Diplomarbeit Titel der Diplomarbeit „Wir zieh’n den Chanchan die Hälse lang!“ Kobayashi Kiyochikas Karikaturenserie Hyakusen hyakushō exemplarisch beleuchtet Verfasserin Sonja Margaretha Hotwagner, Bakk. angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag. phil.) Wien, im Juni 2008 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 315 Studienrichtung lt. Studienblatt: Kunstgeschichte Betreuerin: Univ.-Doz. Dr. Jorinde Ebert Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort ........................................................................................................4 2. Einleitung.....................................................................................................6 3. Der Sino-Japanische Krieg 1894-95 ..........................................................7 4. Der Künstler ..............................................................................................13 4.1. Kobayashi Kiyochika – Sein Leben ......................................................13 4.2. Die Forschungslage..............................................................................23 5. Das Werk....................................................................................................25 Die Karikaturenserie Nippon Banzai. Hyakusen hyakushō (日本万歳百選百笑) ......................................................................................................................25 5.1. Exkurs: Satire und politische Karikatur in Meiji-Japan ..........................28 5.1.1. Charles Wirgman und sein Japan Punch........................................28 5.1.2. Marumaru Chinbun 丸丸珍聞..........................................................29 5.2. Formales zur Serie ...............................................................................29 5.3. Ukiyo-e, ein Nachrichtenmedium mit „Ablaufdatum“.............................31 5.4. Der Zauber der Zeichnung ...................................................................34 5.5. Der Chanchan – Zwischen Zerrbild und Vertrautheit............................36 5.6. Bild versus Schrift.................................................................................41 6. DIE BEISPIELE ............................................................................................43 6.1. Inhaltsverzeichnis .................................................................................44 „Prolog“ (Abb. 5) ............................................................................................ 6.2. Blatt 1: ...................................................................................................57 „Chanchans großer Schrecken“ (Abb. 6) ....................................................... 6.3. Blatt 2: ...................................................................................................65 „Das Lied vom Zerstampfen“ (Abb. 7)............................................................ 2 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.4. Blatt 3: ...................................................................................................71 „Eilmeldung! Eilmeldung!“ (Abb. 8) ................................................................ 6.5. Blatt 4: ...................................................................................................78 „Hochkonjunktur in der Unterwelt“ (Abb. 9).................................................... 6.6. Blatt 5: ...................................................................................................85 „Fluchtvorbereitungen“ (Abb. 10) ................................................................... 6.7. Blatt 6: ...................................................................................................92 „Köpfeziehen“ (Abb. 11)................................................................................. 6.8. Blatt 7: ..................................................................................................98 „Ein dickhäutiges Gesicht“ (Abb. 12) ............................................................. 6.9. Blatt 8: ................................................................................................104 „Vergnügen an modernem Kriegsspielzeug“ (Abb. 13).................................. 6.10. Blatt 9: ..............................................................................................111 „Eine in China neu erfundene Maschine“ (Abb. 14) ....................................... 6.11. Blatt 10: ............................................................................................119 „Großes Gedränge am Fluss Sanzu“ (Abb. 15) ............................................. 