperaturen hoch, im Winter schneit es viel. Das feuchte Klima ist für die Zeder gut geeignet (vgl. Okada 2004). In Kaneyama sind die Flächen auf dem Berg bewaldet. Die privaten Wälder liegen häufig in einer Höhe von 284 200 m - 600 m über dem Meer. Über den privaten Wäldern liegen meist die staatlichen Wälder. In staatlichen Wäldern werden Zedern in einer Höhe von 600 m - 800 m gepflanzt. Über 800 m sind Naturwälder mit Buchen und anderen Laubbäumen verbreitet (K11 2006). Die Fläche der Gemeinde Kaneyama ist 16.179 ha groß. Die Waldfläche nimmt mit 12.698 ha 78 % der Gemeindefläche ein. 54 % der Waldfläche besitzt der Staat und 46 % sind im Besitz von Privatleuten. Es gibt 382 Waldbesitzer in der Gemeinde (Stand 2000, vgl. Gemeinde Kaneyama 2006e). Es gibt große Waldbesitzer wie z.B. die Kishi-Familie, die 2000 ha Wald besitzt 22, oder die Chikaoka-Familie; sie besitzt 900 ha (Muramatsu 2006). 75 % der privaten Wälder mit einer Fläche von 4.500 ha sind im Besitz von vier Großfamilien (vgl. Okuda 2006). 5.085 ha, oder 72 % der staatlichen Wälder, sind Naturwälder und 1.720 ha, oder 28 %, sind Forste oder Plantagen. 2.322 ha, d.h. 40 % der privaten Wälder, sind Naturwälder und 3.377 ha, d.h. 60 %, sind Forste. Unter den Forsten sind 33,7 % der Fläche staatlich und 66,3 % der Fläche im privaten Besitz. Der Holzvorrat von privaten Forsten beträgt 1 Millionen ㎥, der Holzvorrat von privaten Naturwäldern 0,3 Millionen ㎥ (vgl. Gemeinde Kaneyama 2006, Okuda 2006). In der Gemeinde werden 29 ha Fläche im Jahr geschnitten und 26 ha im Jahr angepflanzt (Stand 2000). Die Fläche, die geerntet wird, ist also ein wenig größer. Die Forststraßen sind gut eingerichtet und man kann gut in den Wäldern arbeiten (K11 2006). Die Produktionsmenge von Holz beträgt 25.440 ㎥ im Jahr, was einem Gegenwert von umgerechnet ca. 26 Millionen Euro entspricht (Anm.: 1Euro = ca.160 Yen) (Stand 2000 u. 1999, vgl. Gemeinde Kaneyama 2006, Okuda 2006). Die Forstwirtschaft in Kaneyama hat im 17. Jahrhundert angefangen 23. Es gibt stattliche Wälder mit 100-jährigen oder 200-jährigen riesigen Bäumen in Kaneyama. In den 1950er Jahren ist in Kaneyama die Existenz des Zedernwaldes mit dem größten Vorrat dieses Holzes auf der ganzen Erde bekannt geworden 24 . Danach ist Kaneyama als Forstwirtschaftsregion in Nordjapan bekannt geworden (vgl. Muramatsu 2007a). Allerdings sind viele Wälder mit 100-jährigen oder 200-jährigen Zedern von den großen Waldbesitzern in den 1970er Jahren und 1980er Jahren wegen der Bezahlung der Erbschaftssteuer abgeholzt worden (Muramatsu 2006, K11 2006). Der große Waldbesitzer, die Kishi-Familie, hat heute noch den „Ohminowa-Wald“, der im Jahr 1764 eingepflanzt wurde und in dem es ca. 130 Zedern mit 60 m Höhe und einem Durchmesser von 150 cm gibt 25. Das jetzige Familienoberhaupt, Herr Sabrobei Kishi der VII., erzählt, dass die Zedern zwar aus einem wirtschaftlichen Grund angepflanzt wurden, aber er möchte den Wald für die nächsten Generationen erhalten (Yamagata-Zeitung 1991, K11 2006, Muramatsu 2007b). 285 Foto 33. Zedernwald der Familie Kishi In der Nähe von Kaneyama liegt eine Forstwirtschaftsregion mit Akitazedern. Akitazedern sind noch aus dem Urwaldbestand und ihr Bestand ist beinahe erschöpft. In den letzten Jahren begrenzt man die Menge ihrer Ernte. In Akita gibt es auch gepflanzte Zedernwälder, aber die Holzqualität ist nicht so hoch. Holzexperten schätzen die Qualität der Kaneyamazeder höher ein (K16 2006). 2.5.2. Waldpflege und Waldbewirtschaftung von Großwaldbesitzern in Kaneyama Die Wälder der Großwaldbesitzer in Kaneyama werden von Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung (ab hier „Firma“) gepflegt und bewirtschaftet. In dieser Forschungsarbeit ist eine Firma befragt worden. Die Rechtsform der Firma ist eine GmbH und sie pflegt den 2.000 ha großen Wald der Familie Kishi. Herr Kishi ist der Vorsitzende von der Forstgenossenschaft in Kaneyama. In diesem Kapitel wird die Waldpflege der Firma beschrieben: Bei der Firma arbeiten sechs Experten für Waldpflege. Sie pflegen und bewirtschaften die Wälder. Sie machen alle Arbeiten in der Waldpflege von der Pflanzung bis zur Rodung. Die Firma vergibt die Aufträge an ca. zehn Personen für die Mitarbeiten an der Bodenvorbereitung, Anpflanzung, dem Entfernen von Umkraut, dem Ausforsten usw.. Sie ernten vom Sommer bis zum Winter. Die Fläche einer Rodung ist 1 bis 3 ha groß. Größere Fläche schlagen sie nicht auf ein Mal. In Kaneyama sind die Forststraßen gut ausgebaut. Die Entfernung des Waldes zur Straße beträgt meistens zwischen 50 m und 300 m. Die Forststraßen sind zum Teil öffentlich gebaut worden und anderen Teils von der Firma selbst angelegt worden, zusammen mit den Firmen, welche die Bäume direkt im Wald gekauft haben. Die Bäume an den Stellen, an denen man das Rundholz im 286 Sommer nur unter Schwierigkeiten entnehmen kann, zieht man im Winter auf dem Schnee heraus. Im Sommer bis zum August lässt man das Rundholz zwei Monate lang nach dem Abholzen mit den Ästen und den Blättern auf dem Hang im Wald liegen. Dadurch wird die Feuchtigkeit im Holz über die verbliebenen Blätter verdunstet. Auf diese Weise getrocknetes Holz verfärbt sich nicht dunkel (K11 2006). Foto 34. Rodung von Zedernwald Nach der Rodung lässt man den Boden ein Jahr lag ruhen. Damit wird die Bodenfruchtbarkeit erfahrungsgemäß wieder hergestellt. Man düngt den Boden nicht. Im nächsten Jahr im Herbst nach der Rodung pflanzt man 3.000 junge Zedern pro Hektar. Bei der Bodenvorbereitung vor der Pflanzung lässt man die Baumstümpfe stehen. Man pflanzt die jungen Bäume im Schutz der Baumstümpfe hangabwärts davon und schützt sie so vor Lawinen. Um die Baumstümpfe herum ist es wärmer und der Schnee schmilzt früher. Man pflanzt mehr junge Bäume an, als es Baumstümpfe gibt. Deshalb pflanzt man auch dort, wo es keine Baumstümpfe gibt. Die ersten zehn Jahre nach dem Pflanzen mäht man das Unkraut um den Bäumen. Fünfzehn Jahre nach dem Pflanzen durchforstet man die Bestände und nimmt schwache Bäume heraus. Zwanzig Jahre nach der Pflanzung durchforstet man die Bestände und astet die Stämme auf. 80 bis 100 Jahre nach dem Pflanzen durchforstet man die Bestände zum zweiten Mal und über 100 Jahre nach dem Pflanzen rodet man den Bestand. Die Menge der selektiven Rodung ist bei jeder Waldfläche unterschiedlich. Sie ist von den Eigenschaften des Bodens und den Standortbedingungen abhängig. So muss man z.B. die Lage am Hang oder an einem Bach anders bewerten (K11 2006). Im Zedernwald wachsen verschiedene Pflanzen und Bäume von unterschiedlicher Höhe zwischen den Zederbäumen. Dadurch bleibt der Wald stabil 287 (Muramatsu 2006). (Anm.: Der Holzpreis steigt bei Bäumen über 70 Jahren sprunghaft. Deshalb lohnt sich das Warten in der Regel selbst bei schwankenden Holzpreisen) Die Experten holzen die Wälder mit Laubbäumen nicht ab, um auf diesen Flächen neue Zedern anzupflanzen. Wo die früheren Waldpfleger keine Zedern angepflanzt haben, wachsen keine guten Zedern, selbst wenn man dort junge Zedernbäume anpflanzt. Wo heute keine guten Zedern wachsen, pflanzt man nach der Rodung keine Zedern mehr, sondern lässt mit Hilfe der Sukzession sich den Wald hin zu einem Laubmischwald entwickeln. Solche Stellen sind meistens auf den Berggraden, wo man ohnehin auch Schwierigkeiten hat, zu arbeiten. Die Experten von der Firma wissen, wo die Bäume gut wachsen und wie sie selektiv ernten sollen. Das Wissen und die Technik haben die Mitarbeiter der Firma von den ehemaligen Waldpflegern übernommen, die von Generation zu Generation für die Waldpflege für die Kishi-Familie zuständig waren. Sie haben auch jahrelang eigene Erfahrungen gesammelt. Die Anhäufung von dieser Art von Wissen und Technik für die Waldpflege ist von großem Vorteil für die Großwaldbesitzer 26. Viele Leute aus Japan besuchen Kaneyama, um sich dort die Forstwirtschaft anzuschauen und etwas über ihre Technik zu lernen, aber wo keine guten Zedern wachsen, obwohl man Zedern aus verschiedenen Regionen anpflanzt und man mit der gleichen Technik wie in anderen Regionen die Bäume pflegt, bleibt der Erfolg aus. Es gibt keine wissenschaftliche Arbeit, welche die Forstwirtschaft in Kaneyama mit der aus anderen Regionen vergleicht, aber die Experten vermuten, dass das Klima und die Landschaft von Kaneyama für das Wachstum der Zedern eine große Rolle spielt (K11 2006). In Kaneyama wurde die Ressource Holz nachhaltig reproduziert, aber seit den 1970er Jahren ist der Preis von Holz gesunken. Die Firma verdient das Geld in anderen Bereichen, wie z.B. durch den Verkauf von Reifen oder Ersatzteilen für Autos. Mit dem Gewinn wird heute die Waldpflege finanziert (Yamagata-Zeitung 1991 und K11 2006). In Kaneyama gibt es kaum Kleinwaldbesitzer, die Wald mit dickstämmigen Bäumen haben (K16 2006). Wenn man die Wälder der Firma mit denen der Kleinwaldbesitzer vergleicht, sehen sie ganz anders aus, obwohl die Wälder nebeneinander liegen und die Bäume in der gleichen Zeit angepflanzt wurden. Sie wachsen ganz anders. Im Wald der Firma wachsen dickstämmige Bäume und im Wald der Kleinwaldbesitzer wachsen dünne Bäume mit verdorrten Ästen (Siehe Foto 35.). Von der selektiven Rodung haben Laien kaum Ahnung. Sie wissen nicht, welche Bäume sie herausnehmen sollen. Wenn man die abgestorbenen Äste am Stamm verbleiben lässt, verschlechtert sich die Durchlüftung des Waldes und dadurch vermehren sich die Schädlinge. Die Waldpflege ist für normale Menschen eine gefährliche und komplizierte Arbeit. Aber die Kleinwaldbesitzer haben kein Geld, um die Waldpflege in Auftrag zu geben (K11 2006). Es gibt auch Kleinwaldbesitzer, die ihre Wälder mit Sachverstand eigenhändig pflegen. Sie sind über 288 70 Jahre alt und haben die Erfahrungen mit der Pflanzung und der Pflege des Waldes seit ihrer Kindheit von ihren Vätern übernommen. Foto 35. Dünne Bäume von einem Kleinwaldbesitzer In der Gemeinde Kaneyama ist im Jahr 1942 eine Forstgenossenschaft mit 420 Waldbesitzern gegründet worden. Heute hat sie 365 Mitglieder. In der Gemeinde werden 9.000 ha der Waldfläche bewirtschaftet und 4.500 ha der Fläche sind bei der Forstgenossenschaft eingeschrieben. Zwei Experten von der Genossenschaft sind bereit, im Auftrag der Mitglieder neu zu pflanzen und zwischen den jungen Bäumen zu mähen oder Bäume selektiv zu schlagen. Die Forstgenossenschaft gibt einer Firma den Auftrag für die Weiterverarbeitung der Bäume nach dem Fällen. Die Forstgenossenschaft sägt das Rundholz im eigenen Sägewerk (K13 2006, vgl. Gemeinde Kaneyama 1988, S.685). In Kaneyama sind die Kleinwaldbesitzer alt geworden. Sie sind meistens Landwirte und haben viele Schulden vom Kauf von landwirtschaftlichen Maschinen und Einrichtung. Sie verkaufen heute häufig ihre Wälder, um die Schulden zurückzahlen zu können 27. Die Wälder, die verkauft worden sind, werden meistens abgeholzt. Danach nehmen die neuen Besitzer die Erde von den Hängen als Baumaterial oder lagern Müll auf der Fläche. Die Berge veröden dadurch (K13 2006). 2.6. Produktion und Verbrauch von heimischem Holz 2.6.1. Holzprodukte aus heimischem Holz, die in Kaneyama produziert und verbraucht werden Die Sägewerke in Kaneyama sägen meistens Bauholz für den Hausbau. Sie fertigen hauptsächlich Stützen ohne Kernholz mit 3.650 mm Standardlänge. Sie sägen auch Sonderlängen von 6.000 mm oder 7.000 mm, welche im Haus vom Erdgeschoß bis zum 289 ersten Geschoß durchgehen. Kaneyamazedern wachsen sehr gerade. Die Balken drehen nur wenig, was sie als Konstruktionsholz geeignet macht. Es werden auch Bretter mit Nut und Feder von 105 mm Breite, 10 mm Dicke und 1.800 mm oder 3.650 mm Länge gesägt, die zur Verkleidung von Decken, Wände und Fußböden verwendet werden. Sie haben eine attraktive Oberfläche und gelten als edel (K16 2006). Kaneyamazedern wachsen 80 Jahre lang im harten Klima mit Schnee. Deswegen sind ihre Jahresringe sehr eng aneinander. Die Holzprodukte von Kaneyamazedern haben damit eine hohe Qualität. Foto 36. Dichte Jahresringe der Kaneyamazeder Die Zimmerleute erkennen beim Hobeln den Unterschied vom Holz der Kaneyamazeder und Zedern aus anderen Regionen. Die Kaneyamazeder kann leicht gehobelt werden und die Oberfläche des Holzes schimmert wunderschön (K16 2006). Wegen der Schneelast auf den Dächern baut man das Kaneyamahaus mit dicken Stützen. Deshalb wird verhältnismäßig viel Holz für den Hausbau gebraucht (K4 2006). Die Kaneyamahäuser haben eine große Raumfläche 28 . Deswegen sind im Vergleich mit Häusern in anderen Präfekturen auch die Balken der Kaneyamahäuser dicker bemessen. Sie sind ca. 120 mm breit, ca. 450 mm dick und ca. 8.100 mm lang. Die Konstruktion des Kaneyamahauses wird meistens aus 80 % Kaneyamazeder und 20 % Kiefer aus Amerika gebaut (K4 2006). Bisher waren die importierten Holzprodukte billig. Allerdings ist seit 2005 die Kaneyamazeder billiger als importiertes Holz. Für das Fundament benutzt man die ölhaltige Lärche oder den Hiba-Lebensbaum (Thujopsis dolabrata var. hondae), die widerstandsfähig gegen Fäulnis, Pilzbefall und Insekten sind. Heimische Lärche und Hiba-Lebensbaum sind teuer. Deswegen werden importierte Hölzer aus Amerika verwendet (K8 2006). Seit 2005 ist Holz aus Russland, das in Kaneyama häufig genutzt wurde, nicht mehr verkauft worden. Man sagt, wegen der Steigerung des Erdölpreises 290 kann man das Holz nicht mehr wirtschaftlich genug transportieren, oder die Naturwälder aus denen das Holz entnommen wird, sind erschöpft (K6 2006). Die Kleinwaldbesitzer bauen ihre Häuser kaum noch aus dem Holz ihrer eigenen Wälder. Ihnen gehören kaum Wälder mit dickstämmigen Bäumen. Sie verkaufen schlagreife Bäume, die noch im Wald stehen, oder als Rundholz. Wenn sie ein Haus bauen, kaufen sie das Holz von anderen (K16 2006, K6 2006). 2.6.2. Sägewerke in Kaneyama Heute beträgt die Menge des Holzeinschlags aus privaten Wäldern in Kaneyama 41.400 ㎥ 29 , das meiste davon ist von 4 Großwaldbesitzern. Davon werden 22 %, oder 10.200 ㎥, in Sägewerken in Kaneyama verarbeitet . 78 %, oder 36.600 ㎥, werden in der 30 Nachbarstadt, z.B. in der Stadt Shinjo oder in der Stadt Yuzawa (Anm.: bis 2005 Gemeinde Ogachi) verarbeitet. Berechnet nach der Zahl der Baugenehmigungen für Holzbauten in Kaneyama kann man vermuten, dass die Sägewerke in Kaneyama 6.700 ㎥ Holzprodukte verkaufen, davon werden 30 % , also 2.000 ㎥, in der Gemeinde und 70 % , also 4.700 ㎥, außerhalb der Gemeinde verbraucht 31 (vgl. Okuyama 2006). Kaneyama betrieb schon lange Forstwirtschaft, aber das erste Sägewerk in Kaneyama ist erst 1935 gebaut worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind noch fünf weitere Sägewerke von unterschiedlicher Größe gebaut worden und Kaneyama stark von der Holzverarbeitung geprägt worden. Natürlich wurde vor dem Bau der Sägewerke das Holz nur als stehender Baum oder als Stamm verkauft, aber auch heute kommt das noch vor (Gemeinde Kaneyama 1988, S.683, S.791). Es gibt heute in Kaneyama vier Sägewerke. Das größte private Sägewerk in Kaneyama verarbeitet 6.700 ㎥ Rundholz im Jahr. Das Sägewerk der Forstgenossenschaft verarbeitet 2.100 ㎥ Rundholz im Jahr. Die anderen beiden privaten Sägewerke verarbeiten 700 ㎥ Rundholz im Jahr (vgl. Okuda 2006). In dieser Forschungsarbeit sind zwei Sägewerke, das größte private Sägewerk in Kaneyama und das Sägewerk der Forstgenossenschaft befragt worden. Das befragte private Sägewerk verkauft seine Holzprodukte an ca. 30 Zimmerleute und Zimmereien. In den letzten Jahren sinkt der Verbrauch von Holzprodukten in der Gemeinde. Dieses Sägewerk verkauft seine Hölzer an heimische Zimmerleute, die außerhalb der Gemeinde Häuser bauen, an Zimmereien in der Stadt Shinjo oder in der Stadt Yamagata und im geringen Umfang auch an Zimmereien um Tokio (K16 2006). Das Sägewerk verarbeitet 33 ㎥ Rundholz pro Tag. Es ist das größte in Kaneyama, aber im Vergleich mit anderen Regionen Japans klein. Dort arbeiten insgesamt 18 Mitarbeiter, davon vier Handwerker an der Säge. 14 Mitarbeiter sind zuständig für die Sortierung der 291 Holzprodukte, die Lieferung, Vermarktung oder für das Büro. Es kauft ständig von zwei Firmen der Großwaldbesitzer 80- bis 90-jährige noch im Forst stehende Zederbäume 32. Gesägt wird nach Bestellung der Zimmerleute. Wenn das Sägewerk den Auftrag bekommt, geht der zuständige Mitarbeiter vom Sägewerk mit dem Experten von der Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung zum Bergwald. Der Mitarbeiter wählt mit der Beratung von Experten die geeigneten Bäume für den Auftrag aus und lässt sie fällen. Im Sägewerk sägen Handwerker mit 25 Jahren Erfahrung das Rundholz. Sie drehen den Stamm auf der Säge, schauen sich genau seine Eigenschaften an und sägen exakt an der richtigen Stelle des Stammes und gewinnen so Holzprodukte von bester Qualität. Dafür brauchen die Sägewerker Fingerspitzengefühl. Sie können Holz mit oder ohne Astknoten sägen. Abhängig von der Technik und der Erfahrung der Sägewerker haben die Holzprodukte eine andere Qualität. Es gibt auch Sägewerke, die trotz guter Rundholzqualität keine guten Holzprodukte herstellen. Die jungen Handwerker lernen beim Sägewerk die Sägetechnik durch Erfahrung. Das befragte Sägewerk sägt nicht für die Massenproduktion. Deswegen gibt es in der Werkstatt keine CNC Maschine, die mit dem Computer gesteuert wird. Die individuelle Verarbeitung nach der Bestellung und das Angebot von Bauholz von hoher Qualität sind für den traditionellen Holzbau wichtig. Das Sägewerk ist klein. Deswegen kann es so einen Dienst, wie das Sägen nach Bestellung für individuelle Holzbauhäuser, anbieten. Solche Sägewerke in der Gemeinde spielen eine Rolle bei der Erhaltung des traditionellen Holzbaus in Kaneyama (K16 2006). Das befragte Sägewerk bestellt für das Fällen der Bäume das ganze Jahr über eine Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung. Die Firma fällt die Bäume, schneidet die Stämme zu Rundholz und transportiert es zum Sägewerk. Das Sägewerk sägt ständig Rundholz und verkauft es. Es hat einen Viertonner LKW und noch mehrere kleinere LKWs und damit liefert es die Holzprodukte selbst aus (K16 2006). Nach der Bestellung verarbeitet und liefert das befragte Sägewerk die Holzprodukte schnell. In der Trockenkammer, die mit Heizöl betrieben wird, wird das Holz zu allen Jahreszeiten drei bis sieben Tage getrocknet und dann ausgeliefert. Solche Holzprodukte nennt man Rohholzprodukte 33. Wenn man das Rundholz statt in der Trockenkammer ein Jahr lang an der Luft trocknet, steigt ihre Qualität und nach dem Bau arbeitet das Holz weniger. Dennoch wünscht kein Bauherr luftgetrocknetes Holz. Die Zimmerleute und die Zimmereien möchten nach der Bestellung meistens binnen einer Woche das Bauholz geliefert bekommen (K16 2006). In Kaneyama haben die Sägewerke bis in die 1980er Jahre das Holz an der Luft getrocknet. Aber seit den 1990er Jahren nutzt man die Holztrockenkammer 34 (K3 2006). 292 Foto 37., 38. privates Sägewerk Das Sägewerk von der Forstgenossenschaft sägt auch nach Bestellung der Zimmerleute. Es verarbeitet 8 ㎥ Rundholz pro Tag. Im Jahr 2005 hat das Sägewerk ca. 1.800 ㎥ Rundholz verarbeitet und ca. 1.000 ㎥ an Holzprodukten verkauft 35 . Das Sägewerk verkauft an 15 Zimmerleute und Zimmereien und 13 Architekturbüros. Davon sitzen sechs Zimmerleute und Zimmereien und ein Architekturbüro in Kaneyama. Es verkauft die Hälfte seiner Holzprodukte in der Umgebung von Tokio und auch in den Nachbargemeinden. Wenn es den Auftrag bekommt, geht der Mitarbeiter des Sägewerks in einen Bergwald, der von der Forstgenossenschaft gepflegt wird. Der Mitarbeiter wählt die geeigneten Bäume für den Auftrag aus und fällt sie. Wie im oben erwähnten privaten Sägewerk, lässt man im Sommer den Baum nach dem Fällen mit den Ästen und den Blättern auf dem Hang im Wald liegen. Man fällt allerdings auch im Winter. Das Sägewerk hat drei Trockenkammern, in denen man bis zu 9.000 mm starkes Holz trocknen kann. In der Trockenkammer, die mit Heizöl betrieben wird, werden die 293 Holzprodukte 10 bis 14 Tage getrocknet. Die Hölzer enthalten 8 % bis 12 % Wasser. Für lange Balken, Stützen oder Bretter lässt man das Rundholz auch über ein Jahr lang an der Luft trocknen. Die Handwerker sägen sorgfältig von einem Stamm verschiedene Holzprodukte. Den Abfall der Holzprodukte verkauft das Sägewerk zur Gewinnung von Cellulose oder für Holzwerkstoffplatten. Die Forstgenossenschaften haben immer weniger Aufträge im Bereich der Waldpflege. Die Mitarbeiter pflegen mittlerweile Parkanlagen oder bekommen Aufträge von Forstgenossenschaften aus anderen Präfekturen (K13 2006). Foto 39. Sägewerk der Forstgenossenschaft In Kaneyama werden die Holztrockenkammern von den Sägewerken mit Heizöl betrieben. Es gibt auch keine Blockheizanlage. Der Abfall der Holzproduktion wird nicht richtig genutzt. Die Gemeinde hat das Problem erkannt und daraufhin ein Projektteam für Energieversorgung aus Holz gegründet. Sie hat eine Exkursion nach Österreich organisiert (Miura 2006). Sie überlegen, mit der Energie aus dem Holzabfall eine Junior-High-School, eine Großküche für die Schule und eine Ski- und Erholungsanlage zu versorgen. Sie entwerfen ein System dazu in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und privaten Firmen (K18 2006). 2.7. Verbrauch des heimischen Holzes 2.7.1. Verbrauch des heimischen Holzes und Netzwerke in der Gemeinde Bei der vorliegenden Untersuchung sind nicht organisierte Netzwerke in der Gemeinde betrachtet worden, welche Zusammenarbeit zwischen 294 durch die einheimischen Kaneyamazeder Zimmerleuten verbunden sind. Die oder Zimmereien und Sägewerken oder zwischen Sägewerken und Waldbesitzern ist in Kaneyama üblich. Zimmerleute oder Zimmereien kaufen das Bauholz von zwei bis drei Sägewerken. Sägewerke kaufen die Bäume von den Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung oder von den Forstgenossenschaften. Die Netzwerke lassen das Holz vom Wald als Ressource bis in die Häuser fließen. Es handelt sich nicht um ein organisiertes Netzwerk, sondern das Vertrauen in die Gemeinschaft der Gemeinde ist seine Basis. Die Betriebe pflegen diese Beziehungen seit Großvaters Zeiten über die Generationen hinweg (K8 2006, K4 2006, K6 2006, K16 2006, K11 2006). Zimmerleute kaufen das Bauholz von zwei bis drei Sägewerken und nicht nur von einem einzigen, weil sie gute Beziehungen mit jedem Sägewerk pflegen möchten. Nur wenn ein Bauherr wegen einem niedrigeren Preis ein Sägewerk außerhalb der Gemeinde bestimmt hat, kauft der Zimmermann das Holz von diesem Sägewerk (K8 2006, K4 2006, K6 2006). Das befragte private Sägewerk verkauft sein Schnittholz billiger als üblich, wenn der Zimmermann finanzielle Schwierigkeit hätte. Zimmermann, Zimmerei, Sägewerk und die Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung handeln miteinander nicht nur für den eigenen Gewinn. Sie schätzen die Qualität der Kaneyamazeder und pflegen die Ehrlichkeit ihrer Beziehungen (K16 2006). Dem einheimischen Architekten T. Abe zufolge gibt es auf dem Markt Standards für die Holzprodukte. Bauholz mit besonderer Länge ist sehr teuer. In Kaneyama fällen die Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung je nach Bestellung des Sägewerks und die Sägewerke schneiden das Holz nach Wunsch. Deswegen kann die Idee des Architekten oder Bauherren ohne Probleme verwirklicht werden. Das ist ein Vorteil bei der Verwendung der Kaneyamazeder. Es gibt in anderen Regionen Japans keine Zusammenarbeit zwischen den Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung und den Sägewerken (K9 2006). Allgemein gibt es in den anderen Forstwirtschaftsregionen keine Handwerker mit einem so hohen technischen Wissensstand. Meist interessieren sich die Zimmereien nicht für heimisches Bauholz und benutzen neue künstliche Baumaterialien. Deswegen wird das Holz auf dem Holzmarkt in der Region, auf dem riesigen Holzmarkt in Tokio und Umgebung oder an große Fertighausfirmen verkauft. Man sieht überall in Japan, dass heimisches Holz nicht vor Ort verbraucht wird (Muramatsu 2006). 2.7.2. Suche nach neuen Vermarktungswegen von heimischem Holz Das Netzwerk um die Kaneyamazeder, wie es oben erwähnt ist, hat sich seit dem Jahr 2000 verändert. In der Gemeinde hat sich die Zahl von Neubauten verringert. In den Nachbargemeinden sind vermehrt Fertighäuser errichtet worden. Das hat die Zimmerleute und die Zimmereien entmutigt. Aus demselben Grund haben die Sägewerke auch ihre Bewirtschaftung verkleinert (Muramatsu 2006). Seit den 1990er Jahren sind die kleinen und mittelgroßen Sägewerke überall in Japan zurückgegangen 36 (vgl. Shimase). In dieser 295 Forschungsarbeit befragte private Sägewerke und das Sägewerk der Forstgenossenschaft versuchen, mit den Architekten, Zimmerleuten und Zimmereien, die außerhalb der Region sitzen, zusammenzuarbeiten (K16 2006, K13 2006). Das private Sägewerk empfängt beispielsweise seit 2003 jedes Jahr eine Exkursion zum Thema „Waldbesichtigung in Kaneyama“, bei der Architekten aus der Umgebung von Tokio eingeladen werden. Es sind jedes Mal an die 30 Leute, die in der Zukunft ihre Häuser aus Kaneyamazeder bauen möchten, oder die schon ihre Häuser aus Kaneyamazeder gebaut haben und ihre Bekanntschaft und Freundschaft mitbringen. Sie schauen sich im Wald an, wie und wo die Kaneyamazeder wächst und wie die Bäume gefällt werden, besichtigen das Sägewerk und die Ortsmitte von Kaneyama. Sie baden in der heißen Quelle, danach essen sie am Abend mit den Zimmerleuten und dem Architekten zusammen und unterhalten sich. Die Exkursion ist bei den Teilnehmern beliebt. Hier wird Vertrauen zwischen den Teilnehmern und den Architekten, Zimmerleuten und anderen beim Hausbau Beteiligten aufgebaut. Der Architekt, der die Exkursion organisiert, schreibt regelmäßig Infobriefe über die Kaneyamazeder und er gibt auch Kurse in der Umgebung von Tokio. Viele Leute entwickeln gesundheitliche Probleme wie Allergien in Häusern, die aus Holzwerkstoffplatten gebaut sind. Der Architekt schätzt das massive Bauholz aus gesundheitlichen Aspekten. Die Teilnehmer der Exkursion haben schon Vorkenntnisse über die Kaneyamazeder, wenn sie kommen. Es gibt bisher kein System, den Menschen, die noch nichts über die Kaneyamazeder wissen, die Vorteile und Qualitäten zu präsentieren (K16 2006, K3 2006). Der Architekt entwickelt zusammen mit dem Sägewerk neue Typen des Kaneyamahauses und baut in der Umgebung von Tokio 37 (K16 2006). Die Forstgenossenschaft versucht mit den folgenden beiden Maßnahmen in der Umgebung von Tokio die Kaneyamazeder zu Vermarkten. Mit beiden Maßnahmen hat sie Erfolg (K13 2006). 1. Staffellauf von Zimmerleuten: Seit 1992 nimmt ein Architekturbüro in der Umgebung von Tokio Aufträge für den Bau von Häusern unter dem Namen „Hausbau Netzwerk A.G.“ an. Ein Bauherr, der sein Haus in Holzbauweise errichten lassen möchte, findet das Architekturbüro auf einer Internetseite. Er schließt mit dem Architekturbüro einen Vertrag ab. Das Büro plant das Haus und bestellt bei der Forstgenossenschaft das Bauholz. Nach der Bestellung sägt das Sägewerk der Forstgenossenschaft das Bauholz und transportiert es zur Baustelle. Die Zimmerleute aus Kaneyama kommen zur Baustelle und bauen die Grundkonstruktion bis zum Dachstuhl. Wenn der Dachstuhl errichtet ist, wird Richtfest gefeiert. Sie stellen nach alter japanischer Tradition Fahnen in 5 Farben auf, beten auf dem Dach und streuen gestampfte Reiskugeln vom Dach. Der Bauherr kann so eine alte japanische Tradition 296 erleben. Bei der Zeremonie sehen die Besucher die stabilen Stützen des Hauses. Sie bekommen einen Eindruck davon, dass das Haus vor Erdbeben sicher ist (K13 2006). Die Verwendung von dicken Stützen schätzt der Bauherr sehr (K6 2006). Bei der Zeremonie zeigen die Zimmerleute den Besuchern auch die Innenräume des Hauses. Es ist eine gute Werbung für das Kaneyamahaus und die Kaneyamazeder. Nach dem Dachbau übergeben die Zimmerleute aus Kaneyama den Zimmerleuten vor Ort, gleich einem Staffelstab, die weiteren Arbeiten. Die Zimmerleute vor Ort fertigen die Wände und die Inneneinrichtung. Die Forstgenossenschaft schickt das weitere Bauholz dafür. Die Forstgenossenschaft wirbt dabei für die Verwendung von 80-jährigen Kaneyamazedern (K13 2006). Das gesunde Wohnen ist für den Bauherrn wichtig. Sie informiert, dass beim Bau keine chemisch synthetisierten Lacke oder Lösungsmittel verwendet werden und für die Wärmedämmung Kieselerde benutzt wird (K3 2006). 2. Neue Direktvermarktung: Ein Architekturbüro in der Umgebung von Tokio organisiert Exkursionen in den Wald in Kaneyama. Die Teilnehmer haben schon vor der Exkursion Kenntnisse über die Kaneyamazeder. Sie kommen nach Kaneyama, weil sie doch mit eigenen Augen den Wald anschauen möchten. 100 % der Teilnehmer schließen ihre Bauaufträge mit dem Architekturbüro. Die Forstgenossenschaft schickt das Bauholz nach Bestellung. Dieses Architekturbüro plant moderne Architektur mit freier Raumorganisation. Deshalb bestellt die Forstgenossenschaft bei einem Sägewerk außerhalb der Gemeinde auch Holz, das mit der CNC Maschine zugeschnitten ist, oder die Zimmerleute fertigen die Verbindungen direkt vor Ort (K13 2006). Die Forstgenossenschaft versucht dabei, einen neuen Typ von einem Holzhaus zu entwickeln, das auf den Lebensstil der Familie zugeschnitten ist, schlicht ist, eine schöne Atmosphäre mit dem Holz hat und warm ist. Dazu muss man die Raumorganisation, das Gestaltungskonzept, die Konstruktion und Ausstattung in ein Gesamtkonzept integrieren. Dafür hält die Forstgenossenschaft die Zusammenarbeit mit dem Architekten für nötig. Sie arbeitet mit dem genannten Architekten und auch dem einheimischen Architekten zusammen. Sie wünscht, in der Zukunft mit noch mehr Architekten zusammen zu arbeiten (K13 2006). Auf der anderen Seite spürt die Forstgenossenschaft den Druck des Holzpreises. Man kann heute auf dem Markt billig Holz aus Süd- und Westjapan, z.B. von den Inseln Kyushu und Shikoku oder aus der Tenryu-Region auf der Hauptinsel Honshu kaufen. Die Forstgenossenschaft versucht, ein neues Produktions- und Vermarktungssystem für die Kaneyamazeder aufzubauen, ohne die Preise zu senken. Sie denkt, dass man im Konkurrenzkampf mit den Fertighausfirmen Häuser in verschiedenen Preiskategorien 297 anbieten muss. So hat sie angefangen, für moderne Architektur bei einem Sägewerk in der Stadt den Zuschnitt des Holzes mit einer CNC Maschine zu bestellen. Beim traditionellen Hausbau von Kaneyama sägt das Sägewerk 60 verschiedene Formate von Bauholz in handwerklicher Produktion. Dann fertigt der Zimmermann die Holzverbindungen und verbaut das Holz mit großer Sorgfalt. Die Sorgfalt des Handwerkers ist ein wichtiger Teil der traditionellen Ästhetik. Diese Form der Baukunst funktioniert nur im Zusammenspiel von Zimmerleuten, Zimmereien und Sägewerken. Mit der Standardisierung der Holzverarbeitung und dem Gebrauch der CNC Maschine ist dieser Weg nicht zu gehen. Der Vorteil liegt aber in der Senkung der Baukosten. Die Forstgenossenschaft denkt, dass eine Entwicklung in diese Richtung erforderlich ist (K13 2006). Wenn die Architekten in der Zukunft immer mehr neue Typen von Holzhäusern entwickeln, passen auch die Sägewerke sich an und auch die Forstwirtschaft verändert sich. Die Forstgenossenschaft denkt, dass sie nicht nur das Holz vermarkten, sondern sie auch ein neues System für die Zusammenarbeit mit vielen Architekten und Zimmerleuten aufbauen muss (K13 2006). Allgemein haben die Zimmerleute und die Zimmereien Schwierigkeiten, außerhalb der Region zu arbeiten. Wenn sie ein Haus in einer fernen Region bauen, entstehen hohe Fahrtkosten auch nach dem Bau zur Wartung des Hauses und dadurch entsteht ein finanzielles Defizit. Deshalb wird die Methode des „Staffellaufs von Zimmerleuten“ als ideal angesehen. Die Zimmerleute und die Zimmereien haben Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit dem Netzwerk in der Gemeinde. Mit der Erfahrung müssen sie einen neuen Weg auch außerhalb der Region finden. Auf der anderen Seite denkt Muramatsu, dass man sich nicht nur aus einem wirtschaftlichen Zweck nach außen entwickeln, sondern man auch in der Gemeinde das Ziel weiter verfolgen muss, mit der Kaneyamazeder das Ortsbild weiter aufzubauen (Muramatsu 2006). Aber zurzeit gibt es noch keine Initiative für den Aufbau von einem neuen System mit der Zusammenarbeit von heimischen Architekten und Zimmerleuten. 2.7.3. Marken des heimischen Holzes Im Prozess des Aufbaus von der Kaneyamazeder als Marke gibt es drei Phasen. Die Kaneyamazeder ist vor dem Aufbau einer Marke mit der Akitazeder, die berühmte Zeder aus dem Urwald der Nachbarpräfektur, gemischt verkauft worden. Die erste Phase der Herausbildung einer eigenen Marke war die Erlangung eines Eintrags über den Holzvorrat vom Wald in Kaneyama ins Guinnessbuch der Rekorde im Jahr 1961. Der Name Kaneyamazeder ist in dieser Phase festgelegt worden. Ein großer Teil der Wälder in Japan sind nach dem Zweiten Weltkrieg angepflanzt worden. In Kaneyama hat die 298 Forstwirtschaft schon viel früher begonnen. So wurde als Eigenart Kaneyamas die dickenstämmigen Bäume als Merkmal herausgestellt. Die zweite Phase ist die Vermarktung des Kaneyamahauses ab den 1980er Jahren. In der Zeit ist die Gemeinde Kaneyama mit ihrer Forstwirtschaft überall in Japan bekannt geworden. Die Kaneyamazeder ist im Fernsehen vorgestellt worden. Dann kamen die ersten Besucher in die Gemeinde und das Kaneyamahaus ist auch bekannter geworden. In der Zeit haben die Bürger in Kaneyama andauernd Kaneyamahäuser gebaut (Muramatsu 2006). Die Qualität der Kaneyamazeder ist auch innerhalb der Gemeinde anerkannt worden und die Anzahl von Bürgern, die bei ihrem Hausbau die Kaneyamazeder verwendet ist gestiegen (K9 2006). Das Netzwerk zwischen den betreffenden Betrieben und den Handwerkern ist damals fester geknüpft worden. Auch eine Produktionskette vom Baum zum fertigen Haus bis hin zu einem Vermarktungssystem für die Kaneyamazeder sind aufgebaut worden. Das war eine bisher in Japan einmalige Entwicklung in Kaneyama. So ist die Kaneyamazeder auch in der Umgebung von Tokio und in Westjapan bekannt geworden. Nach dem Aufbau der Marken konnte der Verbrauch von Kaneyamazeder gesteigert werden, aber der Preis ist gleich geblieben (K3 2006). Auf der anderen Seite ist die Jugendorganisation der Forstgenossenschaft aus Mangel an Nachfolgern und Übereralterung der Mitglieder entkräftet gewesen. Seither führt die Gemeindeverwaltung die Forstwirtschaftspolitik weiter 38 (Muramatsu 2006). Die dritte Phase war die Zertifikation durch das FSC (Forest Stewardship Council A.C.) und die Vermarktung von Kaneyamazedern außerhalb der Gemeinde. In der Gemeinde Kaneyama werden von den pro Jahr gerodeten 25 ha Wald von der oben erwähnten Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung ein Anteil von 20 ha übernommen. Die Firma verkaufte das Holz an das größte private Sägewerk in Kaneyama, an die Forstabteilung des Mitsui-Konzerns und an eine Firma in der Nachbarpräfektur Akita. Aber in den letzten Jahren ist die heimische Bauwirtschaft entkräftet worden und auch in der Präfektur Akita ist die wirtschaftliche Lage flau. Dadurch hat die Firma vermutlich einen Überschuss an Holz gehabt und hatte Schwierigkeiten in die Reproduktion des Holzes in den Wäldern zu investieren. Die Firma hat dann angefangen, an das Sägewerk im Nachbardorf Tozawa, das zu einer großen Zimmerei gehört, die im Jahr 100 Häuser baut, Holz zu verkauft (Muramatsu 2006). Die Firma hat im Jahr 2004 vom FSC die „Forest Management Certification“ verliehen bekommen 39 (K11 2006). In der Gemeinde Kaneyama haben zwei private Sägewerke, das Sägewerk der Forstgenossenschaft und die Zimmereien als Vermarkter das Zertifikat „CoC“ (Chain of Custody) bekommen (K13 2006). Die Qualität des Holzes der Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung ist vor die Zertifikation vom FSC im Bauwesen 299 schon anerkannt gewesen. Für den Nachweis der Qualität braucht die Firma eigentlich keine Zertifikation. Heute achtet man aber in der Vermarktung auf die Umweltaspekte und es ist fast wie eine Mode. Die Firma hat mit der Zertifikation für die Umweltgerechtigkeit den Wert ihrer Wälder steigern können. Dadurch hat die Firma an gesellschaftlicher Anerkennung gewonnen und hat es dadurch geschafft, mit den Bauunternehmern außerhalb der Gemeinde eine neue Beziehung aufzubauen. So hat sie sich neue Vermarktungswege erschlossen (Muramatsu 2006). In der Gemeinde Kaneyama sind die Marken der Kaneyamazeder mit der Rodung und der Verarbeitung je nach individueller Bestellung und zusätzlich mit der Zertifikation für die Umweltgerechtigkeit aufgebaut worden. Die Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung sucht auch nach Ideen für eine neue Nutzung der Zeder außer als Bauholz, um eine weitere Nachfrage nach Zedernholz zu schaffen (K11 2006). 