7. Zusammenfassung .................................................................................126 8. Glossar.....................................................................................................128 9. Literaturverzeichnis................................................................................133 10. Zeittafel ...................................................................................................139 12. Abbildungsverzeichnis..........................................................................141 13. Anhang....................................................................................................143 13.1. Abstract ..............................................................................................143 13.2. Lebenslauf der Verfasserin.................................................................144 3 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 1. Vorwort Die vorliegende Arbeit widmet sich der Karikaturenserie Nippon Banzai. Hyakusen hyakushō, zu deutsch „Lang lebe Japan! Hundertmal gewählt, hundertmal gelacht“, des japanischen Künstlers Kobayashi Kiyochika. Im Rahmen meines Doppelstudiums der Kunstgeschichte sowie der Japanologie wurde schon früh mein Interesse für asiatische Kunst geweckt, insbesondere die unglaubliche Vielfältigkeit des japanischen Farbholzschnittes konnte mich bald in seinen Bann ziehen – einen Bann, der bis heute anhält. Je länger ich mich mit dem ukiyo-e beschäftige, desto mehr faszinierende Facetten scheinen sich zu bieten, desto mehr spannende Fragen gilt es zu bedenken. Ich habe im Zuge dieser Diplomarbeit viel gelernt und ich möchte gleich an erster Stelle die Gelegenheit nutzen, mich bei den Menschen zu bedanken, die dies erst möglich gemacht haben. Bedanken möchte ich mich an erster Stelle ganz herzlich bei meiner Betreuerin, Frau Univ.-Doz. Dr. Jorinde Ebert, die mich durch ihren Unterricht für die Ostasiatische Kunstgeschichte begeisterte und mir beim Verfassen dieses Papiers hilfreich zur Seite stand. Ein besonders herzlicher Dank gilt des Weiteren dem Leiter des Instituts für Ostasienkunde, Herrn Univ.-Prof. Dr. Sepp Linhart, der mir die Teilnahme an einem Forschungsprojekt, die Karikatur im ukiyo-e betreffend, ermöglichte und mit seinem Wissen Hürden zu überwinden half. Ohne die Hilfe und Geduld Frau Noriko Brandls wäre mir das Übersetzen der, in gar mancherlei Fällen kniffligen, Begleittexte sicherlich nicht gelungen. Sie begleitete mich bei dieser Arbeit und nahm stets Anteil an meinen Sorgen. 4 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Meine Familie trug mit Verständnis für die Tücken und Mühen des Studentenlebens sowie dem richtigen Blick für die wesentlichen Dinge des Lebens maßgeblich zum Abschluss meines Studiums sowie dem Entstehen dieser Arbeit bei. Liebe Eltern, Ba und Lis – Danke…Hab euch sehr sehr lieb! Sehr geholfen haben mir außerdem meine Freunde, insbesondere Martin, Micha und Sabine, drei bewundernswerte Menschen. Ihnen und euch allen vielen herzlichen Dank! In dieser Arbeit verwendete chinesische Eigennamen (Orte, Personen u.a.) wurden großteils im ISO–7098:1991–standardisierten Hanyu Pinyin 漢語拼音文 字 romanisiert und unterscheiden sich daher von den meisten zitierten Quellen, die sich vorwiegend den früher verwendeten Methoden wie der nach WadeGiles, bedienen. Englische Zitate wurden vorwiegend belassen, vereinzelte Übertragungen ins Deutsche wurden von mir vorgenommen. Die Übersetzungen der japanischen Texte entstanden im Rahmen des Forschungsprojektes „Ukiyo-e Karikaturen 1842-1905“ am Institut für 1 Ostasienkunde/Wien und finden sich auch in der entsprechenden Datenbank . 1 http://kenkyuu.jpn.univie.ac.at/karikaturen/ger/db_use.htm 5 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 2. Einleitung Ukiyo-e, also der japanische Farbholzschnitt, gilt hierzulande trotz stetig steigendem Interesse und dem Japan-Boom der letzten Jahre wohl leider immer noch als Exot unter den kunsthistorischen Fachgebieten. Namen wie Hiroshige, Hokusai oder Utamaro haben zwar längst, nicht zuletzt auch wegen der unbestreitbaren Impulse, welche ihre Kunst der westlichen Malerei zu geben vermochte (man denke hierbei etwa an Toulouse-Lautrec, van Gogh oder den Wiener Jugendstil), auch in europäische Kunstbetrachtungen Eingang gefunden, der wahre Umfang und die immense Vielfältigkeit des Mediums bleibt jedoch bis dato nur wenig bekannt. So war es für mich auch eine neue Herausforderung, mich im Zuge meiner Diplomarbeit auf neues Terrain zu begeben, ein Terrain fernab der so genannten „Hohen Kunst“, nahe am Menschen und seinem täglichen Umfeld, an Gedanken und Ideologien – der Karikatur. Der Sino-Japanische Krieg 1894-95 war von oftmals unterschätzter Wichtigkeit für das aufstrebende Inselreich. Erstmals konnte Japan sich der Weltöffentlichkeit als moderne Industrienation präsentieren und aus dem Schatten seines übermächtigen Nachbars China treten. Abseits der Schlachtfelder werden in jedem Krieg jedoch auch andere Kämpfe gefochten, Kämpfe auf Papier, zwischen Propaganda, Kunst und Kommerz. Kobayashi Kiyochikas Karikaturenserie ist ein solcher Kampf und ich möchte versuchen, ihn anhand einiger Beispiele in verschiedenen Facetten zu beleuchten. 