2.8. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz -Aspekte der Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Zimmereien und Hausherren In dieser Forschungsarbeit wird nach dem Grund gesucht, warum heimisches Holz von den Sägewerkern, Architekten, Zimmermeistern, Zimmereien und Hausherren verwendet wird. Befragt wurden 24 Personen zwischen 30 und 70 Jahren. Hier wird nach ihren Antworten in drei Typen unterschieden. Typ 1 hat primär die Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur oder Umwelt in der Gemeinde im Kopf, Typ 2 den eigenen Vorteil und Typ 3 hat die Entscheidung nicht selbst getroffen, sondern dem Zimmermann überlassen. Mehrfachnennungen sind möglich und so kann es sein, dass eine interviewte Person zu mehreren Typen gerechnet wird. Die Zahl in Klammern bezieht sich auf die Anzahl der Befragten und nicht auf die der Antworten. Typ 1 und Typ 2 haben fast die gleiche Anzahl von Antworten. Auf Typ 3 entfällt die Hälfte der Anzahl von Typ 1 und Typ 2. Typ 1: Für Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Umwelt in der Gemeinde (10 Personen) • Für Gesellschaft und Wirtschaft in der Gemeinde (7 Personen) Die folgenden drei Personen verwenden heimisches Holz, weil sie ihr Geld in die Region fließen lassen möchten. Ein 40-jähriger Hausherr schätzt es, dass die Förderung des Kaneyamahauses nicht nur auf den Aufbau der Ortsbilder zielt, sondern sie mit der Entwicklung der Forstwirtschaft und der Unterstützung der Zimmerleute verbunden ist. Er schätzt es auch, dass das Geld in der Gemeinde bleibt und zur Reproduktion des Holzes in den Wäldern investiert wird. Sägewerker, Zimmermeister und Mitarbeiter der 300 Zimmereien zwischen 30 und 50 Jahren möchten mit den heimischen Geschäftsfreunden weiter arbeiten, mit denen sie über einen längeren Zeitraum gegenseitiges Vertrauen aufgebaut haben. Ein 60-jähriger Hausherr ist stolz auf seine Gemeinde, weil man hier überall die Zeder sehen kann und sie als „Die Gemeinde mit den Zedern“ bekannt ist. Er erklärt, dass die anderen Bürger auch stolz darauf sind. Der 40-jährige heimische Architekt denkt, dass es ganz natürlich ist, ein Haus, das man mit heimischem Holz bauen kann, auch damit zu bauen, statt es aus Holz zu bauen, das extra von weit her transportiert werden muss. Er schätzt es, zu wissen, wo die Bäume gewachsen sind und die zu kennen, die sie abgeholzt und gesägt haben. Ein anderer 60-jähriger Hausherr hat keine Kenntnisse über das Holz, aber er hat die Verwendung von heimischem Holz gewünscht. • Ökologisch (2 Personen) Ein 40-jähriger Hausherr denkt, wenn man das heimische Holz verwendet, kann man den Energieaufwand für den Transport verringern. Er denkt auch, das heimische Holz hält lange im heimischen Klima. Wenn man ein Haus baut, das 100 Jahre hält, können seine Kinder im Haus weiter wohnen. Man braucht keine Sorgen wegen gesundheitsschädlicher Chemikalien zu haben. Man kann das Haus ohne Umweltbelastung durch solche Chemikalien abreißen und der Erde zurückgeben. Ein 50-jähriger Zimmermeister erklärt, dass die Zimmerleute die mit der Technik des traditionellen Holzbaus arbeiten, das Verwinden von massivem Holz zu kontrollieren, ohne dazu Holzwerkstoffplatten zu verwenden. Er denkt, die Verwendung von Kaneyamazeder ist selbstverständlich. • Für Ortsbilder (3 Personen) Eine 60-jährige Frau eines Bauherrn hat ein Kaneyamahaus gebaut, weil die anderen Bürger auch Kaneyamahäuser bauen. Sie findet, dass das Kaneyamahaus gut aussieht. Ein 50-jähriger Besitzer eines Lebensmittelladens hat ein Kaneyamahaus gebaut. Er hat den Laden am Haus auch mit dem gleichen Aussehen eines Kaneyamahauses angebaut, weil er damit den Aufbau eines harmonischen Ortsbildes unterstützen wollte. Ein 50-jähriger Zimmermeister denkt, dass Kaneyamahäuser ein ruhiges und historisches Ortsbild in der Gemeinde aufbauen. Er ist stolz darauf, solche Kaneyamahäuser zu bauen. Typ 2: Für den eigenen Vorteil (11 Personen) • Qualität (6 Personen) Die Zimmermeister und Mitarbeiter von Zimmereien zwischen 30 und 50 Jahren schätzen aus folgenden Gründen die Qualität der Kaneyamazeder als Bauholz. Die Kaneyamazeder ist langsam gewachsen. Deshalb hat sie dichte und feine Fasern, ist stabil und verzieht sich nur wenig. Sie ist elastisch und für den Hausbau in einer Schneeregion geeignet. Die Stützen und Balken biegen sich unter der großen Last des Schnees, aber nachdem der Schnee getaut ist, biegen sie sich auch wieder zurück. Man kann sie leicht hobeln und mit schöner Oberfläche fertigen, was sich im Sichtbereich im Innenausbau 301 attraktiv ausmacht. Die Kaneyamazeder ist als Marke aufgebaut und von der Gesellschaft als gute Qualität anerkannt. Sie ist im Vergleich mit Zedern aus anderen Regionen in Japan ca. 10 % teurer. Aber für die Zimmermeister und die Zimmereien ist das selbstverständlich, weil sie im Wald sorgfältig gepflegt wird. Der 60-jährige Hausherr denkt, es ist ein Beweis für die gute Qualität der Kaneyamazeder, dass man hier in Kaneyama immer diese Zeder als Bauholz verwendet und die Häuser sehr lange halten. • Feine Verarbeitung und Genuss des Raumes aus dem Holz (7 Personen) Vier Personen, ein 40-jähriger Zimmermeister, ein 60-jähriger Chef von einer Zimmerei und ein 60-jähriger Bauherr und seine Frau schätzen aus den folgenden Gründen das Kaneyamahaus: Es hat eine beruhigende Atmosphäre, ist sorgfältig in längerer Zeit gebaut und fein gefertigt. Der Zimmermeister achtet bei der Verarbeitung von Kaneyamazeder besonders dort, wo man es später sehen kann, auf feine Ausführung, wie z.B. bei den Stützen, im Innenausbau und bei den Außenwänden. Das Zedernholz verbreitet eine warme Atmosphäre. Das merkt man erste, wenn man in einem Zedernhaus wohnt. Es fühlt sich gut an. Kaneyamahäuser haben eine gemütliche Atmosphäre. Die Menschen in Kaneyama wachsen in dem Aroma des Zedernholzes auf und deswegen ist ihnen diese Qualität nicht so sehr bewusst, aber wenn Menschen von außerhalb der Gemeinde kommen, sagen sie oft, wenn sie in Kaneyamahaus betreten, dass es sehr gut nach Zeder riecht. Die 30-jährige Frau eines Hausherrn, die nicht in Kaneyama aufgewachsen ist, erzählt, dass die Familie dem Zimmermeister den ganzen Hausbau überlassen hat. Als das Haus fertig gebaut worden ist, hat die Frau gedacht, dass das Haus mit dem vielen Holz eine zu üppige Atmosphäre ausstrahlt. Aber ein halbes Jahr später, nach dem Einzug, fühlt sie sich doch wohl. Sie findet jetzt die Atmosphäre des Hauses beruhigend und ihr gefällt das Haus jetzt gut. Ein 50-jähriger Zimmermeister sagt, dass man in einem gut gebauten Holzbauhaus so eine Stimmung bekommt, dass man die Hölzer immer anschauen möchte. Ein 50-jähriger Ladenbesitzer findet die weißen Wände des Kaneyamahauses hübsch. • Anpassung an das Klima (1 Person) Ein 60-jähriger Chef einer Zimmerei denkt, alle Hölzer dehnen sich aus und ziehen sich zusammen, aber die Hölzer, die im heimischen Wald gewachsen sind, passen gut zu dem Klima und verziehen sich am wenigsten. • Gewohnheit (2 Personen) Ein 60-jähriger Hausherr und seine Frau haben sich ihr neues Haus so gewünscht, wie das, in dem sie früher gewohnt haben. Sie sind in Kaneyama geboren und aufgewachsen. Deshalb haben sie immer in einem Holzhaus gewohnt. Sie denken, es ist für sie ganz natürlich, in einem Holzhaus zu wohnen. • Preis (2 Personen) Ein 40-jähriger und ein 50-jähriger Zimmermann haben sowohl Kaneyamazeder als auch 302 importiertes Holz verwendet, als importiertes Holz noch billiger war. Sie erzählen, dass einige Hausherren den billigsten Holzhändler bestimmen und sie dann dort das Holz kaufen. • Stabilität (3 Personen) Drei Personen zwischen 50 und 70 Jahren, ein Hausherr und seine Familie, denken, das Kaneyamahaus wird mit dickem Bauholz gebaut, weswegen es stabil gegenüber der Schneelast ist. Sie schätzen es auch wert, dass es 150 Jahre lang (Anm.: Das Haus hält nach Aussage der Zimmerleute mindestens 100 Jahre, aber nach den Erfahrungen der Bewohner halten solche Holzhäuser 150- 250 Jahre) hält statt 30 Jahre, wie ein normales Haus. Typ 3: Entscheidung vom Zimmermann (4 Personen) Drei Personen, zwischen 30 und 60 Jahren, ein Hausherr und seine Frau, haben Zimmerleute oder Zimmereien aus der Verwandtschaft für den Hausbau bestellt. Die Hausherren können ihre Wünsche offen mit den Zimmerleuten besprechen, weil sie Verwandte sind. Die Zimmerleute bauen für die Verwandtschaft mit besonders großer Sorgfalt. Der Hausherr oder die Frau des Hausherrn haben nur gesagt, dass sie ein Kaneyamahaus haben möchten. Die Zimmermeister oder Zimmereien haben das Holz der Kaneyamazeder aus eigener Entscheidung heraus verwendet. Das gleiche erzählt auch ein 70-jähriger Hausherr, aber er weiß nicht genau, ob sein Haus aus Kaneyamazeder gebaut worden ist. 303 2.9. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz und dem Wald -Aspekte der Experten der Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, Sägewerker, Architekten, Zimmermeister, Zimmereien und Hausherren Wie unter „I V. - 2.8. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz“, wurden in der Forschung 25 Personen zwischen 30 und 70 Jahren über ihre Gedanken über die Beziehung von der Verwendung von heimischem Holz und dem Wald befragt und von 13 Personen wurden Antworten gegeben. Es sind Experten der Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, Sägewerker, Architekten, Zimmermeister, Zimmereien und Hausherren. 12 Befragte antworteten nicht auf die jeweilige Fragestellung, vermutlich weil sie sich mit dem Thema nie beschäftigt haben. Hier werden die Antworten in zwei Kategorien geteilt. Nur zwei der Befragten achten beim Wald auf physische Beziehungen, wie unter Aspekt 1, „Wald mit nachhaltiger Nutzung“. Auf der anderen Seite haben sechs Befragte eine psychische Verbindung zum Wald geschildert. Fünf der Befragten haben kein Interesse am Wald. Aspekt 1: Wald mit nachhaltiger Nutzung (2 Personen) Ein 50-jähriger Zimmermeister denkt, die Kaneyamazeder wird immer wieder reproduziert und er als Bürger sollte sie nutzen. Ein 40-jähriger Hausherr wohnt zwar in einem Holzhaus, aber er denkt zu Hause nicht über den Wald nach. Wenn er aber in den Wald geht, um Brennholz zu sammeln, wird ihm bewusst, dass er mit dem Wald eine Verbindung hat, oder auch wenn sein Haus im Sommer im Schatten des Bergwaldes steht und er das als angenehm kühl empfindet. Im heutigen Leben geht man kaum in den Wald. Nur die Alten gehen immer noch Berggemüse oder Pilze sammeln. Der Hausherr denkt, der heutige Lebensstil weckt keine Assoziationen zum Wald mehr. Aspekt 2: Psychische Verbindung mit dem Wald (6 Personen) Sechs Personen, ein 40-jähriger Experte von einer Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, ein 40-jähriger Vermarkter und gleichzeitig Bauingenieur, ein 50-jähriger Zimmermeister, ein 70-jähriger und ein 60-jähriger Hausherr und dessen 60-jährige Frau haben sich über ihre psychische Verbundenheit mit dem Wald bei der Verwendung von heimischem Holz geäußert. Außerdem hat ein 40-jähriger Hausherr seine psychische Verbundenheit mit dem Wald, zwar nicht bei der Verwendung von heimischem Bauholz, aber beim Sammeln von Brennholz im Wald ausgedrückt. Ein 40-jähriger Experte von einer Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung erzählt, in Kaneyama sei das Temperaturgefälle sehr groß, es regne viel und manche Stellen seien häufig neblig. Die groß gewachsenen Zedern sind ein Nachweiß von diesem Klima und den geographischen Eigenschaften. Er empfindet die Erhabenheit der Bäume, besonders wenn er in einem Wald mit 120-jährigen Zedern steht, die in Nebel gehüllt sind. 304 Ein 40-jähriger Vermarkter und gleichzeitig Bauingenieur von einer Zimmerei geht häufig in den Bergwald, um die Bäume anzuschauen. Er kennt die Forstwirtschaft in Kaneyama gut und weiß z.B., dass die Bäume über drei Generationen gepflegt werden und für Holz mit guter Qualität die Bäume sorgfältig selektiv geschlagen werden oder die Stämme regelmäßig aufgeastet werden, oder er kennt den Zyklus von Anbau und Rodung. Er weiß auch, was die Eigenarten der Forstwirtschaft in Kaneyama sind. Er beobachtet die Rinde von den Bäumen und ihren Wachstumszustand und kann die Qualität der Bäume einschätzen. Er weiß, wie die Bäume geschlagen und zu Rundholz geschnitten werden. Er versteht auch, wie das Holz getrocknet und im Sägewerk gesägt wird. Er hat solche Kenntnisse, aber er ist nicht die Ausnahme. Alle Sägewerker und Zimmerleute können über die Kaneyamazeder alles bis zum Detail erklären. Er hat bei der Arbeit jene psychische Verbundenheit mit dem Wald. Wenn er die Wälder von Kaneyama sieht, hat er ein schönes Gefühl und wünscht, dass diese Wälder nachhaltig erhalten werden. Er findet es schade, dass die meisten jungen Bauherren heute nicht wünschen, dass sie beim Hausbau dieses Holz benutzen. Einige Leute wünschen die Verwendung von Holz, aber sie betrachtet das Holz nur als Material. Er nimmt immer seine Kundschaft persönlich mit zum Wald und zum Sägewerk. Er zeigt ihr und erzählt, welche Eigenschaften das Holz der Kaneyamazeder hat, das 80 Jahre lang gepflegt worden ist. Ein 50-jähriger Zimmermeister hat eine sehr feste psychische Verbundenheit mit dem Wald. Er fühlt, dass die Menschen und die Bäume sich einander bedingen. Er baut das Haus für das Glück aller drei, für den Baum, den Zimmermann und den Bauherrn. Der Waldbesitzer pflegt die lebendigen Bäume und mit dem Fällen endet das 100-jährige Leben der Bäume. Er denkt aber, wenn man die Hölzer sorgfältig verarbeitet, können die Bäume als ein Haus mit der Familie des Hausherrn ein neues 100-jähriges Leben anfangen. Die 60-jährige Frau eines Hausherrn hat keinen eigenen Wald. Sie geht auch nicht zum Wald, aber sie empfindet den Wald in Kaneyama als menschennah. Ein 60-jähriger Bauherr hat um 1980 sein Haus mit Bäumen von seinem eigenen Wald gebaut. Wenn er zum Wald geht, um Pilze zu sammeln, fühlt er dort die Verbindung von seinem Haus mit dem Wald. Ein 70-jähriger Hausherr hat 1 ha Zedernwald. Er hat schon einmal mit den Bäumen von seinem Wald eine Scheune gebaut. Er hat die Zedern angepflanzt und pflegt sie seit 50 Jahren sorgfältig. Sein Kind aber hat keine Pläne, die Zedern zu benutzen. Er weiß nicht, wer seine Bäume einmal nutzen wird. Ohne Bewusstsein für den Wald (5 Personen) Fünf der Befragten, ein 50-jähriger Sägewerker, ein 40-jähriger Ingenieur von einer Zimmerei, ein 60-jähriger Chef von einer Zimmerei, ein 40-jähriger Architekt und die 60-jährige Frau eines Hausherrn haben geäußert, dass sie keine Verbindung zum Wald fühlen. 305 Ein 50-jähriger Sägewerker, ein 40-jähriger Ingenieur von einer Zimmerei und ein 40-jähriger Architekt verarbeiten Kaneyamazedern oder bauen damit. Sie wohnen auch in Kaneyamahäusern, aber für sie stellt das keine Verbindung mit dem Wald her. Ein 50jähriger Sägewerker denkt, dass der Wald gut von den Experten gepflegt wird und er persönlich hat damit nichts zu tun. Er denkt, es ist normal, dass er mit den Bäumen aus dem heimischen Bergwald arbeitet. Er hat damit kein besonderes Gefühl. Eine 60-jährige Frau eines Hausherrn wohnt in einem Kaneyamahaus, aber wenn sie den Wald sieht, fühlt sie nicht, dass der Wald mit ihrem Haus in Beziehung steht. Als sie noch jung war, ist sie zum Bergwald gegangen, um Berggemüse oder Pilze zu sammeln. Aber heute geht sie nicht mehr zum Bergwald. Ein Experte von einer Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung kann sich nicht vorstellen, dass die vielen Leute in Kaneyama eine Verbundenheit mit dem Wald fühlen. Kaum ein Waldbesitzer baut sein Haus mit dem Holz von seinem eigenen Zedernwald. Heute überlegt kein Mensch, wie er das Holz von seinem eigenen Zedernwald benutzt. Die Leute, die heute über 70 sind hatten noch einen Traum mit ihrem Wald, aber die jungen Leute haben nicht mehr solch einen Traum. Wenn man das Holz vom eigenen Wald benutzen möchte, kostet es mehr Arbeitskosten als wenn man das Holz kauft. Deswegen verkauft man heute den Wald und bekommt dafür das Geld. Wenn man ein Haus bauen möchte, wählt man das Haus, das man am einfachsten bauen kann (K11 2006). Anmerkungen 1 2 306 Das Satteldach ist mit dunkelbraunen oder schwarzen Metallplatten gedeckt (K6 2006). In Kaneyama hat man früher im Winter vor die Fenster einen temporären Schneeschutz aus Holz errichtet und das Haus schneite bis über die Dachkante hinaus ein. Heute wünschen die Bewohner auch im Winter in hellen Zimmern zu sitzen und dafür schieben sie Schnee (K2 2006). Da die Häuser in der Ortsmitte giebelständig zur Straße stehen, rutscht der Schnee vom Dach vor die Wand des Nachbarhauses. Deshalb muss der Schnee zwischen den Häusern während des gesamten Winters ständig weg geschoben werden, was immer wieder zu Konflikten mit den Nachbarn führt (K27 2006) Seit den 1990er Jahren werden in Kaneyama die Häuser mit einem Sockel von 1,80 m Höhe gebaut. Dadurch erreicht der Schnee nicht so schnell die Höhe der Fenster (K5 2006). Dem Baumeister Shunji Watanabe zufolge kann man das Kaneyamahaus auch mit folgenden Merkmalen beschreiben: 1. Es hat einen hohen Sockel aus Beton, in dem meist eine Garage untergebracht ist; 2. Die Häuser stehen nur ausnahmsweise mit der Traufkante zur Straße; 3. Es ist freigestellt, wie groß der Anteil der dunklen Schindelfläche an der Wand ist; 4. Der Dachüberstand wird von unten mit Zementplatten verkleidet, was dem Feuerschutz dient. Allerdings verbergen sie auch die Sicht auf die Dachsparren; 5. 3 4 5 6 7 8 9 10 Verwinkelte Anbauten; 6. Das Fachwerk kann frei gestaltet werden; 7. Es gibt auch Häuser, bei denen die Fachwerkoptik nur vorgeblendet wird. Die Merkmale von Punkt 5-7 werden von Zimmermeistern gebaut, die Erfahrungen mit der Fertigbauweise haben. Nach der Meinung des Zimmermeisters Watanabe wird damit das Ortsbild Kaneyamas beeinträchtigt (K2 2006). Früher hat man die Wände gekalkt. Kalkwände gelten als atmungsaktiv. Ältere Leute schätzen deshalb echte Kalkwände, aber heute verwendet man mit Sand gemischte Farbe, die auf den Mörtel gespritzt wird, weil das billiger ist (K8 2006). Früher hat man die Zwischenräume zwischen den Stützen mit Lehm verfacht und dann gekalkt. Heute baut man große Wände und blendet die Verfachung nur vor. Das macht das Haus dichter, aber auch weniger atmungsaktiver. Der Zementputz macht es zudem wasserdichter (K4 2006). Heute gibt es nur noch zwei drei Handwerker, welche die Technik des Kalkputzens noch beherrschen. Sie sind über vierzig Jahre alt (K6 2006). Von außen sind die Stützen und Fachungen sichtbar. Früher hat sich die Farbe des Holzes mit der Zeit verändert. Heute wird das Holz an der Außenseite mit Holzschutzmittel behandelt. Der Ausdruck der Häuser hängt davon ab, welche Farbe man nimmt. Mit Dunkelbraun wirken sie schwerer und edler und erinnern an alte japanische Stadthäuser. Das ist bei älteren Menschen beliebt. Die jungen Leute bevorzugen durchsichtige Farbe, welche die Maserung des Holzes sichtbar lässt. Sie bauen dazu Balkone, was den Häusern einen europäischen Ausdruck verleiht (K8 2006). Das Holz an den Fassaden muss alle fünf bis zehn Jahre lackiert werden. Dazu muss man ein Gerüst aufbauen. Das kostet jedes Mal 3000- 5000 Euro (K5 2006). Deswegen möchten die jungen Menschen Häuser aus Materialien haben, die man nicht pflegen muss (K6 2006). Dem Baumeister Watanabe zufolge sind Bauten mit folgenden Merkmalen keine Kaneyamahäuser: 1. Häuser mit: -Walmdach; 2. - Pultdach, 3.- Zeltdach, 4. Das Fachwerk ist nicht sichtbar, 5. Die Außenwand wird mit Metall- oder Kunststoffplatten verkleidet, 6. Das Haus hat eine ganz andere architektonische Gestalt. Siehe dazu „III - 1.3.2. Tourismus in aufgelassenen Schulen“. Das Merkmal seiner Häuser ist, dass man von innen einen Blick in die Dachkonstruktion des Hauses hat. Er benutzt sowohl für das Konstruktionsholz, als auch für die Innenverkleidung Kaneyamazeder. Er nimmt dabei die preisgünstigste Holzqualität mit Astlöchern, davon aber entsprechend große Mengen. Er hat bereits mehrmals den Architekturwettbewerb für das Kaneyamahaus gewonnen (K9 2006). Das Bürogebäude von Kaneyama Mokusai ist von dem Architekten Yoshio Suzuki aus der Stadt Yamagata geplant worden. Es gibt auch weitere moderne Architektur aus Kaneyamazeder. Das Gebäude der Firma für Forstbewirtschaftung und Waldpflege ist 1982 und das Sägewerk der Forstgenossenschaft ist 1995 gebaut worden (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002). Im Jahr 2006 hat die Autorin als Jurorin bei dem Wettbewerb teilgenommen. In der Jury saßen: Kanji Hayashi, ein Architekt aus Tokio; ein Zimmermeister; ein Funktionär der Forstgenossenschaft; ein Mitglied der Fraueninitiative; eine Vertreter der Feuerwehr; ein Beamter der Gemeindeverwaltung; der Büroleiter der Wirtschaftskammer usw., insg. zehn Personen. Du Jury begutachtete anhand eines Kriterienkataloges die Gebäude von innen und außen und zusätzlich wie hoch der Anteil an verwendeter Kaneyamazeder war. Preisträger sind der Zimmermann und der Hausherr zusammen. Pro Haus werden bis zu 500.000 Yen (ca. 3000 Euro); pro Garage oder Hütte werden bis zu 307 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 308 200.000 Yen (ca. 1200 Euro) von der Gemeinde hinzugezahlt. Bis 2005 betrug die Gesamtsumme an Subventionen aus den vergangenen zwanzig Jahren 180Mio Yen (ca. 1Mio Euro) (K15 2006, Gemeinde Kaneyama 2006d). In der letzten Zeit haben auch andere Gemeinden bei der Verwendung von heimischem Holz mit der Zahlung von Subventionen begonnen, so z.B. die Stadt Noshiro in der Präfektur Akita oder das Dorf Hinoehara in Tokio (vgl. Noshiro 2007, Hinoehara 2007) In der Forschungsarbeit von Okuda steht nicht, wann und wie diese Untersuchung durchgeführt worden ist, aber aus dem Kontext erschließt sich, dass sie um das Jahr 2000 herum durchgeführt wurde. Jedes Jahr haben zehn Personen bei der Exkursion nach Deutschland teilgenommen. Die Teilnehmer waren Beamte mittleren oder jüngeren Alters, Zimmerleute, Mitglieder von Forstgenossenschaften und Wirtschaftskammern (vgl. Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2002). Bei der Erweiterung der Hauptstraße mussten die Hausbesitzer innerhalb kurzer Zeit umziehen und wählten aus diesem Grund Fertighäuser. Gebäude der Polizei oder Feuerwehr wurden ohne Rücksicht auf das Ortsbild als reine Zweckbauten errichtet (Sumiyoshi 2006). Komplex bedeutet hier z.B. die Zusammenarbeit zwischen den Sägewerken und Betrieben des Bauwesens, oder den Anbau von Pilzen oder Berggemüse im Wald oder den Wald als Erholungsgebiet oder Umweltpädagogik (vgl. Muramatsu 2007a, S.510) In Kaneyama leben 200 Familien, das sind 10% der Bevölkerung, von Tätigkeiten in der Bauwirtschaft (vgl. Okada 2004). Wenn man Fertigbauten errichtet, bleibt nur 10% der Baukosten in der Gemeinde, wenn man aber Kaneyamahäuser baut, sind es 60% (K15 2006, Sumiyoshi 2006). Über den Aufbau der Marke „Kaneyamazeder“ siehe: „IV. 2.7.3. Marken des heimischen Holzes“. Mit der Verbesserung des Rufes des Ortsbildes von Kaneyama mit den Kaneyamahäusern bekommen die Zimmereien leichter Aufträge (K4 2006, K9 2006). Insg. 250 Personen in der Gemeinde sind im Bereich des Hochbaus beschäftigt. Früher, als man noch das Holz der eigenen Wälder zum Hausbau verwendet hat (Anm.: vermutlich vor dem Zweiten Weltkrieg), hatte man Schwierigkeiten, das Holz aus dem Wald zu holen. Damals sind die Zimmerleute mit den Werkzeugen in den Wald gegangen und haben die Bäume vor Ort zu Bauholz verarbeitet. Die Methode des Fachwerks hat sich aber nicht verändert (K3 2006). Es gibt auch Zimmereien, die 20% ihrer Aufträge für abgedichtete Häuser mit Holzplatten oder mit traditionellem Fachwerk bekommen (K7 2006, K3 2006), aber die Hausherren der Kaneyamahäuser sagen, dass ein Haus, das im traditionellen Holzbau errichtet wurde, ausreichend warm bleibt (K28 2006, K20 2006). Wirtschaftlicher wäre eigentlich der Bau eines Kaneyamahauses, da es weniger kostet und mindestens dreifach solange hält. Aber Fertighäuser sind Konsumgütern der Massenproduktion und daher Modeartikel, die immer und überall sofort zur Verfügung stehen (Anm.: Sust 2008). Die Baukosten eines Kaneyamahauses, das normalerweise zweigeschossig ist, betragen umgerechnet pro Quadratmeter Grundfläche 800- 1200 Euro. Dabei sind 150 Quadratmeter Grundfläche Standard. Daraus ergibt sich ein Durchschnittspreis von mindestens 120.000 Euro pro Haus (Bei der Umrechnung von Yen in Euro sei aber beachtet, dass derzeit der Euro gegenüber dem Yen einen starken Wechselkurs hat. Für einen reellen Vergleich muss die Kaufkraft des Yen im Land und 21 22 23 24 25 26 27 nicht der Wechselkurs zugrunde gelegt werden). Wenn man in Tokio ein traditionelles Holzhaus bauen möchte, kostet der Quadratmeter 650.000- 1.000.000. Yen. Das ist fast das Doppelte des Preises, den man in Kaneyama zahlt. Fertighausfirmen werben mit einem Preis von 300.000 Yen pro Quadratmeter, sie berechnen allerdings die Kosten für das Bauholz gesondert und so kommt man doch auf einen Preis von 1 Mio Yen. Dazu kommen noch die Kosten für den Anschluss des Hauses, die beim Kaneyamahaus inklusiv gerechnet sind (K13 2006). Die japanische Zeder wächst nicht auf Hokkaido. Sie kommt vom 40. bis zum 30. Breitengrad von der warmgemäßigten bis zur subtropischen Klimazone auf den Inseln Honshu bis Kyushu in einer Meereshöhe von 200-1600m vor. Das Holz der Zeder ist vielfältig anwendbar und wird in Japan schon seit langer Zeit geforstet (vgl. Kazuta 2004). Die Familie Kishi hat Wald im Privat- und Firmenbesitz. Die Familie Chikaoka bewirtschaftet ihren Wald in Kaneyama, aber ihr Büro hat seinen Sitz in der Nachbarstadt Shinjo (K11 2006). Vor dem 17. Jahrhundert standen viele Baumriesen auf dem Berg in Kaneyama. Sie sind nach Edo (alter Name von Tokio) und nach Osaka (Markt von Kioto, der ehemaligen Hauptstadt von Japan) verkauft worden. Im Jahr 1622, in der Edo- Periode, war die Familie Tosawa Regionalherrscher über Kaneyama. Sie hat von den Bauern gefordert, Zedern zu pflanzen. Es war eine Maßnahme zum Schutz der Reiskulturen vor kalten Winden. Die Kleinbauern haben häufig ihre Wälder verpfändet und so gelangten sie nach und nach in den Besitz von großen Händlerfamilien oder von Großbauern. Daraus gingen die Großwaldbesitzer hervor, die anfingen, ihre Wälder nachhaltig zu bewirtschaften und damit einen großen Holzvorrat zu erreichen (vgl. Gemeinde Kaneyama 1988, S.152, S.679). Im Zweiten Weltkrieg sind die Wälder in Japan zwangsweise abgeholzt worden. In Kaneyama gab es keinen Eisenbahnanschluss, was die alten Bäume vor der Rodung bewahrt hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Wälder überall in Japan mit der Zeder wieder aufgeforstet worden. In dieser Zeit wurde die Energieversorgung von Holz auf fossile Energie umgestellt. Deshalb wurden Nutzwälder mit Mischwald ökonomisch uninteressant und sie haben an ihrer Stelle ebenfalls Zedern gepflanzt. Die Aufforstungen während des Wirtschaftsbooms reichten bald bis in die größeren Höhenlagen des Gebirges. Dazu wurde ein Netzwerk von Forststraßen gebaut. Seit der Ölkrise im Jahr 1973 und der deutlichen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sinkt die Anzahl der Neubauten. Auch der Holzpreis sank und die Forstwirtschaft litt (Muramatsu 2007b). In den 1950er Jahren gab es in den Zedernwälder einen Holzvorrat von über 3000 Kubikmetern pro Hektar (vgl. Mine 1958). Solche Wälder sind von Kazuzo Mine in „Der große Zedernwald von Kaneyama“ 1951 beschrieben worden. Dadurch wurde der Wald von Kaneyama bekannt (Muramatsu 2006). Solch ein Baum wird nur in seltenen Fällen gefällt, wenn z.B. Holz für die Renovierung eines alten Tempels gebraucht wird (Muramatsu 2006). Öffentliche Wälder werden nach einem Handbuch gleichmäßig gepflegt. Dabei wird nicht auf eine standortgerechte Artenzusammensetzung geachtet, oder an Stellen gepflanzt, die man nur schlecht pflegen kann (M12 2006). Der Preis der Kaneyamazeder steigt mit ihrem Alter. In 50 Jahren steigt der Wert pro Hektar auf rund 1 Mio Yen, aber ab dem 70. Jahr steigt der Wert auf über 2,5Mio Yen (1Mio Yen entspricht etwa 6000 Euro; 2.5 Mio Yen entsprechen etwa 15.000 Euro), allerdings enden die staatlichen Subventionen nach 40 Jahren. Die meisten kleinen 309 28 29 30 31 32 33 34 35 36 310 Waldbesitzer holzen ihre Bäume daher schon kurz darauf ab. Das System der Subventionen ist auf intensive Forstwirtschaft in Westjapan eingerichtet worden und passt nicht zur extensiven Forstwirtschaft Kaneyamas (K13 2006, Muramatsu 2006, K12 2006). Um das Jahr 2000 herum hat sich die Wohnfläche in privaten Wohnhäusern durchschnittlich auf 136 Quadratmeter erhöht, aber in der Region Mogami in Nordjapan liegt sie durchschnittliche bei über 200 Quadratmetern. Von den 42 Präfekturen Japans liegt das Durchschnittseinkommen pro Person in der Präfektur Yamagata an 23. Stelle, allerdings wohnen drei Generationen unter einem Dach und daher ist das Einkommen pro Haushalt sehr hoch und die Familien können sich so ein überdurchschnittlich großes Haus leisten (Yasui 2006, K13 2006). Die Menge des Holzeinschlags aus staatlichen Wäldern in Kaneyama beträgt 5400 Kubikmeter pro Jahr. In dieser Forschungsarbeit wurde die Vermarktung des Holzes nicht weiter untersucht (vgl. Okuyama 2006). Diese Zahl ist eine Schätzung, die sich aus den Aussagen einer Befragung von Okuyama errechnet, die von einer Untersuchung für ein Biomasseprojekt durchgeführt wurde (vgl. Okuyama 2006). Er hat mit einer Wohnfläche pro Haus von ca. 200 Quadratmetern gerechnet. Pro Quadratmeter wird durchschnittlich 0,25 Kubikmeter Bauholz verwendet. Deswegen kann man für ein Haus 1500 Kubikmeter Holz annehmen. Diesen Wert hat Okuyama durch Befragungen bei Zimmereien ermittelt. Den Wert hat er mit der Zahl der Neubauten in der Gemeinde hochgerechnet. Vermutlich werden bei einer Renovierung ca. 500 Kubikmeter Holz verwendet (vgl. Okuyama 2006). Bei einem Interview hat dieses Sägewerk stehende Zedernbäume für ca. 850 Kubikmeter Holz als Vorrat gekauft. Die Befragten konnten keine Aussage dazu machen, wie groß die entsprechende Fläche im Wald dazu ist (K16 2006). Rohholzprodukte arbeiten nach dem Bau weiter. Manche Architekten behaupten, dass Holz nicht arbeitet, wenn der Einschlag im Winter erfolgt, aber nach den Erfahrungen der Sägewerker spielt es keine Rolle, in welcher Jahreszeit das Holz geerntet wurde. Sie geben an, dass Massivholz immer arbeitet, wenn es in einer Trockenkammer getrocknet wurde (K16 2006). Die Baukonzerne benutzen nur voll getrocknetes Holz. In Japan gibt es einige Sägewerke, die spezielle Holztrockenkammern haben und voll getrocknete Holzprodukte verkaufen (K16 2006). Der Preis für ein Kubikmeter Holz für Stützbalken beträgt ca. 100 Euro. Stangenholz aus Durchforstungen kostet etwa 60 Euro pro Kubikmeter. Für ein Haus benötigt man ca. 50 Kubikmeter Holz. Es kostet etwa 20.000 Euro. 60% davon erhält der Waldbesitzer. Das Sägewerk der Forstgenossenschaft produziert Bauholz für etwa 30 Häuser pro Jahr. Wenn man das Holz selbst an das Sägwerk liefert, um es für eigene Zwecke schneiden zu lassen, kostet es etwa die Hälfte (K13 2006). Ein großes Sägewerk hat eine Leistung von 180 kW und verarbeitet pro Jahr 10.000 Kubikmeter Holz. Aus einer Untersuchung von Shimase geht hervor wo die kleinen bis mittelgroßen Sägewerke ihre Waren verkaufen: Früher haben sie Zimmereien das Holz direkt verkauft, heute produzieren sie für den Markt und Händler sind ihre Abnehmer. Die Zimmereien haben immer weniger Aufträge und die Sägewerke haben zudem die Sorge, von den Zimmerleuten ihr Geld nicht zu kriegen, aber eigentlich könnten sie höhere Gewinne machen, wenn sie mehr auf Bestellung sägen würden. Die Sägewerke die dabei 37 38 39 geblieben sind, nur auf Bestellung zu sägen, haben die Zusammenarbeit mit Architekten und Zimmereien gut gepflegt. Es sind Betriebe, die eine besondere Holzqualität nachfragen. Diese Tendenz ist auch in der Region Mogami, in der Kaneyama liegt, beobachtet worden (vgl. Shimase 2006). Z.B. lässt man die Dachkonstruktion im Inneren des Hauses sichtbar und nutzt die schöne Oberfläche des Holzes als Gestaltungselement, oder man verwendet Holzblockelemente von 60mm Stärke, aus denen die Wände im Inneren des Hauses regelrecht gemauert und auch die Decken und Fußböden verkleidet werden. Dadurch entstehen besonders warme und ruhige Räume, die gut durchlüftet sind und in denen man auch im Winter gerne barfuss läuft. Für diese Bauart wird das Dreifache an Holz benötigt. Dieser Typ von Haus wurde bisher allerdings noch nicht in Kaneyama gebaut (K16 2006). Die Präfektur Yamagata hat in den 1990er Jahren ein Projekt für den Aufbau von Marken für Holzprodukte angestoßen. Durch die Projekte haben sie die Steigerung der Verarbeitungsqualität gesetzt (vgl. Präfektur Yamagata 1993). Siehe: „I.-2.3. Regionale Ressourcennutzung in der Praxis und der Standpunkt dieser Forschungsarbeit zu Intraregionaler Ressourcennutzung“. 311 3. Moderne Architektur und Möbelbau aus regionalem Holz - Ein Beispiel aus der Region Bregenzerwald in Österreich 3.1. Merkmale des Bregenzerwaldes und Ortsbilder mit moderner Architektur aus heimischem Holz 3.1.1. Ortsbilder im Bregenzerwald In den Tälern des Bregenzerwaldes fließt das blaue Wasser der Bregenzerach durch weiße Felsen. Hell- und dunkelgrüne Wälder und frischgrüne Weiden bedecken die Hänge. Sie umschließen das Tal eng und jede Sekunde ändert sich ihre Farbe mit dem Sonnenschein in Gold oder sinken in sie die Schatten von weißen Wolken. Auf der Hangweide fressen anmutige Kühe mit hellbraunem Körper und weißem Maul und Bauch beim Klang ihrer Glocken am Hals. Frischgrüne Weide als Hintergrund. Verstreut darin goldsilberne Holzarchitektur. Sie konstruiert mit der Kirche und der Kapelle die Dorflandschaft. Foto 40. Landschaft mit Holzarchitektur (in Au) Herman Kaufmann, ein Architekt aus dem Bregenzerwald sagt, dass er die Landschaft mit der silberbraunen Holzarchitektur vermisst. Sie prägt das Landschaftsbild im Bregenzerwald. Er empfindet innere Liebe dazu. Er denkt, durch das Holz kann man schöne Räume und Atmosphären herausbilden (Kaufmann, H. 2006a). Im Bregenzerwald ist seit den 1960ern viel moderne Architektur aus heimischem Holz gebaut worden und die Landschaftsbilder einer traditionellen Alpenlandschaft haben sich stark verändert. „Ein bereits augenfälliges Merkmal des Bregenzerwaldes ist die in den letzten Jahrzehnten entstandene große Anzahl an Neubauten, die Aufgrund ihrer Architektursprache vermuten lassen, dass sie einen Dialog mit der bestehenden alten Bausubstanz eingehen“ (Kaufmann, H. 2006b). Die moderne Architektur führt einen 312 Dialog mit der Tradition ohne in kitschigen Traditionalismus zu verfallen. Die Elemente, welche die Ortsbilder vom Bregenzerwald räumlich konstruieren, sind z.B. Hang, Wald, Weide, Kirche und die Holzarchitektur. Es ist dem Feinsinn der Bewohner zu verdanken, dass sie mit diesen Elementen die poetische Qualität erspüren und in diesem Sinne weiter konstruieren. 3.1.2. Geographische Merkmale des Bregenzerwaldes Der Bregenzerwald ist eine Region im österreichischen Bundesland Vorarlberg. Vorarlberg liegt im Norden der Alpen und hat 350.000 Einwohner und 2.600 ㎢ Fläche. In der Region liegen Berge mit über 2.000 m Höhe, wie z.B. die Braunarlspitze, die 2.649 m misst. Die Bregenzerach fließt durch die Region und mündet bei Bregenz in den Bodensee. Die Landnutzung der Region ist von Tierhaltung und Forstwirtschaft geprägt (vgl. Land Vorarlberg 2006, S.5, vgl. Bregenzerwald Tourismus GmbH 2006). Der Bregenzerwald unterteilt sich in drei Gebiete, den Vorderwald, Mittelwald und Hinterwald. Sie unterscheiden sich in ihrer historischen Entwicklung: „Der Vorderwald mit offener Flanke nach Bregenz blieb abhängig und unfrei 1; der Mittel- und Hinterwald, durch das tiefe Tal der Subersach abgetrennt, erhielt von den Feldkirchern weitgehend Freiheiten, und es entwickelte sich, was die „freie Bauernrepublik“ genannt wurde und bis 1807 Bestand hatte: ein selbstverwaltes Gemeinwesen“ (Aicher u. Breuß 2005, S.11). Die Untersuchungskulisse dieser Forschungsarbeit ist der Hinterwald. Der Hinterwald liegt am relativ niederschlagsreichen Oberlauf der Bregenzerach. Vorarlberg grenzt an Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein. Manche Berge oder Quellen in Vorarlberg haben ihre Namen seit dem 11. Jahrhundert noch aus dem Alemannischen. Die Bregenzerach hat das Land von der keltischen Kultur getrennt. Aus dem Hinterwald kann man ins Rheintal, auf den Bodensee, nach Oberschwaben und Bayern blicken. Die Leute kennen die Welt außerhalb ihrer Region gut. Historisch belegt sind seit dem 17. Jahrhundert Wanderhandwerker und bis zu Beginn des 20. Jahrhundert waren die Leute aus Vorarlberg als Hütterbuben oder Hausmägte in Oberschwaben tätig (vgl. Aicher u. Breuß 2005, S.10-12). Im Land Vorarlberg sind 75 % der Wohnungen im Eigentum und es gibt viele Einfamilienhäuser. 75 % der Bauten sind seit 1945 errichtet worden. Von 160.000 Berufstätigen sind 4.400 in der Land- und Forstwirtschaft und 64.000 sind in der TextilElektro- und Maschinenindustrie tätig. Das Land hat die höchste Geburtenrate in Österreich und auch das höchste Lohnniveau. Die Situation schafft der Entwicklung von Architektur einen speziellen Nährboden (vgl. Kapfinger 1999). Im Land Vorarlberg haben sich Sägewerke, Bauwesen und Schreiner mit der Nutzung von heimischem Holz zusammen entwickelt. Man findet keine anderen Gewerbe, die sich so innovativ mit der Nutzung heimischen Materials entwickelt haben 2 (vgl. Land Vorarlberg 2006). 313 3.2. Merkmale der Architektur aus heimischem Holz 3.2.1. Verbreitung von Architektur aus heimischem Holz Im Bregenzerwald liegen viele Gemeinde mit ca. 500 bis 2.000 Einwohnern wie z.B. Bezau, Au, Egg usw.. Viele Siedlungen liegen ca. 600 bis 850 m ü.d.M. und es sind dort überdurchschnittlich viele Häuser in Holzbauweise errichtet. Bauen mit Holz hat im Bregenzerwald eine lange Tradition. Kreishauptmann Daubrowa schreibt 1817 über den Bregenzerwald: „Die Häuser sind alle nummeriert und durchwegs aus Holz gebaut. Gemauerte Häuser finden sich im ganzen Bregenzerwald nicht ein Dutzend ( )“ 3 (vgl. Pfeifer u. Thomas, S.11). Im Bregenzerwald sind seit den 1970er Jahren eine große Zahl gemauerter Häuser gebaut worden. Aber gleichzeitig hat sich der Holzbau entwickelt und die Zahl von Holzbauten aus heimischem Holz ist gewachsen 4 (Kaufmann, H. 2006a, Hug 2005, S.37). 20 % der Neubauten sind Holzbauten. Das Einkommen von Zimmereibetrieben wächst stetig (B1 2006). Tab. 11. Wirtschaftsfaktor Holzbau in Vorarlberg Es gibt im Bregenzerwald traditionelle und moderne Architektur, die aus heimischem Holz errichtet ist. Traditionelle Häuser sind Holzbauten. Unter der modernen Architektur ist ein Teil der Bauten aus Holz und der andere Teil aus anderen Materialien gebaut. Das gemeinsame Merkmal der traditionellen und modernen Architektur aus heimischem Holz ist, dass beide mit Holz bedeckt sind. Das Holz für die Wände ist von der Fichte und Tanne. Es wird unbehandelt verwendet. Die Wände bei Neubauten haben eine helle Holzfarbe, die sich mit der Zeit unter dem Einfluss der Witterung, des Sonnenlichts und des Regens und des Schnees ändert. Deswegen hat jede Wand eine unterschiedliche Farbe, je nachdem wie stark sie der Witterung ausgesetzt ist (Kaufmann, H. 2006a). 314 3.2.2. Häuser auf dem Berg und im Tal Auf dem Berg, 1.000m ü.d.M., bewirtschaftet man Weiden. An solcher Stelle stehen Bauernhäuser mit Erd- und Dachgeschoß. Der Architekt Peer hat in Sonderach beobachtet: „auf dieser Seehöhe (1.200 m ü.d.M.) wird der Farb- und Strukturunterschied zwischen der Sonnen- und der so genannten „Wetterseite“ besonders deutlich. Während erstere mit Fichten-, selten Lärchenholz, verschindelt und im Laufe der Jahre von der starken Sonneneinstrahlung nahezu verbrannt worden ist, besteht der Bretterschirm auf der dem Regen ausgesetzten Fassade zumeist aus dem feuchtigkeitsunempfindlicheren Holz der Weißtanne“ (Peer 2005, S.96). Foto 41. landwirtschaftliches Gebäude auf dem Berg (in Sonderdach) Foto 42. Schindeln (in Bizau) Im Tal stehen Wohnhäuser, Läden oder Gastronomie mit Erdgeschoß, erstem Geschoß und Dachgeschoß. Manche davon sind zwischen dem 17. bis 19. Jahrhundert gebaut worden (Kapfinger 1999). Es liegt eine ausführliche Forschung über die Holzhäuser in Vorarlberg vor und so wissen wir, dass die Häuser mehrere Male renoviert worden sind und ihre ursprünglichen Details der Gestaltung nicht mehr lesbar sind (vgl. Pfeifer u. Thomas, S.5). Die traditionellen Häuser haben ein rechteckiges Fundament und ein Giebeldach. Die Richtung der Giebeldächer zur Straße ist unterschiedlich. Die Dächer waren früher mit Fichte oder Tanne geschindelt, aber wegen der Brandgefahr ist das heute nicht mehr üblich. Die Wände sind mit ca. 5 cm großen Schindeln geschindelt. Beim Eingang gibt es einen Raum, der Schopf heißt und halb außen halb innen liegt, wie ein invertierter Balkon. Im Schopf stehen Tisch und Bank. Dort macht man handwerkliche Arbeitet oder erholt sich. Die Frauen stricken in der Sonne, man trinkt einen Wein mit dem Nachbarn usw.. Im Winter fungiert der Raum als Windschutz. Der Schopf ist ein Raum, der nicht nötig ist, aber seine Idee lebt manchmal auch in moderner Architektur fort (Kaufmann, H. 2006a). Mitten im Haus steht zwischen Wohnzimmer und Küche der Herd. Im Wohnzimmer mit dem Esszimmer hängt an der Wand ein Kruzifix. In der Ecke stehen Tisch und Bank und 315 an der Wand der Schrank, der Kasten genannt wird (Kaufmann, H. 2006a). Der Hausforscher Gustav Bancalari schreibt: “…so wohnt eben eine (…) Bevölkerung, welche das Haus nicht bloß als Obdach nach heißer Feldarbeit oder während der Winterrast zu schätzen weiß, sondern den größten Teil der Lebenszeit spinnend, webend, schnitzend, klöppelnd in demselben verbringt und dabei genug kultiviert ist, um einer hübschen Wohnung Geschmack abzugewinnen, ja sie zum Gegenstande des Ehrgeizes und Wetteifers zu machen“ (Benvenuti 2004, S.213). Der Architekt Herman Kaufmann denkt, die Merkmale der Häuser zeigen, dass für die Leute im Bregenzerwald traditionell Ästhetik eine Rolle spielt. Sie sind nicht einfach die armen Bauern gewesen, sondern sie konnten ihre Häuser schön einrichten und sie waren darauf stolz. Das war ihre Identität. Diese Einstellung haben sie auch bis heute zur modernen Architektur. Die Leute sind mit billigen Sachen unzufrieden. Sie sind bereit, für Design oder für Handwerk zu bezahlen und sie beziehen daraus ihre Identität (Kaufmann, H. 2006a). Foto 43. Bauernhaus, das im 17. Jahrhundert gebaut worden ist. Links vorne der sog. „Schopf“ (in Bizau) Foto 44. Innenraum des Hauses von Foto 43. (in Bizau) 316 3.2.3. Nutzung der traditionellen Häuser Im Bregenzerwald werden die traditionellen Häuser über Generationen genutzt. Manche Häuser sind geerbt und manche gekauft worden. Die Fassaden der traditionellen Häuser werden restauriert ohne große Veränderungen in der Gestaltung vorzunehmen. Dabei werden die Innenräume mit modernen Konzepten rekonstruiert und renoviert. Nach der Renovierung hat das traditionelle Haus eine helle Farbe durch das frische Holz und sieht wie ein Neubau aus (B10 2006). Der Gasthof Adler in Schwarzenberg ist im Jahr 1756 gebaut worden. 1991 ist das Haus vom Architekt Hermann Kaufmann umgeplant worden und der Schreiner Arnold Meusburger hat den Innenraum ausgebaut (B10 2006). „Der Ortskern von Schwarzenberg mit Kirche, Tanzhaus und Gasthöfen ist eines der am besten erhaltenen Ensembles im Bregenzerwald (…) der Gasthof Adler (…) der Mittelgangtypus in die Tiefe des Hauses verlängert und durch eine Glaswand ergänzt. (…) Auch Beleuchtung und Mobiliar zeigen eine perfekte Mischung von Alt und Neu“ (Kapfinger 1999). Die alten Bauernhäuser sind häufig renoviert und als Wohnhäuser genutzt. In Bitzau hat ein junges Ehepaar ein 300-jähriges Bauernhaus auch mit eigener Kraft und in langer Zeit umgebaut und lebt nun darin. Der Schreiner A. Meusburger hat den Innenraum ausgebaut. Im Haus haben sie einen Teil der Räume traditionell gelassen. Die meisten Teile haben sie mit viel Raum bequem eingerichtet. Sie haben ein modernes und schlichtes Treppenhaus und Möbel eingebaut (B10 2006). Haus und Werkstatt von Zimmermann Michael Kaufmann liegen in Reute. Das Haus ist ein altes Bauernhaus und daneben befindet sich die Werkstatt, die in moderner Architektur ausgeführt ist (B6 2006). Ein Bauernhaus in Bezau, das im 17. Jahrhundert gebaut worden ist, wird jetzt als Heimatmuseum genutzt (Kapfinger 1999). Es gibt häufig solche traditionellen Häuser mit modernem Laden, Gastronomie oder Werkstatt. Foto 45. Dach der Zimmerei von Foto 45 (in Reute) Foto 46. Altes Bauernhaus mit moderner Zimmerei, geplant v. Hermann Kaufmann (in Reute) 317 3.2.4. Die moderne Architektur aus heimischem Holz Es gibt Häuser aus heimischem Holz mit oder ohne traditionelle Form. Man sieht am meisten Holzhäuser mit Giebeldach und regelmäßigen Fenstern wie das traditionelle Bauernhaus. Die Holzhäuser mit modernen Formen, aber mit Giebeldach, oder die Holzhäuser mit kombiniertem Dach von Giebeldach und Flachdach, oder nur mit Flachdach, sieht man genauso häufig. Foto 47. Ein Wohnhaus, das wie ein traditionelles Bauerhaus gebaut ist (in Lech) Foto 48. Modernes Wohnhaus mit Satteldach, Entwurf v. H. Kaufmann (in Reute) Foto 49. Modernes Wohnhaus mit Flachdach (in Bizau) 318 Es gibt keine strengen Regeln für Architekturformen in der Landschaft. Deswegen konnte sich die moderne Architektur im Bregenzerwald verbreiten (Kaufmann, H. 2006a). Das Baugesetz von Vorarlberg gibt keine konkrete Empfehlung bezüglich Materialien, Formen oder Farben, das bleibt ganz dem Hausherren oder Architekten überlassen. Im Baugesetz steht unter §17 „Schutz des Orts- und Landschaftsbildes“: „Bauwerke und sonstige Anlagen müssen so angeordnet und hinsichtlich Größe, Form, Farbe und Baustoffen so gestaltet sein, dass sie sich in die Umgebung, in der sie optisch in Erscheinung treten, einfügen oder auf andere Art der Umgebung gerecht werden“ (Land Vorarlberg 2001). Es gibt im Bregenzerwald außer den Wohnhäusern verschiedene Architektur aus heimischem Holz. Wohnanlagen, Büros, Baumärkte, Zimmereien, Werkstätten der Schreiner, Hotels, Einkaufszentren, Tribünen vom Sportplatz, Feuerwehr, Bushaltestelle usw.. Sie sind als Holzkonstruktion oder in anderer Bauweise, aber stets mit viel Holz gebaut. Diese Architektur hat unterschiedliche Formen, aber sie ist meist schlicht. Die Wände dieser Architektur sind mit Fichten- oder Tannenholz geschindelt, oder waagerecht oder senkrecht mit Brettern geschirmt. Weil die Wände mit heimischem Holz bedeckt sind, haben Bauten von ganz unterschiedlicher Architektur einen einheitlichen Ausdruck. Foto 50. Einkaufszentrum mit Bushaltestelle (in Bezau) Foto 51. Hotel mit Hallenbad (in Bezau) 319 3.3. Die Verbreitung der modernen Architektur aus heimischem Holz 3.3.1. Moderne Architektur und Architekten im Bregenzerwald Die moderne Architektur aus heimischem Holz wird, wie schon bei den traditionellen Häusern, nach pragmatischen Prinzipien geplant, die von der regionalen Landschaft und Kultur geprägt sind. Die Bauten sind deswegen schlicht und in die Landschaft integriert. Die geschindelten oder geschirmten Wände haben bei Neubauten eine helle Holzfarbe und mit der Zeit ändert sie sich nach Silbergrau und danach in Dunkelbraun. Der Architekt Ernst Hiesmayr schreibt in „Eine neue Tradition“ über die Denkweise mit der Architektur aus der Tradition (Hiesmayr 1995). Der Architekt Herman Kaufmann sagt, „die traditionelle Raumkonstruktion und Zierformen passt nicht mit dem modernen Lebensstil zusammen. Wenn man der alten Raumkonstruktion oder Zierform folgt, wird die Architektur kitschig. Es gibt aber Traditionen, die in jetziger Zeit weiter nutzen. Solch einer traditionellen Architektursprache sind z.B. Materialien, Technik, Raumkonzept der Landschaft und das Gefühl für die Geschwindigkeit der Zeit angepasst, die die Architektur mit der Zeit nach und nach in die Landschaft integrieren lässt. So lebt im Bregenzerwald die Tradition in der modernen Architektur nicht als Form, sondern als Prinzip des Denkens bei der Planung. Der Architekt plant mit der Anforderung des modernen Lebens, z.B. neue Raumkonzepte, umweltgerechte Materialien, weniger Energieverbrauch. Er integriert bei der Planung die Tradition in die Moderne“ (Kaufmann, H. 2006a). In Vorarlberg verstehen die Architekten die Holzbautechnik und Sprache der Handwerker sehr gut. Die Architekten und Handwerker diskutieren über die Realisierung der Pläne bereits in der Planungsphase. Mit dieser Art der Planung bauen der Zimmermann und der Schreiner eine innovative moderne Architektur aus heimischem Holz von schlichter und guter Qualität (Kaufmann, H. 2006a, Breuß 2007). Vorarlberg hat heute in Österreich die größte Dichte an Energiesparhäusern vorzuweisen (vgl. Kapfinger 1999). 3.3.2. Die Diskussion um die Verbreitung der modernen Architektur aus heimischem Holz In den 1960er Jahren haben in Vorarlberg die Architekten Hans Purin, Rudolf Wäger, Jakob Albrecht usw. angefangen, moderne Architektur aus heimischem Holz zu planen. Am Anfang sind sie für den Bau der modernen Architektur aus heimischem Holz als Zerstörer der Tradition kritisiert worden. Aber auf der anderen Seite gab es damals viel kitschige Architektur und Möbel z.B. Häuser mit Balkon und Geranien, wie sie in anderen Regionen typisch sind, oder Schindeln aus Plastik, die von den Leuten als traditioneller Stil wahrgenommen wurden (Kaufmann, H. 2006a). Über die Verbreitung der modernen Architektur aus heimischem Holz in Vorarlberg hat Kapfinger geforscht. Er schreibt: 320 “Um 1980 hatte sich auch das Flachdach als Synonym der Distanz zum Traditionalismus überlebt. Purin, Wäger und Wratzfeld arbeiteten wieder mit den Satteldächern, die jüngere Generationen hingegen begann mit ihnen – im Zeichen der Distanz zum inhaltsleer gewordenen Modernismus. Trotzdem gab es auch mit vielen dieser ersten, neuen Dach-Häuser behördliche Schwierigkeiten, da sie von lokalen Bauausschüssen postwendend als „Stadel“ abgelehnt wurden. Im Prozess auf den Landesbehörden der örtlichen Raumplanung erhielten diese Projekte aber überraschend Unterstützung, - so Roland Gnaiger, „hatten wir mit dem Satteldach und den darin verpackten, unbestreitbaren Innovationen räumlicher und energetischer Art in den Gemeinden und bei den Genossenschaften doch das Vertrauen gewonnen, und das Eis war gebrochen, um auch etwas ganz anderes zu machen“ (…) In dem Zusammenhang sind von 1985 – 92 die wöchentlichen Kommentare von Roland Gnaiger im lokalen TV nicht zu vergessen“ (Kapfinger 1999). Die Architekten in Vorarlberg arbeiten zum Nutzen der die Gemeinschaft in der ersten Reihe. Sie sind nicht so eine Art Künstlerarchitekten oder Stararchitekten, die ungebunden und unabhängig sind und unter deren gestalterischen Leitung ein Gebäude zu seiner Form findet (Kaufmann, H. 2006a, Eberle 2006, S.82-83). Die moderne Architektur aus heimischem Holz in Vorarlberg hat ihr Raumkonzept mit dem modernen Lebensstil vereinbart, ist keine große finanzielle Belastung und bedeutet weniger Verbrauch von Materialien, was gut für die Umwelt ist. Sie ist wichtig für die Bauherren und hat sie überzeugt. Um 1990 endet die Diskussion über moderne Architektur, und sie verbreitete sich wie eine große Welle in Vorarlberg (Kaufmann, H. 2006a). „Einfach bauen“ ist der Arbeitstitel einer Ausstellung in Vorarlberg von 1993 5. „Einfach bauen, mit der Betonung auf einfach, mit der Betonung des klaren Bezugs auf eine allgemeine Praxis, auf eine einfache, unproblematische Technologie, auf eine planerische Vernunft. (…) Einfach bauen meinte Baukunst in erster Linie als Dienstleistung, als Planung für die Nutzer, von der Baustelle, von der Werkstätte her – und nicht vom Zeichenbrett, vom Atelier her“ (Kapfinger 1999). 3.3.3. Die Architekten im Bregenzerwald Im Bregenzerwald haben der Architekt Leopold Kaufmann und andere Architekten seit 1960 mit der Kooperation mit den heimischen Handwerkern die moderne Architektur aus heimischem Holz eingeführt (Breuß 2005). Jetzt sind die meisten Architekten, die mit heimischem Holz arbeiten, aus der zweiten Generation. Sie führen die Philosophie der Pioniere weiter. Der Architekt Hermann Kaufmann ist einer davon. Er stammt aus einer Familie von Zimmerleuten (Kaufmann, H. 2006a). Im Bregenzerwald gibt es viele Handwerker, weswegen die Leute seit ihrer Kindheit durch Verwandte oder Nachbarschaft mit dem Holz oder Handwerk eng verbunden sind. Die Architekten sind 321 da keine Ausnahme. Im Bregenzerwald ist die Rolle der Architekten in der Gesellschaft anerkannt. Nicht nur die Wohnhäuser, sondern die allgemeine Architektur z.B. die öffentlichen Einrichtungen, Büros oder Läden werden übrigens von Architekten geplant. Im Jahr 1980 gab es 30 Architekturbüros in Vorarlberg. Bis zum Ende der 1990er Jahre haben sie sich auf 150 vermehrt (Kapfinger 1999). In Vorarlberg gibt es viele Designer, Architekten usw.. Die Kreativwirtschaft ist ein Sektor, dem wegen seiner dynamischen Entwicklung in den letzten Jahren ein großes ökonomisches Potenzial beigemessen wird. Der Sektor stieg zwischen 1995 – 2000 in der Unternehmens – sowie der Beschäftigtenzahl um jeweils ein Drittel an. Der Beitrag dieser Branche entspricht im Jahr 2000 einem Anteil an der Gesamtwertschöpfung von 3,5% (vgl. Land Vorarlberg 2006, S.18). 3.4. Zimmermann und Technik „Gerade in der handwerklichen und industriellen Holzbautechnologie gab und gibt es hier aufgeschlossene Unternehmen, die in Kooperation mit Architekten an der Profilierung ihrer Erzeugnisse interessiert waren und es mehr denn je sind. So ist es hier gelungen, auf die historisch vorhandene Bautradition eine zeitgenössische Antwort zu geben, wobei nicht die Formen, sondern die abstrakten, gedanklichen Prinzipien der Tradition aktualisiert wurden. Darüber hinaus konnten die Baukünstler (Anm.: Zimmerleute) und ihr Umfeld das anfangs im Holzhausbau erworbene Repertoire, ihr technisches Wissen und ihre rigide, ökonomisch-formale Disziplin auch auf andere Bautechniken und andere Bauaufgaben übertragen und erweitern“ (Kapfinger 1999). In dieser Untersuchung sind im Bregenzerwald drei Zimmereien untersucht worden. Bei einer Zimmerei arbeiten ca.15 Zimmerleute, ca. 5 Schreiner, ca. 5 Mitarbeiter im Büro, insgesamt ca. 25 Personen. Die Größe der Zimmerei ist im Bregenzerwald mittelmäßig oder groß, aber eher Standard, im EU Maßstab aber eher klein (B6 2006, B8 2006, B7 2006, Breuß 2007). Bei Zimmereien schneiden die Zimmerleute das Holz in der Werkstatt unter einem großen Holzdach. In der Werkstatt gibt es eine CNC Maschine, die mit dem Computer gesteuert wird. Die Hölzer werden auf diese Weise schnell und in großer Stückzahl verarbeitet. Dadurch werden Arbeitskosten gespart. Die Werkstatt mit dem großen Dach erleichtert die Arbeiten bei Schnee oder unter anderen schlechten Wetterbedingungen und schützt die Zimmerleute physisch. Die Arbeiten an einer Baustelle sind von kurzer Dauer. Bei Wohnhäusern dauern sie eine bis zwei Wochen. Die Belastung bei der Baustelle, z.B. das Leben in einer provisorischen Wohnung, ist gering. Der Bauherr kann ein individuelles Haus vom Architekt planen lassen und mit relativ wenigen finanziellen Lasten bauen. 322 Foto 52. Zimmerleute arbeiten unter einem großen Dach (in Bizau) Foto 53. Neue Entwicklung von Holzprodukten bei einer Zimmerei (in Bizau) Die moderne Architektur im Bregenzerwald hat eine hohe Qualität. Sie hat ein Raumkonzept entwickelt, das dem Lebensstil der Bauherren angepasst ist, und geht auch bei der Gestaltung sensibel auf die Eigenschaften der natürlichen Baustoffe ein. In dieser Untersuchung sind fünf Schreinermeister befragt worden. Die Einrichtung und Technik in der Werkstatt sind mit der einer Zimmerei vergleichbar (B9 2006, B10 2006, B11 2006, B12 2006, B13 2006). Wie der Zimmermann gibt sich auch der Schreiner viel Mühe, die Idee des neuen Raumkonzepts der Architekten zu verwirklichen. Sie forschen eifrig an neuen Holzkonstruktionen oder zur Dauerhaftigkeit des Holzes. Die Technik zum Bauen mit Holz entwickelt sich Tag für Tag und die Handwerker sind stolz auf die Einführung neuer Techniken. Hierbei sind die Zimmereien in Zusammenarbeit mit einem lokalen Holzinstitut führend. Sie entwickeln neue Produkte aus heimischem Holz und anderen Naturmaterialien, die für die Menschen gesund sind, die auf den Stoffkreislauf abgestimmt oder für die Einsparung von Energie bei Bau und Unterhalt der Häuser nützlich sind (B7 2006, B8 2006, B5 2006). Manche Kunden akzeptieren nicht die Anwendung von massivem Holz. Bei diesen Kunden verwendet man doch Leimholz (Kaufmann, H. 2006a). Die technischen Fertigkeiten der Handwerker steigen mit der Verbreitung der Holzarchitektur und ihren besonderen qualitativen Anforderungen im Bregenzerwald. Dort herrscht zwar ein reger Wettbewerb zwischen den Werkstätten, aber sie haben eine stabile Auftragslage im In- und Ausland, z.B. Deutschland oder Italien. Der Tourismus bringt den Bauunternehmern und Schreinern Aufträge. Es gibt häufig Aufträge aus Gasthöfen und Hotels für Neubauten und Renovierungen. Die Arbeiten für die Gastwirtschaften werden auch von vielen Einheimischen gesehen. Deshalb ist sie eine 323 gute Werbung für Bauunternehmer und Schreiner. Wenn man für eine Gastwirtschaft arbeitet, bekommt man danach immer weitere Aufträge. Touristen sehen auch die Architektur und Einrichtungen von Gastwirtschaften und sprechen in ihrer Heimat darüber. Das ist auch eine gute Werbung (B3 2006). Foto 54. Junge Schreiner (bei Herrn Rüscher in Schnepfau) Die jungen Zimmerleute oder Schreiner werden von der Meisterschule fortwährend ausgebildet. Sie arbeiten in der Werkstatt und im Winter besuchen sie die Schule. Sie lernen in der Schule die neuesten Techniken, aber auch traditionelle Fertigkeiten (B7 2006). Die 30- bis 40-jährigen jüngeren Meister erben übrigens meist die Werkstatt vom Vater oder von Verwandten. Wegen der hohen Investitionen für große Maschinen ist es für die jüngeren Handwerker schwierig, allein eine neue Werkstatt zu gründen (B9 2006, B12 2006). 3.5. Historischer Zugang 3.5.1. Barocke Wandermeister „Im Graubündner Raum etablierte sich eine eigenständige, von oberitalienischen Einflüssen geprägte Tradition der Wandpfeilerkirche, die nach dem Dreißigjährigen Krieg weit in den deutschsprachigen Raum ausgriff (...). Die Grundidee der spätgotischen Wandpfeilerkirche bestand darin, die traditionell am Außenbau angesetzten Strebepfeiler in den Kirchenraum zu integrieren, wo sie als Wandzungen – den Wandpfeilern – von den Seitenwänden nach innen ragen“ (Stalla 2006, S.34-36). Im 17. und 18. Jahrhundert war die Auer Zunft, die 1651 in Au im Bregenzerwald gegründet wurde, ein Zentrum der barocken Wandermeister. Sie haben in der Schweiz, im Bodenseeraum, in Oberschwaben, am Oberrhein und in Altbayern eine Vielzahl der barocken Kirchenbauten gebaut. Michael Beer (1605-1666), der Gründer der Auer Zunft, hat während seiner Lehr- und Wanderjahre in den 1620er-Jahren diesen Bautyp kennen 324 gelernt. Michael Thumb (1640-1690) und Johan Georg Kuen (1642-1691), die zweite Generation der Auer Zunft, haben viele Varianten entwickelt. Franz Beer (1660-1726), der Sohn des Gründers der Auer Zunft und Br. Casper Moosbrugger (1656-1723) haben im Jahr 1721 die Stiftskirche St. Gallen geplant. Sie war der künstlerische Höhepunkt (Stalla 2006, S.33-54). „„Auer-Lehrgänge“ sind zwei Musterbücher mit Anschauungsmaterial zur konstruktiven und baukünstlerischen Praxis. Mit diesen beiden Handschriften wurden die Mitglieder der Auer Zunft im Winter geschult, bevor im Frühjahr der Aufbruch zu den Baustellen erfolgte“ (Natter 2006). Sie sind von Franz Beer oder Br. Casper Moosbrugger gezeichnet worden. „Die Zeichnungen der „Auer-Lehrgänge“ entstanden um 1715 und vermitteln eine theoretische Ausbildung und die Kontakte mit den Architekturtraktaten von Daviler, Sturm und Pozzo“ (Albrecht 2006, S.63). Sie sind in der Verwandschaft weiter vererbt worden und der Architekt Jakob Albrecht stellte sie bei der Ausstellung im Vorarlberger Landesmuseum aus (vgl. Albrecht 2006, S.63-65). Die hohe Kultur des barocken Kirchenbaus durch die Wandermeister ist bis in die Gegenwart den Menschen in Vorarlberg Grund zum Stolz. 3.5.2. Die Arbeit der Zimmerleute um das Jahr 1945 Es gibt kaum Literatur über historische Zimmerleute oder die Technik ihres Holzbaus im Bregenzerwald. Hier wird über die Arbeit von Zimmerleuten nach dem Zweiten Weltkrieg, die von einem heute 86 -jährigen (Jahrgang 1920) ehemaligen Zimmermeister geschildert wurde, geschrieben: „Mein Vater war kein Handwerker. Er war ein Jäger. 1945 kam ich vom Krieg zurück und ich habe im Nachbarort ein Plakat gesehen, auf dem stand, dass Zimmermannlehrlinge gesucht werden. Ich wog damals 100 kg und war kräftig. Deswegen habe ich angefangen zu lernen und bin Zimmermeister geworden. Ich habe mich mit der Tochter meines Meisters verheiratet und so habe ich die Zimmerei geerbt. Damals haben fünf Zimmerleute in der Werkstatt gearbeitet. Als ich angefangen habe als Zimmermann zu arbeiten, waren 70% der Arbeit Handarbeit. Mehrere Zimmerleute haben zusammen gearbeitet und wir haben im Frühling die Baustelle angefangen und im Herbst haben wir das Haus fertig gebaut. Auf dem Berg haben wir zu dritt aus einem Stamm mit der Säge die Säulen oder Bretter ausgeschnitten. Die Rinde haben wir mit der Axt abgemacht. Es gab keinen Kran, deswegen haben wir zu dritt die Säulen aufgestellt. Wir haben die Säulen auf der Schulter getragen und mit eigener Kraft aufgestellt. Der stärkste Mann hat in der Mitte der Säule getragen. Wir haben die Dachschindeln auch mit dem Hand gemacht. Im Dorf haben wir die Säulen und Bretter vom Sägewerk gekauft und genutzt. Damals gab es in Sägewerken noch das Wasserrad und sie haben damit die Hölzer gesägt. Wir 325 hatten einen Wagen und mit dem Anhänger haben wir die Hölzer transportiert. Der Wagen, der uns gehörte, konnte bis zu 12 m langes Holz mitnehmen. Die Hölzer waren Fichte, Tanne, Lärche, Föhre und Zierbe (Zirbelkiefer). Die Verwandten meiner Frau hatten eine große Fabrik für die Holzverarbeitung gegründet und so bestand eine Weile ein Wettbewerb. Heute sind wir darüber im Klaren, dass es einen Unterschied zwischen Handwerk und Industrie gibt, deswegen gibt es keinen Wettbewerb mehr. Wenn man aber jetzt ein Haus nur in Handarbeit bauen möchte, kann niemand die Arbeitskosten bezahlen. Auch bei uns wurde die Werkstatt nach und nach mechanisiert. Besonders als mein Sohn die Werkstatt geerbt hat, hat er großmaßstäbliche Maschinen eingeführt. Heute haben die Zimmerleute kein Wissen mehr von der alten Technik. Ich habe bei einer Ausstellung in den verschiedenen Orten die alte Technik, die ich, als ich jung war genutzt habe, den Leuten gezeigt. Zwei Söhne von mir sind Zimmermann geworden und einer ist Architekt geworden. Vor 20 Jahren habe ich die Werkstatt an meinen Sohn weitergegeben und dann bin ich pensioniert. Da haben meine Söhne für uns ein Haus gebaut. Der Sohn, der Architekt ist, hat es geplant und der jüngste Sohn hat es in seiner Lehre gebaut. Damals war das Haus sehr innovative moderne Architektur. Ich habe meinem Sohn gesagt was ich haben möchte und was ich nicht haben möchte. Sonst hat er prinzipiell alles frei geplant. Ich wohne hier gerne. Ich kann gut die Landschaft (Weide und Gebirge) aus dem Fenster sehen. Als der Sohn angefangen hat, moderne Architektur zu studieren, habe ich gedacht, jeder hat seinen eigenen Weg. Es hat auch mit der Zeit zu tun, dass sich die moderne Architektur in der Landschaft vermehrt (B17 2006). 3.6. Merkmale von Wald und Forstwirtschaft, die heimisches Holz produziert Exkurs 11. Wald und Forstwirtschaft in Österreich Die Waldfläche in Österreich ist 3.880.000 ha groß. Sie nimmt 47 % der Landfläche ein. Die Bäume, die im Wald wachsen, sind zu 67 % Nadelbäume davon 54 % Fichte (Picea abies (L.)), 6 % Weißkiefer (Pinus sylvestris L.), 5 % Lärche (Larix decidua Mill.), 2 % Tanne (Abies alba Mill.), u.a. und 33 % Laubbäume, davon 10 % Buche (Fagus sylvatica L.) (BMLFUW 2005). Über die Merkmale der österreichischen Wald- und Forstwirtschaft schreibt Kobayashi folgendes. In Österreich sind die Wälder in einer langen Periode der Wiederholung von Rodung und Aufforstung entstanden. Es gibt kaum Urwälder. Der durchschnittliche Holzvorrat ist 290 ㎥ pro Hektar. Zwei Drittel der Landfläche sind Gebirge, deswegen gibt es viele montane Wälder. Das Gelände ist nicht geeignet für Forstwirtschaft, aber die Hölzer werden mit Spezialmaschinen, die in kleinen Räumen gut arbeiten können, im Wald gesammelt und durch ein sehr dichtes Netzwerk 326 von Forststraßen für LKW und Schneisen (40m/ha) kann man die Holzstämme gut entnehmen. So weist die österreichische Forstwirtschaft eine hohe Produktivität auf. In der letzten Zeit sind zur Vermeidung von Forstschäden, wie sie in Fichtenplantagen häufig auftreten, Mischwälder vermehrt worden. Im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sitzt die Landesforstdirektion, und es gibt auch ein Amt für Gebirgsbäche und Lawinen, das für den Schutz vor Muren und Lawinen zuständig ist. Sie achten sehr auf Landschaftspflege. Das Forstgesetz hat strenge Regeln bezüglich des Kahlschlages. Z.B. ist das Abholzen einer Fläche über 2 ha nicht erlaubt und ab 0,5 ha braucht man eine Genehmigung. Der Wald ist zu 70 % in Privatbesitz, 17 % sind staatlich, 10 % in der Hand von Forstgemeinschaften. Der Wald ist also deutlich mehrheitlich in Privatbesitz. Im Inland werden 20 Mio. ㎥ Holz im Jahr geschnitten. Außerdem werden Stämme vom Ausland importiert und weiter verarbeitet (vgl. Kobayashi 2004, S.87-88). Die Handelsbilanz von Stämmen und Sägeholz liegt beim Import bei 1,4 Mrd. Euro und beim Export bei 2,9 Mrd. Euro (BMLFUW 2005). 3.6.1. Wald- und Forstwirtschaft im Vorarlberg In Vorarlberg sind die Berghänge mit Wald oder Weiden bedeckt. Die meisten Wälder liegen zwischen 600 m bis 1.800 m ü.d.M. (B1 2006). Zwei Drittel des Baumbestandes liegen über 1.000 m ü.d.M. (Land Vorarlberg 2006b (-), S.15). Über der Waldgrenze werden die Flächen beweidet und vom Tal aufwärts haben die Menschen die Wälder abgeholzt. Die Wälder existieren zwischen dem menschlichen Nutzungsdruck von unten und von oben (vgl. Benvenuti 2004, S.13). Diese typische Landnutzung in den Alpen könnte es vermutlich seit 5.000 v. Chr. geben (vgl. Bätzing 2005, S.44). Die Gesamtfläche des Landes Vorarlberg ist 260.000 ha groß, die Waldfläche 97.000 ha. Damit nimmt sie 37 % der Landesfläche ein (BLFUW 2005). „Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Waldfläche in Vorarlberg wieder gewachsen. Der Grund liegt darin, dass manche Alpflächen aufgelassen wurden und der Wald dort vordringen konnte“ (Benvenuti 2004, S.13). In den letzten 25 Jahren ist die Waldfläche um 8% gewachsen (vgl. Land Vorarlberg 2002, BLFUW 2005). Die 6.000 Privatwaldbesitzer stellen im Vorarlberg die größte Gruppe unter den Waldeignern. Darunter sind besonders viele mit kleinen Waldstücken von 1 bis 2 ha. Die Pflege der Wälder ist auf einem unterschiedlichen Stand (B1 2006). Unter den Waldbesitzformen gibt es eine Form der Eigentumsgemeinschaft, die Partie heißt. Die Bauernwaldbesitzer beweiden die Alp und pflegen ihre Wälder gemeinschaftlich (B2 2006). Es gibt 565 Partien in Vorarlberg (vgl. Land Vorarlberg 2002). 327 Foto 55. Selektiv gerodeter Wald (in Baumgarten) Foto 56. Verjüngung des Waldes (in Baumgarten) Foto 57. Seilkran zum Abtransport des Holzes (in Bezau) In der Gemeinde arbeiten Förster, die vom Land angestellte sind. Sie entscheiden, welche Bäume herausgenommen werden sollen und sie beraten die Waldbesitzer über die Waldpflege. In Vorarlberg werden die Wälder natürlich regeneriert. Nadelbäume sind mit 100 bis 150 Jahren schlagreif. In schlechten Lagen werden sie erst mit 200 Jahren geerntet. Die Menge des Holzeinschlags beträgt 280.000 Festmeter im Jahr. Davon werden 150.000 ㎥ der Stämme mit dem Wagen, 100.000 ㎥ mit dem Seilkran und 30.000 ㎥ auf andere Weise gesammelt. Den Waldbesitzern gehört der Seilkran gemeinschaftlich. Um Erosionen zu vermeiden werden 8.000 ㎥ der Stämme im Jahr mit dem Tier (Anm.: Pferd) gesammelt (vgl. Land Vorarlberg 2002). Für die Holzentnahme bekommen die Waldbesitzer Subventionen gezahlt (B1 2006). 328 „Vorarlberg hat als einziges Bundesland Österreichs einen Fonds zur Rettung des Waldes eingerichtet. Daraus werden 20 verschiedene forstliche Maßnahmen wie Schadholzaufarbeitung, Forstpflegemaßnahmen, Holzrückung mit Pferden, Ausbildung von Forstlehrlingen, Begründung von Schutzwald, Querfällungen u. a. gefördert. Darüber hinaus werden Förderungen gemäß EU-Verordnung 1257/ 99 „Programm für die Entwicklung des ländlichen Raumes“ für forstliche Maßnahmen gewährt“ (vgl. Land Vorarlberg 2006b (-), S.27). Das Wachstum des Waldes in Vorarlberg beträgt im Jahr 440.000 ㎥ und davon werden 280.000 ㎥ abgeholzt. Das heißt, es gibt einigen Spielraum für einen steigenden Verbrauch von Holz (B1 2006), aber es besteht immer eine Gefahr des Verlustes durch Schadinsekten, die durch die Schwächung der Baumgesundheit durch Umweltverschmutzung steigt. Im Jahr 2002 beispielsweise entstand dadurch ein Schaden von 70.000 ㎥. Einmal in mehreren Jahren entstehen größere Schäden durch Windwurf (Land Vorarlberg 2002). Die Birke fängt jetzt schon Ende August mit der Herbstbelaubung an, was früher erst Mitte Oktober angefangen hat. Solche Veränderungen des Waldwachstums werden beobachtet (B17 2006). 3.6.2. Wald als Schutz vor Naturgefahren in Vorarlberg Der Niederschlag ist unterschiedlich zwischen den Tälern und Höhenlagen, aber er liegt in Vorarlberg bei 1.500 bis 2.700 mm. Die Wälder erfüllen gegenüber den Siedlungen eine Schutzfunktion vor Lawinen und Hochwasser. Die Wurzeln der Fichte wachsen breit und flach und die Wurzeln der Tanne tief. Eine Mischung aus Fichte, Tanne und Laubbaum hält den Boden. Deswegen sind die Mischwälder geachtet (Kaufmann, H. 2006a). Foto 58. Reparatur der Uferbefestigung der Bregenzerach (in Au) 329 Sowohl das Abholzen großer Flächen als auch das Auflassen der Wälder wird als problematisch angesehen. Wie im Forstgesetz festgeschrieben, ist die Abholzung von Großflächen nicht erlaubt und die Bäume werden deshalb selektiv geschlagen. Trotzdem vertreten Experten die Meinung, dass die Regel nicht streng genug ist (B4 2006). Auf der anderen Seite werden Wälder, die auf steilen Hängen liegen, häufig verlassen, weil sie schwer zu pflegen sind. Diese Wälder haben ihre Probleme mit der Erosion wegen veralteter Bäume. In den letzten 50 Jahren sind die Holzpreise gesunken, weswegen viele Waldbesitzer ihre Wertschätzung gegenüber ihren Wäldern verloren. Die Waldbesitzer, die Angestellte sind, haben wenig Interesse an der Waldpflege. Darin liegen die Gründe für das Verlassen der Wälder. Es wird darüber diskutiert, ob für die Pflege der Schutzwälder öffentliche Mittel fließen sollen, aber unwirtschaftliche Waldpflege belastet die öffentlichen Kassen (B1 2006). Etwa 500 Waldbesitzer sind Mitglied bei der Landwirtschaftskammer Vorarlberg. Die Pflege ihrer Wälder ist vertraglich geregelt, oder die Waldbesitzer verpachten ihre Wälder. Weil die Kosten für die Versicherung von Arbeiten im Wald teuer sind, lohnt sich die Bezahlung der Gebühr für die Waldbesitzer (B1 2006). Andererseits werden Schäden durch Lawinen oder Hochwasser nicht nur von der Forstwirtschaft verursacht. Die Ursachen sind komplex. Die Erschließung der Skigelände für den Tourismus ist auch ein Grund (B1 2006). 3.7. Produktion und Verbrauch von heimischem Holz 3.7.1. Holzprodukte aus heimischem Holz, die im Bregenzerwald produziert und verbraucht werden Vor der Industrialisierung waren die meisten Häuser, Möbel und Werkzeuge im Bregenzerwald aus Holz (vgl. Benvenuti 2004, S.141). Heute beträgt die Menge des Holzeinschlags in Vorarlberg 280.000 ㎥, davon sind 250.000 ㎥ Nadelbäume und 30.000 ㎥ Laubbäume (Land Vorarlberg 2002). 