6 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 3. Der Sino-Japanische Krieg 1894-95 Die Beschäftigung mit Kobayashi Kiyochikas Karikaturenserie Nippon banzai. Hyakusen hyakushō muss zwangsläufig bei der Betrachtung des historischen Kontextes beginnen, welches hier in besonders enger Verbindung mit dem Werk selbst steht, ja eigentlich die grundlegende Thematik lieferte. Über Jahrhunderte hinweg hatte die Verbindung zu China in Japan einen besonders großen Platz eingenommen, die räumliche Nähe machte wechselseitige Beeinflussung leicht möglich. Vor allem auf technischem und kulturellem Felde partizipierte Japan stets an der deutlichen Überlegenheit des chinesischen Nachbarn; ob klassische Literatur, militärische Grundkenntnisse oder höfisches Zeremoniell - chinesischer lifestyle fand auf vielerlei Arten Eingang in japanische Traditionen, bereicherte und ergänzte sie. Auch die Schrift verdankte man der chinesischen Hochkultur, aufbauend auf und ergänzend zu den Schriftzeichen chinesischen Ursprungs (kanji) entwickelte Japan sein eigenes Schriftsystem; bis in die Zeit des SinoJapanischen Krieges hielt sich jedoch der Usus, spezielle offizielle oder literarische Dokumente in Chinesisch zu verfassen. Ende des 19. Jahrhundert sollte sich das Kräfteverhältnis nun maßgeblich und bis heute nachwirkend ändern – der Sino-Japanische Krieg 1894-95 legte die Weichen für Japans weiteren Aufschwung und seinen heutigen Platz auf der internationalen Bühne. Der Sieg über China sollte nicht nur zu einem neuen Selbstbewusstsein und dem Ausprägen eines Nationalstolzes bislang ungeahnten Ausmaßes, sondern auch zu wirtschaftlichem und politischem Progress führen. Auch wenn oftmals lediglich als Fußnote der Geschichte erwähnt, war der kaum ein Jahr währende Krieg für Japan von fundamentaler Bedeutung, er steht heute ungerechtfertigt im Schatten des Pazifischen Krieges, welcher erst Jahrzehnte später Raum greifen sollte. 7 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Meine Arbeit beschäftigt sich mit einer Serie an Farbholzschnitten, welche noch während des Krieges in Japan erschienen. Um sich ihnen wissenschaftlich zu nähern, möchte ich an den Anfang dieser Beschäftigung einen kurzen Abriss des Kriegsverlaufes stellen. Weiterführend verweise ich auf das grundlegende englischsprachige Werk zum Sino-Japanischen Krieg 1894-95 von Nathan Chaïkin (1983), sowie die Publikationen von Sarah Paine (2003) und Stewart Lone (1997). Einen empfehlenswerten Überblick bietet auch Okamoto Shumpei im Vorkapitel seines Buches Impressions of the Front. Woodcuts of the Sino-Japanese War, 1894-1895 (1983). Ausgangspunkt des Sino-Japanischen Krieges waren politische Interessen in Korea. Lange Zeit hatten China und Japan hier bereits um Domänen und Einflusssphären gebuhlt, kriegerische Auseinandersetzungen schienen über kurz oder lang vorprogrammiert. Während China sich eher zurückhaltend gab und gröberen Konflikten aus dem Weg zu gehen schien (landesinterne Probleme mögen hierbei eine bedeutende Rolle gespielt haben), war Japan förmlich bestrebt, die Früchte der im Zuge der Meiji-Revolution 1868 durchgeführten umfassenden Modernisierung des Militärs und der Industrie zu ernten und im Rahmen eines Kräftemessen auf die Probe zu stellen. Ein Anlass war bald gefunden. In Korea rivalisierten konservative Parteien, welche eine engere Verbindung zu China forderten, und progressiv gesinnte, pro-japanische Gruppen miteinander; im Jahre 1894 brach schließlich im Süden des Landes eine ernstzunehmende Revolte aus. Urheber war eine Sekte namens Tonghak, eine Gruppe Japan feindlich gesinnter koreanischer Nationalisten, die sich bald schon gegen die eigene reaktionäre Regierung in Seoul richtete. 8 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō In dieser prekären Lage sah diese keinen anderen Ausweg, als China um militärische Unterstützung bei der Niederschlagung des Aufstandes zu bitten – ein Wunsch, dem China rasch nachkam, nicht jedoch ohne in genauer Beachtung des Vertrages von Tientsin Japan von der Truppenbewegung zu informieren. Der Vertrag von Tientsin war am 18. April 1885 zwischen dem japanischen Beauftragten Itō Hirobumi und dem chinesischen Oberbefehlshaber Li Hongzhang abgeschlossen worden und legte fest, dass bei Truppenbewegungen oder Vorkommnissen jeglicher Art der Vertragspartner zu informieren sei. Prompt sah Japan seine Stunde gekommen und schickte am 2. Juni 1894 entgegen des ausdrücklichen Wunsches der koreanischen Regierung seinerseits Truppen, zahlenmäßig den chinesischen weit überlegen, gen Korea, um einen Machtüberhang zugunsten Chinas tunlichst zu unterbinden. Am 8. Juni landeten 2.000 chinesische Soldaten bei Asan, während die japanischen bei Inchor, nahe Seoul, an Land gingen. Am 23. Juli drangen letztere in den koreanischen Regierungspalast ein und nahmen die königliche Familie gefangen. Derart unter Druck gesetzt, bat der Taewongon Japan, Korea von den chinesischen Truppen zu befreien – die Legitimation des Krieges war erreicht. Noch vor der offiziellen Kriegserklärung am 1. August 1894 begannen erste Kampfhandlungen, so etwa bei Phungtao (Hōtō 豊 島 , 25. Juli), Songhwan (Seikan 盛観, 29. Juli) sowie bei Asan (Gazan 牙山, 30. Juli), einer südlich von Seoul gelegenen Festung. Als sich im August beide Nationen schließlich formell den Krieg erklärten, waren die Begründungen recht schwammig: Während Japan sich, wie bereits erwähnt, auf die „Bitte“ der koreanischen Regierung berief und den Vorsatz, Korea zu reformieren, vorschützte, beschwor China die Mission, von Japan ausgehende Aggressionen zu unterbinden. 