220.000 ㎥ der Stämme werden als Holzprodukte, wie Bauholz, verarbeitet und 60.000 ㎥ werden als Brennholz verwendet. Neun Sorten der Nadelbäume, fünfzehn Sorten der Laubbäume aus dem Bergwald und siebzehn Sorten der Laubbäume aus dem Flachlandwald werden verarbeitet und als Holzprodukte vermarktet (Landesforstgarten 2006). Die Bauhölzer werden aus Nadelbäumen produziert und am häufigsten aus der Fichte. Es gibt auch Bauhölzer aus Tanne und Lärche (Kaufmann, M. u.a. 2006). Bei traditionellen Häusern werden Fichte und Tanne im Verhältnis 2 zu 1 verwendet (Pfeifer u. Thomas, S.12). Die Laubbäume, wie Eiche (Quercus robur L.), Birke (Betula pendula Roth.), Ahorn (Acer pseudoplatanus L.), Esche (Fraxinus excelsior L.) u.a. werden für den Möbelbau verarbeitet. Die Buche ist für den Möbelbau nicht beliebt, sie hat das Image, ein billiges Holz zu sein (B9 2006, B12 2006). 330 Die Holzprodukte aus heimischem Holz im Bregenzerwald sind meistens vier bis acht Meter lange Bauhölzer. Sie sind aus Fichte und Tanne. Es entstehen nur geringe Transportkosten. Deswegen können die Holzprodukte aus heimischem Holz relativ billig vermarktet werden. In dieser Untersuchung sind Sägewerke, Zimmereien und Schreinereien befragt worden. Die Antworten waren unterschiedlich zwischen den Betrieben aber 30 % bis 100 %, meistens mehr als 50 % der Holzprodukte, die sie in ihrem Betrieb benutzen, sind aus heimischem Holz. Die Sägewerke kaufen von kleinen Waldbesitzern, denen 1 ha Waldfläche gehört, oder von Partien der Bauernwaldbesitzer, die ca. 500 ha der Waldfläche gemeinschaftlich bewirtschaften (B2 2006). Die Waldbesitzer verkaufen übrigens die Stämme, die sie selbst abgeholzt haben, an das Sägewerk. Wenn sie selber ein Haus bauen möchten, kaufen sie die Holzprodukte durch eine Zimmerei. Vor ca. 50 Jahren haben die meisten Waldbesitzer das Holz aus ihrem eigenen Wald für ihr Haus verwendet. Jetzt ist die Trennung von eigenem Holz im Sägewerk und auch die Berechnung der Arbeitskosten kompliziert, deswegen bauen sie nicht mehr so häufig wie früher mit Holz aus dem eigenen Wald (B17 2006). In Vorarlberg wird 80 % des Holzes vermarktet und 20 % von Waldbesitzern selbst verbraucht (Land Vorarlberg 2002). Im Dorf gibt es häufig Blockheizkraftwerke, die mit Brennholz betrieben werden. Die Zimmereien und die Werkstätten der Schreiner benutzen ihre Holzreste aus der Produktion als Brennholz. Sie betreiben mit dem Brennholz Holztrockner, Heizung, Boiler und Stromaggregat (B6 2006). 3.7.2. Import und Export des Holzes im Bregenzerwald In Österreich wird intensive Holzverarbeitung betrieben. Viele Stämme und Holzprodukte werden importiert und exportiert. Vorarlberg ist da keine Ausnahme. Eine kleine Werkstatt im Bregenzerwald importiert 50 % des Fichten- und Tannenholzes aus Süddeutschland. Sie exportieren 50 % ihrer Holzprodukte in Nachbarländer, wie Italien. Der Bregenzerwald liegt an der Grenze. Sie importieren oder exportieren das Holz aus den EU- Ländern, die ca. 50 km weit entfernt liegen. Deswegen kommt es trotz Import und Export zu keinen langen Transporten (B2 2006). Das Nachbarland Schweiz ist kein Mitglied der EU, deswegen gibt es komplizierte Zollformalitäten, aber in der Schweiz ist das Lohnniveau hoch, deswegen bringt der Verkauf von Holzprodukten oder Möbeln relativ hohe Gewinne (B13 2006). Trotz genügender Waldfläche importieren die Sägewerke im Bregenzerwald viel Holz, weil man in der Region schwierig lange Stämme über 8 m bekommen kann. Es ist schwierig, aus dem Wald am steilen Berghang lange Stämme herauszuholen. Deshalb importieren die Sägewerke Stämme von 13 m, 18 m oder 20 m Länge. Der Holzhandel importiert Holzprodukte wie z.B. KVH (Konstruktionsvollholz) oder OSB-Platten, weil 331 man sie einfach als Bauholz verwenden kann (B1 2006). Große Mengen an Lärche werden aus Sibirien importiert. Sie haben dichte Jahresringe und werden wegen dieser Qualität vom Zimmermann geliebt (B6 2006). Sowohl die rohen Stämme als auch Holzprodukte sind als Importe wegen der Transportkosten teurer als heimisches Holz (B2 2006). 3.7.3. Sägewerke im Bregenzerwald Die Sägewerke im Bregenzerwald sind klein und arbeiten mit ca. 5 bis 10 Mitarbeitern. Sägewerke schneiden das Holz je nach Bestellung. Deswegen kann die Idee vom Architekten oder Bauherren gut verwirklicht werden. Die Sägewerke sind klein. Deswegen können sie so einen Dienst, wie Holzsägen nach Bestellung für individuelle Architektur, anbieten. Solche Sägewerke in der Region spielen eine Rolle bei der Verbreitung der modernen Architektur im Bregenzerwald. Nach der Bestellung verarbeiten und liefern die Sägewerke die Holzprodukte schnell. Den Abfall der Verarbeitung des Holzes benutzen die Sägewerke als Brennholz für ihre Holztrockenkammer. In der Kammer werden die Holzprodukte 4 bis 14 Tage getrocknet und dann geliefert. In den Sägewerken gibt es nicht genug Platz zum Lagern. Deswegen werden nicht so viele Stämme vorrätig gehalten. Sie kaufen ständig neue Stämme, verarbeiten und liefern sie. Das Holz im Sägewerk wird sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf von einer Spedition transportiert. Die Sägewerke haben sich auf unterschiedliche Durchschnitte oder Sorten der Stämme spezialisiert (B2 2006). Foto 59. Kleines Sägewerk (in Egg) Es gibt auch ein riesiges Sägewerk mit 300 Mitarbeitern im Bregenzerwald. Das Sägewerk hat 6 Zweigstellen im In- und Ausland. Die Fläche der Fabrik ist groß und es stehen riesige Maschinen in der Halle. Die Fabrik ist in vier Schichten Tag und Nacht in 332 Betrieb. In der Fabrik arbeiten Landwirte als Nebenarbeit und viele Leute aus der Türkei, Tschechien und Brasilien. Die Arbeiten sind geteilt, einer sägt die Platten, einer füllt die Astlöcher mit einer Füllung, einer verpresst die Platten mit dem Kleber usw.. Die vielen Stämme aus dem heimischen Wald oder aus Deutschland, Sibirien oder Kanada werden gemischt und verarbeitet. Die Holzprodukte kaufen viele Zimmereien in der Region. Sie werden auch innerhalb Europas, nach Amerika oder die Länder in Asien exportiert (B15 2006). Foto 60. Großes Sägewerk (in Reute) 3.8. Verbrauch heimischen Holzes 3.8.1. Verbrauch des heimischen Holzes und regionale Netzwerke In Europa, besonders in Deutschland, sind die Sägewerke stark industrialisiert. Eine große Fabrik in Deutschland verarbeitet 1 Mio. ㎥ Holz in einem Jahr. Andererseits beträgt die Holzverarbeitung aller Sägewerke in Vorarlberg gerade 0,24 Mio. ㎥ im Jahr. Das heißt, viermal so viel Holz, wie bei allen Sägewerken in Vorarlberg verarbeitet wird, verarbeitet ein Betrieb in Deutschland (B2 2006). Es stellt sich vor dem Hintergrund einer globalisierten Wirtschaft die Frage, warum die Verarbeitung und der Verbrauch des heimischen Holzes durch kleine Sägewerke, Zimmereien und Schreinereien in Vorarlberg kontinuierlich bleiben. „Der Österreichische Holzsektor hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Einerseits wurde durch große Anstrengungen im Bereich Marketing das Image von Holz verbessert, andererseits wurden Netzwerke geschaffen, um Synergien zwischen den meist kleinen Unternehmen zu fördern. (…) Der größte Unterschied zu Vorarlberg besteht darin, dass in Vorarlberg das Endprodukt des Holzbaus, fertige Holzbauten, im Mittelpunkt der Vermarktung steht, während in den meisten anderen Bundesländern der Rohstoff Holz vermarktet wird“ (Hug 2005). 333 Ein Beispiel eines solchen Netzwerkes kommt aus dem Großen Walsertal. Das Große Walsertal liegt neben dem Bregenzerwald in Vorarlberg. In der Region Großes Walsertal haben sich insgesamt 10 Betriebe von Zimmereien, Schreinereien und Sägewerken zur „BERGHOLZ Marketinggesellschaft mbH“ zusammengeschlossen. Sie vermarkten ihre Produkte aus heimischem Holz mit dem Name „BERGHOLZ“ und sie haben Erfolg (B4 2006). Im Bregenzerwald haben 1999 viele Schreiner und andere Handwerker, z.B. Goldschmiede oder Handwerker aus den Bereichen Textil, Zimmerei, Sägewerk, Architektur und andere den Verein “werkraum bregenzerwald“ gegründet. Im Jahr 2005 waren 75 Handwerker und andere Betriebe Mitglied. Der Verein versucht mit regionalen Ressourcen, moderne und schlichte Produkte zu entwickeln. Er veranstaltet alle drei Jahre eine große Ausstellung. Dabei verleiht er einen Preis für neue Produkte, die in Kooperation von Designern aus dem In- oder Ausland und heimischen Handwerkern entwickelt wurden. Dadurch wird Design und Technik entwickelt. Der Verein informiert mit seiner Galerie und Homepage erreicht Interessenten aus dem In- und Ausland. Sie machen Workshops über das Handwerk und durch das Erlebnis von Teilnehmern versuchen sie, den Wert des Handwerks zu vermitteln. Für diese Forschungsarbeit sind Interviews mit Mitgliedern des Vereins, mit zwei Zimmerleuten, drei Schreinern, zwei Sägewerkern und zwei Instituten für Holz durchgeführt worden. Davon waren ein Zimmermann und ein Schreiner gerade mit dem Verein aktiv. Aicher und Breuß haben den Verein ausführlich in dem Buch “eigen + sinnig“ vorgestellt (Aicher u. Breuß 2005). Ipsen schreibt auch über ihn in seiner wissenschaftlichen Publikation “Die Poetik von Ort und Landschaft“ (Ipsen 2007). Bei dieser Untersuchung sind Netzwerke betrachtet worden, die ohne Institution funktionieren. Es sind heimische Beziehungen. Die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Zimmermann oder Schreiner, zwischen Zimmermann oder Schreiner und Sägewerk, zwischen Sägewerk und Waldbesitzer sind üblich im Bregenzerwald. Ein Architekturbüro mit ca. 15 Mitarbeitern arbeitet mit ca. 50 Zimmereien zusammen, die Zimmerei mit ca. 20 Mitarbeitern arbeitet mit ca. 5 Sägewerken zusammen, das Sägewerk mit ca. 5 Mitarbeitern arbeitet mit unzähligen Waldbesitzern zusammen. Wenn man das von einem Betrieb aus betrachtet, sind das Beziehungen, aber wenn man es vom Wald bis zur Architektur durchgehende betrachtet, sind diese Beziehungen nicht jedem bewusst. Es handelt sich nicht um ein organisatorisches Netzwerk. Die Netzwerke lassen die Ressourcen, das Holz, vom Wald bis in die Architektur fließen. Das Vertrauen in die regionale Gesellschaft ist die Basis dieser Netzwerke. Die Betriebe pflegen diese Beziehungen seit Großvaters Zeiten über die Generationen. Meist arbeiten Betriebe zusammen, die sich einander sympathisch finden. Betriebe, die nur nach dem Geld fragen, 334 oder denen sie nicht vertrauen können, werden abgelehnt. Es wirkt so, als ob sie keinen ökonomischen Druck hätten. Tab.12. Anteil an verwendetem heimischen Holz (%) (○) ein Kreis in Klammern bedeutet, dass der Interviewpartner nicht selbst Zimmermeister ist, aber in seinem Betrieb ein Meister angestellt ist. 3.8.2. Marken des heimischen Holzes In Vorarlberg wird nach einer Idee aus der Landwirtschaftskammer das Tannenholz vermarktet. In Vorarlberg heißen Tannen „Weißtannen“. Das Holz ist feuchtigkeitsbeständig. Deswegen hat man es als Deckung der Wände für den Regen- und Schneeschutz benutzt. Das Holz ist gegenüber Winden und Druck stabil, weswegen man es als Konstruktionsholz benutzt und das Holz hat eine schöne helle Holzfarbe was es für Decken, Wände, Fußböden, Türen, Fenster oder Möbel im Innenraum attraktiv macht. Aber schon in den 1990er Jahren gab es weniger Verbrauch an Tannenholz und überalterter Waldbestand ist problematisch geworden. Dann hat die Landwirtschaftskammer Vorarlberg versucht, eine Vermarktungsstrategie für die Tanne zu entwickeln (B1 2006). Die Landwirtschaftskammer hat eine Initiative gegründet und hat mit einem Prospekt die Schönheit und Funktion der heimischen Tanne präsentiert. Auf der Deckseite steht „heimisch, edel, ökologisch, modern“. Im Prospekt sind die folgenden Aspekte beschrieben. 1. Sie hat eine schöne helle Holzfarbe und ist harzfrei. Das macht sie für eine moderne Innenraumgestaltung oder Möbel geeignet. 2. Sie ist stabil gegen Windung oder Druck und deswegen als Konstruktionsholz geeignet. 3. Man kann sie leicht verarbeiten. 335 4. Sie ist widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit. 5. Tannenbäume stabilisieren das Waldökosystem. 6. Die Raumgestaltung mit Tannenholz ist menschlich und sympathisch, 7. Mit dem Verbrauch von Tannenholz kann man einer regionalen Ressource Wert geben, 8. Mit dem Verbrauch wird die regionale Wirtschaft gestärkt, 9. Man vermeidet Umweltbelastung durch lange Transportwege, 10. Sie ist ästhetisch und edel. Der Prospekt ist 1999 mit Fördermitteln des EU LEADER+-Programms gedruckt worden (vgl. LEADER+ Aktionsgruppe Vorarlberg Entwicklungsverein Natur- und Kulturerbe Vorarlberg e.V. 2004). Zimmereien, Schreinereien und Sägewerke, die sich für die Vermarktung von Tanne interessieren, haben sich bei der Landwirtschaftskammer angemeldet. Im Jahr 2005 werden 42 Schreinereien, 9 Zimmereien und 13 Sägewerke, insgesamt 64 Betriebe, auf dem Bezugsquellenverzeichnis für Weißtannen-Holz aus Vorarlberg im Prospekt gelistet. Davon sitzen 24 Schreinereien, 6 Zimmereien und 11 Sägewerke, insgesamt 41 Betriebe, also 64 % der oben beschriebenen Betriebe, im Bregenzerwald. In dieser Untersuchung sind 12 Betriebe, wie Architekturbüros, Zimmereien, Schreinereien und Sägewerke, untersucht worden. Davon war eine Zimmerei auf der Liste eingeschrieben, aber noch weitere 10 Betriebe, sie nicht eingeschrieben sind, verwenden viel Tannenholz in ihren Betrieben. Bei Zimmereien und Schreinereien ist weißfarbiges Tannenholz mit gerader Maserung für den Innenausbau oder für Möbel beliebt und viele Produkte werden daraus entwickelt. Man sieht, dass das Tannenholz wieder in der Region Verbreitung findet. Andererseits hat sich ein Sägewerk auch auf Buchenholz spezialisiert. Aber das Buchenholz hat noch nicht sein Image als billiges Holz abgeschüttelt. Es wird noch nicht wie das Tannenholz vermarktet (B3 2006). Ob mit Markenbildung oder auf andere Weise, die Vermarktung von heimischem Holz in der Region mit Netzwerken der Betriebe ist effektiv. 3.9. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz -Aspekte der Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Schreiner und Hausherren 15 Personen zwischen 30 und 50 Jahren sind nach ihrem Grund zur Verwendung von heimischem Holz befragt worden. Es waren Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Schreiner und Hausherren. Hier wird nach ihren Antworten in zwei Typen unterschieden. Typ 1 hat primär die Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur oder Umwelt in der Gemeinde im Kopf, Typ 2 den eigenen Vorteil. Mehrfachnennungen sind möglich und so kann es sein, dass eine interviewte Person zu beiden Typen gerechnet wird. Die Anzahl in Klammern bezieht sich auf die Zahl der Befragten und nicht auf die Antworten. Der 336 größte Teil der Befragten war vom Typ 1. Bemerkenswert viele haben gesagt, dass sie gerne im Bregenzerwald wohnen. Typ 1: Für regionale Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Umwelt (12 Personen) •Für regionale Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur Drei Handwerker und ein Hausherr verwenden heimisches Holz, weil sie ihr Geld in die Region fließen lassen möchten. Ein gerade 30 Jahre alt gewordener Schreiner schätzt, dass viele jüngere Leute als Handwerker im Bregenzerwald arbeiten. Ein 50-jähriger Zimmermeister möchte auch für die nächsten Generationen die Arbeitsplätze in der Region anbieten. Ein 40-jähriger Leiter eines Sägewerks arbeitet mit Waldbesitzern und Zimmerleuten in der Region in einer Beziehung zusammen, die von Sympathie getragen wird. Die Beziehung zwischen den Betrieben gibt es seit der Zeit des Großvaters. In der Gegenwart sehen viele Leute nur den Preis, aber er arbeitet mit solchen Leuten nicht zusammen. Ein gerade 30 Jahre alt gewordener Hausherr möchte mit der Verwendung von einer regionalen Ressource und Technik die jetzige Gemeinschaft in der Region weiter erhalten. •Wegen Regionalität Zwei 40-jährige Schreinermeister verwenden gerne das heimische Holz, weil es von hier kommt. Sie fühlen bei der Verwendung eine Verbindung mit der Heimat. Ein 40-jähriger Leiter eines Sägewerks arbeitet mit Freude und lebt gerne in der Region. Sein Betrieb ist nicht so groß. Deswegen hat er verschiedene Aufgabe in seinem Betrieb, waser schätzt. Er arbeitet mit den Waldbesitzern im Wald, verarbeitet das Holz, arbeitet im Büro, entwirft neue Produkte usw.. •Für Schutzwald Ein 40-jähriger Architekt und zwei 50-jährige Zimmermeister denken, durch die Verwendung von heimischem Holz müssen die Schutzwälder auf dem Berghang gepflegt werden. Das ist wichtig, um die Sicherheit des Lebens im Tal zu gewährleisten. •Ökologisch Ein 40-jähriger Architekt möchte Umweltbelastungen mit langem Transportweg vermeiden und achtet auf den Kreislauf der heimischen Ressourcen. Typ 2: Für den eigenen Vorteil (3 Personen) •Qualität Ein 40-jähriger Schreinermeister verwendet heimisches Holz, weil es eine gute Qualität hat. •Design Ein 50-jähriger Schreinermeister produziert mit altem Holz, das von abgebauten alten Bauernhäusern stammt u.a. Möbel und Inneneinrichtung, weil das mit altem Holz eine besondere Atmosphäre gibt. 337 •Preis Ein 30-jähriger Schreiner kauft sein Holz aus der Region und auch von irgendwoher, je nach dem, wo der Preis günstig ist. Diesen Aspekt haben vermutlich doch alle Befragten im Hinterkopf, weil im Bregenzerwald heimisches Holz relativ billig oder genauso teuer wie importiertes Holz ist. Die Kunden der Befragten und ihre Reaktionen auf die Verwendung von heimischem Holz sind folgende: Ein 50-jähriger Zimmermeister hat erzählt, „40 % der Kunden wünschen die Verwendung von heimischem Holz ausdrücklich. Davon fragt die Hälfte danach, wann und wo das Holz geschlagen wurde. Manche achten auch auf die Mondphase und Holzqualität. Die Hälfte seiner Kunden akzeptiert die Verwendung von heimischem Holz, wenn er ihnen Gründe nennt. 10 % der Kunden wünschen nur das preislich günstigste Angebot, deswegen verwendet er auch importierte geleimte Platten“. Ein anderer 50-jähriger Zimmermeister erzählt, dass die Wohnhäuser mit dem Holzbau ca. 10 % teurer als in Ziegelbauweise sind. Die Kunden, die relativ genug Geld verdienen, wählen den Holzbau als Status-Symbol aus, wie sie sich ein Auto oder Kleidung aussuchen. Der 40 -jährige Schreinermeister beobachtet, dass die Kunden, die nach der Herkunft des Holzes fragen, aus dem Mittelstand kommen. Je internationaler die Kunden arbeiten, desto mehr achten sie auf die Verwendung heimischen Holzes. Anderseits hat ein befragter Holzforscher angemerkt, dass die Kunden bei ihrem Hausbau den Holzbau wählen, weil es dafür Subvention gibt. Viele Schreiner beobachten, dass die meisten ihrer Kunden nur auf das Aussehnen der Möbel, achten aber nicht auf die Herkunft des Holzes. In dieser Untersuchung ist keine ausführliche Befragung der Kunden gemacht worden. Deswegen kann über die Kunden oder ihr Bewusstsein bezüglich der Verwendung von heimischem Holz nicht detailliert geschrieben werden. Dennoch lassen die obigen Antworten der Befragten vermuten, dass die Kunden nicht so sehr wie die Produzenten auf die Verwendung von heimischem Holz achten. 3.10. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz und Wald -Aspekte der Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Schreiner und Hausherren Wie unter Punkt „IV. - 3.9. Das Bewusstsein bei der Verwendung von heimischem Holz“, sind 15 Personen, 30 bis 50-jährige Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Schreiner und Hausherren, über ihre Gedanken über die Beziehung von der Verwendung von heimischem Holz und dem Wald befragt worden. 338 Hier werden die Antworten in drei Kategorien geteilt. Die meisten Befragten achten beim Wald auf physische Beziehungen, wie unter Aspekt 1 „Wald mit nachhaltiger Nutzung“ oder Aspekt 2 „Schutzwaldpflege“. Auf der anderen Seite haben nur zwei Befragte eine psychische Verbindung zum Wald, wie unter Aspekt 3 geschildert. Zwei Befragte haben kein Interesse am Wald. Aspekt 1 : Wald mit nachhaltiger Nutzung (8 Personen) Der Holzbau mit heimischem Holz ist selbstverständlich für die Befragten. In Vorarlberg werden die Wälder natürlich regeneriert (Selbstaussaat). Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass die Befragten denken, weil der Wald sich ja natürlich regeneriert, gibt es so viel Holz, dass man nicht alles davon verbrauchen kann. Vielen der Befragten gehört ein Waldstück mit ca. einem Hektar Größe. Sie durchforsten ihre Wälder und lichten den Baumbestand. So pflegen sie ihre Wälder ein bis zwei Mal im Jahr. Das geerntete Holz wird unterschiedlich verwendet. Manches wird an Sägewerke verkauft, manches benutzen sie in der eigenen Werkstatt, manches verkaufen sie selbst, manches benutzen sie als Brennholz. Sie denken, dass die Pflege ihrer Wälder selbstverständlich ist. Sie pflegen ihre Wälder nicht nur für sich selbst, sondern sie denken, manche Bäume sind für die Menschen, die erst in 100 Jahren leben werden. Dieser Gedanke ist allen, auch den 30 Jahre alten Befragten, gemeinsam. Aspekt 2 : Schutzwaldpflege (3 Personen) Im Bregenzerwald treten häufig Lawinen und Hochwasser auf. Die Befragten denken, dass die Wälder ihr Leben vor solchen Naturgewalten schützen. Die Befragten haben Kenntnis davon, dass ein Mischwald aus Fichte, Tanne und Laubbäumen den Boden hält, und schätzen ihn deshalb. Im Bregenzerwald wird die Waldfläche immer größer. Die Befragten denken, dass sie das Holz für die Regeneration des Waldes benutzen sollten. Im Jahr 2005 gab es ein schlimmes Hochwasser und die Bewohner haben großen Schaden erlitten. Diese Erinnerung ist bei ihnen noch frisch. Als Ursache für Erosion und Hochwasser wird auch die Erschließung von Skigebieten verantwortlich gemacht. Aber die Befragten nehmen es nicht wahr. Sie genießen selber das Skifahren in der Region. Andererseits interessieren sie sich kaum für den Ski-Tourismus. Aspekt 3 : Psychische Verbindung mit dem Wald (2 Personen) Ein 40-jähriger Schreinermeister hat sich über seine psychische Verbundenheit mit dem Wald geäußert und der Leiter eines Sägewerkes hat Freude bei der Arbeit im Wald. 339 Sonst haben die anderen Befragten geäußert, dass sie keine psychische Verbindung zum Wald fühlen. Wenn sie vom eigenen Wald das Holz bekommen und es in ihrer Werkstatt verwenden, haben sie keine besonderen Gefühle damit. Sie sagen ihren Kunden zwar, wenn sie Holz vom eigenen Wald verwenden, aber kein Kunde sieht darin einen besonderen Wert. Für Handwerker ist es das Selbe, ob sie das Holz aus ihrem eigenen Wald bekommen, oder das Holz vom Sägewerk kaufen. Von einem guten Baum kann man gutes Holz gewinnen, deswegen verwendet es der Handwerker für Architektur oder Möbel. Wenn das Holz nicht so gute Qualität hat, verwendet er es in geeigneter Weise. So denken sie über das Holz. Unter den Befragten ist ein Hausherr, der mit dem Holz aus seinem eigenen Wald sein Haus renoviert hat. Er ist gefragt worden, was er darüber denkt. Er sagt, dass es selbstverständlich ist, dass man das Holz vom eigenen Wald entnimmt und verwendet. Er erzählt, dass er sich nie Gedanke darüber gemacht hat, aber wenn er daran denkt, empfindet er doch Stolz darüber. 3.11. Das Bewusstsein gegenüber einer Landschaft mit einer Mischung aus moderner und traditioneller Architektur -Aspekte der Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, Zimmerleute, Schreiner und Hausherren In den 1960er Jahren hat man im Bregenzerwald angefangen, moderne Architektur aus Holz zu bauen. 30 Jahre lang wurde diskutiert, ob eine Landschaft mit einer Mischung aus moderner und traditioneller Architektur in Ordnung ist. Die Diskussion hat in den 1990er Jahren mit der Akzeptanz der modernen Architektur geendet (Kaufmann, H. 2006a). Es ist die Frage, wie nach ca. 40 Jahren nach dem Erscheinen der modernen Architektur, die Leute über die Landschaft mit dieser Mischung von moderner und traditioneller Architektur denken. Gefragt wurden die gleichen 15 Personen, die oben erwähnt sind. Die heute 40- bis 50-jährigen sind die zweite Generation von Pionieren der modernen Holzarchitektur im Bregenzerwald. Die heute dreißigjährigen haben bei der zweiten Generation gelernt und dabei haben sie deren Einfluss abbekommen und sie haben frisch angefangen selbstständig zu arbeiten. Elf Personen der fünfzehn Befragten finden die Landschaft mit der Mischung von moderner und traditioneller Architektur positiv. Die Meinungen sind in drei Typen klassifiziert. Typ 1 und 2 haben eine positive Meinung. Für Typ 1 „passt die moderne Architektur in die Landschaft“. Für Typ 2 ist „die moderne Architektur innovativ“. Typ 3 ist weder positiv noch negativ eingestellt, sondern sieht die Frage nach der „Akzeptanz als zeitliches Phänomen“. Bei den drei unterschiedenen Typen lässt sich keine Tendenz ausmachen, die mit Alter oder Beruf zusammenhängt. Ein Befragter hat geantwortet, dass 340 er die gemischte Landschaft nicht harmonisch findet, weil mit der modernen Architektur verschiedene Stile durchmischt sind. Typ 1: Die moderne Architektur passt in der Landschaft (8 Personen) Schlichtheit ist das kulturelle Merkmal im Bregenzerwald. Wenn man sich an die Schlichtheit hält, auch mit den modernen Formen, kann man den heimischen traditionellen Geist weitergeben. Wenn man die Architektur an die Landschaft angepasst plant, nicht nur mit traditionellen Formen, sondern auch mit modernen, kann man eine Architektur bauen, die in der Landschaft schön wirkt. Wenn man mit Sorgfalt produziert, egal ob traditionell oder modern, hat man damit ein warmes Gefühl. Die Befragten erinnern sich, dass vor 30 Jahren, als die moderne Architektur aufkam, viele Leute kritisiert haben, dass sie nicht in die Landschaft passe. Aber mit der Zeit ist die frische Holzfarbe gealtert und hat die Gebäude so in die Landschaft integriert. Immer mehr Leute haben die moderne Architektur akzeptiert. Die Befragten, die unter Typ 1 klassifiziert sind, haben auch folgende Meinung des Typ 1a geäußert. Typ 1a: Trotz moderner Architektur muss auch weiterhin die traditionelle Architektur bewusst geschützt werden (2 Personen) Wenn die traditionelle Architektur verschwinden würde, wäre das schade. Die traditionelle Architektur sollte geschützt werden. Für den Denkmalschutz der traditionellen Architektur öffentliche Gelder fließen zu lassen, erweist sich als wirksam. Wie in Schwarzenberg will man die traditionelle Architektur in gutem Zustand erhalten. Typ 2: Die moderne Architektur ist innovativ (3 Personen) Die Welt ändert sich ständig. Wenn man stehen bleibt, wird man stocken. Die gemischten Landschaftsbilder mit traditioneller und moderner Architektur entstehen, weil die Region aktiv ist. Das ist eine gute Veränderung. Im Bregenzerwald gibt es keine großartige Industrialisierung, und die Technologie entwickelt sich genau richtig. Man sieht in der modernen Architektur die innovativen Versuche. Es ist spannend, dass man sie in der Landschaft sehen kann. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Handwerker hier seit alter Zeit immer gut gearbeitet haben. Typ 3 : Akzeptanz als zeitliches Phänomen (3 Personen) Ob der Neubau traditionell oder modern ist, hängt davon ab, wie es der Hausherr wünscht. Die Betriebe erfüllen die Wünsche des Hausherrn. Die gemischte Landschaft mit traditioneller und moderner Architektur ist die Folge der heutigen Zeit. Außer dem oben Befragten ist einem 86-jährigen ehemaligen Zimmermeister und seiner 341 Frau die gleiche Frage gestellt worden. Sie wohnen in einem modernen Haus, das ihre Söhne für sie geplant und gebaut haben. Er erzählt, als sein Sohn angefangen hat, moderne Architektur zu studieren, hat er gedacht, dass jeder seinen eigenen Weg gehen muss. Die gemischte Landschaft mit traditioneller und moderner Architektur hat mit der Zeit zu tun (B17 2006). Seine Frau erzählt, dass es verschiedene Formen von moderner Architektur gäbe und darunter gäbe es Gutes und nicht so Gutes, aber das sei jedermanns eigene Geschmacksache (B18 2006). Drei Personen der Befragten mit der Meinung vom Typ 2 “die moderne Architektur ist innovativ“, legen ihren Wert auf die Gegenwart. Die Räume für einen modernen Lebensstil, schlichte und gute Qualität, energiesparend usw., entsprechen dem Idealbild von modernem Wohnen, und werden aus dem Landschaftsbild mit moderner Architektur gelesen. Gleichzeitig zeigt sich die Innovation in der Architektur der modernen Werkstätten. Man sieht von den Straßen die Werkstätte mit ihrem großen Dach, in der große Maschinen stehen und ca. 15 Zimmerleute arbeiten. Die Halle schützt die Handwerker vor Regen oder Schnee. Sie arbeiten zu jeder Jahreszeit unter angenehmen Bedingungen. Im Bregenzerwald sieht man in jedem Ort diese auffälligen Werkstätten. Die Meinung von Typ 2 “die moderne Architektur ist innovativ“ zeigt, dass die Befragten aus dem Blickwinkel des Bewohners oder des Handwerkers die Funktionalisierung oder Rationalisierung schön finden. Bei ihnen stimmen die beiden Bilder von Ideal und Realität überein. Anmerkungen 1 2 3 4 5 342 Der Vorderwald grenzt an Bregenz und stand seit 1338 unter dem politischen Einfluss des Montforter Geschlechts (vgl. Aicher u. Breuß 2005, S.11). Im Bregenzerwald spielt die Weidewirtschaft bei der Landwirtschaft eine gewisse wirtschaftliche Rolle. Die Milchprodukte, besonders Käse, werden als regionale Spezialitäten vermarktet, die auch den Touristen in speziellen Käseläden präsentiert werden. Auch der Tourismus hat eine wirtschaftliche Bedeutung. Zielgruppe sind Wanderer und Skifahrer. In jedem Ort finden sich eine Reihe von Pensionen und Gasthäusern. Ferner sind andere Handwerker, wie ein Filzschuhproduzent, mit der Verarbeitung regionaler Ressourcen beschäftigt, was aber insgesamt in seiner Wahrnehmbarkeit in den Hintergrund tritt. Nach einer Untersuchung von Baumeister um das Jahr 1900 (Baumeister 1912) gibt es sehr wenige aus Stein errichtete Gebäude. Es sind aber eine Reihe von steinernen Fundamenten gefunden worden (vgl. Pfeiler u. Thomas -). Jahresumsätze von Architekten u. Ingenieuren, die mit Holzarchitektur arbeiten, betragen in Vorarlberg knapp 9Mio Euro (vgl. Hug, 2005, Ammann 2005). (Siehe Tab. 11.) In den 1920er Jahren hat der Architekt Adolf Loos in Wien das “Haus mit einer Mauer“ vorgeschlagen (Kapfinger 1999). Der Architekt Ernst Hiesmayr hat 1996 „Einfach Häuser“ geschrieben (Hiesmayr 1996). Ⅴ. Ergebnis 343 344 1. Betrachtung der Fallbeispiele mit den Kategorien „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte” In Kapitel 1. in Teil II. und Kapitel 1. bis 3. in Teil IV. wurde über die regionale Ressourcennutzung anhand von vier Fallbeispielen aus der Rhön, der Gemeinde Mishima, der Gemeinde Kaneyama und aus dem Bregenzerwald geschrieben. Jetzt sollen die Hypothesen dieser Forschungsarbeit überprüft werden. Dazu wird danach gesucht, in welchen Szenen die „Kohärenz“ und die „Sympathie“ eine Rolle spielen. Es wird gefragt, welche Beziehungen zwischen Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher mit welchen der beiden ästhetischen Bedeutungsebenen geknüpft werden. Um die Rolle der „Kohärenz“ zu bestimmen, wird mit den Kriterien „II. - 1.4. Punkte bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen, auf die in der Praxis zu achten ist“ nachgegangen. Um die Rolle der „Sympathie“ zu bestimmen, wird mit den Kriterien von „II. - 2.8. Die Tendenzen und Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis“ nachgegangen. In dieser Forschungsarbeitsarbeit werden folgende drei Orte als Produktionsorte begriffen. 1. Die „Landschaft“, in der die Ressourcen produziert werden, z.B. Wälder oder Äcker. 2. „Stelle der Produktion“, in der die Ressourcen verarbeitet werden, z.B. Werkstatt oder Baustelle. 3. „Landschaft oder Ort des Verbrauchs“, z.B. Zimmer oder Wohnort des Verbrauchers. Im folgenden Text sind diese drei Orte zusammengefasst bei jedem Fallbeispiel beschrieben. Die Bewertung wird mit vier Stufen, sehr gut [++], gut [+], mangelhaft [-] und schlecht [--] gekennzeichnet. Ein Pfeil zwischen den Zeichen deutet eine Entwicklung an. So bedeutet z.B. [++→--], dass der Zustand ehemals sehr gut war, heute aber als schlecht bewertet wird. Ein Schrägstrich deutet darauf hin, dass es zwei Richtungen in der Region gibt, die unterschiedlich bewertet werden, z.B. [++/--]. Danach werden die Merkmale regionaler Ressourcennutzung aus jedem Fallbeispiel zusammengefasst. 345 1.1. Über die Regionalküche aus regionalen Lebensmitteln in der Rhön 1.1.1. „Schutz durch Nutzung“ mit der Regionalküche aus regionalen Lebensmitteln in der Rhön Zuerst werden die Punkte betrachtet, die zur Vermeidung von Umweltbelastung in der Gemeinde beitragen. 1. Stoffströme 1: Man produziert oder sammelt heimische Ressource unter Beachtung der Nachhaltigkeit der Nutzung. [+] Es gibt Gastwirtschaften, die konsequent ihre Zutaten von kleinen Höfen und anderen Produzenten in der Region beziehen, aber es gibt auch Gastwirtschaften, die zwar Werbung mit regionaler Küche machen, aber nur eine geringe Menge an Zutaten aus heimischer Produktion verwenden 1. 2. Stoffströme 2: Man verbraucht die Produkte in der Region. [+] Große Teile der Regionalprodukte in den Gastwirtschaften werden von den Touristen verbraucht. Die Produzenten verkaufen ihre Produkte auch direkt an die Touristen oder nach Frankfurt 2. 3. Ressourcenvielfalt: Man benutzt vielfältige Ressourcen. [++] Die Gastwirtschaften verwenden vielfältige Regionalprodukte, z.B. heimische Tierrassen von Weiden, heimische Obstsorten von Streuobstswiesen und heimische Fischarten. Die Produktion all dieser Produkte sichert die Vielfalt der Kulturlandschaft 3. 4. Energieverbrauch: Man verbraucht bei der Produktion wenig Energie aus nicht nachwachsenden Rohstoffen. [+] Die Landwirte arbeiten mit Maschinen, z.B. mit dem Traktor 4. 5. Metabolismus: Das Produkt ist biologisch abbaubar. [++] Die Regionalprodukte sind nicht aufwändig verpackt und belasten die Umwelt wenig mit Müll 5. 6. Haltbarkeit: Das Produkt hält lange. [++] Die Produkte sind frisch und halten meist länger als Produkte aus dem Großmarkt 6. Im nächsten Abschnitt wird anhand der heimischen Kultur, der Ressourcennutzung, der Gestaltung, des Produktions- und des Ausbildungssystems usw. untersucht, ob Tradition weitergegeben wird, oder die traditionelle Art und Weise genutzt und innovative Ideen dazu gegeben werden, oder inwieweit innovative Ideen von außerhalb der Region angenommen werden. 7. Tradition/ Tradition mit Innovation/ Innovation [Tradition mit Innovation ++] Bei einer Anzahl junger Menschen in der Rhön, die über traditionelle Landwirtschaft und Küche in der Region gut Bescheid wissen, entstanden Ideen für die intraregionale Produktion und Verbrauch mit ökologischer Produktion. Ihre Ideen entstanden durch den Kontakt mit Menschen und dem Erleben von Ereignissen außerhalb der Region 7. 346 Im nächsten Abschnitt wird die Pflege der Gesellschaft in der Gemeinde betrachtet. Es wird untersucht, ob die heimische Ressourcennutzung mit ihrem horizontalen Netzwerk zwischen Privatleuten, Firmen usw. funktioniert, oder wie die Teilnahme von Privatleuten, Firmen usw. unter der Leitung einer öffentlichen Verwaltung funktioniert. 8. Horizontales Netzwerk/ Leitung durch die Verwaltung [Horizontales Netzwerk ++] In der Rhön arbeiten Produzenten wie Schäfer, Land- und Teichwirte etc., Verarbeiter wie Metzger, Kelterer etc., sowie Gastwirte und Läden bei dem Konzept „Schutz durch Nutzung” zusammen. Die Produzenten und Gastwirte etc. vermarkten die Produkte direkt. Sie folgen dabei nicht nur dem eigenen Profit, sondern sie bringen auch der Arbeitsweise und der Bewirtschaftungsform der anderen Achtung entgegen. Die Betriebe haben eine horizontale Beziehungsstruktur und entwickeln sich nicht einzeln, sondern als Komplex in der Region 8. Abschließend werden Überlegungen angestellt, ob man die Produktion mit einer heimischen Ressource dauerhaft aufrechterhalten kann, wie hoch der Mechanisierungsgrad und die Arbeitsteilung bei der Produktion und das Niveau der Produkte und die Stabilität der Vermarktung ist. 9. Mechanisierung und Arbeitsteilung: Man mechanisiert oder teilt die Arbeit bei der Produktion angemessen. [+] Die Landwirte arbeiten mit Maschinen z.B. mit dem Traktor 9. Die Gastwirte haben mehr Aufwand beim Einkaufen regionaler Produkte, als beim Einkauf im Großmarkt, weil sie die Produkte von verschiedenen Produzenten einkaufen und mehr selbst verarbeiten 10. 10. Qualität: Man produziert Produkte mit hoher Qualität. [++] Die Wirte legen besonderen Wert auf die Qualität der Produkte 11. 11. Vermarktung: Es gibt ein Vermarktungssystem mit dem der Verkauf der Produkte konstant funktioniert. [+] Die Produzenten und die Gastwirte fühlen Schwierigkeiten mit der Strategie „Schutz durch Nutzung” und damit angestoßener Aktionen aufgrund der Begrenzung der Gästezahl 12. 1.1.2. „Poetische Orte“ mit der Regionalküche aus regionalen Lebensmitteln in der Rhön Zuerst wird untersucht, ob die Orte beschaffen sind, als „Poetische Orte“ zu wirken, mit der Umgebung in einer harmonischen Beziehung stehen und eine unnachahmliche Attraktivität haben. Es werden folgende Punkte betrachtet: 1.Man legt Wert auf das Detail. [++] Heimische Tierrassen auf Weiden, heimische Obstsorten auf Streuobstswiesen, heimische 347 Fischarten usw. werden geschützt 13 . Die ökologische Produktion all dieser Produkte sichert die Vielfalt und Charakteristik der Ökosysteme der Kulturlandschaft und die Vielfalt der Lebenskultur 14. 2. Der Ort hat eine persönliche Verbindung zu Köper und Geist. [++] Die Produzenten versuchen, den Aufbau eines neuen Lebensstils mit neuer Wertschätzung des Verbrauchers voranzubringen. Dazu zeigen sie die Beziehungen zwischen dem Essen und der Landschaft, der Kultur und dem Sozialsystem auf. Die Freude an der Bewegung in der Landschaft, am Essen und der Genuss der regionalen Kultur werden zum Erlebnis gemacht. Die Sicherheit von Lebensmitteln für den menschlichen Organismus wird hervorgehoben 15. 3. Der Ort hat Wurzeln in der Natur, Historie und Kultur der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. [++] Heimische Tierrassen von Weiden, heimische Obstsorten von Streuobstswiesen, heimische Fischarten usw. werden geschützt 16 . Die ökologische Produktion all dieser Produkte sichert die Vielfalt von Ökosystemen der Kulturlandschaft und die Vielfalt der Lebenskultur 17. Alte traditionelle Gerichte aus der regionalen Küche werden an moderne Essgewohnheiten angepasst und in der neuen Regionalküche angeboten 18. 4. Man nimmt als Instrument Aktivitäten von Künstlern, schlicht und gut durchdacht in Planung und Design. [+] Eine Wirtevereinigung hat eine handgezeichnete Wanderkarte entworfen, auf der man das Landschaftsbild der Rhön ablesen kann. Diese Karte hängt gerahmt an der Wand der Gasträume und wird auch verkauft. Einige Gastwirtschaften und Lebensmittelverarbeiter benutzen für die Etiketten ihrer Produkte oder die Speisekarte Werk von heimischen Künstlern 19. Dennoch achtet man in der Rhön gemeinhin wenig auf Kunst oder Design. 5. Es umgibt ihn eine zurückhaltende Atmosphäre. [++] Bei „Schutz durch Nutzung“ sind die Beteiligten mit Ernst bei der Sache. Als nächstes wird betrachtet, ob die Orte so beschaffen sind, dass dort Menschen gut kommunizieren können. Es werden folgende Punkte beachtet: 6. Die Ideen von Bürgern werden mit existierenden Netzwerken in Beziehung gesetzt. [++] Die Produkte aus der Rhön sind eines nach dem andern gefunden und verwendet worden. Dabei sind horizontale Netzwerke zwischen Produzenten und Gastwirtschaften aufgebaut worden 20. 7. Ein Planer oder eine Verwaltung (z.B. eine Gemeindeverwaltung) unterstützt die Idee. [++] Bereits im zweiten Jahr nach Beginn des Versuchs „Schutz durch Verzehr“ einer Naturschutzorganisation und von Gastwirten haben ca. 50 Gastwirtschaften in der Rhön, 348 angeregt durch den Vorschlag der Verwaltung des Biosphärenreservats Rhön, mit der Verarbeitung lokaler Produkte angefangen. Die Verwaltung fördert unter dem Motto „Schutz durch Verzehr” und „Schutz durch Nutzung” die intraregionale Produktion der lokalen Landwirtschaft, Forstwirtschaft usw. und die Vermarktung der Produkte innerhalb der Region. Damit verfolgt sie Ziele der Regionalentwicklung, des Naturschutzes und der Landschaftspflege gleichermaßen 21. 8. Komplexe Kommunikation und Gestaltung des Ortes. [+] Die Produzenten und die Gastwirte arbeiten mit ihrer Zielsetzung rege zusammen. Auf der anderen Seite scheint es so, dass sie auch übermäßig viel arbeiten 22. 9. Der Ort ist angemessen gepflegt. [++] Die ökologische Produktion sichert die Vielfalt an Ökosystemen der Kulturlandschaft und die Vielfalt der Lebenskultur 23. An der Wand mancher Gaststätten sind Plakate mit der Agrarlandschaft in der Rhön aufgehängt. Auf den Speisekarten in den Gaststätten findet der Gast nicht nur Fotos oder Zeichnungen von den Zutaten, sondern auch die Gründe für die Verwendung regionaler Produkte aufgezeigt und zudem auch die Namen und die Adressen der Produzenten 24. 10. Neue Teilnehmer werden gut aufgenommen. [++] Die Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Gastwirten ist weiterentwickelt worden und es sind daraus drei Gruppen für intraregionale Produktion und Verbrauch hervorgegangen. Immer wieder stoßen neue Gastwirte zu der Gruppe 25. 11. Das Schaffen des Ortes ist immer im Prozess. [++] Der Erfolg wurde durch zahlreiche Versuche und viel Mühe durch Produzenten und Gastwirte erarbeitet. Ihre inovativen Ideen verbreiten sich bis heute unter anderen Produzenten, Gastwirtschaften usw. in der Region 26. Zum Schluss wird anhand der folgenden Punkte betrachtet, ob die Orte so beschafft sind, dass mit Menschen innerhalb oder außerhalb der Region ein gutes Verhältnis aufgebaut werden kann: 12. Es gibt einen Dialog zwischen der Identität in der Region und dem Profil nach außen. [++] Die Menschen in der Rhön identifizieren sich mit dem „Land der offenen Fernen”, einer vielfältigen Kulturlandschaft, geprägt von (Anm.: in Thüringen gibt es auch großmaßstäbliche Landwirtschaft) kleinmaßstäblicher Landwirtschaft, die sie in Form der extensiven Landwirtschaft bewirtschaften 27. Auf der anderen Seite gibt es ein Gefälle zwischen der Rationalisierung von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben im globalen Wettbewerb und dem Image der Region bei Verbrauchern: „Die Rhön ist eine Region mit kleinmaßstäblicher bäuerlicher Landwirtschaft, die reine und sichere Lebensmittel 349 erzeugt” 28 13. Es gibt einen Erzähler. [++] Es gibt zwar keinen regionalen symbolischen Erzähler, aber jeder Produzent und Gastwirt kommuniziert mit den Verbrauchern und vermittelt das Ziel ihrer Bewegung 29 . Die Region ist von der UNESCO als Biosphärenreservat anerkannt, damit genießt die Rhön Bekanntheit und kann für Projekte relativ leicht Fördermittel finden 30. 14. Entwicklung mit Ideen von außerhalb der Region. [++] Bei einer Anzahl junger Menschen in der Rhön, die über traditionelle Landwirtschaft und Küche in der Region gut Bescheid wissen, entstanden Ideen für eine intraregionale Produktion und Verbrauch mit ökologischer Produktion. Ihre Ideen entstanden durch den Kontakt mit Menschen und das Erleben von Ereignissen außerhalb der Region 31. 15. Besucher werden gut aufgenommen. [++] Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Rhön. Die Besucher aus Fulda, einer Stadt, die an der Rhön liegt, und aus der Stadt Frankfurt a.M., die 100 km entfernt liegt, kommen immer wieder, um hier zu wandern und sich zu erholen 32. Produzenten und Gastwirte kommunizieren mit den Verbrauchern 33. 16. Besucher verhalten sich angemessen. [+] Der Tourismus in der Rhön ist meist kleinmaßstäblich, aber bei manchen Attraktionen gibt es auch Massentourismus. Es gibt auch hin und wieder Konflikte zwischen Touristen, die mit dem PKW durch die Rhön fahren und den Landwirten, die auf den gleichen Straßen ihre Tiere auf die Weiden treiben oder von dort holen 34 . Die meisten Gäste denken, dass sie nur eine geringe persönliche Beziehung mit der Kulturlandschaft haben 35 . 17. Der Ort wird nicht zu stark kommerzialisiert. [++] Produzenten und Gastwirte etc. vermarkten die Produkte direkt. Sie folgen dabei nicht nur dem eigenen Profit, sondern sie bringen auch der Arbeitsweise und der Bewirtschaftungsform der anderen Achtung entgegen 35. Anmerkungen Die Fußnoten verweisen auf Absätze in Teil II Kapitel 1. Ästhetische Bedeutungsebene „Kohärenz“ – Begriff von „Schutz durch Nutzung“-,in denen die oben getroffenen Aussagen näher beschrieben werden. 1) 1.1.4., 2) 1.1.4., 3) 1.1.2., 4)1.1.1., 5)1.1.2., 6)1.1.4., 7)1.2., 8)1.1.4., 9)1.1.1., 10)1.1.2., 1.1.4., 11)1.1.4., 12)1.1.5., 13)1.1.2., 14)1.1.1., 1.1.4., 15)1.1.5., 16)1.1.2., 17)1.1.3., 18)1.1.3., 19)1.1.3., 20)1.1.3., 21)1.1.3., 22)1.1.4, 23)1.1.2., 24)1.1.3., 25)1.1.3., 1.1.4., 26)1.2., 27)1.1.1., 28)1.2., 29)1.1.3., 30)1.1.1., 31)1.2., 32)1.1.1., 33)1.1.3., 1.1.5., 34)1.1.5., 35)1.1.5., 36)1.2. 350 Tab. 13. Betrachtung des Fallbeispiels aus der Rhön mit den Begriffen „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte“ 351 352 1.2. Über das Handwerk mit pflanzlichen Materialien in Mishima 1.2.1. „Schutz durch Nutzung“ mit dem Handwerk aus pflanzlichen Materialien in Mishima Zuerst werden die Punkte betrachtet, die zur Vermeidung von Umweltbelastung in der Gemeinde beitragen. 1. Stoffströme 1: Man produziert oder sammelt heimische Ressourcen unter Beachtung der Nachhaltigkeit der Nutzung. [--] Der Bestand an Pflanzen für die Gewinnung der Materialien des Handwerks ist stark zurückgegangen oder erschöpft. Es ist unterschiedlich zwischen den Handwerkern und den Pflanzen, aber häufig werden pflanzliche Ressourcen aus Wäldern außerhalb der Gemeinde verwendet 1. Seit den 1960er Jahren nutzt man die heimischen Nutzwälder, in denen man die Pflanzen für die Materialien des Handwerks gesammelt hat, nicht mehr wie früher. Die verlassenen Mischwälder für Holzkohlproduktion und Zedernforste sind verwildert und Erosionen werden zum Problem 2. Die Handwerker ergreifen keine Maßnahmen dagegen 3. Die Bürger erwarten, dass irgendjemand kommt und ein neues System für die Bergwaldpflege durch die Nutzung pflanzlicher Ressourcen aufbaut 4. 2. Stoffströme 2: Man verbraucht die Produkte in der Gemeinde. [-] Die meisten Käufer der Handwerkswaren sind ältere Frauen von außerhalb der Gemeinde5. Die Handwerker verkaufen ihre Produkte, aber sie benutzen sie auch selbst 6. 3. Ressourcenvielfalt: Man benutzt vielfältige Ressourcen. [++] Eine Vielfalt von Pflanzen, wie die Kletterpflanzen Wilder Wein, Matatabi, Akebia, Kudzu, oder Gräser und Kräuter wie Segge, Nesselgewächse, Rohrkolben und Reisstroh, sowie Lindenbast werden traditionell für das Flechthandwerk verarbeitet 7. 4. Energieverbrauch: Man verbraucht bei der Produktion wenig Energie aus nicht nachwachsenden Rohstoffen. [++] Die Handwerker sammeln die pflanzlichen Materialien zu Fuß in den Bergwäldern 8. Das Flechten ist reine Handarbeit. Man kann die Produkte ohne elektrische Werkzeuge fertigen 9. 5. Metabolismus: Das Produkt ist biologisch abbaubar. [++] Die Handwerkswaren sind ohne chemisch synthetisierte Stoffe gefertigt. Einheimische kompostieren sie, wenn sie verschlissen sind und düngen damit ihre Felder 10. 6. Haltbarkeit: Das Produkt hält lange, lässt sicher wieder/ weiter verwerten. [++→--] Die Handwerkswaren sind früher für die Arbeit in den Bergwäldern genutzt worden. Dafür sind sie stabil und haltbar konstruiert 11 . Handwerker mit hoher Fertigkeit produzieren heute noch ihre Waren stabil und sie halten lange. Auf der anderen Seite hat sich die Zahl der Handwerker vermehrt, die mit dem Handwerk erst kürzlich angefangen haben. Ihr Ziel ist häufig allein der Verkauf und sie produzieren meist gut aussehende, 353 aber qualitativ minderwertige Ware, die leicht kaputt geht. Die Verbraucher tendieren eher zu billigerer Ware, die zeit- und materialsparend gefertigt wurde, statt zu langlebiger mit hoher Qualität 12. Im nächsten Abschnitt wird anhand der heimischen Kultur, der Ressourcennutzung, der Gestaltung, des Produktions- und des Ausbildungssystems usw. untersucht, ob Tradition weitergegeben wird, oder die traditionelle Art und Weise genutzt und innovative Ideen dazu kommen, oder inwieweit innovative Ideen von außerhalb der Gemeinde angenommen werden. 7. Tradition/ Tradition mit Innovation/ Innovation [Tradition mit Innovation ++] Die Handwerkswaren hat man traditionell für die Arbeit in den Bergwäldern genutzt, z.B. zum Transportieren des Mittagessens oder der gesammelten Pflanzen. Heute produzieren viele Handwerker kleine geflochtene Handtasche usw.. Die Gestaltung der Taschen haben ein paar Handwerker zusammen mit einem Designer, der vom Handwerkmuseum angestellte war, in der Anfangsphase des Projektes „Handwerk für den 13 Alltagsgebrauch“ entworfen. Die Produktionsmethode ist reine Handarbeit . Im nächsten Abschnitt wird die Pflege der Gemeinschaft in der Gemeinde betrachtet. Es wird untersucht, ob die heimische Ressourcennutzung mit ihrem horizontalen Netzwerk zwischen Privatleuten, Firmen usw. funktioniert, oder wie die Teilnahme von Privatleuten, Firmen usw. unter der Leitung einer Verwaltung funktioniert. 8. Horizontales Netzwerk/ Leitung durch eine Verwaltung [Leitung durch die Verwaltung ++→--] Die Gemeinde Mishima versucht, dass die Bürger mit der Kommunikation mit ihrer Familie und ihrer Nachbarschaft Handwerkswaren produzieren und die Bürger durch die Nutzung ihrer Waren psychisch bereichert leben können. Seit den 1970er Jahren besteht dort das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“14. Bei öffentlichen Projekten unter der Leitung der Verwaltung einer Gemeinde oder eines Dorfes wird aus Mangel an Finanzen üblicherweise kein Experte angestellt. Der zuständige Beamte hat übermäßig viele Aufgaben in verschiedenen Bereichen und engagiert sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für das Projekt. Er kann den Status quo aufrechterhalten, aber er kann das Projekt nicht weiter entwickeln. Es liegt an der Begrenzung der Fähigkeiten des Personals. Der Kontakt zwischen den Handwerkern ist gering ausgeprägt. Deswegen haben die Anfänger des Handwerks kaum Gelegenheit, durch Kommunikation das Ziel des Projekts „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ zu begreifen 15. 354 Zum Schluss werden Betrachtungen angestellt, ob man die Produktion mit einer heimischen Ressource dauerhaft bewirtschaftet und über den Mechanisierungsgrad und die Arbeitsteilung bei der Produktion, das Niveau von dem Produkt und die Stabilität der Vermarktung. 9. Mechanisierung und Arbeitsteilung: Man mechanisiert oder teilt die Arbeit bei der Produktion angemessen. [--] Das Produktionssystem, das Sammeln von pflanzlichen Materialien und die Produktionsweise sind reine Handarbeit. Das Handwerk ist zeitaufwändig und die Produktionsmenge daher begrenzt 16. Heute sind die Handwerkswaren nicht nötig für das Alltagsleben, deswegen produzieren die Handwerker die Waren gemütlich mit eigenem Rhythmus 17. Die Handwerker mit hoher Fertigkeit verstehen den Prozess des Handwerks von der Sammlung des Materials bis zum Flechten als „einen Teil ihres Lebens“. Die Anfänger des Flechthandwerks sehen es als „Einkommensmöglichkeit mit Freizeitnutzung“ 18. Sie zielen beide nicht auf gewerbliche Entwicklung mit dem Handwerk. 10. Qualität: Man produziert Produkte mit hoher Qualität. [++→--] Die Handwerker mit hoher Fertigkeit produzieren die Handwerkswaren mit hoher Qualität, die langlebig ist 19 . Auf der anderen Seite produzieren und verkaufen viele Anfänger des Handwerks grobschlächtige Waren 20. 11. Vermarktung: Es gibt ein Vermarktungssystem mit dem der Verkauf der Produkte konstant funktioniert. [-] Handwerkswaren von Handwerkern mit hoher Fertigkeit mangeln ständig 21 . Auf der anderen Seite können die Anfänger des Handwerks ihre Waren, die sich nur durch eine auffällige Gestaltung hervorheben, heute verkaufen 22 . Allgemein aber legt das Handwerksmuseum denselben Preis für Produkte von Handwerker mit höherer Fertigkeit und den Produkten der Anfänger fest. Trotz Direktverkauf von Produzenten ist der Preis so hoch wie in einer Galerie oder im Edelkaufhaus. Ein solcher Preis ohne Qualitätsbestimmung und professionelle Vermarktung wird von der Mehrzahl der Verbraucher schwerlich akzeptiert 23. Meistens werden die Handwerkswaren bei einem Fest oder bei Veranstaltungen verkauft. Die Handwerker und die Bürger versuchen, die Waren auch alltäglich zu verkaufen, aber das hatte bis heute keinen Erfolg 24. 1.2.2. „Poetische Orte“ mit dem Handwerk aus pflanzlichen Materialien in Mishima Zuerst wird untersucht, ob die Orte beschaffen sind, als „Poetische Orte“ zu wirken, mit der Umgebung in einer harmonischen Beziehung stehen und eine unnachahmliche Attraktivität haben. Es werden folgende Punkte betrachtet: 355 1.Man legt Wert auf das Detail. [++→--] Die Gemeinde Mishima versucht, dass die Bürger mit der Kommunikation mit ihrer Familie und ihrer Nachbarschaft Handwerkswaren produzieren und die Bürger durch die Nutzung ihrer Waren psychisch bereichert leben können. Sie schreibt darüber in der „Charta des Handwerks in Mishima“ 25. Handwerker mit hoher Fertigkeit produzieren so die Handwerkswaren, aber mit der vermehrten Zahl von Anfängern im Handwerk vermehren sich auch Probleme mit dem Diebstahl von Materialien oder die Produktion von grobschlächtiger Ware 26. 2. Der Ort hat eine persönliche Verbindung zu Köper und Geist. [++] Die Handwerker bauen durch das Sammeln der Pflanzen im Wald eine physische Bindung mit den Bergwäldern auf. Sie freuen sich an der Arbeit in den Bergdörfern mit den Wäldern und verbinden ein erfrischendes Gefühl damit 27. 3. Der Ort hat Wurzeln in der Natur, Historie und Kultur der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. [++/ --] Die Entwicklung der Produktion von Handwerkswaren für modernes Leben mit der Erhaltung traditioneller Technik wurzelt in der Historie und Kultur der Gemeinde 28. Die Mischwälder für die Holzkohleproduktion, in denen man auch die pflanzlichen Materialien für das Handwerk sammelt, sind seit den 1960er Jahren mit der Verbreitung der Nutzung Fossiler Energie verlassen worden und verwildert 29 . Die Zahl der Handwerker, die ihre Handwerkswaren nicht nur für den Eigenbedarf, sondern vornehmlich für den Verkauf produzieren, hat sich vermehrt. Durch sie ist der Bestand an Pflanzen, aus denen die Materialien für das Handwerk gewonnen werden, stark zurückgegangen und besonders der Bestand an Kletterpflanzen oder Bäume, die lange Zeit zum Wachsen brauchen, ist beinahe erschöpft. Es ist erforderlich, eine ausreichende Menge an diesen Materialien für die Produktion zu gewinnen. Vor kurzem hat die Gemeinde mit Versuchen begonnen, die Pflanzen auf einem Feld zu kultivieren. Auf der anderen Seite wird von manchen Bürgern der Aufbau eines neuen Systems für die Waldpflege erwartet, das auf der Nutzung durch die Handwerker mit deren Aspekten und Erfahrungen basiert 30. 4. Man nimmt als Instrument Aktivitäten von Künstlern, schlicht und gut durchdacht in Planung und Design. [++/--] In der Anfangsphase des Projektes „Handwerk für den Alltagsgebrauch” haben die Handwerker mit hoher Fertigkeit und der Designer des Handwerkmuseums ein neues Design für Flechtwaren für den modernen Lebensstil entwickelt 31. Heute gibt es keinen Designer mehr im Handwerksmuseum. Aus Finanzierungsproblemen wird für den Aufbau des Systems von Produktentwicklung und Vermarktung kein Designer mehr angestellt oder kein Auftrag an Designer vergeben. Viele Handwerkswaren werden in den letzten Jahren von ihrer Verarbeitungsqualität 356 immer grobschlächtiger. Der hohe Preis ohne Qualitätsbestimmung und professionelle Vermarktung wird auch von der Kundschaft schwerlich akzeptiert 32. 5. Es umgibt ihn eine zurückhaltende Atmosphäre. [++/--] Die Handwerker mit hoher Fertigkeit sind glücklich bei der Produktion, oder wenn sie eine neue Gestaltung entwerfen, die fertigten Werke davon vorstellen oder sich die Freude ihrer Kunden an den Waren vorstellen 33. Allerdings hat sich die Zahl der Anfänger in dem Handwerk vermehrt und sie produzieren und verkaufen heute grobschlächtige Handwerkswaren, die mit wenig Zeitund Materialaufwand gefertigt sind 34. In den letzten Jahren werden vermehrt Materialien aus den Wäldern gestohlen 35. Als nächstes wird betrachtet, ob die Orte so beschaffen sind, dass dort Menschen gut kommunizieren können. Es werden folgende Punkte beachtet: 6. Die Ideen von Bürgern werden mit existierenden Netzwerken in Beziehung gesetzt. [+] In den Bergdörfern in der Gemeinde kommunizieren die Handwerker mit ihrer Familie oder ihrer Dorfgemeinschaft beim Sammeln von pflanzlichen Materialien 36. Wegen des vielen Schnees produzieren die Handwerker im Winter ganz für sich in ihrer Werkstatt im Haus 37. 7. Ein Planer oder die Verwaltung (z.B. eine Gemeindeverwaltung) unterstützt die Idee. [+] Das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch” unter der Leitung der 38 Gemeindeverwaltung unterstützt Handwerker mit hoher Fertigkeit . 8. Komplexe Kommunikation und Gestaltung des Ortes. [++] Die Handwerker produzieren mit ihrem eigenen Arbeitsrhythmus. Sie fertigen die Handwerkswaren im Haus, sammeln die pflanzlichen Materialien und arbeiten auf dem Acker. Sie genießen den Abwechslungsreichtum ihres Lebens 39. 9. Der Ort ist angemessen gepflegt. [--] Die Bergwälder, in denen die pflanzlichen Materialien gesammelt werden, sind nicht gut gepflegt 40 . Beim Verkauf von Handwerkswaren oder beim Handwerkerfest sind die Waren auf provisorischen Tischen, Regalen, oder auf blauen Plastikplanen ausgestellt 41. Auch im Handwerkermuseum und im Laden der Raststätte werden die Waren unprofessionell ausgestellt 42. 10. Neue Teilnehmer werden gut aufgenommen. [++] Im Handwerkmuseum beraten die Handwerker Bürger und Besucher bei den Handwerkstechniken für das Flechten, Töpfern und die Holzverarbeitung und bieten im Winter Kurse an. Beim Flechten lehren und beraten die Handwerker auch über das Sammeln der Pflanzen für die Materialien und die Produktionstechniken 43. 357 11. Das Schaffen des Ortes ist immer im Prozess. [--] Es ist üblich bei öffentlichen Projekten unter der Leitung einer Gemeinde oder eines Dorfes, dass aus Mangel an Finanzen kein Experte angestellt wird. Der zuständige Beamten hat übermäßig viele Aufgaben in verschiedenen Bereichen und handelt im Rahmen seiner eingeschränkten Möglichkeiten. Er kann den Status quo aufrechterhalten, aber er kann das Projekt nicht weiter entwickeln. Der Grund liegt in der Begrenzung der Fähigkeit des Personals 44. Zum Schluss wird anhand der folgenden Punkte betrachtet, ob die Orte so beschafft sind, dass mit Menschen innerhalb oder außerhalb der Region ein gutes Verhältnis aufgebaut werden kann: 12. Es gibt einen Dialog zwischen der Identität der Gemeinde und dem Profil nach außen. [-] Mit der Identität der Gemeinde sieht es wie folgt aus: die Bürger von Mishima haben durch die Erhaltung ihrer handwerklichen Techniken mit dem Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch” eine Identität als „ die Gemeinde mit dem Handwerk“ aufgebaut 45. Es kommen wenig Besucher, aber selbst Läden in der Ortsmitte der Gemeinde, die eigentlich etwas ganz anderes verkaufe, präsentieren die Handwerkswaren in ihren Schaufenstern, um den Besuchern auch im Alltag und nicht nur bei den Festen, etwas von den Handwerkswaren im Ortsbild zu vergegenwärtigen, für welche die Gemeinde berühmt ist46. Die Handwerker mit hoher Fertigkeit haben Sympathie zu den Orten der Produktion aufgebaut. Die Bergwälder und die Werkstätten aber erkennen sie nicht als etwas besonderes, weil solche persönlichen „Poetischen Orte“ ihr Alltagsleben durchdringen. Auf der anderen Seite betrachten eine Handwerkerin, die aus der Stadt in die Gemeinde gezogen ist und eine Verlegerin, die Orte der handwerklichen Produktion, die das Leben der Handwerker durchdringen und mit den Bergwäldern sich einander bedingen, als „Poetische Orte“ 47. Die Verlegerin führt sorgfältige Interviews mit den Handwerkern in Mishima durch, und hat bereits viele Bücher über sie herausgegeben. Diese Bücher sind bei den Bürgern von Mishima beliebt 48. Über das Profil nach außen lässt sich folgendes sagen: durch das Handwerkerfest, das seit 20 Jahren stattfindet und dem Zertifikat für traditionelles Handwerk sind die Flechtwaren aus Mishima bekannt geworden 49. Viele Verbraucher verstehen die Handwerkswaren als reine Konsumgüter. Sie haben kaum Interesse an den Bergwäldern, in denen die pflanzlichen Materialien für das Handwerk wachsen und gesammelt werden50 und an den Werkstätten, in denen die Handwerker ihre Handwerkswaren produzieren. Bei der Kundenbefragung wird der Eindruck, die Gemeinde sei mit der Natur verbunden, positiv beurteilt, aber es erfolgt keine Assoziation mit der Natur und Kulturlandschaft der 358 Bergwälder, in denen die pflanzlichen Materialien für das Handwerk wachsen und gesammelt werden und in das Leben der Handwerker integriert sind. Das lässt den Schluss zu, dass die Orte der Produktion von den Verbrauchern nicht als „Poetische Orte“ wahrgenommen werden 51. 13. Es gibt einen Erzähler. [+] Die Handwerker mit hoher Fertigkeit sind heute alt und leiten das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch” nicht mehr. Es gibt keine neuen leitenden Personen, welche sich zu der Idee des Projekts äußern 52. Allerdings übernimmt die Verlegerin die Rolle einer Erzählerin und ihre Bücher werden von den Einheimischen und Gästen gerne gelesen. 14. Entwicklung mit Ideen von außerhalb der Gemeinde. [++→--] Die Gemeinde Mishima hat seit den 1970er Jahren durch die Kontakte mit Menschen aus der Stadt Ideen für die Gemeindeentwicklung bekommen 53. Durch die Ideen hat sie das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch” angefangen. In der Anfangsphase des Projekts haben die Handwerker und der vom Handwerkmuseum angestellte Designer durch die Beratungen von Leuten, die sich mit der Erhaltung des japanischen traditionellen Handwerks beschäftigen, moderne Flechtwaren entwickelt 54. Aber heute hört die Gemeinde nicht mehr auf die Beratung für die Qualitätserhaltung und Vermarktung 55. 15. Besucher werden gut aufgenommen. [++] Die gemeinde Mishima kommunizieren seit 1974 mit Menschen aus der Stadt 56. Die Handwerker genießen es, ihre Waren im Kontakt mit der Kundschaft zu verkaufen. Viele Verbraucher besuchen seit Jahren immer wieder das Handwerkerfest. Die Handwerker freuen sich besonders über die Gelegenheit, mit solchen Stammkunden zu kommunizieren 57. 16. Besucher verhalten sich angemessen. [+] Die Kundschaft übernachtet vor dem Handwerkerfest und vor der offiziellen Eröffnung des Festes bilden sie schon Warteschlangen vor den Ständen der berühmten Handwerker. Bei der Eröffnung werden alle Waren der berühmten Handwerker verkauft. Das Verhalten der Kundschaft ist beinahe wie bei einem Schlussverkauf im Kaufhaus 58. Allerdings haben die Kunden ein Verständnis für die Mühe des Handwerkers bei der Produktion und versuchen daher nicht, durch Handeln mit den Handwerkern den Preis zu senken 59. 17. Der Ort wird nicht zu stark kommerzialisiert. [+] Die Produkte der Handwerker mit höherer Fertigkeit und die Produkte von Anfängern werden für denselben Preis verkauft. Trotz Direktverkauf ist der Preis so hoch wie bei einer Galerie oder in einem guten Kaufhaus 60. Die Handwerker finden es nicht angenehm, ihre Waren den Kunden, die extra von einem fernen Ort zu ihnen gekommen sind, mit einem hohen Preis zu verkaufen, obwohl sie ihre Waren mit großem Aufwand herstellen61. 359 Anmerkungen Die Fußnoten verweisen auf Absätze in Teil IV Kapitel 1. Das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ mit Ressourcen aus dem Wald -Ein Beispiel aus der Gemeinde Mishima in der Präfektur Fukushima in Japan- ,in denen die oben getroffenen Aussagen näher beschrieben werden. 1)1.5.2., 2)1.5.1., 3)1.8., 4)1.3.4., 5)1.6.3., 6)1.6.1., 7)1.2.2., 8)1.5.2., 9)1.4., 10)1.2.1., 11)1.2.1., 12)1.2.2., 13)1.2.2., 1.3.3., 14)1.3.2., 15)1.3.4., 16)1.4., 17)1.2.1., 18)1.8., 19)1.6.1., 20)1.3.4., 21)1.3.3., 22)1.3.4, 23)1.3.4., 24)1.3.3., 25)1.3.2., 26)1.3.4., 27)1.8., 28)1.2.2., 29)1.5.1., 30)1.5.2., 31)1.3.3., 32)1.3.4., 33)1.6.1., 34)1.3.4., 35)1.5.2., 36)1.5.2., 37)1.6.1., 38)1.3.2., 39)1.2.1., 40)1.5.2., 41)1.6.3., 42)1.6.2., 43)1.3.2., 44)1.3.4., 45)1.3.2., 46)1.3.3., 47)1.8., 48)I.-1.5.1., 49)1.3.3., 1.6.2., 50)1.8., 51)1.8. 52)1.6.3., 53)1.3.1., 54)1.3.3., 55)1.3.4., 56)1.3.1., 57)1.6.1., 58)1.3.3., 59)1.6.2., 60)1.3.4., 61)1.6.2. 360 Tab. 14. Betrachtung vom Fallbeispiel aus der Gemeinde Mishima mit dem Begriff von „Schutz durch Nutzung” und dem Begriff „Poetische Orte” 361 362 1.3. Über den traditionellen Holzbau aus regionalem Holz in Kaneyama 1.3.1. „Schutz durch Nutzung“ mit traditionellem Holzbau aus regionalem Holz in Kaneyama Zuerst werden die Punkte betrachtet, die zur Vermeidung von Umweltbelastung in der Gemeinde beitragen. 1. Stoffströme 1: Man produziert oder sammelt heimische Ressourcen unter Beachtung der Nachhaltigkeit der Nutzung. [++] Die Großwaldbesitzer geben die Technik aus den in 250 Jahren gesammelten Erfahrungen weiter und pflegen die meisten Wälder in Kaneyama nachhaltig. Auf der anderen Seite ist der Zustand der Wälder von vielen Kleinwaldbesitzern nicht gut 1. 2. Stoffströme 2: Man verbraucht die Produkte in der Gemeinde. [++→--] In Kaneyama sind Kaneyamahäuser verbreitet, die mit dem Holz von vielen heimischen Kaneyamazedern von heimischen Zimmerleuten mit traditioneller Holzbautechnik gebaut worden sind 2. Bis zum Ende der 1990er Jahre sind 80 % der neu gebauten Häuser in der Gemeinde Kaneyamahäuser 3. Wegen der Verbreitung von Fertighausfirmen aber ist der Anteil von Kaneyamahäusern unter Neubauten zurückgegangen 4. 3. Ressourcenvielfalt: Man benutzt vielfältige Ressourcen. [++] In vielen Wäldern in der Gemeinde Kaneyama ist nur die Zeder angepflanzt. Der größte Waldbesitzer rodet keine großen Waldflächen auf einmal. Wo Laubbäume wachsen, lässt er sie nicht fällen und sie verbleiben am Standort. An Standorten, wo die Zedern nicht gut wachsen, pflanzt er nach der Rodung keine neuen Zedern, sondern lässt die Entwicklung zum Laubmischwald durch Sukzession zu. Im Zederwald wachsen verschiedene Pflanzen und Bäume mit unterschiedlicher Höhe zwischen den Zederbäumen. Mit einem solchen Waldbild wächst die Zeder gut und die Bewirtschaftung durch den Waldbesitzer funktioniert besser. Für den Waldbesitzer in Kaneyama haben Laubbäume keine wirtschaftliche Bedeutung, aber die Artenvielfalt unter den Bäumen in den Wäldern ist wichtig für das Ökosystem und wird bei der Bewertung für die FSC Zertifikation geschätzt 5. 4. Energieverbrauch: Man verbraucht bei der Produktion weniger Energie aus nicht nachwachsenden Rohstoffen. [+] Nach der Bestellung verarbeitet und liefert das entsprechende Sägewerk die Holzprodukte schnell. Dafür lassen die Sägewerke das Holz in einer Holztrockenkammer trocknen, die mit Erdöl befeuert wird 6. In den Werkstätten der Zimmerleute und der Zimmereien werden kleine elektrische Werkzeuge benutzt, aber das Holz wird meist per Hand bearbeitet. Auf der Baustelle arbeiten die Zimmerleute auch nur mit wenig Maschineneinsatz 7. 5. Metabolismus: Das Produkt ist biologisch abbaubar. [++] Das Kaneyamahaus ist aus massivem Holz gebaut. Deshalb gilt es als gesundheitlich 363 unbedenklich für den Organismus der Bewohner. Außer für Tapeten und Holzschutzmittel, das aber nur an den Außenstützen aufgetragen wird, finden keine chemisch synthetisierten Materialien Verwendung. Beim Abriss kann das Baumaterial mit wenig Umweltbelastung in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden 8. 6. Haltbarkeit: Das Produkt hält lange. [+] Es gibt viele Zimmerleute und Handwerker mit hohem technischen Wissens- und Kenntnisstand in Kaneyama. Sie bauen die Häuser aus 100-jährigen Kaneyamazedern, deren Holz über 100 Jahre lang hält, mit traditioneller Holzbautechnik 9. Auf der anderen Seite sind einige Holzhäuser aus Kaneyamazeder mit moderner Architektur zu schwach gegen die Schneelast ausgelegt und/ oder kosten viel Geld oder Zeit beim Schneeräumen10. Im nächsten Abschnitt wird anhand der heimischen Kultur, der Ressourcennutzung, der Gestaltung, des Produktions- und des Ausbildungssystems usw. untersucht, ob Tradition weitergegeben wird, oder die traditionelle Art und Weise genutzt und innovative Ideen dazu gegeben werden, oder inwieweit innovative Idee von außerhalb der Gemeinde angenommen werden. 7. Tradition/ Tradition mit Innovation/ Innovation [Tradition mit Innovation++] In der Gemeinde Kaneyama verleihen die Kaneyamahäuser den Ortschaften einen historischen und harmonischen Eindruck. Die Kaneyamahäuser sind mit dem Holz von vielen heimischen Kaneyamazedern von heimischen Zimmerleuten mit traditioneller Holzbautechnik gebaut worden 11. In der Gemeinde sind Läden, Büros und öffentliche Einrichtungen auch mit der Kaneyamazeder als moderne Architektur gebaut worden, die sich harmonisch in die Gestaltung der Ortsbilder integriert, die von Kaneyamahäusern geprägt sind 12. In Kaneyama sind alte Holzbauten umgenutzt und so einer heutige Nutzungsform erschlossen worden. Die Innenräume der Gebäude sind restauriert oder modern umgebaut13. Im nächsten Abschnitt wird die Pflege der Gemeinschaft in der Gemeinde betrachtet. Es wird untersucht, ob die heimische Ressourcennutzung mit ihrem horizontalen Netzwerk zwischen Privatleuten, Firmen usw. funktioniert, oder wie die Teilnahme von Privatleuten, Firmen usw. unter der Leitung einer Verwaltung gelingt. 8. Horizontalen Netzwerk/ Leitung durch die Verwaltung [Horizontales Netzwerk ++→--] In der Gemeinde gibt es Netzwerke, die mit der Kaneyamazeder verbunden sind, die ohne zusätzliche Organisation funktionieren. Die Zusammenarbeit zwischen einheimischen Zimmerleuten oder Zimmereien und Sägewerken und zwischen Sägewerken und 364 Waldbesitzern sind üblich in Kaneyama. Das Vertrauen in die Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde ist die Basis dieser Netzwerke. Damit fließt die heimische Ressource Holz aus dem Wald bis in die Bauten. Die Betriebe pflegen diese Beziehungen seit Großvaters Zeiten über die Generationen hinweg 14. Aber in den letzten Jahren sind die Zimmerleute und die Zimmereien wirtschaftlich geschwächt und die Netzwerke in der Gemeinde sind ebenfalls weniger tragfähig geworden. Zum Schluss werden Betrachtungen angestellt, ob man die Produktion mit einer heimischen Ressource dauerhaft betreibt. Der Mechanisierungsgrad und die Arbeitsteilung bei der Produktion, das Niveau der Produkte und die Stabilität der Vermarktung werden beleuchtet. 9. Mechanisierung und Arbeitsteilung: Man mechanisiert oder teilt die Arbeit bei der Produktion angemessen. [-] Bei den Sägewerken sägen die Handwerker mit hoher Fertigkeit das Bauholz für den traditionellen Hausbau in handwerklicher Arbeit mit guter Qualität. Es handelt sich nicht um Massenproduktion. Deswegen gibt es in der Werkstatt keine CNC Maschine, die mit dem Computer gesteuert wird. Nach der Bestellung verarbeitet und liefert das entsprechende Sägewerk die Holzprodukte schnell. Dafür lassen die Sägewerke das Holz in einer Holztrockenkammer trocknen, die mit Erdöl befeuert wird 15. In den Werkstätten der Zimmerleute und Zimmereien werden kleine elektrische Werkzeuge benutzt, aber das Holz wird meist mit der Hand bearbeitet. Auf der Baustelle arbeiten die Zimmerleute auch mit wenig Maschineneinsatz 16. 10. Qualität: Man produziert Produkte mit hoher Qualität. [++] Kaneyamazedern wachsen 80 Jahre lang unter harten Klimabedingungen mit Schnee. Deswegen sind ihre Jahresringe sehr dicht beieinander. Holzprodukte aus der Kaneyamazeder haben damit eine hohe Qualität. Das Bauholz aus der Kaneyamazeder trägt die Schneelast auf den Dächern 17. Wenn die Zimmerleute das Bauholz bestellen, ordern die kleinen Sägewerke die Rodung für das Bauholz bei einer Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung. Die Sägewerke sägen je nach Bestellung das Bauholz handwerklich für den traditionellen Hausbau mit guter Qualität 18 . Die Zimmerleute bauen mit dem Bauholz in handwerklicher Technik und Fertigkeit ein fein ausgearbeitetes und ästhetisch ansprechendes Haus 19. 