9 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bereits am 16. September nahmen japanische Truppen die Festung von Pjöngjang (Heijō 平城) ein und zwangen damit ihren Gegner zum Rückzug jenseits des Flusses Yalu. Damit verlor China nicht nur seine letzte Position in Korea, auch sein Ansehen litt unwiderruflich an der schweren Niederlage. Ab nun sollten die Kämpfe auf chinesischer Erde stattfinden. Einen Tag später, am 17. September, standen sich die japanische und chinesische Flotte im Gelben Meer (Kōkai 黄海) gegenüber und beschworen damit die erste mit Dampfschiffen ausgetragene Seeschlacht der Weltgeschichte herauf. Auf Seiten Japans standen zwölf Schlachtschiffe, angeführt von dem Flaggschiff Matsushima, auf chinesischer Seite vierzehn Schlachtschiffe unter dem Flaggschiff Dingyuan 2 . Doch trotz der zahlenmäßigen Unterlegenheit blieben die Japaner im offenen Feuer siegreich. Die folgenschwere, vier Stunden andauernde Schlacht sollte in Folge in zahlreichen Darstellungen wie auch einigen hier behandelten thematisiert werden. Gleichzeitig rückten weitere japanische Truppen zu Lande über den Yalu-Fluss vor und nahmen auf chinesischem Grund einen Stützpunkt nach dem anderen ein. Am 21. November folgte schließlich der nächste große Schlag für China. Port Arthur, die bedeutsamste Festung in der Mandschurei (nicht zuletzt auch das Heimatland der herrschenden Dynastie) fiel an Japan, der Weg nach Peking lag offen. Als am 2. Februar 1895 auch noch Weihaiwei eingenommen und der Rest der chinesischen Flotte versenkt werden konnte, entschloss sich China, den altgedienten Oberbefehlshaber Friedensverhandlungen nach Li Hongzhang Japan zu mit entsenden. der Nach Bitte um bewegten Verhandlungen und Verzögerungen aufgrund des Schussattentats eines japanischen Nationalisten auf Li (er überlebte, lediglich leicht verletzt) erfolgte Auch häufig Ting Yuen. Gepanzertes Flagschiff der chinesischen Marineflotte und eines der modernsten Schlachtschiffe seiner Zeit. 2 10 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō am 17. April desselben Jahres schließlich die Unterzeichnung eines Friedensvertrages, des Friedensvertrages von Shimonoseki. China wurde gezwungen, die Autonomie Koreas anzuerkennen. Des Weiteren sollten jährlich Kriegsentschädigungszahlungen von 200 000 000 tael an Japan gezahlt werden, in Anbetracht der Lage der durch den Krieg bereits finanziell und politisch ausgebluteten chinesischen Regierung eine schier unglaubliche Summe. Außerdem sollte neben den Pescadoren-Inseln 3 und der Halbinsel von Liaodong 4 auch Taiwan an Japan fallen und chinesische Häfen für allgemeinen Handel geöffnet werden. Der Sino-Japanische Krieg 1894-95 führte zu einer vollkommenen Umkehr des Kräfteverhältnisses zwischen China und Japan sowie einer neuen Wahrnehmung der bislang lediglich sekundär wahrgenommenen Insel - das moderne Meiji-Japan hatte die Bewährungsprobe erfolgreich bestanden. Kobayashi Kiyochikas Karikaturen schöpfen aus den Ereignissen des Krieges, sie sind gespickt mit Anspielungen auf wichtige Schlachten und Ereignisse und fungierten so als kommentierend-lenkender Vermittler zwischen Front und Heimatland. 3 澎湖島, jap. Hōkotō, chin. Pénghú. Archipel in der Straße von Taiwan 遼東, jap. Ryōtō. Zwischen dem Golf von Korea und dem Golf von Bohai gelegene Halbinsel in der chinesischen Provinz Liaoning. 4 11 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Abbildung 1: Karte zum Verlauf des Sino-Japanischen Krieges 1894-95 12 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 4. Der Künstler 4.1. Kobayashi Kiyochika – Sein Leben Kobayashi Kiyochika wurde 1847 als neuntes und letztes Kind seiner Eltern in Edo, dem heutigen Tōkyō geboren. Sein Vater, Kobayashi Mohei (小林茂兵衛), war Beamter, zuständig für den am südöstlichen Ufer des Sumida-Flusses gelegenen Distrikt Honjo (本所) und ein vormaliger Gefolgsmann des Tokugawa Shoguns 5 (Smith 1988:6). Wie bei Ōmagari nachzulesen ist, ließ Kiyochikas Vater seinen Namen später auf „Seibei“ 6 umändern, vielleicht aufgrund von Differenzen mit dem Shogun Iemochi. Sein Name enthielt ein Schriftzeichen, welches auch in „Mohei“ 7 verwendet wird (Ōmagari 1931:9). Seine Mutter stammte aus ähnlichem familiären Umfeld, auch ihre Vorfahren standen einstmals im Shogunalen Dienst und waren nun für die Reisvorräte am anderen Ufer des Sumida, nördlich der Asakusa-Brücke zuständig (Smith 1988:6). Als koage-gashira sō-tōdori, so der offizielle Titel, verdiente Kobayashi Mohei gerade genug, um seine Familie zu erhalten; aufgrund einer Darstellung in Kiyochikas autobiographischem Skizzenbuch (Abb. 2) liegt die Vermutung nahe, er habe sich darüber hinaus durch kleinere Handwerksarbeiten ein Zubrot verdient. Das kleine Büchlein gibt episodenhaft Szenen aus Kiyochikas Jugend wieder, die politischen Unruhen der 1860er Jahre, den Tod des Vaters und die Einnahme seiner Stellung als Familienoberhaupt 1862 sowie eine Reise nach Tokugawa Iemochi 徳川 家茂 (1846–1866, Reg. 1858-66) Seibei 清兵衛 7 Mohei 茂兵衛 5 6 13 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Kyōto, die Kiyochika in Gefolgschaft des Shoguns 1865 antrat. Im Rahmen meiner Arbeit werde ich noch auf das autobiographische Skizzenheftchen sowie die Liebe zur Zeichnung zurückkommen (Smith 1988:7). Abbildung 2: Auszug aus dem autobiographischen Skizzenbuch Kobayashi Kiyochikas Über die frühen Jahre Kiyochikas ist, abgesehen von den im Skizzenbuch dargestellten Begebenheiten, wenig bekannt, Smith spricht von einer „era of wandering“, schränkt aber gleichzeitig ein, dass die Wanderschaft wohl nicht allzu weit reichend gewesen sein mag (Smith 1988:7). Bekannt ist die Tatsache, dass der junge Mann sich unter die Gefolgschaft des letzten Shoguns, Tokugawa Keiki 8 , mischte und ihm im neunten Monat 1868 in die Präfektur Shizuoka zu dessen neuen Residenz folgte. Hier, genauer gesagt in 8 der Region Chamachi, ist die Tokugawa Yoshinobu, auch Keiki 徳川 慶喜 (1837-1913) 14 Ankunft eines „Kobayashi Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Katsunosuke 9 “ (Kiyochikas Name in Kindestagen) in einem Dokument belegt. Yoshida und Urushibata nennen weiters Aufzeichnungen, die eine Anwesenheit des Künstlers 1869 in Washizu, einem am See Hamana gelegenen Ort im südwestlichen Teil der Präfektur erwähnen (Yoshida 1971:28 und Urushibata 1977:31). Über den Aufenthalt Kiyochikas in Washizu von 1869 bis 1874 ist wenig bekannt, lediglich seine Heirat mit der Bauerntochter Fujita Kino gilt als gesichert (Urushibata 1977:31). Kurzzeitig schloss er sich einer fahrenden Truppe unter der Führung des bekannten Schwertkämpfers Sakakibara Kenkichi an, der angeblich im Ort Station gemacht und den jungen Mann angeworben haben soll. Sollte dem so gewesen sein, dürfte es sich jedoch nur um einen kurzen Zeitraum gehandelt haben, zumal sich Sakakibara um 1872 bereits wieder in Tōkyō befand, wo er eine Schule gründete. Berichte meinen zu wissen, dass Kiyochika mit der Truppe durch die Lande zog, Ise und Nagoya besuchte und zumeist aufgrund seiner Körpergröße eindrucksvoll am Eingang der Schau eingesetzt wurde (Smith 1988:7). Im Frühjahr 1874 kehrte er schließlich zusammen mit seiner Frau und Mutter nach Tōkyō zurück, wo er sich wahrscheinlich bessere Zukunftschancen erhoffte. Quartier bezog er hier in Honjo Sotode-chō, etwas nördlich von seinem ehemaligen Heim entfernt. Die darauffolgenden zwei Jahre, von der Ankunft in der Stadt bis zu seinem Debüt im Bereich des Farbholzschnittes, liegen bis dato größtenteils im Dunklen. Über die Lehrjahre Kiyochikas wurde von Seiten der Wissenschaft viel spekuliert, das gänzliche Fehlen einer direkten Überlieferung zu Lebzeiten macht genaue Angaben aber unmöglich. Wie Smith in seiner Monographie zu Kobayashi Kiyochika meint, ist der kurze Eintrag zu einer Ausstellung, wahrscheinlich von Kiyochika selbst verfasst, das wichtigste greifbare Indiz. Dieser lautet in deutscher Übersetzung: „Geboren im 9 小林勝之助 15 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō achten Monat des Jahres 1847 als Sohn des Kobayashi Sebei. Keine vorangegangene Lehre von irgendeinem Meister (katsute shiden o ukezu). Beeinflusst von dem Stil Iwasas und Hishikawas“. Iwasa Matabei (1578-1650) sowie Hishikawa Moronobu (1618-1694) gelten als die „Begründer des ukiyo-e“ in der frühen Edo-Zeit – für die These des Autodidakten ein wesentliches Indiz, sah sich Kiyochika somit also nicht mit Vertretern respektive Lehrmeistern der zeitgenössischen Kunst, sondern vielmehr mit den Granden des Genres verbunden (Smith 1988:7). In dem ausführlichen Bericht einer Zeitschrift meint Kobayashi Gentarō kurz nach dem Tod des Künstlers 1915, Besseres zu wissen. Er meint, Kobayashi hätte „unter Chingaku, Zeshin, Nanrei und Kyōsai studiert, jedoch nicht lange“ (Kobayashi 1916:43). Smith gibt hier berechtigt zu bedenken, dass Suzuku Nanrei (1775-1844) zum Zeitpunkt Kobayashis Geburt bereits verstorben war und er als Lehrer somit wohl auszuscheiden sei. Kontakt mit Kawanabe Kyōsai (1831-1889) gelte als gesichert, auch zu Shibata Zeshin (1807-1891) ließe sich eine Verbindung herstellen, Kontakt zu Awashima Chingaku (1822-1888) lasse sich jedoch nicht nachweisen (Smith 1988:7). Wichtig erscheint mir hier in Bezug auf das Thema der Karikatur der Hinweis, dass auch eine Schulung durch den englischen Karikaturisten Charles Wirgman (1832-1891), den ich anschließend kurz behandeln möchte, angedacht und vertreten wurde (siehe Kinoshita, Keene u.a.). Ich möchte nicht näher auf die einzelnen Standpunkte eingehen, denn die Frage nach der Schulung Kiyochikas bedarf noch einiger Betrachtung und ist für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit nicht relevant. 1876 begann die Zusammenarbeit mit dem Verleger Matsuki Heikichi, der zwanzig Jahre später auch für die Blätter der hier behandelten Serie verantwortlich zeichnen sollte. Es entstanden Drucke im westlichen Stil, die Phase zwischen 1876 und 1881 ist von großer Experimentierfreude und Originalität in der Bildfindung geprägt. Ab 1879 erschienen Kiyochikas Drucke 16 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō von Ansichten aus Tōkyō (Tōkyō meisho zu, 東京名所図) auch bei einem anderen Verleger, Fukuda Kumajirō (Smith 1988:8). Das Jahr 1881 stellt eine deutliche Zäsur im Leben Kiyochikas dar. Aus bislang strittigem Grund stellten beide Verleger, Matsuki sowie Fukuda, Mitte des Jahres die Produktion seiner Drucke ein und sollten sie bis 1883 nicht wieder aufnehmen. Gleichzeitig brach Kiyochika (trotz Erfolgen) mit dem westlich beeinflussten Farbholzschnitt und wendete sich unmittelbar der Karikatur zu. Wodurch die abrupte Abkehr herbeigeführt wurde, ist uns heute leider nicht überliefert, als möglicher Grund wurde jedoch das große Ryōgoku-Feuer, welches am 26. Jänner in Tōkyō