11. Vermarktung: Es existiert ein Vermarktungssystem, mit dem der Verkauf der Produkte gesichert ist. [-] Die Zimmerleute bekommen ihre Aufträge über Bekanntschaften. Sie haben keinen anderen Vermarktungsweg aufgebaut. In den letzten Jahren haben die Zimmerleute immer weniger Aufträge. Sie arbeiten heute häufig in anderen Regionen. Sie empfinden es als körperlich hart, jeden Tag die Strecke zur Baustelle zu fahren. Wenn sie ein Haus 365 in einer fernen Region bauen, fallen auch hohe Fahrkosten nach dem Bau zur Wartung des Hauses an 20. Es gibt Versuche von der Forstgenossenschaft, wie den sog. „Staffellauf der Zimmerleute“, bei dem die Zimmerleute die Häuser in der Umgebung von Tokio bis zur Konstruktion bauen und dann Zimmerleuten vor Ort die Arbeit übergeben wird und diese dann das Haus fertigstellen 21. Oder die Sägewerke arbeiten mit den Architekten in der Umgebung von Tokio zusammen und entwickeln und bauen neue Typen von Kaneyamahäusern in der Umgebung von Tokio. Dadurch versuchen sie, einen neuen Vermarktungsweg aufzubauen 22. So werden die neuen Vermarktungswege Zug um Zug aufgebaut, aber das heimische Netzwerk rund um den Bau von Kaneyamahäusern zwischen den Firmen für Waldpflege und Waldbewirtschaftung, den Sägewerken und den Zimmerleuten wird geschwächt. 1.3.2. „Poetische Orte“ mit traditionellem Holzbau aus regionalem Holz in Kaneyama Zuerst wird untersucht, ob die Orte beschafft sind, als „Poetische Orte“ zu wirken, mit der Umgebung in einer harmonischen Beziehung stehen und eine unnachahmliche Attraktivität haben. Es werden folgende Punkte betrachtet: 1.Man legt Wert auf das Detail. [+] Die Zimmerleute in Kaneyama bauen das „Kaneyamahaus“ aus heimischem Zedernholz, der „Kaneyamazeder“ mit traditioneller Technik. Sie haben eine hohe Fertigkeit und bauen bis ins Detail ästhetisch ansprechend 23. Kaneyamahäuser sind schlicht. Durch die Verwendung von heimischem Holz vermitteln sie dem Ortsbild einen einheitlichen Eindruck. Die Gemeinde Kaneyama hat mit den vielen Kaneyamahäusern ein ruhiges und ästhetisches Ortsbild aufgebaut. In der Gemeinde sind auch Holzhäuser mit moderner Architektur aus Kaneyamazedern geplant und gebaut worden, die mit den Kaneyamahäusern harmonieren 24. Auf der anderen Seite bauen junge Leute Kaneyamahäuser, richten sie aber mit vielen künstlichen Baumaterialien und moderner Inneneinrichtung ein Vertreter der alten Generation richten zwar das Gastzimmer, das Zimmer mit dem buddhistischen Ahnenaltar und den Eingang gut ein, bauen aber die übrigen Zimmer billig. Sowohl das Raumkonzept als auch die Funktion mancher Kaneyamahäuser ist einem modernen Lebensstil nicht angepasst. So passen z.B. die hohen Fundamente oder großen Fenster nicht zu den traditionellen Proportionen der Häuser, oder lauter Möbel und Sachen mit unterschiedlichen Stilen finden im traditionellen Innenraumkonzept nicht ihren Platz. Hierin besteht noch eine Aufgabe 25. 2. Der Ort hat eine persönliche Verbindung zu Köper und Geist. [++] Das Kaneyamahaus ist warm. Das Holz fühlt sich gut an und riecht gut. Das Haus strahlt eine ruhige und gemütliche Atmosphäre aus. Die Bewohner genießen es, im Haus zu 366 wohnen 26. Manche der Befragten empfinden eine psychische Beziehung mit dem Wald und den Bäumen 27. 3. Der Ort hat Wurzeln in der Natur, Historie und Kultur der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. [++] Das Image des Kaneyamahauses wird von den Bürgern der Gemeinde Kaneyama geteilt. Sie haben durch ihren Hausbau ein charakteristisches und neues Ortsbild aufgebaut 28. Die Experten aus der Forstwirtschaft und die Sägewerker produzieren die Kaneyamazeder mit traditioneller Technik und guter Qualität. Mit diesem Bauholz bauen die Zimmerleute und Zimmereien mit traditioneller Technik die Kaneyamahäuser mit guter Qualität 29 . Die Großwaldbesitzer pflegen und bewirtschaften ihre Wälder 30 nachhaltig . In der Gemeinde leben die Bürger auch in alten Gebäuden. Sie pflegen und nutzen sie. Die alten Gebäude geben den Bürgern psychisch Halt 31. 4. Man nimmt als Instrument Aktivitäten von Künstlern, schlicht und gut durchdacht in Planung und Design. [++] Architekten und Planer, die Absolventen der renommierten Tokio Universität für Kunst und Musik sind, unterstützen seit den 1980er Jahren kontinuierlich die Entwicklung des Kaneyamahauses mit dem Aufstellen von Kriterien und durch die Planung für den Aufbau des Ortsbildes 32. 5. Es umgibt ihn eine zurückhaltende Atmosphäre. [++] Kaneyamahäuser haben eine ruhige Gestaltung, damit wurde ein Ortsbild aufgebaut, das Ruhe ausstrahlt 33 . Die Hausherren, die ihre Häuser nicht als Kaneyamahäuser gebaut haben, haben ihre Häuser trotzdem mit Aufmerksamkeit für den Aufbau der Ortsbilder gebaut. Deshalb ist das Ortsbild von Kaneyama einheitlich, auch wenn nicht alle Häuser Kaneyamahäuser sind 34. Als nächstes wird betrachtet, ob die Orte so beschaffen sind, dass dort Menschen gut kommunizieren können. Es werden folgende Punkte beachtet: 6. Die Ideen von Bürgern werden mit existierenden Netzwerken in Beziehung gesetzt. [++] Die heimische Ressource fließt in den Netzwerken aus dem Wald bis zum Hausbau, also von Waldbesitzern, Sägewerkern, Zimmerleuten, Zimmereien, Architekten bis zum Hausherren. Die Netzwerke mit der Kaneyamazeder funktionieren ohne Organisation. Das Vertrauen in die Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde, das über Generation gewachsen ist, bildet die Basis dieses Netzwerks 35. Konflikte zwischen Hausherren und Zimmerleuten treten auf, wenn Hausherren nicht akzeptieren, dass das Bauholz aus Kaneyama bezogen wird. Dann versuchen die Zimmerleute die Hausherren mit Argumenten zu überzeugen, was nicht immer gelingt. Ein weiterer Konflikt tritt auf, weil 367 die meisten Zimmerleute versuchen, ihr Holz nicht nur von einem bestimmten Sägewerk zu beziehn, sondern ihre Aufträge möglichst gleichmäßig zu verteilen. In den 1980er- und 1990er Jahren sind viele Häuser in Kaneyama gebaut worden. 80 % der Neubauten waren Kaneyamahäuser. Daraus kann man schließen, dass die meisten Bürger mit dem Aufbau der Ortsbilder einverstanden waren 36. Auch die Bürgerinitiativen nutzen die historischen Gebäude 37. 7. Ein Planer oder die Verwaltung (z.B. eine Gemeindeverwaltung) unterstützt die Idee. [++] Die Gemeindeverwaltung unterstützt die Initiative einer Jugendorganisation der Forstgenossenschaft zur Entwicklung der Forstwirtschaft und sie unterstützt auch den Bauwettbewerb, der von der Wirtschaftskammer ausgeschrieben wird. Dadurch hat die Gemeinde die Entwicklung von Forstwirtschaft und Bauwesen in den Aufbau der Ortsbilder integriert 38. 8. Komplexe Kommunikation und Gestaltung des Ortes. [++] Die Aktion für die Entwicklung der Forstwirtschaft von der Jugendorganisation der Forstgenossenschaft und der Wettbewerb von der Wirtschaftskammer sind rechtzeitig angefangen und schnell fortgesetzt worden. Außerdem sind die Bürger in dem Ziel geeint, den Versuch dauerhaft fortzusetzen, ihr alltägliches Leben mit einer 100-jährigen Dimension zu gestalten 39. 9. Der Ort ist angemessen gepflegt. [++] In Kaneyama sind seit 200 Jahren die Zedernwälder mit ihrem reichen Holzvorrat von den Großwaldbesitzern gut gepflegt worden 40. Die Gemeinde versucht seit den 1960er Jahren ein schönes Ortsbild aufzubauen und dazu sind auch die Bürger bereit. Sie achten auf ein einheitliches Ortsbild mit dem eigenen Wohnhaus. Sie pflegen die Gassen und die Wasserkanäle und nutzen auch die historischen Gebäude als gemeinschaftliche Räume 41. 10. Neue Teilnehmer werden gut aufgenommen. [-] In Kaneyama haben hauptsächlich alte Leute, die an das traditionelle Holzhaus gewöhnt waren, Kaneyamahäuser gebaut. Allerdings hat die junge Generation die guten Seiten von einem Kaneyamahaus nicht so schätzen gelernt 42. In den letzten Jahren ist die Nachfrage an traditionellen Holzhäusern gesunken. Die jungen Zimmerleute haben keine Zukunft, obwohl sie lange und gut ausgebildet sind. In dieser Situation zögern die alten Zimmermeister, neue Lehrlinge anzunehmen. Dadurch hat sich die Zahl der Zimmerleute in Kaneyama verringert 43. Die Forstgenossenschaft denkt, dass sie nicht nur das Holz vermarkten sollte, sondern sie möchte mit mehreren Architekten und heimischen Zimmerleuten zusammenarbeiten. Dafür sucht sie einen Weg. Es gibt aber keine Initiative für den Aufbau eines neuen Systems von heimischen Architekten und heimischen Zimmerleuten 44. 368 11. Das Schaffen des Ortes ist immer im Prozess. [++] Die Gemeinde versucht sich an einem Projekt namens „Aufbau der Ortsbilder in 100 Jahren“. Die Bürger tragen dieses Konzept gemeinsam. Es besagt, dass man 100 Jahre lang Kaneyamazedern pflegt, man ein Haus baut, das mindestens 100 Jahre lang hält und man in 100 Jahren Stück um Stück die Häuser zu Kaneyamahäusern umbaut. Die Gemeinde verfolgt außerdem über jeweils einen Zeitraum von mehreren Jahren stufenweise kleinere Ziele für den Aufbau der Ortsbilder. Heute ist die gesamte Gemeindefläche Zielgebiet der Maßnahmen 45. Zum Schluss wird anhand der folgenden Punkte betrachtet, ob die Orte so beschafft sind, dass mit Menschen innerhalb oder außerhalb der Region ein gutes Verhältnis aufgebaut werden kann: 12. Es gibt einen Dialog zwischen der Identität in der Gemeinde und dem Profil nach außen. [++] Die Bürger sind stolz, dass die Gemeinde Kaneyama „die Gemeinde mit den Zedern“ ist 46 . Sie tragen das Image vom Kaneyamahaus gemeinsam und sie identifizieren sich mit dem, vom Kaneyamahaus bestimmten Ortsbild 47. Durch den Aufbau des Ortsbildes mit Kaneyamahäusern kommen seit Ende der 1990er Jahre immer mehr Besucher nach Kaneyama. Damit haben die Bürger bemerkt, dass das Ortsbild in der Gemeinde öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat. Die Bürger sind darauf stolz 48 . Heute versucht man in der Gemeinde mit dem FSC Zertifikat das Holz zu vermarkten 49 und die Nutzung der nachwachsenden Energie aus Holz zu entwickeln. Damit versuchen die Unternehmer und die Bürger nach außen zu vermitteln, dass die Gemeinde Kaneyama sich nicht nur ihres Ortsbildes, sondern auch ihrer Umwelt bewusst ist 50. 13. Es gibt einen Erzähler. [+] Die Architekten und der Stadtplaner, die seit der Anfangsphase den Aufbau des Ortsbildes und die Gemeindeentwicklung von Kaneyama unterstützt haben, publizieren eine Zeitschrift über Kaneyama. Sie haben im Jahr 2002 einen Preis vom Institut für Architektur in Japan (Architectural Institute of Japan) bekommen. Kaneyama erregt die Aufmerksamkeit von Experten und Studierenden der Architektur, Stadtplanung, Regionalentwicklung und Forstwirtschaft 51 . Dennoch gibt es keinen einheimischen Erzähler, der nach außen wirkt. 14. Entwicklung mit Ideen von außerhalb der Gemeinde. [++] Wie oben erwähnt, unterstützen die Architekten und die Planer, die Absolventen der Tokio Universität für Kunst und Musik sind, seit den 1980er Jahren kontinuierlich die Entwicklung des Kaneyamahauses mit ihren Kriterien und der Planung für den Aufbau des Ortsbildes 52. 369 15. Besucher werden gut aufgenommen. [++] Die Gemeinde hat sich nicht die Entwicklung des Tourismus zum Ziel gesetzt. Dennoch kommen seit den 1990er Jahren immer mehr Besucher nach Kaneyama. Deshalb bietet eine Bürgerinitiative im Bürgerhaus traditionellen grünen Tee an und organisiert Ortsbesichtigungen. Manchen Ortsteil haben angefangen, in alten Bauernhäusern oder aufgelassenen Schulen das Leben im Bergdorf dem Besucher aus der Stadt als Erlebnis anzubieten und auch einen Nudelladen eröffnet. Dadurch entsteht eine einladende Atmosphäre in der Gemeinde 53. 16. Besucher verhalten sich angemessen. [++] Die Besucher, die kommen, um sich die Häuser anzuschauen oder an einer Waldbesichtigung teilzunehmen, kommunizieren mit den Experten von der Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung und den Zimmerleuten. Sie interessieren sich für den Wald und das Ortsbild von Kaneyama. Es gibt keinen touristischen Ort in Kaneyama, aber manche Besucher sagen, dass gerade das das Schöne in Kaneyama ist 54 . Die Besucher erleben das Leben im Bergdorf. Dabei sammeln die Bürger und die Besucher aus der Stadt zusammen Ideen und pflegen ein altes Bauernhaus oder eine aufgelassene Schule zusammen 55. 17. Der Ort wird nicht zu stark kommerzialisiert. [++] Die Kaneyamazeder ist ein Markenprodukt geworden. Dennoch ist der Preis nicht gestiegen 56. Durch die Verbreitung des Kaneyamahauses kommen immer mehr Besucher nach Kaneyama. Die Bürger laden sie als Gäste ein. Sie machen kein touristisches Geschäft mit ihnen 57 . Die Zimmerleute und Zimmereien bauen die Häuser vergleichsweise zeitaufwändig und trotzdem sind ihre Häuser häufig billiger als Fertighäuser. Sie bekommnen die Aufträge durch Mundpropaganda und machen keine Werbung 58. Mit solchen Punkten kann man vermuten, dass sie nicht kommerzialisiert sind und nicht nur dem Profitdenken folgen. Anmerkungen Die Fußnoten verweisen auf Absätze in Teil IV Kapitel 2. Kaneyamahaus aus Kaneyamazeder -Ein Beispiel aus der Gemeinde Kaneyama in der Präfektur Yamagata in Japan- ,in denen die oben getroffenen Aussagen näher beschrieben werden. 1)2.5.2., 2)2.2.1., 3)2.3.1., 4)2.4.1., 5)8.5.2., 6)2.6.2., 7)2.4.1., 8)2.7.1., 2.8., 9)2.3.1., 10)2.2.3., 11)2.2.1., 12)2.2.3., 13)2.2.2., 14)2.7.1., 15)2.6.2., 16)2.4.1., 17)2.5.2, 2.6.1., 18)2.6.2., 19)2.4.1., 20)2.4.1., 21)2.7.1., 22)2.4.3., 23)2.4.1., 24)2.2.3., 25)2.2.1., 26)2.8., 27)2.9, 28)2.3.1., 29)2.5.2., 2.6.2., 2.4.1., 30)2.5.2., 31)2.2.2., 32)2.2.3., 33)I.-1.5.2. 34)2.3.1., 35)2.7.1., 36)2.3.1., 37)2.2.2., 38)2.3.2., 39)2.3.2., 2.3.1., 40)2.5.1., 2.5.2., 41)2.3.1., 2.2.2., 42)2.4.2., 43)2.4.1., 44)2.7.1., 45)2.3.1., 46)2.8., 47)2.3.1, 48)2.3.1., 49)2.7.3., 50)2.6.2., 51)2.3.1., 52)2.2.3., 53)2.2.2., 2.3.1., 54)2.7.2, 2.3.1., 55)2.2.2., 56)2.7.2., 57)2.2.2., 2.3.1., 58)2.4.1. 370 2, 3, 5, 8, 9, 10, 14, 15, 16 Ideen der Forschungsgruppe mit Detlev Ipsen 2007 Idee von Detlev Ipsen 2000 1, 4, 6, 7, 11, 12, 13, 17 12. Gibt es einen Dialog zwischen der Identität in der Region und dem Profil nach Außen? Um Orte zu schaffen, mit denen 13. Gibt es Erzähler? Menschen innerhalb oder au ß 14. Wie wird mit Ideen von außerhalb der Region umgegangen? erhalb der Region ein gutes 15. Wie werden Besucher aufgenommen. Verhältnis aufbauen können gilt: 16. Verhalten sich Besucher angemessen? 17. Wird der Ort zu stark kommerzialisiert? 11. Befindet sich das Machen des Ortes im Prozess? 10. Werden neue Teilnehmer gut aufgenommen? Um Orte zu schaffen, an denen Menschen gut kommunizieren 8. Ist die Kommunikation und Gestaltung des Ortes komplex? können gilt: 9. Ist der Ort angemessen gepflegt? 7. Unterstützt ein Planer und/ oder eine Verwaltung die Idee? 6. Werden Ideen von Bürgern mit existierenden Netzwerken in Beziehung gesetzt? 5. Umgibt den Ort eine zurückhaltende Atmosphäre? Um Orte zu schaffen, die als 2. Lässt der Ort eine persönliche Verbindung zu Körper und Geist zu? „Poetische Orte “ wirken, mit der 3. Hat der Ort Wurzeln in der Natur, Historie und Kultur der Vergangenheit, Umgebung in einer harmonischen Gegenwart und Zukunft? Beziehung stehen und eine unnachahmliche Attraktivität haben 4. Werden Aktivitäten von K ü nstlern, schlichte und gut durchdachte Planung oder Design angewendet? gilt: 1. Legt man Wert auf das Detail? Kriterien für „Poetische Orte“ Kaneyama Vermarktung Mechanisierung Qualität Leitung von Verwaltung Private Netzwerk Innovation Tradition mit Innovation Tradition Haltbarkeit Metabolismus Energieverbrauch Ressourcenvielfalt Stoffströme Bewertung mit vier Stufen sehr gut gut mangelhaft schlecht Für die Wirtschaft Gesellschaft Für die Kultur Für die Umwelt Für die 9. Ist die Produktion angemessen mechanisiert? 10. Werden Produkte mit hoher Qualität produziert?. 11. Ist der Verkaufen der Produkte stabil? etc.? 8b. Leitet eine Verwaltung die Teilnahme von Privatleuten, Firmen etc.? 8a. Gibt es horizontales Netzwerke zwischen Privatleuten , Firmen 7b. Nutzt man Techniken oder Formen aus der Tradition und gibt innovative Ideen dazu? 7c. Nimmt man hauptsächlich Techniken oder Formen von außerhalb der Region? 7a. Werden traditionelle Techniken und Formen weitergegeben? 6. Hält das Produkt lange? 4. Wird bei der Produktion wenig Energie aus nicht nachwachsenden Rohstoffen verbraucht?. 5. Ist das Produkt biologisch abbaubar. 3. Werden vielfältige Ressourcen genutzt? 1. Werden heimische Ressourcen nachhaltig produziert oder gesammelt? 2. Werden die regionalen Produkte in der Region verbraucht? Kriterien für „Schutz durch Nutzung“ Tab. 15. Betrachtung des Fallbeispiels aus der Gemeinde Kaneyama mit den Begriffen „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte“ 371 372 1.4. Über die moderne Holzbauarchitektur aus regionalem Holz im Bregenzerwald 1.4.1. „Schutz durch Nutzung“ mit der modernen Holzbauarchitektur aus regionalem Holz im Bregenzerwald Zuerst werden die Punkte betrachtet, die zur Vermeidung von Umweltbelastung in der Gemeinde beitragen. 1. Stoffströme 1: Man produziert oder sammelt heimische Ressource unter Beachtung der Nachhaltigkeit der Nutzung. [+] Das Wachstum des Waldes im Vorarlberg ist größer als die Holzernte. Das heißt, es gibt einigen Spielraum für einen steigenden Verbrauch von Holz. Sowohl das Abholzen großer Flächen als auch das Auflassen der Wälder wird als problematisch für die Schutzwaldpflege gesehen 1. 2. Stoffströme 2: Man verbraucht die Produkte in der Region. [+] Viele Stämme und Holzprodukte werden importiert und exportiert. Der Bregenzerwald liegt an der Grenze. Das Holz, das importiert oder exportiert, wird kommt aus benachbarten EU- Ländern aus einem Umkreis von ca. 50 km. Deswegen gibt es trotz Import und Export keine langen Transporte 2. Zimmerleute und Schreiner haben eine stabile Auftragslage im In- und Ausland 3. 20 % der Neubauten im Land Vorarlberg sind Holzbauten 4. 3. Ressourcenvielfalt: Man benutzt vielfältige Ressourcen. [++] Die Wälder erfüllen gegenüber den Siedlungen eine Schutzfunktion vor Lawinen und Hochwasser. Eine Mischung aus Fichte, Tanne und Laubbäumen gibt dem Boden am Hang den nötigen Halt. Deswegen werden Mischwälder hoch geachtet 5. Tendenziell wird nur Fichtenholz für den Holzbau verwendet, aber in der letzten Zeit ist zur Vermeidung von Forstschäden, wie sie in überalterten Mischwäldern oder in Fichtenplantagen häufig auftreten, Tannenholz als Marke aufgebaut und die Nutzung von Tannenholz gefördert worden. Beim Aufbau der Marke ist geklärt worden, dass Tannen auch das Waldökosystem stabilisieren 6 . Neun Arten von Nadelbäumen und fünfzehn Laubbaumarten aus dem Bergwald und siebzehn Laubbaumarten aus dem Flachlandwald werden verarbeitet und als Holzprodukte vermarktet. Die Laubbäume werden für den Möbelbau verwendet 7. 4. Energieverbrauch: Man verbraucht bei der Produktion weniger Energie aus nicht nachwachsenden Rohstoffen. [++] Bei Zimmereien schneiden die Zimmerleute das Holz in der Werkstatt unter einem großen Holzdach. In der Werkstatt gibt es eine CNC Maschine, die mit dem Computer gesteuert ist. Die Hölzer werden so schnell und in großer Stückzahl verarbeitet. Dadurch werden Arbeitskosten gespart 8. Den Abfall der bei der Verarbeitung des Holzes anfällt, benutzen die Sägewerke als Brennholz für ihre Holztrockenkammer 9. Die Zimmereien und die Werkstätten der Schreiner benutzen ihre Holzreste aus der Produktion als 373 Brennholz. Sie betreiben damit Holztrockner, Heizung, Boiler und erzeugen Strom. So wird bei der Produktion wenig Fossilenergie verbraucht 10. 5. Metabolismus: Das Produkt ist biologisch abbaubar. [+] Die Zimmereien sind durch die Zusammenarbeit mit einem lokalen Holzinstitut führend bei der Entwicklung neuer Produkte. Sie entwickeln Produkte aus heimischem Holz und anderen Naturmaterialien, die den menschlichen Organismus nicht belasten, auf den Stoffkreislauf abgestimmt oder für die Einsparung von Energie bei Bau und Unterhalt der Häuser nützlich sind. Die Außenwände sind nicht lackiert 11. Manche Kunden akzeptieren nicht die Anwendung von massivem Holz. Bei den Kunden verwendet man doch auch Leimholz 12. 6. Haltbarkeit: Das Produkt hält lange. [+] Wie der Zimmermann, gibt sich auch der Schreiner viel Mühe, die Idee des neuen Raumkonzepts der Architekten zu verwirklichen. Es wird sehr fleißig an neuen Holzkonstruktionen oder zur Beständigkeit des Holzes geforscht. Die Technik zum Bauen mit Holz entwickelt sich Tag für Tag und die Handwerker sind stolz auf die Einführung neuer Techniken 13. Im nächsten Abschnitt wird anhand der heimischen Kultur, der Ressourcennutzung, der Gestaltung, des Produktions- und des Ausbildungssystems usw. untersucht, ob Tradition weitergegeben wird, oder die traditionelle Art und Weise genutzt und innovative Ideen dazu gegeben werden, oder inwieweit innovative Ideen von außerhalb der Gemeinde angenommen werden. 7. Tradition/ Tradition mit Innovation/ Innovation [Innovation ++] Traditionelle Architektursprache ist z.B. dem Material, der Technik, dem Raumkonzept oder der Landschaft angepasst und ein Gefühl für den Alterungsprozess verbunden, der die Architektur mit der Zeit nach und nach in die Landschaft integrieren lässt. So lebt im Bregenzerwald die Tradition in der modernen Architektur nicht als Form, sondern als Prinzip des Denkens bei der Planung fort. Der Architekt plant mit der Anforderung des modernen Lebens, z.B. neue Raumkonzepte, umweltgerechte Materialien, weniger Energieverbrauch. Er integriert bei der Planung die Tradition in die Moderne 14 . Schlichtheit ist das kulturelle Merkmal im Bregenzerwald. Viele denken, wenn man sich an die Schlichtheit hält, auch mit den modernen Formen, kann man den heimischen traditionellen Geist weitergeben. In der Region schätzen die Menschen die Gegenwart und die Zukunft. Es gibt ein experimentierendes unternehmendes Milieu in der Region 15. Im Bregenzerwald werden traditionelle Häuser mit modernen Konzepten restauriert und über Generationen genutzt 16. 374 Im nächsten Abschnitt wird die Pflege von der Gemeinschaft in der Gemeinde betrachtet. Es wird untersucht, ob die heimische Ressourcennutzung mit ihrem horizontalen Netzwerk zwischen Privatleuten, Firmen usw. funktioniert, oder wie die Teilnahme von Privatleuten, Firmen usw. unter der Leitung einer Verwaltung funktioniert. 8. Horizontales Netzwerk/ Leitung durch eine Verwaltung [Horizontales Netzwerk ++] Die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Zimmermann oder Schreiner, zwischen Zimmermann oder Schreiner und Sägewerk oder zwischen Sägewerk und Waldbesitzer sind üblich im Bregenzerwald. Die Netzwerke lassen die Ressource, das Holz, vom Wald bis in die Architektur fließen. Sie funktionieren ohne Institutionalisierung. Das Vertrauen in die regionale Gemeinschaft ist die Basis dieser Netzwerke 17. Zum Schluss werden Betrachtungen angestellt, ob man die Produktion mit einer heimischen Ressource dauerhaft bewirtschaftet und über den Mechanisierungsgrad und die Arbeitsteilung von der Produktion, das Niveau von dem Produkt und die Stabilität der Vermarktung. 9. Mechanisierung und Arbeitsteilung: Man mechanisiert oder teilt die Arbeit bei der Produktion angemessen. [+] Die Häuser, welche die Zimmerleute in handwerklicher Arbeit errichten, sind von Architekten geplant und auf den Lebensstil des Bauherrn abgestimmt. In der Werkstatt gibt es eine CNC Maschine, die mit dem Computer gesteuert wird. Die Hölzer werden so schnell und in großer Stückzahl verarbeitet. Dadurch werden Arbeitskosten gespart 18. Die Sägewerke arbeiten auch handwerklich. Der Zuschnitt des Holzes erfolgt je nach Bestellung. Die Holzprodukte werden in Holztrockenkammern getrocknet. Nach der Bestellung verarbeiten und liefern die Sägewerke die Holzprodukte schnell 19. 10. Qualität: Man produziert Produkte mit hoher Qualität. [+] Die Architektur und Möbel sind nicht mit dem Anspruch und deshalb auch nicht mit der Perfektion des Kunsthandwerks gefertigt. Sie sind funktionell und rationell produziert. Trotzdem ist schnell und billig nicht das Ziel. Die moderne Architektur hat eine gute Qualität. Sie hat ein Raumkonzept entwickelt, das dem Lebensstil der Bauherren entspricht und geht auch bei der Gestaltung sensible auf die Eigenschaften der natürlichen Baustoffe ein. Handwerker bauen nach dem Plan von Architekten sorgfällig, auch wenn sie Maschinen einsetzen. Sie bieten die Häuser oder die Möbel preiswert an. Die Menschen in der Region schätzen diese „nicht perfekte aber sehr gute“ Qualität 20. 11. Vermarktung: Es gibt ein Vermarktungssystem, das den Verkauf der Produkte gewährleistet. [++] Im Bregenzerwald herrscht zwar ein reger Wettbewerb zwischen den Werkstätten, aber sie haben eine stabile Auftragslage aus In- und Ausland z.B. aus Deutschland oder Italien21. 375 1.4.2. „Poetische Orte“ mit der modernen Holzarchitektur aus regionalem Holz im Bregenzerwald Zuerst wird untersucht, ob die Orte so beschaffen sind, um als „Poetische Orte“ zu wirken, mit der Umgebung in einer harmonischen Beziehung stehen und eine unnachahmliche Attraktivität haben. Es werden folgende Punkte betrachtet: 1.Man legt Wert auf das Detail. [++] Die moderne Architektur aus heimischem Holz wird, wie schon bei den traditionellen Häusern nach pragmatischen Prinzipien geplant, die von der regionalen Landschaft und Kultur geprägt sind. Die geschindelten oder geschirmten Wände sind nicht lackiert. Sie haben bei Neubauten eine helle Holzfarbe und mit der Zeit ändert sie sich nach Silbergrau und danach in Dunkelbraun. Die Bauten sind deswegen schlicht und in die Landschaft integriert 22. 2. Der Ort hat eine persönliche Verbindung zu Köper und Geist. [+] Architekten oder Handwerker vermissen die Landschaft mit der silbergrauen Holzarchitektur. Sie denken, durch das Holz kann man schöne Räume und Atmosphären herausbilden und, wenn man mit Sorgfalt produziert oder baut, hat man damit ein warmes Gefühl 23 . Werkstätten von Sägewerken, Zimmereien und Schreinern sind minimal mechanisiert. Bei der Produktion haben die Handwerker Spielraum zum Denken und im Geiste des Handwerks zu arbeiten 24. Es ist selbstverständlich, dass man Holzbauten aus regionalem Holz baut. Wenige Menschen fühlen eine psychische Verbindung zum Wald, in dem das Holz produziert wird 25. 3. Der Ort hat Wurzeln in der Natur, Historie und Kultur der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. [++] Die Traditionelle Architektursprache ist z.B. durch ihre Materialien, die Technik und das Raumkonzept der Landschaft angepasst und es ist das Gefühl für den Alterungsprozess, das die Architektur mit der Zeit in die Landschaft integrieren lässt. Der Architekt plant gleichzeitig mit der Anforderung des modernen Lebens, z.B. neue Raumkonzepte, umweltgerechte Materialien, weniger Energieverbrauch. Die moderne Holzbauarchitektur prägt ein neues Landschaftsbild mit der Regionalität im Bregenzerwald 26. Schlichtheit ist dort ein kulturelles Merkmal. Viele denken, wenn man sich an die Schlichtheit hält, auch mit den modernen Formen, kann man den heimischen traditionellen Geist weitergeben. In der Region achten die Menschen die Gegenwart und die Zukunft. Es gibt ein experimentierendes unternehmendes Milieu in der Region 27. Im Bregenzerwald werden die traditionellen Häuser über Generationen genutzt. Manche Häuser sind geerbt und manche sind gekauft worden. Sie werden mit modernen Konzepten restauriert und über Generationen genutzt 28. 376 4. Man nimmt als Instrument Aktivitäten von Künstlern, schlicht und gut durchdacht in Planung und Design. [++] Architekten planen Architektur und Möbel unter traditionellen und modernen Gesichtspunkten. Zimmerleute und Schreiner führen ihre Pläne schlicht und mit hoher Qualität aus 29 . In Vorarlberg gibt es viele Designer, Architekten u.a.. Die Kreativwirtschaft ist ein Sektor, dem wegen seiner dynamischen Entwicklung in den letzten Jahren ein großes ökonomisches Potenzial beigemessen wird 30. 5. Es umgibt ihn eine zurückhaltende Atmosphäre. [++] Die modernen, meist schlichten Holzbauten im Bregenzerwald sind individuell und folgen einem modernen Raumkonzept. 31 Die Architekten arbeiten zum Nutzen der Gemeinschaft in der ersten Reihe. Sie sind nicht so eine Art Künstlerarchitekten oder Stararchitekten, die ungebunden und unabhängig sind, und unter deren gestalterischer Leitung ein Gebäude zu seiner Form findet 32. Als nächstes wird betrachtet, ob die Orte so beschaffen sind, dass dort Menschen gut kommunizieren können. Es werden folgende Punkte beachtet: 6. Die Ideen von Bürgern werden mit existierenden Netzwerken in Beziehung gesetzt. [++] Die Netzwerke von Waldbesitzer, Sägewerker, Zimmermann, Schreiner, Architekt bis zum Hausherrn lassen die Ressource, das Holz, vom Wald bis in die Architektur fließen. Die Netzwerke funktionieren ohne Institution. Das Vertrauen in die regionale Gemeinschaft ist die Basis dieser Netzwerke 33 . Mit der Initiative der Landwirtschaftskammer ist das regionale Tannenholz zu einer Marke aufgebaut worden34. Man richtet heute noch einen Raum in seinem Haus ein, in dem man mit der Nachbarschaft kommuniziert, oder die Menschen sind heute noch stolz auf die hohe handwerkliche Kultur ihrer Barockbaumeister. Man kann vermuten, dass man eine Spur davon heute in der endogenen Regionalentwicklung mit dem Handwerk aus regionalen Ressourcen sieht 35 . Architekten oder Handwerker beeinflussen sich gegenseitig und fördern ein kreatives Milieu durch Kommunikation mit Menschen in und außerhalb der Region 36. 7. Ein Planer oder eine Verwaltung (z.B. eine Gemeindeverwaltung) unterstützt die Idee. [++] Wenn man sich beim Hausbau für einen Holzbau entscheidet, gibt es dafür Subvention 37. Junge Zimmerleute oder Schreiner werden von der Meisterschule stetig ausgebildet 38. 8. Komplexe Kommunikation und Gestaltung des Ortes. [++] Die Architektur und Möbel sind nicht so perfekt wie im Kunsthandwerk gefertigt. Sie sind funktionell und rationell produziert. Die moderne Architektur hat eine gute Qualität. Sie hat ein Raumkonzept entwickelt, das dem Lebensstil der Bauherren angepasst ist und 377 geht auch bei der Gestaltung sensible auf die Eigenschaften der natürlichen Baustoffe ein. Handwerker bauen nach dem Plan der Architekten sorgfältig, aber durchaus mit dem Einsatz von Maschinen. Sie bieten die Häuser oder die Möbel preiswert an 39. 9. Der Ort ist angemessen gepflegt. [++] Für die Leute im Bregenzerwald spielt traditionell Ästhetik eine Rolle. Sie haben traditionell ihre Häuser schön eingerichtet und sie waren darauf stolz. Das war Teil ihrer Identität. Diese Mentalität leitet sie bis heute auch bei der modernen Architektur. Die Leute sind mit billigen Sachen unzufrieden. Sie sind bereit, für Design oder für Handwerk zu bezahlen und sie beziehen daraus ihre Identität 40. Viele Waldbesitzer pflegen ihre eigenen Wälder, in denen das Holz produziert wird. Förster entscheiden, welche Bäume herausgenommen werden sollen und sie beraten die Waldbesitzer über die Waldpflege. Viele Waldbesitzer sind Mitglied bei der Landwirtschaftskammer Vorarlberg. Die Pflege ihrer Wälder ist vertraglich geregelt, oder die Waldbesitzer verpachten ihre Wälder 41. Im Bregenzerwald treten häufig Lawinen und Hochwasser auf. Die Wälder schützen den Lebensraum der Menschen vor solchen Naturgefahren. Andererseits werden Schäden durch Lawinen oder Hochwasser nicht nur von der Forstwirtschaft verursacht. Die Ursachen sind komplex. Die Erschließung der Skigeländen für den Tourismus ist auch ein Grund dafür42. 10. Neue Teilnehmer werden gut aufgenommen. [+] Junge Zimmerleute oder Schreiner werden von der Meisterschule dauernd ausgebildet. Sie erben übrigens meist die Werkstatt vom Vater oder Verwandten. Wegen der hohen Investitionen für große Maschinen ist es für die jüngeren Handwerker schwierig, allein eine neue Werkstatt zu gründen 43. 11. Das Schaffen des Ortes ist immer im Prozess. [++] Vor 30 Jahren, als die moderne Architektur aufkam, haben viele Leute kritisiert, dass sie nicht in die Landschaft passe. Mit der Zeit aber ist die frische Holzfarbe gealtert und hat die Gebäude so in die Landschaft integriert. Immer mehr Leute haben die moderne Architektur akzeptiert 44. Die Welt ändert sich ständig. Viele denken, wenn man stehen bleibt, gerät man ins Stocken. Viele denken auch, dass die Vermehrung moderner Architektur die Folge der heutigen Zeit ist 45. Zum Schluss wird anhand folgender Punkte betrachtet, ob die Orte so beschafft sind, dass mit Menschen innerhalb oder außerhalb der Region ein gutes Verhältnis aufgebaut werden kann: 12. Es gibt einen Dialog zwischen der Identität in der Region und dem Profil nach außen. [++] Die Region Bregenzerwald war im 17. und 18. Jahrhundert ein Zentrum barocker Wandermeister. Die Menschen sind heute noch stolz auf die hohe handwerkliche Kultur 378 ihrer Barockbaumeister 46 . Für die Förderung des Verbrauchs von heimischem Tannenholz ist eine Marke aufgebaut worden. Beim Aufbau der Marke ist zum Ausdruck gebracht worden, dass Tannenholz edel, modern und ökologisch sind 47. Nach außen versucht der Verein “werkraum bregenzerwald“ mit regionalen Ressourcen moderne und schlichte Produkte zu entwickeln. Der Verein veranstaltet alle drei Jahre eine große Ausstellung und informiert über seinen Arbeiten mit seiner Galerie, Publikationen und einer eigenen Homepage das In- und Ausland 48. Vorarlberg grenzt an Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein. Die Leute kennen die Welt außerhalb ihrer Region gut. Historisch belegt sind seit dem 17. Jahrhundert Wanderhandwerker und bis zu Beginn des 20. Jahrhundert waren die Leute aus Vorarlberg als Hütterbuben oder Hausmägde in Oberschwaben tätig 49. Man kann vermuten, dass die Menschen im Bregenzerwald den Dialog zwischen der Identität in der Region und dem Profil nach außen entwickelt haben. 13. Es gibt einen Erzähler. [++] Architekten haben durch alltägliche Gespräche und Medien theoretisch über die Vorteile des modernen Holzbaus aufgeklärt und immer wieder mit den Menschen in der Region darüber diskutiert 50. 14. Entwicklung mit Ideen von außerhalb der Region. [++] Der Verein “werkraum bregenzerwald“ veranstaltet alle drei Jahre eine große Ausstellung. Dabei verleiht der Verein einen Preis für neue Produkte, die in Kooperation von Designern aus dem In- oder Ausland und heimischen Handwerkern entwickelt wurden. Dadurch wird Design und Technik entwickelt 51. 15. Besucher werden gut aufgenommen. [+] Die Touristen wandern im Sommer und fahren im Winter Ski in der Region. In der Mitte der Ortschaften stehen Gasthöfe, Gaststätten, oder der regionale Käseladen für die Touristen. Der öffentliche Verkehr ist gut organisiert und die übernachtenden Touristen können ihn kostenlos benutzen 52 . Der Tourismus bringt den Bauunternehmern und Schreinern neue Aufträge. So gibt es häufig Aufträge aus Gasthöfen und Hotels für Neubau und Renovierung. Die Arbeiten für die Gastwirtschaften werden auch von vielen Einheimischen gesehen, deshalb ist sie eine gute Werbung für Bauunternehmer und Schreiner. Wenn man für die Gastwirtschaft arbeitet, bekommt man danach immer weitere Aufträge. Touristen schauen auch die Architektur und Einrichtung der Gastwirtschaften an und berichten darüber in ihrer Heimat 53 . Auf der anderen Seite haben die Handwerker wenig Interesse an einer weiteren Entwicklung des Tourismus in ihrer Region 54. 16. Besucher verhalten sich angemessen. [++] Die meisten Touristen sind Familien oder Gruppen von Freunden. Sie verbringen meist eine Woche in Gemütlichkeit 55. 379 17. Der Ort wird nicht zu stark kommerzialisiert. [++] Die Architektur und Möbel sind funktionell und rationell produziert. Die Architekten haben ein Raumkonzept entwickelt, das an den Lebensstil der Bauherren angepasst ist. Handwerker bauen nach dem Plan von Architekten sorgfällig aber durchaus mit dem Einsatz von Maschinen. Sie bieten die Häuser oder die Möbel preiswert an 56. Anmerkungen Die Fußnoten verweisen auf Absätze in Teil IV Kapitel 3. Moderne Architektur und Möbelbau aus regionalem Holz -Ein Beispiel aus der Regin Bregenzerwald in Österreich-, in denen die oben getroffenen Aussagen näher beschrieben werden. 1)3.6.2., 2)3.7.2., 3)3.4., 4)3.3.2., 5)3.6.2., 6)3.8.2., 7)3.7.1., 8)3.4., 9)3.7.1., 10)3.7.3., 11)3.3.2., 12)3.4., 13)3.4., 14)3.3.1., 15)3.11., 16)3.2.3., 17)3.8.2., 18)3.4., 19) 3.7.3., 20)3.11., 21)3.4., 22)3.3.1., 23)3.1.1., 3.11., 24)3.4., 3.7.3., 25)3.10., 26)3.3.1., 27)3.11., 28)3.2.3., 29)3.3.1., 30)3.3.3., 31)I.-1.5.3., 32)3.3.3., 33)3.8.1., 34)3.8.2., 35)3.2.2., 3.5.1., 36)3.8.1., 37)3.9., 38)3.4., 39)3.4., 40)3.2.2., 41)3.6.1., 3.6.2., 43)3.4., 44)3.11., 45)3.5.2., 46)3.5.1., 47)3.8.2., 48)3.8.1., 49)3.1.2., 50)3.3.2., 51)3.8.1., 52)3.1.2., 53)3.4., 54)3.10, 55)3.1.2., 56)3.4. 