wütete, genannt. Überlieferungen zufolge sei Kiyochika, anstatt sich um Familie und Heim zu kümmern, in die Nacht hinausgelaufen um Skizzen der Szenerie anzufertigen – eine Haltung, die vermutlich zu Konflikten führte (Smith 1988:8). Wie Kondō ausführt, können jedoch wahrscheinlich nicht allein private Gründe für diese radikale Abkehr verantwortlich gemacht werden. Vielmehr sei es wohl die zunehmend nationalistische Gesinnung im Lande, die Kiyochika gezwungen habe, seinen westlich geprägten Arbeitsstil abzulegen (Kondō Ichitarō: Kiyochika to Yasuji – Meiji no hikari no hangaka tachi. Tōkyō 1944, in: Smith 1988:8). Smith hingegen spricht sich gegen diese These aus, Kiyochika habe zu wenig Kontakt zu einschlägigen intellektuellen Gruppierungen gehabt, um die erst verborgen keimende Stimmung derart deutlich wahrzunehmen (Smith 1988:8). Ausschlaggebend sei schlicht die Erschöpfung des Marktes gewesen. Zum einen hatte die Serie der Ansichten Tōkyōs (東京名所図) in kürzester Zeit bereits die hohe Auflage von dreiundneunzig Stück erreicht, zum anderen ließ sich allmählich eine Änderung des Publikumsgeschmacks erkennen. 17 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō So erfreuten sich zunehmend grelle Farbtöne (im Gegensatz zu Kiyochikas gedeckter Farbpalette der frühen Jahre) sowie historische oder gesellschaftliche Themen allgemeiner Beliebtheit (Smith 1988:8). Das Jahr 1881 war ein politisch außerordentlich bewegtes für die noch junge Meiji-Regierung, es gilt aufgrund der Aneinanderreihung verschiedener Skandale auf dem Finanzsektor sowie Unruhen unter der Bevölkerung auch als die „Political Crisis of the Fourteenth Year of Meiji 10 “. Ab 1881 entstanden Kiyochikas humoristische Blätter, die unter der Bezeichnung Kiyochika Punch ( 清 親 ポ ン チ , Abb. 3) bekannt waren, und es ist wohl nicht zufällig, dass zumindest einer der Drucke die politischen Ereignisse dieser Tage karikiert. Abbildung 3: "Fukugawa Susaki in Tokyo." Blatt aus dem Kiyochika Punch 1881. 10 Mit der Revolution und dem Amtsantritt des Meiji-Kaisers 1868 begann eine neue Ära, die nunmehrige Zeitrechnung begann mit „Meiji 1“ 18 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Es bleibt zu bedenken, dass der Künstler als ehemaliger Anhänger des Shoguns große Sympathie für die Freiheitsbestrebungen Bürgerrechtsbewegung hegte, welche sich in Satsuma und Chōshu sowie 11 die gegen die Dominanz der Meiji-Regierung stellte und insbesondere von vormaligen Samurai getragen wurde. So sei Kiyochika zunehmend in politische Aktivität verstrickt worden und habe durch seine langjährige Karikaturistentätigkeit die Bewegung unterstützt (Smith 1988:9). Ein von Hara Taneaki (1853-1942) veröffentlichtes Blatt führte 1883 zur Verhaftung des Verlegers; Kiyochika, dessen Signatur glücklicherweise nicht auf dem Druck erschienen war, kam ungeschoren davon (Inoe Kazuo: „Kiyochika to Hara Taneaki-ō“, Ukiyo-e no Kenkyū 12. Tōkyō 1924, S. 7-16. in: Smith 1988:9). Die Zeit von 1881 bis 1894, dem Ausbruchsjahr des Sino-Japanischen Krieges, ist gekennzeichnet von einem großen Output an Drucken, welche jedoch kaum die Qualität früherer Blätter zeigen. Seit 1882 war Kiyochika gleichzeitig als Karikaturist für das satirische Journal Marumaru Chinbun tätig, eine Aufgabe, der er sich gerne und nach gänzlicher Aufgabe der nishiki-e 1886 voll widmete. Die späten 1880er Jahre waren gekennzeichnet durch schwere persönliche Verluste, 1889 starb Kiyochikas enger Freund Kawanabe Kyōsai, kurz darauf sein Lieblingskind Inoue Yasuji. Zudem verlor Kiyochika 1891 nach langen Jahren der fruchtbaren Zusammenarbeit seinen Mitstreiter und Verleger Matsuki Heikichi und im September darauf den Redakteur des Marumaru Chinbuns, Nomura Fumio. Mit letzterem ging die politische Ära des Blattes zu Ende, fortan sollte seichte Zerstreuung das Hauptkennzeichen der Zeitung sein (Smith 1988:9). Bald darauf endete auch die Tätigkeit Kiyochikas als Karikaturist des Maruchin. Nach der Entlassung eines Mitarbeiters und Freundes, Tsuda Jinzaburō, folgte japanische Präfekturen und Ausgangspunkt einer von ehemaligen Samurai getragenen Revolte gegen die Regierung 11 19 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō der Künstler ihm solidarisch nach und stellte seine Arbeit für das Journal ein (Smith 1988:9). Der Ausbruch des Krieges mit China im Spätsommer 1894 brachte zunehmende Nachfragen an Schlachtendarstellungen und lieferte Kiyochika ein neues Betätigungsfeld. Er war nicht der einzige, Donald Keene schätzt die Zahl der in dieser Zeit entstandenen Blockdrucke auf 3.000 Stück, was einen Output von zehn neuen Drucken pro Tag (!) bedeuten würde (Keene 1971:135). Er bezieht sich hierbei auf Angaben des Ezōshi ten (1896:149). Meech-Pekarik merkt hierzu 1986 an, dass diese hohe Zahl sich jedoch sicherlich nicht nur auf Blockdrucke, sondern auf Medien jeglicher Art wie etwa Lithographien u.