380 Tab. 16. Betrachtung des Fallbeispiels aus dem Bregenzerwald mit den Begriffen „Schutz durch Nutzung” und „Poetische Orte” 381 382 2. Zusammenfassung der Merkmale regionaler Ressourcennutzung bei den Fallbeispielen In dieser Forschungsarbeit wird angenommen, dass auf die Produzenten und die Verbraucher bei der regionalen Ressourcennutzung die beiden ästhetischen Bedeutungsebenen, „Kohärenz“ und „Sympathie“, wirken. „Kohärenz“ wird mit dem Begriff „Schutz durch Nutzung“ und „Sympathie“ mit dem Begriff „Poetische Orte“ erklärt. Für die Überprüfung der Wirkung der ästhetischen Bedeutungsebene „Kohärenz“ werden die Merkmale regionaler Ressourcennutzung von jedem Fallbeispiel und die Aspekte und die Gedanken von Beteiligten dazu mit den Punkten von Kapitel „II. - 1.4. Punkte bei „Schutz durch Nutzung” in Bergregionen, auf die in der Praxis zu achten ist“ verglichen. Für die Überprüfung der Wirkung der ästhetischen Bedeutungsebene „Sympathie“ werden die Merkmale regionaler Ressourcennutzung von jedem Fallbeispiel und die Aspekte und die Gedanken von Beteiligten dazu mit den Punkten von Kapitel „II. - 2.8. Die Tendenzen und Gefahren beim Aufbau „Poetischer Orte“ in der Praxis“ verglichen. Hier werden die Merkmale regionaler Ressourcennutzung der vier Fallbeispiele beschrieben, die durch den Vergleich mit den Punkten ersichtlich geworden sind. 2.1. Merkmale regionaler Ressourcennutzung in der Rhön Eine Naturschutzorganisation, Schäfer und Gastwirte in der Rhön haben mit der Schutzbewegung für eine heimische Tierrasse, dem Rhönschaf, mit der Strategie „Schutz durch Verzehr“ begonnen. Unter dem Einfluss der Bewegung verwenden die Gastwirtschaften heute vielfältige Regionalprodukte, wie z.B. heimische Tierrassen von Weiden, heimische Obstsorten von Streuobstswiesen und heimische Fischarten, die in Form einer extensiven Bewirtschaftung produziert werden. Produktion und Verbrauch all dieser Produkte sichern durch die Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Gastwirten die Gesundheit der Menschen und die Vielfalt an Ökosystemen der Kulturlandschaft. Bei einer Anzahl junger Menschen in der Rhön, die über traditionelle Landwirtschaft und Küche in der Region gut Bescheid wissen, entstanden Ideen für intraregionale Produktion und Verbrauch mit umweltgerechter Produktion. Ihre Ideen entstanden durch den Kontakt mit Menschen und dem Erleben von Ereignissen außerhalb der Region. Auf der anderen Seite werden große Teile der Regionalprodukte in den Gastwirtschaften nicht von Einheimischen, sondern von Touristen, oder bei der Direktvermarktung von den Menschen in den Städten verbraucht. Produzenten und die Gastwirte empfinden wegen der Begrenzung der Gästezahl Schwierigkeiten bei der konsequenten Umsetzung und Fortführung von Aktionen für die Strategie „Schutz durch Nutzungr”. 383 Wenn man, wie oben erwähnt, mit dem Begriff „Schutz durch Nutzung“ die Nutzung von regionalen Lebensmitteln in der Rhön betrachtet, ist in der Rhön ein System für nachhaltige Nutzung von regionalen Lebensmitteln durch regionale Küche aufgebaut worden. Dennoch wird ein Großteil der Produkte nicht intraregional von Einheimischen, sondern von Touristen und Menschen in den Städten verbraucht. In der Rhön arbeiten Produzenten wie Schäfer, Land- und Teichwirte etc., Verarbeiter wie Metzger, Kelterer etc., Gastwirte und Läden bei dem Konzept „Schutz durch Nutzung” aus eigener Initiativ zusammen. Die Produzenten und die Gastwirte etc. vermarkten die Produkte direkt. Sie folgen dabei nicht nur dem eigenen Profit, sondern sie bringen auch der Arbeitsweise und der Bewirtschaftungsform der anderen Achtung entgegen. Die Betriebe haben eine horizontale Beziehungsstruktur und entwickeln sich nicht einzeln, sondern als Komplex in der Region. Die Zusammenarbeit zwischen den Produzenten und den Gastwirten ist weiterentwickelt worden und es sind daraus drei Gruppen für Produktion und Verbrauch regionaler Produkte hervorgegangen. Die Region ist von der UNESCO als Biosphärenreservat anerkannt. Damit hat die Region einen größeren überregionalen Bekanntheitsgrad erlangt und die Projekte können auch vergleichsweise leichter mit Fördermitteln unterstützt werden. Die Verwaltung des Biosphärenreservats Rhön fördert unter dem Motto „Schutz durch Nutzung” die intraregionale Produktion der lokalen Landwirtschaft, Forstwirtschaft usw. und die Vermarktung der Produkte innerhalb der Region. Damit verfolgt sie Ziele der Regionalentwicklung, des Naturschutzes und der Landschaftspflege gleichermaßen. Die Menschen in der Rhön identifizieren sich mit ihrem „Land der offenen Fernen”, mit seiner vielfältigen Kulturlandschaft, die im hessischen und bayerischen Teil, von verhältnismäßig kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, und auch im thüringischen Teil, der aus historischen Gründen im stärkeren Maße von großmaßstäblicher intensiver Landwirtschaft geprägt ist, heute öfter in extensiver, aber großmaßstäblicher Landwirtschaft bewirtschaftet werden. An der Wand mancher Gaststätten sind Plakate mit der Agrarlandschaft der Rhön aufgehängt. Auf der anderen Seite gibt es ein Gefälle zwischen der Rationalisierung von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben im globalen Wettbewerb und dem Image der Region, wie es die Verbraucher haben: „Die Rhön ist eine Region mit kleinmaßstäblicher bäuerlicher Landwirtschaft, die reine und sichere Lebensmittel erzeugt”. Auf den Speisekarten in den Gaststätten findet der Gast nicht nur Fotos oder Zeichnungen von den Zutaten, sondern auch die Gründe für die Verwendung regionaler Produkte aufgezeigt und zudem auch die Namen und die Adressen der Produzenten. Einige Gastwirtschaften und Lebensmittelverarbeiter benutzen für die Etikette ihrer Produkte oder die Speisekarte Kunstwerk von heimischen Künstlern. Dennoch achtet man in der 384 Rhön bei der Vermarktung regionaler Produkte eher wenig auf Kunst oder Design. Es wird von Produzenten und Gastwirten versucht, den Gäste die Erde oder das Leben in einer angenehmen Landschaft zum körperlich sinnlichen Erlebnis werden zu lassen, ihnen den Genuss der regionalen Kultur zu vermitteln, oder ihnen mit Lebensmitteln aus „ökologischem Anbau“ ein Sicherheitsgefühl für ihre körperliche Gesundheit zu geben. Sie versuchen, den Gästen die Beziehungen zwischen Essen, regionaler Landschaft, Gemeinschaft und Kultur aufzuzeigen und die bereits abgeschnittenen Beziehungen in der Gegenwart wieder zu verbinden. Wenn man, wie oben erwähnt, mit dem Begriff „Poetische Orte“ die Nutzung von regionalen Lebensmitteln in der Rhön betrachtet, versuchen die Produzenten und die Gastwirte durch die Regionalküche aus heimischen Lebensmitteln „Poetische Orte“ aufzubauen. Verbraucher genießen diese „Poetischen Orte“, sind sich aber im Allgemeinen wenig bewusst, wie diese Orte erhalten werden. 2.2. Merkmale regionaler Ressourcennutzung in Mishima In der Gemeinde Mishima produziert man traditionell Handwerkswaren mit pflanzlichen Materialien, wie Kletterpflanzen, Gräser, Kräuter und Bast vom Baum, die man in den Bergwäldern und um sie herum sammelt. Die Waren sind bis in die jüngste Vergangenheit im Alltag genutzt worden und jene, die für die Arbeit im Bergwald bestimmt waren, sind stabil und haltbar gebaut worden. Die Waren wurden nach dem Gebrauch kompostiert und man hat damit die Äcker gedüngt. So haben bis zum Zeitalter des Massenkonsums die Stoffströme mit dem Handwerk weitgehend in den Bergregionen funktioniert. Das Flechten ist reine Handarbeit. Man braucht wenig Energie für die Produktion. Es ist zwischen den Handwerkern unterschiedlich, wie lange die Handwerkswaren halten. Mit der Vermehrung der Zahl der Handwerker werden in den letzten Jahren viele Produkte mit schlechter Qualität verkauft, aber die Kunden finden sie schön rustikal und billig und kaufen sie gerne. Die Handwerkswaren werden bei einem Fest verkauft. Mit alltäglicher Vermarktung ist bisher kein Erfolg erzielt worden. Der Preis von Handwerkswaren ohne Qualitätsbestimmung und professionellem Vermarktungsverstand wird gemeinhin kaum akzeptiert. In Mishima sind die Nutzwälder, in den man die Pflanzen für das Handwerk gesammelt hat, verlassen worden. Die verlassenen Zedernforste und Mischwälder für die Holzkohleproduktion sind verwildert. Bei Sturm fallen die Bäume mitsamt der Wurzel um. Sie reißen so die Oberfläche des Bodens des Hanges weg, was zu Erosion führt. Außerdem sind wegen des Anstiegs der Zahl von Bürgern, die Handwerkswaren zum Verkaufen produzieren, die pflanzlichen Ressourcen, die Materialien für das Handwerk, immer weniger vorhanden oder ausgeschöpft worden. Den Handwerkern mit hoher 385 Fertigkeit und den Anfängern ist bewusst, dass sich wegen des Anstiegs der Zahl der Handwerker und dem Verwildern der Wäldern, die Zahl der Pflanzen für die Materialien des Handwerks verringert, aber sie äußern ihre Meinungen darüber nicht öffentlich. Es gibt nicht genügend Maßnahme dafür. Auch wenn es hier Unterschiede zwischen den Handwerkern und den Pflanzen gibt, werden aber in den letzten Jahren viele Materialien aus Wäldern von außerhalb der Gemeinde für das Handwerk verwendet. Die Handwerkswaren werden auch von den Handwerkern selbst gebraucht, aber meist werden sie an Menschen aus der Stadt verkauft. Verbraucher betrachten die Handwerkswaren gemeinhin nur als Produkte. Sie erkennen keine Beziehung zwischen der Handwerksware, die sie kaufen, und den Bergwäldern, in denen die pflanzlichen Materialien für das Handwerk wachsen und gesammelt werden. Sie sehen auch nicht die Zusammenhänge des Produkts mit dem Leben des Handwerkers, das eng mit dem Handwerk und dem Sammeln der Materialien im Bergwald verbunden ist. Wenn man, wie oben erwähnt, mit dem Begriff „Schutz durch Nutzung“ die Nachhaltigkeit mit der Ressourcennutzung durch Handwerk in Mishima betrachtet, gab es in Mishima traditionell ein System für nachhaltige Nutzung von pflanzlichen Ressourcen, aber es ist in den letzten Jahren immer mehr abgebaut worden. Die Gemeinde Mishima hat seit den 1970er Jahren das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ gefördert. Ein Ziel davon ist, mit der Produktion von hochwertigen Handwerkswaren traditionelle Technik zu erhalten. Ein anderes Ziel ist, bei der Produktion und der Nutzung von Handwerkswaren den Bürger durch die Kommunikation in der Familie und in der Ortschaft das reiche Leben auf den Bergdörfern als lebenswert bewusst zu machen. Der Idee ist durch die Kommunikation zwischen Bürgern der Gemeinde und Menschen aus den Städten entstanden. In der Anfangsphase des Projektes haben die Handwerker und angestellten Designer des Handwerksmuseums in Mishima moderne Entwürfe für handwerkliche Produkte aus traditioneller Technik entwickelt, besonders beim Flechten. Die Gemeinde bietet den Bürgern und Besuchern Kurse im Handwerk an und fördert Bürger, die mit einem Handwerk anfangen möchten. Beim Flechten lehren und beraten die Handwerker beim Sammeln der richtigen Pflanzen für die Materialien und beim Erlernen der Produktionstechniken. Regelmäßige Veranstaltungen, wie z.B. ein Handwerkerfest und die Zertifikation des traditionellen Flechthandwerks durch das Ministerium, haben Mishima japanweit bekannt gemacht. Die Bürger von Mishima haben durch das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch” wieder Wurzeln in ihrer regionalen Historie und Kultur gefunden und eine eigene Identität als „die Gemeinde mit dem Handwerk“ aufgebaut. Handwerker mit hoher Fertigkeit sammeln die Materialien in Bergwäldern und produzieren gemütlich mit eigenem Rhythmus. Sie sind glücklich beim Sammeln von 386 Materialien. Die Familie und Verwandtschaft helfen den Handwerkern bei der Materialsammlung. Sie sind auch glücklich bei der Produktion, wenn sie eine neue Gestaltung entwerfen, sich die fertigten Werke vorstellen oder bei dem Gedanken daran, wie sich die Kunden darüber freuen. Die Beziehung zwischen Handwerker und Verbraucher ist gut. Auf der anderen Seite verstehen die Anfänger des Flechthandwerks das Handwerk als „Einkommensmöglichkeit mit Freizeitnutzung“. In den letzten Jahren haben sich Handwerkswaren mit schlechter Qualität vermehrt, oder manche Leute stehlen die Materialien aus den Wäldern. Es gibt kaum Kommunikationen zwischen den Handwerkern über das Handwerk oder Bestrebungen zur Verbesserung der Produkte durch Kommunikation untereinander. Das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch“ in Mishima verfolgt heute sein eigentliches Ziel weniger, mit der Produktion von hochwertigen Handwerkswaren traditionelle Technik zu erhalten und einen kommunikativen Lebensstil zu fördern. Es ist aber auch kein gewerbliches Produktionssystem von hochwertigen Handwerkswaren aufgebaut worden. Die Gemeinde zielt nicht darauf ab, mit dem Handwerk das Gewerbe entwickeln zu lassen. In der Gemeinde sind die beiden Aspekte, die Ziele vom Projekt und wirtschaftliche Entwicklung mit dem Handwerk nicht differenziert oder integriert, sondern vermischt. Das Projekt „Handwerk für den Alltagsgebrauch” in Mishima wird von der Gemeindeverwaltung geleitet und man sieht die Grenze der Entwicklungskraft des Projekts vor Augen. Es liegt an der Begrenzung der Fähigkeiten des Personals. Es ist üblich bei öffentlichen Projekten in Japan unter der Leitung einer Gemeinde oder eines Dorfes, dass aus Mangel an Finanzen kein Experte angestellt wird. Das Handwerkermuseum hat keinen Designer mehr angestellt. Wegen des Kostenaufwands gibt es auch keinen Plan, dass die Gemeinde einem Designer den Auftrag für den Entwurf oder die Vermarktung von Produkten gibt. Das Handwerkerfest hat eine Atmosphäre wie ein Flohmarkt und im Museum und im Regionalladen in der Raststätte an der Autobahn werden die Waren unprofessionell präsentiert. Wenn man, wie oben erwähnt, mit dem Begriff „Poetische Orte“ die Nutzung von pflanzlichen Materialien durch das Handwerk in Mishima betrachtet, sind die „Poetischen Orte“, die früher mit der Ressourcennutzung durch das Handwerk entstanden sind, in den letzten Jahren immer mehr verschwunden. 2.3. Merkmale regionaler Ressourcennutzung in Kaneyama In der Gemeinde Kaneyama pflegen und bewirtschaften die Großwaldbesitzer mit einer, in 250 Jahren gesammelte Erfahrung und entwickelten Technik, ihre Zedernwälder. Die handwerklich arbeitenden Sägewerker verarbeiten die Kaneyamazeder zu Bauholz mit guter Qualität. Die Zimmerleute und Zimmereien bauen mit diesem Bauholz das 387 Kaneyamahaus in traditioneller Holzbautechnik fein und von hohem ästhetischem Wert. Beim Bau ist die meiste Arbeit Handarbeit und es werden wenige Maschinen eingesetzt. Das Kaneyamahaus hat eine moderne Raumorganisation. Es gilt als sicher für den menschlichen Organismus, hält lange und belastet sowohl bei der Produktion als auch beim Abriss die Umwelt wenig. Die Netzwerke mit dem Vertrauen in die Gesellschaft in der Gemeinde lassen die Ressource, das Holz, vom Wald bis in die Häuser fließen. Aber in den letzten Jahren sind die Zimmerleute und die Zimmereien mit der Verbreitung von Fertighäusern wirtschaftlich geschwächt. Dadurch gehen die Netzwerke in der Gemeinde zurück. Wenn man, wie oben erwähnt, mit dem Begriff „Schutz durch Nutzung“ die Nutzung von heimischem Zedernholz in Kaneyama betrachtet, ist in Kaneyama zwar ein System für nachhaltige Nutzung von heimischem Holz durch den Bau von traditionellen Holzbauten aufgebaut, allerdings in den letzten Jahren aber auch wieder immer mehr abgebaut worden. Die Kaneyamahäuser verleihen den Ortschaften einen historischen und harmonischen Eindruck. In Kaneyama sind auch Gebäude mit moderner Architektur aus Kaneyamazeder so gebaut worden, dass sie sich harmonisch in das Ortsbild mit seinen Kaneyamahäusern fügen. Die Bürger sind stolz darauf, dass ihre Gemeinde „die Gemeinde mit den Zedern“ ist. Sie identifizieren sich mit dem Ortsbild. Manche fühlen mentale Verbindung mit den Zedern oder den Wäldern. Das Kaneyamahaus hat auch Innenräume aus Holz mit hoher Qualität. Mit dem Holz ist das Haus warm und hat eine ruhige und gemütliche Atmosphäre. Man kann mit den Händen oder Füßen das Holz fühlen, was als angenehm empfunden wird. Das Haus duftet nach Zeder. Viele Menschen wohnen mit Genuss in einem Kaneyamahaus. Die heimische Ressource Holz bildet vom Wald bis zum Hausbau das Bindeglied für die Zusammenarbeit von Handwerkern und Firmen. Die Zimmerleute und Zimmereien bauen die Häuser vergleichsweise zeitaufwändig und trotzdem sind ihre Häuser häufig billiger als Fertighäuser. Sie bekommnen die Aufträge durch Mundpropaganda und machen keine Werbung. Die Gemeindeverwaltung hat die Zusammenarbeit durch eine Gemeindepolitik mit Integration von Forstwirtschaft und dem Aufbau der Ortsbilder durch den Bau von Kaneyamahäusern aus Kaneyamazeder gefördert. Die Architekten und die Planer aus Tokio unterstützen seit den 1980er Jahren kontinuierlich die Entwicklung des Kaneyamahauses durch die Entwicklung von Kriterien und die Planung für den Aufbau des Ortsbildes. Durch die Verbreitung des Kaneyamahauses kommen immer mehr Besucher nach Kaneyama. Die Bürger laden die Besucher als Gäste ein. Sie machen aber kein Geschäft aus dem Tourismus. Die Kaneyamazeder ist ein Markenprodukt geworden, aber dennoch ist der Preis nicht 388 gestiegen. Aus solchen Punkten kann man folgern, dass die Menschen in Kaneyama kaum kommerzialisiert sind und wenig dem Profitdenken folgen. In Kaneyama haben hauptsächlich alte Leute, die in traditionellen Holzhäusern gewohnt haben, Kaneyamahäuser gebaut. Die jüngeren Generationen hingegen kennen die guten Seiten des Kaneyamahauses weniger. In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach Fertighäusern gestiegen und die Nachfrage nach dem Kaneyamahaus ist gesunken. Die jungen Zimmerleute haben keine Zukunft, obwohl sie lange und gut ausgebildet sind. In dieser Situation zögern die alten Zimmermeister, neue Lehrlinge anzunehmen. Dadurch hat sich die Zahl der Zimmerleute in Kaneyama verringert. Mit der wirtschaftlichen Schwächung der Zimmerleute und der Zimmereien versucht die Firma für Waldpflege und Waldbewirtschaftung vom Großwaldbesitzer ihr Holz außerhalb der Gemeinde zu vermarkten. Die Forstgenossenschaft und die Sägewerke versuchen auch, außerhalb der Gemeinde die Holzprodukte und das Holzhaus zu vermarkten. Durch die Versuche wird die Forstwirtschaft in Kaneyama gesichert und die Wälder weiter gepflegt. Diese Richtung der Entwicklung hat zur Folge, dass traditionelle handwerkliche Techniken der Waldpflege, Sägewerke und des Holzbaus, die heute gemeinhin schon selten geworden sind, aber in Kaneyama durch die Nutzung von heimischem Holz noch erhalten wurden, verloren gehen werden. Außerdem droht das unternehmerische Milieu innerhalb der Netzwerke aus Handwerkern und Firmen in der Gemeinde, die durch den Hausbau mit der Kaneyamazeder entstanden sind und die Basis der endogenen Entwicklung der Gemeinde darstellte, verloren zu gehen. Wenn man, wie oben erwähnt, mit dem Begriff „Poetische Orte“ den Bau des Kaneyamahauses mit Kaneyamazedern betrachtet, legt die Vermutung nahe, dass die „Poetischen Orte“, die durch den Bau des Kaneyamahauses aus Kaneyamazedern entstanden sind, in den nächsten Jahren verschwinden könnten. 2.4. Merkmale regionaler Ressourcennutzung im Bregenzerwald Im Bregenzerwald pflegen viele Waldbesitzer ihre eigenen Wälder, in denen das Holz produziert wird. Förster entscheiden, welche Bäume herausgenommen werden sollen und sie beraten die Waldbesitzer über die Waldpflege. Viele Waldbesitzer sind Mitglied bei der Landwirtschaftskammer Vorarlberg. Die Pflege ihrer Wälder ist vertraglich geregelt, oder die Waldbesitzer verpachten ihre Wälder. Im Bregenzerwald treten häufig Lawinen und Hochwasser auf. Die Wälder schützen den Lebensraum der Menschen vor solchen Naturgewalten. Andererseits werden Schäden durch Lawinen oder Hochwasser nicht nur von der Forstwirtschaft verursacht. Die Ursachen sind komplex. Im Bregenzerwald wird moderne Architektur aus heimischem Holz gebaut. Bei der Planung von modernen Holzbauten ist die traditionelle Architektursprache erhalten worden. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass z.B. Materialien, Technik und 389 Raumkonzept der Landschaft angepasst sind und das Gefühl für die Geschwindigkeit der Zeit, welche die Architektur mit der Zeit nach und nach in die Landschaft integrieren lässt. So lebt im Bregenzerwald die Tradition in der modernen Architektur nicht als Form, sondern als Prinzip des Denkens bei der Planung fort. Der Architekt plant mit der Anforderung des modernen Lebens, wie z.B. neue Raumkonzepte, umweltgerechte Materialien, weniger Energieverbrauch. Die Werkstätten der Sägewerke, Zimmereien und Schreiner sind mechanisiert. Die Hölzer werden auf diese Weise schnell und in großer Stückzahl verarbeitet. Sie arbeiten aber nicht industriell, sondern handwerklich und fertigen ihre Produkte mit hoher Qualität. Den Abfall der Verarbeitung des Holzes benutzen die Sägewerke als Energiequelle für ihre Holztrockenkammern 9. Die Zimmereien und die Werkstätten der Schreiner benutzen ihre Holzreste aus der Produktion als Brennholz. Sie betreiben mit dem Brennholz Holztrockner, Heizung, Boiler und erzeugen Strom. So wird bei der Produktion wenig Fossilenergie verbraucht. Holzbau und Möbel mit hoher Qualität werden von heimischen Verbrauchern hoch geschätzt. Die handwerklichen Betriebe haben eine stabile Auftragslage vom In- und Ausland. Das Holz wird weder exportiert noch importiert, aber moderne Holzbauten und Möbel werden exportiert. Sie werden aber in EU-Länder exportiert, die nur ca. 50 km weit entfernt liegen. Deswegen kommt es trotz Import und Export zu keinen langen Transporten. Wenn man, wie oben erwähnt, mit dem Begriff „Schutz durch Nutzung“ die Nutzung von heimischem Holz im Bregenzerwald betrachtet, ist dort ein System für nachhaltige Nutzung von heimischem Holz durch den Bau von modernen Holzhäusern aufgebaut worden. Die Architektur und Möbel im Bregenzerwald haben ein Raumkonzept ermöglicht, das dem Lebensstil der Bauherren angepasst ist und auch bei der Gestaltung sensible auf die Eigenschaften der natürlichen Baustoffe eingeht. Handwerker bauen nach dem Plan von Architekten handwerklich sorgfällig, aber schnell mit dem Einsatz von Maschinen. Ihre Arbeit ist nicht so perfekt wie im Kunsthandwerk. Sie bieten die Häuser oder die Möbel preiswert an. Der moderne Holzbau im Bregenzerwald ist meist schlicht. Die Architekten denken, durch das Holz kann man schöne Räume und Atmosphären herausbilden. Sie arbeiten zum Nutzen der Gemeinschaft in der ersten Reihe. Sie sind nicht so eine Art Künstlerarchitekten oder Stararchitekten, die ungebundenen und unabhängigen sind und unter deren gestalterischer Leitung ein Gebäude zu seiner Form findet. Architekten haben durch alltägliche Gespräche und die Medien theoretisch die Vorteile von modernem Holzbau erläutert und immer wieder mit den Menschen in der Region darüber diskutiert. Die Menschen im Bregenzerwald sind bereit, für Design oder für Handwerk zu bezahlen und sie beziehen daraus ihre Identität. In Vorarlberg gibt es viele Designer, Architekten 390 usw. und die Kreativwirtschaft ist ein Sektor, dem in den letzten Jahren ein großes ökonomisches Potenzial beigemessen wird. Die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Zimmermann oder Schreiner, zwischen Zimmermann oder Schreiner und Sägewerk, oder zwischen Sägewerk und Waldbesitzer sind üblich im Bregenzerwald. Die Netzwerke lassen die Ressource, das Holz, vom Wald bis in die Architektur fließen. Sie funktionieren ohne Institution. Das Vertrauen in die regionale Gesellschaft über Generationen ist die Basis der Netzwerke. In der Region achten die Menschen die Gegenwart und die Zukunft. Es gibt ein experimentierendes unternehmendes Milieu in der Region. Wie der Zimmermann vertraut auch der Schreiner auf den Architekten und gibt sich viel Mühe, die Idee des neuen Raumkonzepts der Architekten zu verwirklichen. Architekten oder Handwerker beeinflussen sich gegenseitig und arbeiten in einem kreativen Milieu, das durch die Kommunikation inund außerhalb der Region belebt wird. Die jungen Zimmerleute oder Schreiner werden von der Meisterschule dauernd ausgebildet. Wie oben erwähnt, basiert der moderne Holzbau auf einer traditionellen Architektursprache, wie z.B. Materialien, Technik, Raumkonzept. Die geschindelten oder geschirmten Wände des Holzbaus sind nicht lackiert. Sie haben bei Neubauten eine helle Holzfarbe, die sich mit der Zeit ändert und sich erst Silbergrau und danach Dunkelbraun färbt. Die Bauten erscheinen schlicht und sind durch ihr Material in die Landschaft integriert. Sie prägen ein neues regionales Landschaftsbild in den. Viele Menschen schätzen das Nebeneinander von traditioneller und moderner Architektur im Landschaftsbild. Sie denken, es ist ein Zeichen dafür, dass die Region aktiv ist. Es ist im Bregenzerwald selbstverständlich, dass man im Holzbau mit regionalem Holz baut. Es ist auch selbstverständlich, dass man für den Bau und für die Schutzwaldfunktion die Wälder pflegt. Wenige Menschen fühlen aber eine psychische Verbindung zum Wald, in dem das Holz produziert wird. Man kann interpretieren, dass die Entwicklung des Baus von modernen Holzhäusern und Möbeln aus heimischem Holz von der Wertschätzung der Menschen in der Region unterstützt wird, die „Produktion und Verbrauch“ oder „Wohnen und Landschaft“ einheitlich in ihren Lebensstil integrieren. Wenn man, wie oben erwähnt, mit dem Begriff „Poetische Orte“ die Nutzung von heimischem Holz im Bregenzerwald betrachtet, haben die Menschen durch den Bau von modernen Holzhäusern aus heimischem Holz „Poetische Orte“ aufgebaut. Das Beispiel des Bregenzerwaldes zeigt, dass man auch mit sehr innovativen Versuchen von regionaler Ressourcennutzung „Poetische Orte“ aufbauen kann, die ihre Wurzeln in der Natur, Historie und Kultur der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft haben. 391 3. Ästhetik und nachhaltige Entwicklung in Bergregionen (Resümee) Mit den, durch die Globalisierung der Produktion und des Verbrauchs verbundenen Problemen, ist seit langem die Erkenntnis gewachsen, eine nachhaltige Entwicklung von Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft zu benötigen. Gleichzeitig vermehren sich „Nicht-Orte“ im Lebensraum. Solche Orte haben ihre kulturelle Kontinuität verloren und sind für gemeinschaftliche Beziehungen entkräftet. Die Bergregionen Japans leiden am Niedergang von regionaler Wirtschaft, Sozialsystem und Kultur durch die Schwächung von regionaler Produktion. Durch die Aufgabe der menschlichen Nutzung von Materialien aus der Natur erobert sich die Wildnis den Lebensraum der Menschen in den Bergdörfern zurück. Trotz dieses Zustands beobachtet man auch in den Bergregionen Beispiele für Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung. In deren Praxis sind häufige räumliche Ausprägungen, die wie „Poetische Orte“ wirken im Lebensraum integriert. Zentraler Inhalt ist der Neuaufbau bzw. die Stärkung der Beziehungen von Produzent und Verbraucher, die bei der Globalisierung von Produktion und Verbrauch voneinander getrennt werden. Diese Bewegung steht gleichzeitig für die Konstruktion von „Poetischen Orten“, die durch die Trennung der Orte der Produktion von denen des Verbrauchs zu „Nicht- Orten“ werden können. Die konstruierten Orte sind durch regionale Ressourcennutzung in moderner Form gekennzeichnet und prägen die regionalen Besonderheiten aus. In dieser Forschungsarbeitsarbeit wurde festgestellt, dass die regionale Ressourcennutzung und die Rekonstruktion von Orten im Lebensraum in Bergregionen eine integrierte Aufgabe für die Regionalentwicklung ist. Die beiden Begriffe „Schutz durch Nutzung“ und „Poetische Orte“ sind die zentralen Konzepte, um die sich diese Forschungsarbeit dreht. Damit ist eine Form nachhaltiger Regionalentwicklung durch die Integration von intraregionaler Ressourcennutzung und der Konstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum betrachtet worden. Dabei richtet die Forschungsarbeitsarbeit ihr Augenmerk auf die Praxis der Bürger. Der erste Begriff, der in der Forschungsarbeit beschrieben wurde, ist „Schutz durch Nutzung“. Darunter wird in dieser Arbeit eine Bewegung der regionalen Ressourcennutzung für die nachhaltige regionale Entwicklung von Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft verstanden. In der Forschungsarbeit ist angenommen worden, dass die Menschen bei „Schutz durch Nutzung“ „Kohärenz“ wirksam wird, um eine Beziehung von regionaler Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft zu erreichen. Der zweite Begriff ist „Poetische Orte“. Der Begriff beschreibt in dieser 392 Forschungsarbeitsarbeit Orte, die von einer regionaltypischen Natur, Historie, und dem lokalen Lebensstil geprägt sind und die auf die Sinne wirken. Es finden sich in „Poetischen Orten“ Menschen, die ein gewisser Stolz auf ihre Heimat und die durch ihre Tätigkeit gestaltete Kulturlandschaft verbindet. Solche Orte werden als Schätze betrachtet und auch so behandelt. Sie sind die symbolischen Räume der regionalen Identität. „Poetische Orte“ wirken auf die Sinne und den Geist des Menschen ein und berühren sein Herz. Häufig werden „Poetische Orte“ zu Orten, wo Menschen in der Region durch Sympathie zu anderen miteinander verbunden sind. Die Menschen bauen mit eigenen Initiativen durch Kommunikationen diese „Poetischen Orten“ auf. In dieser Forschungsarbeitsarbeit ist angenommen worden, dass dabei „Sympathie“ als ästhetische Bedeutungsebene wirksam ist. Bei der Integration von regionaler Ressourcennutzung und der Rekonstruktion von „Nicht-Orten“ im Lebensraum werden die Beziehungen zwischen Produzent, Verbraucher und Ort der Produktion von den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen „Kohärenz“ und „Sympathie“ verbunden. Das Wort „Sympathie“ beschreibt im Altgriechischen die Fähigkeit, mit jemandem die gleichen Gefühle zu teilen, d.h. auf emotionaler Ebene miteinander verbunden zu sein. „Kohärenz“ aus lat. cohaerentia bedeutet „das Zusammenhängen“. Beide Worte beschreiben also Verbundenheit. Es stellt sich die Frage, warum in dieser Forschungsarbeit „Kohärenz“ und „Sympathie“ getrennt betrachtet werden. Zunächst wurde davon ausgegangen, dass „Kohärenz“ auf der materiellen Ebene und „Sympathie“ auf der mentalen Ebene der Ressourcennutzung wirksam sind. Ästhetik ermöglicht nach Baumgarten über den Weg der Sinne Erkenntnissgewinn über die materielle Welt. Die materielle und mentale Welt sind also durch die Ästhetik miteinander verbunden. Da sowohl „Sympathie“ als auch „Kohärenz“ als Bedeutungsebenen der Ästhetik verstanden werden, stellen beide eine Verbindung zwischen der materiellen und mentalen Welt her. Dabei knüpft die „Kohärenz“ eher an der materiellen Seite und die „Sympathie“ an der mentalen an. Beide sind aber miteinander verwoben. So zeigt sich bei den Beispielen dass bei der „Kohärenz“ auch eine soziale Komponente auftritt, die in Bezug zur „Sympathie“ steht. „Kohärenz“ kann auch ohne Sympathie bestehen. So spielt bei ihr auch Notwendigkeit, Pflicht, Moral, Ordnung oder Angst eine Rolle (Anm.: Dikussion mit Taguchi 2005, Takano 2005, Ipsen 2008). In der vorliegenden Forschungsarbeit wurden die Merkmale regionaler Ressourcennutzungen und ihre Aufgabe in den Bergregionen anhand zweier Fallbeispiele aus Japan betrachtet. In Mitteleuropa gibt es zahlreiche Beispiele für moderne Nutzung regionaler Ressourcen. In dieser Forschungsarbeitsarbeit wurden auch zwei Fallbeispiele 393 davon untersucht und mit japanischen Fallbeispielen verglichen. Bei allen vier Fallbeispielen wurden die heutigen Nutzungssysteme von regionaler Ressourcennutzung zwischen den 1960er Jahren und Anfang der 1980er Jahre aufgebaut. Historie, Kultur, Landschaft und die Gedanken über die Pflege von Wäldern oder Äckern und die Situationen von Landflucht und Wirtschaft sind bei jedem Fallbeispiel unterschiedlich. Alle vier Fallbeispiele weisen aber eine eigene regionale Ressourcennutzung auf. 3.1. „Schutz durch Nutzung“ und Unternehmende Milieus in Bergregionen anhand von vier Fallbeispielen Wenn man mit dem Begriff „Schutz durch Nutzung“ die vier Fallbeispiele betrachtet, soll in der Rhön, in Kaneyama und im Bregenzerwald durch regionale Ressourcennutzung ihre regionale Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft zusammen entwickelt werden. In den Regionen und der Gemeinde werden die Grundstücke für die Produktion von Ressourcen (Anm.: bei den Ressourcen, die in dieser Forschungsarbeitsarbeit untersucht worden sind), z.B. Wälder oder Äcker, gepflegt. Der Zyklus der Reproduktion von Ressourcen ist unterschiedlich. Bei Gräsern und Kräutern dauert er ein Jahr, bei Tieren sind es ca. ein bis drei Jahre, bei Obstbäumen und Bäume sind es 30 bis 250 Jahre. Sie werden nachhaltig reproduziert. Die Techniken der Produktion und der Verarbeitung von Ressourcen wurden aus der Tradition entwickelt. Wegen der Weitergabe der Tradition haben die Regionen und die Gemeinde ihren eigenen Charakter beibehalten. Der eigene Charakter ist Basis für den Aufbau einer Marke für die Region oder Gemeinde. Bei den Fallbeispielen basiert die regionale Ressourcennutzung auf der Intraregionalität von Produktion und Verbrauch. Zusätzlich werden die Ressourcen auch außerhalb der Regionen oder der Gemeinde exportiert oder importiert. Die Marke der Region oder Gemeinde wirkt auf den Export. In Rhön, Kaneyama und im Bregenzerwald beschäftigen sich verschiedene Firmen und Handwerker mit regionaler Ressourcennutzung. Sie haben mit eigener Initiative eine horizontale Beziehungsstruktur in der Region oder in der Gemeinde aufgebaut. In der Rhön werden die Agrarprodukte von Produzenten wie Landwirten usw., Lebensmittelverarbeitern, Läden, Gaststätten bis zu den Verbrauchern weitergegeben. In Kaneyama und im Bregenzerwald wird das Holz von den Waldbesitzern, Waldpflegern, Sägewerkern, Architekten, Handwerkern wie Zimmerleute usw. bis zu den Bauherren weitergegeben. So werden die Materialien durch die Netzwerke in der Region oder in der Gemeinde als regionale Küche, Produkte, Architektur usw. an die Verbraucher weitergegeben. Die Ideen zur regionalen Ressourcennutzung entstanden bei einer Anzahl junger Menschen in der Region, die über traditionelle Technik und Kultur in der Region gut 394 Bescheid wissen. Ihre Ideen entstanden durch den Kontakt mit Menschen und das Erleben von Ereignissen außerhalb der Region. Vertrauen im Netzwerk ist die Vorraussetzung dafür, dass auch die Ideen von jungen Produzenten ernst genommen werden. Die Menschen probieren und diskutieren die Ideen in ihren Netzwerken und realisieren sie mit ihnen. Das ist die Triebkraft regionaler Ressourcennutzung. Den Firmen, Handwerkern usw., die mit dem Vertrauen untereinander verbunden sind, ist die eigene Rolle bewusst. Sie spielen sie und identifizieren sich damit. Dabei arbeiten sie sorgfältig. Sie folgen nicht nur dem eigenen Profit, sondern sie bringen auch der Arbeitsweise und der Bewirtschaftungsform der anderen Achtung entgegen. Die Betriebe entwickeln sich nicht einzeln, sondern als Komplex in der Region. Wie Porter schreibt (Porter 1999 (1998)): „gegenseitige Abhängigkeit und gemeinsame Verantwortung aller dieser Einheiten sind die Bedingungen, um produktiven Wettbewerb herzustellen“. Dieser Art von horizontalen Netzwerken ermöglicht, dass die traditionellen Ressourcen und Techniken dem modernen Kontext angepasst werden. In den oben erwähnten Regionen und Gemeinden betrachtet man das unternehmende Milieu und den Selbstregulierungseffekt von den betroffnen Menschen bei regionaler Ressourcennutzung. Dort spielt soziale „Kohärenz“ bei regionaler Ressourcennutzung eine wichtige Rolle, um Beziehungen zwischen Produzenten, Produkten und Produktionsorten zu knüpfen. Im Bregenzerwald ist diese Tendenz besonders deutlich beobachtet worden. Dort achten die Menschen die sozialen Beziehungen mit der Pflege von Vertrauen sehr hoch. Dort sind viele junge Menschen, die in einer Handwerkerfamilie oder in einer Handwerkergesellschaft aufgewachsen sind und in entfernten Städten moderne Architektur studiert haben, in ihre Region zurückgekehrt. Als junge Architekten in den 1960er Jahren moderne Architektur aus heimischem Holz vorgeschlagen haben, haben die Handwerkern und die Bauherren die innovativen Ideen akzeptiert, weil sie ihnen vertraut haben. Sie haben durch die Experimente und die Diskussionen die Ideen realisiert. Viele Menschen in der Region haben Respekt vor der traditionellen Technik der Handwerker und gewünscht, sie im modernen Kontext beizubehalten. Das hat die Bewegung auch unterstützt. Junge Menschen wünschen, in ihrer Region leben zu können. Dort haben Menschen versucht, ihre regionale Arbeite, die erforderlich für ihr Leben in der Bergregion ist, zu erhalten. Sie haben es rechtzeitig versucht und es geschafft, ihre regionalen Arbeitsplätze sicherzustellen, bevor Produktion und Verbrauch mit der Globalisierung verspringen konnten. Ihnen ist auch die Wichtigkeit der Schutzwaldpflege in der Bergregion bewusst und so pflegen viele kleine Waldbesitzer ihre Wälder und nutzen ihr Holz. In Kaneyama ist seit den 1990er Jahre, seit der Zeit des niedrigen Wirtschaftswachstums in Japan, die Nutzung von heimischem Holz durch den Bau des Kaneyamahauses ins 395 Stocken gekommen. Dort ist die regionale Ressourcennutzung auf den Bau des Kaneyamahauses aus Kaneyamazeder spezialisiert, aber die Bewohner, die das Leben in einem Holzhaus von Kind her gewohnt sind und deshalb ein Kaneyamahaus gebaut haben, gehören vor allem der älteren Generation an. Eine neue Generation von Bauherren ist herangewachsen. Trotz dieses Zustandes ist die Brücke der Kommunikation zur nächsten Generationen nicht gebaut worden. Die Versuche von Handwerkern usw., die über das Bedürfnis der nächsten Generationen forschen und dazu angepasste Kaneyamahaus entwickeln, haben nicht in ausreichendem Umfang stattgefunden, oder vermitteln auch nicht den Wert der Kaneyamazeder oder des Kaneyamahauses an die jungen Menschen in der Gemeinde. In den letzten Jahren versuchen Waldbesitzer und Sägewerke neue Vertriebswege aufzubauen, um damit außerhalb der Gemeinde ihr Holz zu verkaufen. Das Netzwerk von Waldbesitzern, Sägewerken, Bauwesen usw. in der Gemeinde befindet sich in Auflösung. Die Gemeinde Mishima hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Bürger das traditionelle Handwerk mit pflanzlichen Ressourcen aus den Bergwäldern wieder schätzen und durch das Handwerk kommunikativ leben. Aber die Menschen haben die Pflanzen nicht reproduziert und in den 1990er Jahren ist ihr Bestand stark verringert oder erschöpft gewesen. Die Ressourcennutzung in Mishima wird von der Gemeindeverwaltung geleitet. Die Bürger haben traditionell vor dem Projekt im Rahmen ihres Alltags die pflanzlichen Materialien gesammelt, die Handwerkswaren produziert und sie benutzt. Obwohl die Gemeinde auf diese Tätigkeit der Bürger einen wirtschaftlichen Wert gelegt hat, hat sie keine Maßnahmen für die Waldpflege, also für die Reproduktion von Ressourcen, unternommen. Dadurch ist die Balance von Entnahme und Reproduktion der Ressourcen in der Gemeinde verloren gegangen. Dort haben die Bürger traditionell vielfältige Pflanzen für das Handwerk angewendet. Die Spezialisierung der handwerklichen Produktion auf das Flechten könnte einen Grund für den Verlust der Balance sein. In der Gemeinde ist die Dorfgemeinschaft mit der Veralterung der Bewohner geschwächt. Es ist kein alternatives Netzwerk aufgebaut worden. Die Ressourcen sind nicht nachhaltig benutzt und die Qualität der Produkte hat sich verschlechtert, aber durch die Kommunikation zwischen den Handwerkern untereinander werden die Probleme nicht beseitigt. Man braucht für die Reproduktion von Ressourcen eine bestimmte Zeit. Wenn man sich auf die Produktion einer Ressource spezialisiert, verändert sich das Ökosystem in der Landschaft in der Region. Wenn die spezialisierte Ressourcennutzung aus einigen Gründen schief gehen würde und die Region keine alternative Auswahl gehabt hätte, bekommt die Region Schwierigkeiten. Aus diesen Gründen kann man vermuten, dass die 396 Entwicklung vielfältiger Ressourcennutzung sich stabilisierend auswirkt. Wenn man auf der anderen Seite Kraft von Innovationen und regionalen Marken, oder auch der Region als Marke erwartet, müssen zahlreiche Firmen und Handwerker mit regionaler Ressourcennutzung ein Netzwerk aufbauen. Es scheint so, als sei die Konzentration und die Vielfalt etwas Gegenteiliges. Allerdings zeigen die Beispiele aus der Rhön und dem Bregenzerwald beide Effekte von Konzentration und Vielfalt. In diesen Regionen sind zahlreiche Betriebe in einem Produktionszweig konzentriert und sie wenden vielfältige Ressourcen an. In der Rhön hat die Regionalbewegung mit dem Rhönschaf angefangen und ist zu anderen heimischen Arten oder Sorten von Nutztieren, Fischen, Obst usw. breiter entwickelt worden. In der Region werden vielfältige Ressourcen als vielfältige Regionalküche und Regionalprodukte angeboten. Damit hat die ganze Region ein Image der qualitativ hochwertigen Lebensmittelproduktion und damit schließlich auch Regionalmarken aufgebaut. Im Bregenzerwald sind aus der Notwendigkeit zur Schutzwaldpflege vielfältige Bäume bewusst verwendet worden. Die Architekten und die Schreiner planen mit der Kombination von verschiedenen Holzarten feine Architektur oder Möbel. Damit hat die Region ihre Regionalmarke mit der Produktion von moderner Holzarchitektur und Möbeln aufgebaut. 3.2. „Kohärenz“ und „Sympathie“ bei regionaler Ressourcennutzung in Bergregionen in den vier Fallbeispielen Wie kann man die ästhetische Bedeutungsebene „Kohärenz“ mit dem Begriff von „Schutz durch Nutzung“ und „Sympathie“ mit dem Begriff von „Poetischen Orten“ bei der regionalen Ressourcennutzung in Bergregionen mit den Beziehungen zwischen Produzent, Produkt, Verbraucher und Produktionsort verknüpfen? Hier wird aus der Betrachtung der vier Fallbeispiele über die Rolle der beiden Bedeutungsebenen nachgedacht: In dieser Forschungsarbeit sind folgende drei Orte als Produktionsorte begriffen und mit dem Begriff der „Poetischen Orte“ überprüft worden. 1. Die „Landschaft“, in der die Ressourcen produziert werden, z.B. Wälder oder Äcker. 2. „Stelle der Produktion“, in der die Ressourcen verarbeitet werden, z.B. Werkstatt oder Baustelle. 3. „Ort des Verbrauchs“, z.B. Zimmer oder Wohnort von Verbrauchern. Wenn man mit dem Begriff von „Poetischen Orten“ das Bewusstsein von Produzent und Verbraucher betrachtet, sind in Rhön, Kaneyama und im Bregenzerwald einige Produktionsorte „Poetische Orte“. Allerdings sind in keiner der Regionen alle drei Produktionsorte durch „Sympathie“ durchgängig miteinander verbunden. 397 Wie die beiden ästhetischen Bedeutungsebenen „Kohärenz“ und „Sympathie“ die Beziehungen zwischen Produzent, Produkt, Verbraucher und Produktionsorte in den vier Fallbeispielen erläutert werden, wird im Folgenden beschrieben: In der Rhön identifizieren sich Produzenten und Verbraucher mit dem „Land der offenen Fernen“, mit der Landschaft, die von kleinmaßstäblicher Landwirtschaft geprägt ist. Im Laden oder in der Gastwirtschaft geben traditionelle und neue Regionalküche mit der Erklärung von Bedienung und Speisekarte einen guten Eindruck. Auf der anderen Seite treten die Produzenten wie die Landwirte, die Verarbeiter, die Gastwirte und die „Stellen der Produktion“ in den Hintergrund. Dieses Phänomen kann man auch in Kaneyama beobachten. In Kaneyama identifizieren sich Produzenten und Verbraucher mit der „Gemeinde der Zeder“, mit den Bergwäldern mit den Zederbäumen und mit dem, von den Kaneyamahäusern geprägten Ortsbild, aber die Waldbesitzer, Sägewerker, Architekten, die Handwerker, wie Zimmerleute, und die „Stelle der Produktion“ stehen hinten an. Folgende Darstellung über regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen soll die Fallbeispiele aus der Rhön und Kaneyama illustrieren. Abb. 11. Regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen in der Rhön und in Kaneyama 398 Im Bregenzerwald werden die Planung von Architekten und die Technik von Zimmerleuten oder Schreinern von den Bauherren hoch geschätzt und die „Stelle der Produktion“ hinterlässt einen starken Eindruck. Von der Holznutzung bis hin zum Hausherren identifizieren sich Menschen mit den Ortsbildern mit moderner Holzarchitektur aus heimischem Holz, aber sie fühlen keine mentale Beziehung mit den Wäldern, in denen das Holz produziert wird. Sie pflegen die Wälder als Schutzwäldern. Sie finden es ganz natürlich, in diesem Kontext aus heimischem Holz zu bauen. Hier verbindet die „Kohärenz“ von „Schutz durch Nutzung“ die Beziehung zwischen der Landschaft und den Menschen, aber nicht die „Sympathie“ von „Poetische Orte“. Abb. 12. Regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen im Bregenzerwald In Mishima ist die Zahl der Produzenten gesunken, die mit den Ressourcen aus den Bergwäldern nachhaltig wirtschaften und mit den Wäldern „Sympathie“ empfinden. Die Produzenten produzieren die handwerklichen Waren mit Freude, aber die Arbeit in der Werkstatt ist einsam. Die Werkstatt macht keinen Eindruck. Die Stelle, wo die Handwerkswaren verkauft werden, wirken nicht vorteilhaft. Heute hat sich die Qualität der Waren verschlechtert. Verbraucher begreifen die Handwerkswaren als Produkte. Sie interessieren sich wenig für die Produzenten und kaum für die Bergwälder. In Mishima spielt die „Kohärenz“ und „Sympathie“ bei der Ressourcennutzung immer weniger eine Rolle. 399 Abb. 13. Regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen in Mishima 3.3. Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung mit den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen in den Bergregionen (Überprüfung der Hypothesen) In dieser Forschungsarbeit sind folgende drei Hypothesen über die Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung gestellt worden. Sie werden im Folgenden überprüft. Hypothese 1 : Bei der innovativen Ressourcennutzung in den Bergregionen in der Moderne wird traditionelles Wissen effektiv eingebracht. Bei allen vier Fallbeispielen sind die regionalen Ressourcennutzungen mit innovativen Ideen dem modernen Lebensstil angepasst. Dabei sind bei allen Fallbeispielen traditionelle Denkweisen und Techniken von der Produktion der Ressource und ihrer Verarbeitung übernommen worden. In Mishima sind es die Pflanzen, die traditionell verwendet worden sind und die traditionelle Handwerkstechnik der Produktion. In der Rhön sind es heimische Tierrassen oder Obstsorten und die heimische Küche. In Kaneyama sind es Kaneyamazeder und traditionelle Holzbautechnik. Im Bregenzerwald sind es die Bäume in den Bergwäldern, die traditionell verwendet worden sind und die 400 traditionelle Holzbautechnik der Zimmerleute und Schreiner. So wird bei den vier Fallbeispielen aus regionaler Ressourcennutzung in den Bergregionen beobachtet, dass das volkstümliche Wissen aus langen Zeiträumen weiter gegeben, effektiv genutzt und weiter entwickelt worden sind. Hypothese 2 : Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher sind über zwei ästhetische Bedeutungsebenen miteinander verbunden. In den vier Fallbeispielen aus der Rhön, Kaneyama und dem Bregenzerwald wird Hypothese 2 bestätigt. Dort stellen die beiden ästhetischen Bedeutungsebenen „Kohärenz“, abgeleitet aus dem Begriff von „Schutz durch Nutzung“ und „Sympathie“, abgeleitet von dem Begriff der „Poetischen Orte“ die Beziehungen zwischen Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher her. In den Regionen und der Gemeinde sind Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft durch regionale Ressourcennutzung entwickelt. Es wurde gefragt, in welchen Szenen Beziehungen zwischen Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher geknüpft werden und mit welchen der beiden ästhetischen Bedeutungsebenen „Kohärenz“ und „Sympathie“ dies geschieht. Die Szenen, wo diese wirken, sind zwischen den Fallbeispielen unterschiedlich. In der Rhön und Kaneyama sind die Produzenten mit der Agrarlandschaft oder dem Wald weder mit „Kohärenz“, noch mit „Sympathie“ verbunden. Auf der anderen Seite sind die Verbraucher mit der Agrarlandschaft oder dem Wald mit „Sympathie“ verbunden, aber ihnen ist die Existenz der Produzenten und die „Stelle der Produktion“ nur schwach bewusst und „Kohärenz“ spielt keine Rolle dabei. Damit erscheint ihre „Sympathie“ als eine von der Realität weit entfernte „Illusion“. In Mishima waren die Produzenten, als sie noch gleichzeitig die Verbraucher ihrer Handwerkswaren waren, mit dem Wald vermutlich mit „Kohärenz“ und „Sympathie“ verbunden, aber als Produzent und Verbraucher getrennt worden sind, ist diese Verbindung zu den Orten vermutlich nicht weitergegeben worden. Im Bregenzerwald sind Bergwald, moderne Holzarchitektur, Produzent und Verbraucher mit „Kohärenz“ und „Sympathie“ durchgehend miteinander verbunden. Hypothese 3 : Wenn die Konzepte von „Schutz durch Nutzung“ und „Poetische Orte“ gleichzeitig angewandt werden, laufen die Projekte langfristig und entwickeln die Region stabil. Bei den vier Fallbeispielen haben Kohärenz und Sympathie nicht bei allen Szenen zusammen eine Rolle gespielt. In der Praxis regionaler Ressourcennutzung von den vier 401 Fallbeispielen haben die Integration von dem Begriff von „Schutz durch Nutzung“ und dem Begriff von „Poetische Orte“ nicht so funktioniert, wie Hypothese 3 vermuten ließ. Das heißt, „Kohärenz“ und „Sympathie“ spielen ihre Rolle nicht zusammen unter ihrer Affinität und stärken sich einander, sondern sie ergänzen sich einander in ihren Rollen, wenn eine von ihnen ausfällt. Wie oben erwähnt, sind im Bregenzerwald Bergwald, moderne Holzarchitektur, Produzent und Verbraucher mit „Kohärenz“ und „Sympathie“ durchgehend miteinander verbunden. Dort wirtschaften die Betriebe stabiler als bei den anderen Fallbeispielen. Die unternehmenden Milieus in der Region sind auch besonders stark beachtet worden. Aus diesen Gründen kann vermutet werden, wenn die „Kohärenz“ und die „Sympathie“ nicht unter Affinität bei allen Szenen funktionieren würde, kann trotzdem eine von den beiden ästhetischen Bedeutungsebenen die Beziehungen von Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher durchgehend vermitteln. Damit gibt es doch positive Effekte auf die Regionalentwicklung. In dieser Forschungsarbeitsarbeit konnte man die folgenden Punkte von Hypothese 3 nicht klären: 1. Die Beziehung mit der Affinität „Kohärenz“ und „Sympathie“ ist stärker und stabiler als Beziehungen, bei der nur eine von ihnen wirkt. 2. Von dem 1. Grund wirkt die regionale Ressourcennutzung mit der Konstruktion von „Poetischen Orten“ im Lebensraum positiv bei der Entwicklung von Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft in Bergregionen. 3.4. Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung in Bergregionen Bei intraregionalen Ressourcennutzung scheint es so, als sei ihr Kernziel die „materielle Ebene“ der „Kohärenz“. In dieser Forschungsarbeit ist aber sichtbar geworden, dass bei Menschen, die in der Region wohnen, auch die soziale Ebene der Kohärenz eine Rolle spielt, wenn sie sich aus „Sympathie“ mit ihren regionalen Ressourcen und deren Nutzung beschäftigen. Die Produzenten, die den Wald oder die landwirtschaftlichen Flächen in der Region nutzen, dort die Ressourcen sammeln, in der Region produzieren, verarbeiten und verkaufen, schätzen beim Produktionsprozess, die „Kohärenz“ von regionaler Umwelt, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft. Sie pflegen die heimischen Wälder oder die landwirtschaftlichen Flächen, achten darauf, die Gesundheit der Menschen nicht zu belasten, pflegen die lokalen Beziehungen und die heimische Kultur usw.. Sie wünschen, dass sie durch ihre Arbeit einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten. Dabei wünschen sie sich auch Orte, wo sie wohnen und arbeiten können und die von der regionaltypischen Natur, der Historie, und dem lokalen Lebensstil geprägt sind, auf ihre Sinne wirken, sich 402 zur Identifikation anbieten und ein Zusammenleben in Gemeinschaft ermöglichen. Sie empfinden mit solchen Orten und mit den Menschen, die sie zusammen mit ihnen geschaffen oder gepflegt haben, „Sympathie“. Aber es ist selten, dass die Verbraucher solche „Kohärenz“ oder „Sympathie“ so empfinden, wie es die Produzenten tun. Die Ästhetik der „Kohärenz“ und „Sympathie“ wurde in einem Leben mit der Globalisierung von Produktion und Verbrauch verändert. Die Trennung von Produktion und Verbrauch ist auch bis zur regionalen Ressourcennutzung, die eigentlich im alltäglichen Lebensraum stattgefunden hat, durchgedrungen. Dies ist besonders in solchen Regionen der Fall, wo größere Gruppen von Verbrauchern von Produkten aus regionalen Ressourcen von außerhalb der Region als Touristen kommen. Sie interessieren sich in der Regel kaum für die Praxis und die Orte der Produktion. Auf der anderen Seite zeigt sich in manchen Region, in denen die Produzenten gleichzeitig die Verbraucher sind, d.h. in der intraregionale Ressourcennutzungen stattfindet, dass dort „Kohärenz“ und „Sympathie“ Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher durchgehend miteinander verbinden. In einer solchen Region ist das Netzwerk derer, die mit regionaler Ressourcennutzung beschäftigt sind in der Region gut entwickelt. Daraus lässt sich schließen, dass die alltägliche Kommunikation für die Vermittlung zwischen den Beziehungen mit „Kohärenz“ und „Sympathie“ bei intraregionaler Ressourcennutzung eine wichtige Rolle spielt. Wenn „Kohärenz“ und „Sympathie“ unter der Affinität Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher durchgehende verbunden sein würden, stellt sich die Frage, ob der Komplex von „Kohärenz und Sympathie“ der regionalen Ressourcennutzung tatsächlich Aufwind geben und damit die Region entwickeln. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit kann diese Frage nicht beantwortet werden. Man begreift den Zustand der durchgehenden Verbindung von Landschaft, Produzent, Produkt und Verbraucher als eine Einheit mit regionaler Ressourcennutzung von einer Ressource oder einem Produktionszweig. Es bleibt die Frage, wenn sich die Anzahl der Einheiten in der Region vermehren, würde das dann bedeuten, dass regionale Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft mit weiterer Breite gepflegt und die Anzahl von „Poetischen Orten“, die den Menschen Anhalt geben könnten, sich ebenfalls vermehren? Das ist eine neue Frage. Die Kraft einer „Ästhetischen Praxis“ mit der Affinität von „Kohärenz“ und „Sympathie“ und eine breit ansetzende Regionalentwicklung mit der Konzentration auf die Einheiten der „Ästhetischen Praxis“ sind weitere Aufgaben für kommende Forschungen (Anm.: der Begriff „Ästhetische Praxis“ ist bei einer Diskussion mit Detlev Ipsen entstanden). 403 Es ist heute in der Regionalplanung erforderlich, die Themen mit regionaler Landschaft, Kultur, Sozialsystem und Wirtschaft, die bisher als einzelnen Aufgaben behandelt worden sind, zu bündeln und für die gesamte Entwicklung in eine Richtung zu zielen. Unter diesem Aspekt sind komplexe und sich selbst regulierende Entwicklungsmodelle nützlich, d.h. es ist dabei von Nutzen, dass Bürger sich selbst und ihrer Region bewusst werden und sie sich Raum für Entwicklung schaffen. Eine „Ästhetische Praxis“ kann dabei Produzenten untereinander und mit ihren Kunden in der Region mit „Sympathie“ aneinander binden, was zum Austausch und zur Weitergabe von Wissen über die regionale Natur mit ihren Ressourcen, die Naturanschauung und die innere Einstellung gegenüber der Produktion, auch über die Generationen hinweg, nützlich ist. Durch die „Sympathie“ zueinander erhöht sich auch die „Kohärenz“ in einer Region, werden die verschiedenen Interessensgruppen zusammengeführt, Gemeinsamkeiten erkannt und die Bindung an den Ort gestärkt. 3.5. Warum könnte Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung in Bergregionen in Japan nützlich sein? In Japan ist die Landwirtschaft rückläufig. Man denkt, die Unterstützung von Landwirten durch den Verkauf seiner Lebensmittel bedeutet auch zugleich den Erhalt der Kulturlandschaft, aber wenige Menschen kommen dazu, ernstlich Umweltbelastungen, die Einflüsse auf das Ökosystem oder die Gesundheit des Menschen durch bestimmte Formen moderner Landbewirtschaftung zu hinterfragen. Die Forstwirtschaft ist ebenfalls rückläufig. Die Bürger, die sich für Landschaftsnutzung mit den Wäldern interessieren, pflegen die Wälder freiwillig und wie ein Hobby ohne gewerbliche Ressourcennutzung, aber der überwiegende Anteil der Wälder in Japan wird nicht mehr genutzt. So ist den Menschen in Japan der Weg regionaler Entwicklung durch regionale Ressourcennutzung kaum bewusst. Wenn die Produzenten aus Land- oder Forstwirtschaft oder Verarbeiter der Ressourcen sich zu Körperschaften zusammengeschlossen haben, präsentieren sie tatkräftig, dass sie umweltschonend und nachhaltig wirtschaften. Aber die Träger von Land- und Forstwirtschaft sind meist Familienbetriebe. Unter solchen Umständen kann man sich vorstellen, dass der Aufbau von einem regionalen Netzwerk die realistischste Methode für regionale Ressourcennutzung ist. Bei den Beispielen der regionalen Ressourcennutzung in Japan arbeiten häufig Produzenten in der Region zusammen. Dieses Modell könnte noch weiter in den Regionen Verbreitung finden. In Japan werden die Produkte und Dienstleistungen häufig von Menschen in der Stadt durch Tourismus oder Warentransport genutzt. Es gibt selten Versuche, die Produzenten gleichzeitig als Verbraucher zu begreifen und intraregionale Produktion und Verbrauch 404 zu sichern. Aber wenn das Netzwerk bei regionaler Ressourcennutzung aufgebaut wird, werden sich die Produzenten gleichzeitig als Verbraucher begreifen. Der Komplex von Produzent und Verbraucher fördert intraregionale Ressourcennutzung. Außerdem verleiht die regionale Kultur, die durch Nutzung regionaler Ressourcen entstanden ist, einer Region ein gutes Image und hilft beim Aufbau regionaler Marken für in- und außerhalb der Region. Bei regionaler Ressourcennutzung in Japan kommunizieren Produzenten und Verbraucher häufig beim Angebot von Landwirten an die Verbraucher für das Erleben der Landwirtschaft, einer Naturschule oder einem Workshop. Die Beziehung zwischen Produzenten und Verbraucher gilt nicht nur beim Verkauf von Produkten oder bei der Dienstleistung. Sie pflegen zueinander auch eine Beziehung, die von „Sympathie“ getragen ist. Man sollte solche Aktionen von Produzenten nicht als private Aktionen von Produzent ignorieren. Es ist erforderlich, ein System aufzubauen, dass man sie als Förderung der Kommunikation für Regionalentwicklung durch regionale Ressourcennutzung in der Gesellschaft hoch anerkennt. In Japan gibt es regionale Ressourcennutung mit neuen Ideen in den Bergregionen. Aber es ist selten, dass sorgfältig gefertigte Produkte, die dem modernen Lebensstil gut angepasst sind, produziert werden. Auf der anderen Seite ist es erforderlich, dass man bei regionaler Ressourcennutzung in Bergregionen die Produkte nicht massenhaft produziert, sondern in geringer Stückzahl und mit hoher Qualität fertigt. Damit haben die Produkte einen besonderen Wert und die Produzenten sollten die Produkte besser verkaufen können. Dabei spielen traditionelles Wissen und Techniken für nachhaltige Ressourcennutzung von Bewohnern und den Handwerkern eine wichtige Rolle. Es ist ein Vorteil von japanischen Bergregionen, dass dort Menschen leben, die ein solches traditionelles Wissen und Techniken haben. Sie sind aber schon alt. Wenn Bürger mit der Hilfe von Designern oder Architekten gleich anfangen, zusammen zu arbeiten, muß der Faden zwischen Tradition und Innovation nicht reißen. Durch die Kommunikation mit regionaler Ressourcennutzung werden Menschen, die separat in der Region verstreut sind, untereinander mit „Sympathie“ verbunden und bilden aus den Ereignissen die „Kohärenz“. Es ist nützlich, dass man solche Veränderungen in der Region als eine gesamte Regionalentwicklung begreift und die „Ästhetische Praxis“ der Bürger fördert. 405 Dankesworte Ich danke Professor Dr. Detlev Ipsen und Professor Dr. Onno Poppinga für die Betreuung meiner Dissertation. Sie haben seit 1998 meine wissenschaftliche Arbeit immerwieder unterstützt. Ich danke Prof. Dr. Kimio Takano, der mit mir die deutsch- japanische Forschungsgemeinschaft über Poetische Orte und Regionalentwicklung von japanischer Seite aufgebaut hat. Er hat mich beim Schreiben meiner Dissertation in Japan durch beinahe tägliche Diskussionen begleitet. Professor Dr. Hiromi Taguchi, der seit mehr als 30 Jahren über die Ressourcennutzung in Bergregionen forscht, hat mich bei der Entwicklung meiner Hypothesen unterstützt und mir grundlegendes Wissen vermittelt, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Meinem Lehrer Seiwa Mori, der leider im Jahr 2004 während dem Schreiben seiner Dissertation verstorben ist, möchte ich dafür danken, dass er meinen Lebensweg wesentlich beeinflusst hat, indem er mich in die Praxis der Bürgerbeteiligung eingeführt hat. Ich hoffe, dass ich in seinem Geiste weitergearbeitet habe. Ich möchte mich auch bei Professor Doktor Masami Kitamura bedanken. Als ich 1997 nach Deutschland kam, hatte ich nur ein Buch bei mir. Es war seins. Es hat mich durch den Wald geführt, bis zum Ende meiner Dissertation. Ich möchte auch allen Mitgliedern der Forschungsgruppe „Poetische Orte“ und Regionalentwicklung in Japan und Deutschland meinen Dank für die gute Zusammenarbeit aussprechen. Dabei möchte ich besonders die Leute vom Atelier Masato hervorheben und Herrn Takanori Miura für den schönen Holzschnitt danken, den er für mich angefertigt hat. Mariyo Yagi hat meine Arbeit mit ihren Kunstprojekten mit Bürgern beeinflusst, wofür ich ihr dankbar bin. Meiner Kommilitonin Steffi Schuster, die mir ihre Steyermark gezeigt hat und damit diese Arbeit mit auf den Weg brachte, danke ich sehr. Ich danke all den Interviewpartnern in den Regionen für ihre Herzlichkeit. Namentlich nennen möchte ich Familie Bernhard und Familie Gensler, Familie Vorndran und Familie Schneider in der Rhön, die mich seit 1998 immerwieder bei meinen Unteruchungen unterstützt haben. Herr Muramatsu und der Zimmermeister Watanabe haben mich bei meiner Forschung in Kaneyama seit 15 Jahren begleitet. Familie Igarashi aus Mishima und die Verlegerinnen haben mich immer herzlich empfangen. Im Bregenzerwald sind mir Familie Kaufmann und Familie Meusburger und der Schreinermeister Uebelherr auf freundschaftliche Weise begegnet. Meinen Arbeitskollegen von der Tohoku University of Art and Design in Yamagata möchte ich danken, voran Professor Dr. Kooko Sugaya für die finanzielle Unterstützung 406 meiner wissenschaftlichen Arbeit. Aus dem Kreis meiner Freunde und Familie möchte ich mich bei Dorothee Rohsbach, Stephan Näder, Familie Storch, Familie Ito und Takahashi, meinen Eltern und meiner Schwester mit ihrer Familie, der ganzen Familie Sust und meiner Familie für ihre Hilfe danken, besonders Lysander für seine Geduld. 407 Literaturverzeichnis japanischsprachige Literatur Kürzel aus Text Die Jahreszahl in Klammern gibt das Jahr der Ersterscheinung an. 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Ortsbild Gemeinde Kaneyama Hrsg. 2006f 金山町教育委員会編 2006f 「山形県公立小・中学校教職10年経験者研修資料」金 Gemeindeentwicklung in Kaneyama 山町教育委員会、金山町 Gemeinde Kaneyama Hrsg. - 金山町編 - 「風景と街並みが調和する町 -金山町街並み形成基準-」金山町、金山 Richtlinie für das Ortsbild in Kaneyama 町 Gemeinde Mishima 2003 三島町 2003 『三島町町勢要覧 -資料編-』三島町 Statistik von Mishima Gemeinde Mishima 2004 三島町 2004 『伝える!技と心 -三島町のふるさと運動-(DVD)』三島町 Heimatbewegung in Mishima Gemeinde Mishima 2006a 三島町 2006a 『第三次三島町振興計画後期基本計画』三島町 dritter Masterplan Mishimas Gemeinde Mishima 2006b 三島町 2006b 『みしまNo.159』三島町 Handwerkerfest in Mishima Gemeinde Mishima - 三島町 - 『みしま工人郷』三島町 Handwerker in Mishima Gifford 2005 (2002) ギフォード・ロバート [羽生和紀、槙究、村松陸雄監訳] 2005 (2002) 『環境心理学・ 上』北大路書房、京都 *原著Gifford, Robert 2002 Environmental Psychology (3rd edition) , Optimal Books. Gifford 2007 (2002) ギフォード・ロバート [羽生和紀、槙究、村松陸雄監訳] 2007 (2002) 『環境心理学・ 下』北大路書房、京都 *原著Gifford, Robert 2002 Environmental Psychology (3rd edition) , Optimal Books. 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È£D§ÊvSJ-DË„³´µ¶·¸¾&̶¸?2›œDË„‚89: Kasama Hattori 1999 ÍÎÏÐ)&''')-•ÑÒÓÔ Õ§Ö²)S•ŽÁ×S2ØÙ789: Ernährungspädagogik Hattori 2004 ÍÎÏÐ)=>>?)-•ŽGxx¡2PÚi†ÛÜÝ89: Ernährungspädagogik Hattori 2007 ÍÎÏÐÞß)=>>+)-ÍÎÏÐG•ŽG‡2àáh†Û†â㲕äOØå89: Ernährungspädagogik Hayashi, Katayama u. Sumiyoshi 2000 æçè8éHêë8ìíîï%=>>>)@ðñ³ðGòó¯ôõö÷ø)SHIùúHò ûüýþÿ!§3"vSJ-#I)$¶¸='2./%&|}789: Projekt " Aufbau des Ortsbildes in 100 Jahren in Kaneyama" Hayashi, Katayama u. 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Matsumoto 2004 µÈˆ8ɇ{)=>>?)-GÊÅöËõÌaÍGÎ2<=ÏÐ’“8_ÑÒÉÓ Eisenbahn in Aizu ÛÔhâ,dÕÖ;h).!×Ø56)&''˜)*&˜'˜,)-º‹GsÙÚÓ2‹Œ’“_89 :%?@&ŠABC8DEû¶•RPNJ)þÛF$FÜFP)&'==)3RPNF$)”QIQFG)¶Ý)U¶V¶PP¶• 8»’ Howard 1998 (1898) û¶•RPNJ)þÛF$FÜFP)&˜'˜)U¶V¶PP¶• ¸ Sir Howard 2003 (1940) ÛÔhâ,j9Þh+.—sßÞ56 =>>( *&'?>, -Yšàá2e¹†º89: ?DE ‘QP)û¶•RPNJ)â·ÛFPI)&'?>)â$)âÝPQ•O·IOPR·)UFGIRVF$I J)üãݶPN)ä$QåFPGQIŽ)ýPFGG¸ Ichimura 2003 Ó[æ)=>>()-açbèŸÀGÛÜÝéhêhëÅ=)SìíOS289: Fertighäuser in Japan Ide 2002 ï’ðñO)=>>=)-£šØòGD¢|}2ƒº‘89: Cluster in Japan Iga 2000 !"#$%&'''%()*+,-./0"12345 lokales Gewerbe in Japan Igata 2001 (2000) 6789%&'':;&'''<%(=>?@ABCDEF+GHIJKLMNO+G/ PQRS345 Vergleich v. Wohnungen zw. Japan u. England Ihara 2005 (1997) 6TUV%&''W%;:XXY<%(NO+Z[/\]R^345 Nutzung v. Wäldern in Japan _`a9b Ccdebfghib jFgbkhlmenobpqrs &''t uv Cwxyz{0|J}~L•*€•‚ƒ„x…†{‡ˆ ‰Š‹deŒ+•Ž *€•‚c••‘’“”•x–—(˜™š›œ•žŸ ¡¢X–¢/££&Y:–&Y¤3NO RegionalentwicklungsIida, Ipsen et al 2004 ˜™š›.-345 programm des Landes Hessen 412 Iida 2005a 飯田恭子、ズスト アレクサンダー 2005a 「ドイツにおけるエコロジー農業による社会 と環境の持続的発展に関する研究 ユネスコの生物圏保存地域ロエンにおける事 例『食べて保全』-」『都市計画論文集』No.40-3:pp.1-6.、日本都市計画学会、東京 "Schutz durch Verzehr" i.d. Rhön Iida 2005b 飯田恭子 2005b 「食と農業を結ぶ持続可能な参加型景域保全」『第9回(2003年度) 環境助成研究成果報告書』、 財団法人昭和シェル石油環境研究助成財団、 東京 "Schutz durch Verzehr" i.d. Rhön Iida 2005c 飯田恭子 2005c 「詩的な場所へ」飯田恭子編『まんだら22号』東北芸術工科大学東 Essay über "Poetische Orte" von K. Iida 北芸術工科大学東北文化研究センター、山形 Iida 2006a 飯田恭子 2006a 「詩的な場所」『日曜随想』山形新聞、8月3日日付、山形 IIda 2006b 飯田恭子編 2006b 「特集・いま、よみがえる建物」『まんだら29号』東北芸 Nachnutzung v. Gebäuden v. K. Iida 術工科大学東北芸術工科大学東北文化研究センター、山形 Iida 2007 飯田恭子 2007 「山間部地域における景域保全と『詩的な場所』」飯田恭子 編『「詩的な場所」に関する調査研究』東北芸術工科大学東北文化研究セン ター、山形 Ressourcennutzung u. 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Sabel 1993 (1984) _Ô'àÕ÷Ö×àØA•%6×à\$%×Ùà”KŠKÚÛÜAÝÞßnAÇ|É°è•Ž IJJ•-;IJa0<-1Cà*sãÝáâ<ãä¥üABCHB¦"¦“I£¥™-ÀKØK™-•—å¥J™-æK”K IJa0-–›¥-•¥§I˜Ÿ-瘟•¨ž£“—J-Ñ“H“Ÿ¥è-¦I¨¨“å“J“ž“¥¨-¡I£-¦£I¨š¥£“ž ™-é—¨“§-éIIШ™-q¥Ó ’I£ÐK Präfektur Yamagata 2006 K–Ø,-.//È-1êëRìÅÒ¡23?½<K–ØAK–í 420 Ernährungspädagogik Präfektur Yamagata !"#$%&'()*+,,-*.!"/01*2!"#30145+,,-26!"#$% 2003 789!": Wirtschaft in Yamagata Präfektur Yamagata !"#;<=>?<@()*ABB-*.!"#CDEFG>H"IJKLM*2NOP 1993 QGRST26!"#9!": Nutzung von Zedern in Yamagata Read 1957 (1953) UVFWXVYVZ[\]\9^_`abc ABde fABd-g .hEiNZUjkWlmhE6 nop5q9rs tuvwxyz{ |x}~x}• ABd- €}• y•z ‚•zƒ„•}… 2†‡x ˆ}‰•Š‰‹Œx„ •Ž ‚•zƒ„•}‰yŒ*•x„‰••2{ *‘y~x}*y•z*‘y~x}*’‰“‰•xz{*’••z••” Relph 2004 (1976) •k–W—F˜VF™+,,š*fABe›g*.œ•/žŸ 6¡¢5q9rs™t£-¤¥¦§9 uvwxŒ‹‡{*¨z©y}z*ABe›*ˆŒyŠx*y•z*ˆŒyŠxŒx„„•x„„ {*ˆ‰••*’‰“‰•xz” Ritzer 2005 (2004) Uª«¬W-®V-[¯°±²³bc*+,,d*f+,,šg*.´/µ¶VYk·6¸¹5º9rs tuvw‰•»x}{*¼x•}•x*+,,š*†‡x*•Œ•~yŒ‰»y•‰••*•Ž*•••‡‰••{*ˆ‰•x*‘•}•x*ˆ}x„„{*½¾€{ ’••z••{*¿x©*•xŒ‡‰” Roth 2002 ¶ªÀWjkF*[ÁÂÃÄ9Å_ÆÇbc*ABBA*fAB››g*.È:/ÉÊ6ÁËÌ5º9s È™tÍÎuv*w•„„‰{*€Œz•*AB››* {*ˆyz•Ïy{*Ðy}„‰Œ‰• ¨z‰••}‰” !"#$%&'"()*+,$-./012345167891:;<=>? @AA@BCD(E.$FGHIJ1KLMNO1PQMRS1T+UV+WXY #Z:;<=[B@AA@B\]+^_.`abcdefgBD(E.$FGHIJ h'Yijklmn'YiPQoTY.pqrstAAust@vwxbyzPQ5{ |1xb}~•€•‚ƒB„…†€‡B@AA@Bˆ…‡‰Š‹‹BŒ••‚…Ž••ŽƒB†•…B‚Š‡‰€‹•Ž•‚… ‘•’••‡ƒB†…‡B‰€†…‡‹…B“••’B•‹†B†•…B“Š•‚’••‚”…••ƒB•”…†ŠƒB–•”€Bˆ‡Ž—˜B@AA@ Rudofsky 1973 (1965) kF–NÑVWYVÒVF [ÓÔÃÕbc ABe- fAB›dg .ÑÖ×WØhEF6ÙÂÎ3 8 9 r s t u v wƒz•Ž„Ú…{ Ûx}•y}z AB›d †‡x ܉“••• Љ•z { ••ƒ~Œxzy… Ý Þ•“‹y•…{‚•Š”{*¿x©*ß•}Ú” Rudofsky 1992 (1964) kF–NÑVWYVÒVF9[àáâãbc ABB+ fAB›šg .ÉÊäåæ/ÉÊ6ÙÂÎ 389rs t£š¤¥¦§9uvwƒz•Ž„Ú…{ Ûx}•y}z ABçš €}Š‡‰•xŠ•ƒ}x ©‰•‡•ƒ• €}Š‡‰•xŠ•„ {*••ƒ~Œxzy…*Ý*Þ•“‹y•…{‚•Š”{¿x©*ß•}Ú” Rudofsky 1992 (1969) kF–NÑVWYVÒVF [èéêP9°ëPìbc ABB+ fAB›Bg .íî/ïð/ñ ò6ÙÂÎ389rs t£A,¤¥¦§9uvÛx}•y}z wƒz•Ž„Ú…{ AB›B ¾•}xx•„ Ž•} ‹x•‹Œx*2€*‹}‰“x}*Ž•}*y“x}‰Šy•„2{*••ƒ~Œxzy…*Ý*Þ•“‹y•…{‚•Š”{*¿x©*ß•}Ú” Rossi 1991 (1966) Ruskin 1996a (1851- DNÑEW-®E[Å_ÆÇbc*ABB›y*fAçdA2Açd-g*.óôõ«öj/¹*J÷ø6ùúû 1853) üýþÎ39rs*tuvwƒ„Ú‰•{*ÿ•‡•*AçdA2Açd-*†‡x*¾•••x„*•Ž*!x•‰Šx ” Ruskin 1996b (1851- DNÑEW-®E[Å_ÆÇbc*ABB›~*fAçdA2Açd-g*.óôõ«öj/¹*"#$ø6ùú 1853) ûüýþÎ39rs*tuvwƒ„Ú‰•{*ÿ•‡•*AçdA2Açd-*†‡x*¾•••x„*•Ž*!x•‰Šx ” Ruskin 1996c (1851- DNÑEW-®E[Å_ÆÇbc*ABB›Š*fAçdA2Açd-g*.óôõ«öj/¹*%&ø6ùúû 1853) üýþÎ39rs*tuvwƒ„Ú‰•{*ÿ•‡•*AçdA2Açd-*†‡x*¾•••x„*•Ž*!x•‰Šx ” Saeki 1995 '()**ABBd*.ž+,8ü*2:œ,8/hl-¶OV26./,9rs Ideologie des Marktes Saiki-Craighill 2007 (2006) 012•hµ3k45*+,,e*f+,,›g*.µD6ElªZW7-UVWj8¶V96Ó:,9 rs™t£+¤¥¦§ Grounded Theory Saito 2005 ;<=>™+,,d*?@A!RBC&DEF.G! 6G! )HI9rJKþLMÁ rJN·OP7EQV9!" 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Kobayashi ¢r£9¤<¥¦5 +,,› f+,,dg .Dh–NZVUVWhEQ§¨V 2©ªOP•«26 Methode der qualitativen 2006 (2005) ¬ˆd5q9rs™t£+¤¥¦§ Forschung >0Ó-*+,,-*?®¯Ÿï°/±íïDç*2²!“Áý³/Á´2Fçµ+šB¶·9 Sankeishinbun 2003 >0Ó-9rs riesige Kaneyamazeder Sasaki 1971 '¸1¹¸*ABeA**.º»¼^6BK½…Î389rs Vorzeit in Japan Sasaki 2005 '¸1¾5)*+,,d*.†¿b/tÀXÁeæïY6 ÂOP,9rs Handwerkswaren Sasaki 1935 '¸1ÃPÄ AB-d ?!G/01HÅ 2ÆÇ#ÈÉÊË!G/aÌ‚•/ÍÎ2 F.HÅ Ïü*AA2›6‹‹”+ç2šç Ökonomie in Bergregionen Sato 2001a (1997) '<ÐÑÒ™+,,A*fABBeg*.x_WÓÔïG/ÍÕ6´¸,Î39x_ verlassene Dörfer in Akita Sato 2001b '<ÐÑÒ™+,,A*.x_WÓÔïÖ×/ÍÕ6´¸,Î39x_ verlassene Schulen in Akita Sato 2000 '<DØj™+,,,*.?•Ù‘F/ÚTÛŒlmhE6rJKþLMÁ Á ÜKþL OPMlmhEL ÝÞÛŒlmhEß•™àüN Existenz u. Planung Sato 2007 '<DØj*+,,e*?áâR]¯ZãXX.äªåœ•6RåYEFæ_ç5).äªå œ•RèoTéêOP6rJKþLMÁ rJN·OP7EQV9!" Vorort u. "Portische Orte" 421 Sato 1992 !"#$%&''()*+,-./0123456789: Entwicklung v. Bergdörfern Sato u. 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Yanagi 1982f (1958) dg”•²³T¢–ݫʈf Kunsthandwerker ‰Šš jk‡.Þ •jkŒk• 1¢BßàST‰Šš§a¨©ª–«-f ®¯°±$dg Yanagi 1982g (1959) •²³ÖjkŒká.†.ŽUµ=T·U¸¹fº» Mingei-Bewegung u. Export ‰Šš jk‡.â •jkŒk• 1ßàãBQR7¢ST‰Šš§a¨©ª–«-f ®¯° Yanagi 1982h (1959) ±”•²³T¢\¸ä–«-–åˆf Mingei-Bewegung u. Export ‰Šš jk‡.æ •jkŒk• 1çè¢B½(©¤B¥éêRST‰Šš§a¨©ª–« Mingei-Bewegung u. Yanagi 1982i (1959) ¬-f-®¯°±$dg”•²³T¢–Ý«¬ˆf Kunsthandwerker Yanagi 2004 (1961) ‰Šš .//› •jk0j• T£7ëìf íî°ï$dg •ðV‰Ššjk‡.T‰Šš§ a¨©ª–«ñ-f-®¯°± Prinzip d. Ästhetik Yanagida 1997 (1926) ‰òóô jkkl•jk.0• 1!7(õST‰òóô§a–ö-f®¯°±$dg •²³ jk÷ø-T!7(õfùúûüv Leben auf dem Berg Yanagida 1998a (1929) ‰òóô jkk‡ •jk.k• 1ýHB2þST‰òóô§a–›-f®¯°±$dg •² ³jk÷ÿ-TýHB2þf·U¸¹v Stadt u. Land Yanagida 1998b (1936) ‰òóô jkk‡ •jkŽ0• 1!7!B"•#ST‰òóô§a–‡-f®¯°±$dg •²³jkŽ0-T!7!B"•#f$%°& Berggötter Yanagida 1998c (1939) ‰òóô jkk‡ •jkŽk• 1'()*7+BST‰òóô§a–k-f®¯°±$dg Textilien v. d. Einführung d. •²³jkŽk-T'()*7+Bf,-v Baumwolle in Japan Yanagida 1999a (-) ‰òóô jkkk¡ •E• 12.YST‰òóô§a–j-f®¯°±$dg •²³E To3/0f12ò[Y³34 Agrarpolitik v.d. II. Weltkrieg Yanagida 1999b (-) ‰òóô jkkk¼ •E• 123.5ST‰òóô§a–j-f®¯°±$dg •²³E T23.5f67[Y Agrarpolitik v.d. II. Weltkrieg Yanagida 1999c (1892) ‰òóô jkkkÁ •j‡k.• 1o3/0ST‰òóô§a–j-f®¯°±$dg •² Industriekammer v.d. II. ³j‡k.-To3/0f[UV83YZ Weltkrieg Yanagida 1999d (1910) ‰òóô jkkkÌ •jkj/• 19!Ï:ST‰òóô§a–j-f®¯°±$dg •² ³jkj/-T9!Ï:f;<= Götterstandbilder aus Stein Yanagida 1999e (1947) ‰òóô jkkkÓ •jk›l• 1¸óYÑ–.>!?@ST‰òóô§a–j0-f®¯° ±$dg”•²³jk›l-T¸óYÑ–.>!?@fA!°ï heilige Orte f. Berggötter Yanagida 1999f (1948) ‰òóô jkkkÜ •jk›‡• 1þ7BCÚST‰òóô§a–jl-f®¯°±$dg • ²³jk›‡-Tþ7BCÚf·U¸¹v Leben im Dorf Yanagida 1999g (1949) ‰òóô jkkkÞ •jk›k• 1á6ÄNST‰òóô§a–j‡-f®¯°±$dg •² ³jk›k-Tá6ÄNfUd³3v Traditionelle Feste im Dorf Yanagida 2001 (1931) ‰òóô .//j •jkŽj• TDE[FGHIªf67JK¸v$dg •²³jkŽj Lebensstil in der Meji- und TDE[FGHIªf·U¸¹v Taisho-Periode Yanagida 2004 (1910) ‰òóô .//› •jkj/• TLMNOf¸äv$dg •–..—O˜™$²³jkj/ TL MNOf;<= Geschichte von Tono Yasumura 2006 PþQR”.//0-1S!T7momUBmVvZ´mV4Wb!XYS!ZOP¥e Kaneyamazeder reg. ES!TC[Ú\B]^7mV_`ESTabcY–›lˆfUVabYZ$dg Gesellschaft u. Ökonomie Yorimitsu u. Kurisu 1996 d,ef$ghij-jkk0-TklÆt´mÆlnÇ7op`fUV4WqKv$dg Agrartourismus in Japan Yokokawa 2003 Frsj-.//Ž-Ttuvtw…È„…Oxyfz1°±$dg National Trust Yoshimoto 2006 {V|D-.//0”T}BÖ~¥Ûf•äv$dg Poesie €•‚£ƒ$„ò…†-jkk‡--T‡ˆy,‰$%QŠ$Y‹Œ•ŽÛ-ES!Z1¬• Yuki u. 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