Ä. beziehe (Meech-Pekarik 1986:20). Mit über siebzig Triptychen und zahlreichen Einzelblatt-Drucken gehört Kobayashi Kiyochika jedoch zweifelsohne zu den produktivsten Künstlern seiner Zeit. Der Ausbruch des Sino-Japanischen Krieges im Sommer 1894 brachte für Kiyochika eine neue künstlerische Wandlung. Nach seiner Tätigkeit als Illustrator und Karikaturist für Marumaru Chinbun (丸丸新聞) wandte er sich plötzlich wieder dem seit Langem vernachlässigten Medium des Farbholzschnitts zu. Die steigende Nachfrage nach kriegsrelevanten Arbeiten scheint den Künstler nach einer Phase der Orientierungslosigkeit nunmehr wieder zu neuen Höchstleistungen beflügelt zu haben. Kiyochika, aus einer alten Beamtenfamilie stammend und ehemaliger Anhänger des Shogunats hatte sich der Meiji-Regierung gegenüber stets kritisch gezeigt, nun stellte er sich wohl aus finanziellen Motiven in den Dienst ihrer Kriegspropaganda. Besondere Berühmtheit erlangten die Darstellungen heroischer Schlachten in Form von Triptychen, von welchen während der Kriegszeit nahezu 70 Stück entstanden. Darüber hinaus fertigte Kiyochika auch eine unüberschaubare 20 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Reihe an satirischen Einzelblattdrucken an, zu denen auch die Serie Nippon Banzai. Hyakusen hyakushō (日本万歳百選百笑)zählt (Smith 1988:82). 1899 verstarb Sei, eine der Töchter des Künstlers, und Kiyochika flüchtete aus der Enge Tōkyōs in die Präfektur Nagano, von dort aus weiter nach Tohoku und in die Präfektur Yamaguchi und schließlich wieder nach Nagano zurück. 1900 übersiedelte die Familie in ein neues Haus östlich des Flusses Sumida, nahe dem Akiba-Schrein, und Kiyochika nahm einen neuen Posten als Illustrator für das politische Blatt Niroku shinpō (二六新報) an. Doch ein nicht näher überlieferter Zwischenfall zwang ihn schon 1903, seine Tätigkeit einzustellen, ein Konflikt kam dem in Kriegsthemen geschulten Künstler gerade recht. Doch trotz einer Reihe an Blättern konnte Kiyochika nur mühsam an frühere Erfolge zur Zeit des Sino-Japanischen Krieges anknüpfen und so sah sich seine Frau gezwungen, zum Wohle der Familie einen kleinen Souvenirladen in Asakusa zu eröffnen – und ihn kurze Zeit darauf aufgrund der kriegsbedingten Rezession wieder zu schließen (Smith 1988:10). Wiederum übersiedelte die Familie, diesmal nach Fujimi-chō, in eine elitärere Gegend, in welcher Kiyochika, durch Reisen unterbrochen, bis 1915 bleiben sollte. Nach dem Tod seiner zweiten Frau Yoshiko begab sich Kiyochika im April 1913 erneut auf eine Reise, die ihn in verschiedene Provinzen führen sollte und mit einem achtmonatigen Aufenthalt in der Präfektur Nagano endete. Hier blieb er bis Mai 1914 und fertigte Skizzen für eine Landschaftsserie an, die später unter Matsuki Heikichi erscheinen sollte. Im Juli 1915 verließ er Tōkyō, um in Nagano seinen sich immer weiter verschlechternden Rheumatismus mithilfe der heißen Quellen von Asano zu lindern, von wo er erst im Oktober desselben Jahres zurückkehrte. Kaum einen Monat später, am 28. November 1915, verstarb Kobayashi Kiyochika in seinem Haus in Takinogawa. 21 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Dichter Kurumizawa Kannai (1885-1940), der Kiyochika im Sommer 1914 als einer der letzten persönlich kennen lernte, schildert seine Eindrücke folgendermaßen (Smith 1988:13): „From his sophisticated comic pictures, I had imagined him to be a rather urbane old man, completely bald and small of stature with a whitish complexion. I was surprised to discover just the opposite. His hair was thick and still mostly black despite his age of near seventy. The long hair hung untidily down to his chest below a long and narrow face with a ruddy complexion. He was a large man, very solid, and my first impression, I now recall, was one of those local men of influence who were such a set type in that day…Although born and bred in Edo, he had none of the easy-going character of the so-called Edokko, and spoke little.” Abbildung 4: Kobayashi Kiyochika (Fotografie) 22 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 4.2. Die Forschungslage Kobayashi Kiyochika zählt zu den von westlicher Seite eher vernachlässigten japanischen Künstlern. Eine gewisse Präferenz zum „klassischen“ ukiyo-e herrscht hier ganz offensichtlich vor. Ungeachtet dessen scheint ebenso die japanische Forschung, insbesondere die der letzten Jahrzehnte, hier eine deutliche Lücke aufzuweisen. Grundlegend sind daher nach wie vor die Arbeiten von Yoshida Susugu (Kobayashi Kiyochika. The Last Ukiyoe Artist, Tōkyō 1971) und Sakai Tadayasu (Kiyochika. Ukiyoe Printmaker in Early Meiji Period, Tōkyō 1978), deren Publikation jedoch bereits mehr als 30 Jahre zurück liegen. Eine unschätzbare Bedeutung für die Forschung haben weiters die Memoiren Kobayashi Katsus, der Tochter des Künstlers. Stellvertretend sei hier der Aufsatz „Kiyochika no tsuioku“ (Chūō kōron 39/6, S. 1-43. neu aufgelegt in: Kanagawa-ken bijutsu fudoki – Meiji Taishō hen. Yurindō 1971) aus dem Jahre 1924 erwähnt. Eine wertvolle und unverzichtbare Quelle in englischer Sprache ist Henry Smith mit seiner 1986 erschienenen Monographie Kiyochika. Artist of Meiji Japan. Neben einer fundierten Aufarbeitung der Biographie Kiyochikas finden sich hier Besprechungen einzelner Serien und Werke des Künstlers, auch die Karikaturen werden behandelt. Auch Gunter Diesingers 1988 erschienenes Büchlein zu Kriegsdarstellungen der Meiji-Zeit bietet weitere wertvolle Informationen zu Kiyochika und der Serie im Allgemeinen. Manche im Rahmen dieser Arbeit behandelte Blätter erscheinen auch hier in Begleitung einer kurzen Erläuterung. Aus kunsthistorischer Sicht ebenso wertvoll sind zwei Werke, die Kiyochika zwar lediglich streifen, dem Farbholzschnitt zur Zeit des Sino-Japanischen 23 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Krieges jedoch im Allgemeinen ihr Augenmerk zuwenden. Es handelt sich hierbei um Okamoto Shumpeis Impressions of the Front. Woodcuts of the SinoJapanese War, 1894-95 (1983) sowie Nathan Chaïkins The Sino-Japanese War 1894-95 (1983). Ihr Fokus liegt insbesondere auf den heroisch überhöhten Triptychen. Beide Publikationen stellen ein wichtiges Mosaiksteinchen in der Beschäftigung mit Kiyochika und seinem Milieu dar. Mit dem Œuvre des Künstlers sowie dem Sino-Japanischen Krieg beschäftigt sich auch John W. Dower auf der Internetseite Throwing Off Asia. Woodblock prints of the Sino-Japanese War (1894-95) and Russo-Japanese War (1904-05). Exemplare aus der Jean S. and Frederic A. Sharf Collection des Museum of Fine Arts in Boston werden hier zielgerichtet und optisch reizvoll präsentiert und kommentiert. Die Einschätzung Kiyochikas ist widersprüchlicher Art. So konstatiert Hillier in seiner Publikation The Japanese Print. A New Approach, Kiyochikas Drucke seien „die nächste Stufe in der Zerstörung des nationalen Stils des Farbholzschnittes“ (Hillier. London 1960. in: Okamoto, Shumpei 1983: 8). 24 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 5. Das Werk Die Karikaturenserie Nippon Banzai. Hyakusen hyakushō (日本 万歳百選百笑) Kobayashi Kiyochika gilt als einer der bedeutendsten Künstler des SinoJapanischen Krieges. Zusammen mit Männern wie Kubota Beisen (1852-1906), Toyohara Chikanobu (1838-1912), Suzuki Kason (1860-1919), Taguchi Beisaku oder dem ebenfalls autodidaktisch tätigen Ogata Gekkō (1859-1920) schuf er zahlreiche Drucke zu den knapp ein Jahr andauernden Kampfhandlungen, Drucke, die bis heute durch ihre atmosphärischen Qualitäten sowie die oftmals unkonventionellen Kompositionen zu faszinieren vermögen. So konstatiert etwa Yoshida Susugu: „Das Werk Kobayashi Kiyochikas zum Sino-Japanischen Krieg stellt einen Höhepunkt in der kurzen Geschichte des ukiyo-e und nishiki-e dar, es verdient gewiss einen vorrangigen Platz in der Geschichte des japanischen Farbholzschnittes.“ (Yoshida 1964:262). Neben seinen, meist als Tryptichon konzipierten, heroisch überhöhten Darstellungen von Schlachten und Triumphen, mit welchen er zu großem Ruhm gelangte und die auch heute noch stellvertretend für sein gesamtes Œuvre herangezogen werden, befasste sich Kiyochika auch auf unkonventionelle Weise mit dem brandaktuellen Thema des Krieges. So entstand beispielsweise eine Serie von Einzelblatt-Darstellungen unter dem Titel „Spiegel der Helden zu Land und zu Wasser“ (Rikukai gunjin kōmeikan 陸 海 軍 人 高 名 鑑 ), in welcher der Künstler sich dezidiert dem (japanischen) Individuum im Kriegsgeschehen zuwendet. Es sind Helden des Kriegsalltages, die hier großformatig und kraftvoll ins Bild gerückt erscheinen (Dowe 2007:Kiyochikas War). 25 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Doch mit dem Erfolg der den Krieg bizarr-ästhetisch überhöhenden Drucke gab sich Kiyochika nicht zufrieden. Die bereits seit Längerem entdeckte Liebe zur Karikatur fand in dem Aufkeimen eines neuen Nationalismus und der Dämonisierung des Feindes einen neuen Nährboden. Herausgegeben von Matsuki Heikichi (1818-1923), welcher auch für zahlreiche andere Drucke Kobayashis verantwortlich zeichnete, entstand eine Reihe an Einzelblattdrucken in Farbe, die unter dem Titel Nippon banzai. Hyakusen hyakushō („Lang lebe Japan! Hundertmal gewählt, hundertmal gelacht“) im Zeitraum zwischen Oktober 1894 bis ins Frühjahr 1895. Laut Smith ist die Serie Nippon banzai eigentlich zweiteilig zu sehen, es existieren zwei verschiedene Serien mit diesem Obertitel, jedoch divergierenden Themen und ebenso unterschiedlichen Untertiteln (Smith 1988:94). Ich teile diese Sichtweise nicht, sondern ziehe es vor, die beiden Serien als nicht zusammenhängende Produktionen anzusehen. Trotz beibehaltenem Haupttitel ist der Fokus der Arbeiten zu verschieden als Teile einer einzigen Serie gelten zu können. Vom Oktober 1894 bis zum Frühjahr 1895, also zeitgleich mit den Kampfhandlungen auf koreanischem und chinesischem Boden, erschienen 50 Blätter unter dem Titel Nippon banzai. Hyakusen hyakushō. Hierauf folgte ein abschließendes Blatt, welches die bisher ausgegebenen Drucke auflistete und somit als Inhaltsverzeichnis bezeichnet werden kann; auf dieses wird in Folge noch zurückzukommen sein. Im begleitenden Prolog findet sich weiters der Hinweis auf eine Abänderung des Serientitels in Nippon banzai. Shakai gentō (日本万歳社会幻燈、„Lang lebe Japan! Eine Magische Laterne der Gesellschaft). Diese Serie, die abgesehen von dem Titelanfang Nippon banzai sowie den „üblichen Verdächtigen“ Kiyochika, Koppi Dōjin sowie Verleger Matsuki Heikichi thematisch nichts mit der ersten Serie gemein hatte, wurde nach dem Ende des 26 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Krieges im Herbst 1895 bis ins Jahr 1896 herausgegeben, ob sie jemals die komplette Stückzahl von 50 Ausgaben erreichte, wird von Smith bezweifelt (Smith 1988:94). Im Rahmen dieser Arbeit werde ich mich lediglich mit dem ersten Teil der Serie, also den dem Krieg gewidmeten und den Untertitel Hyakusen hyakushō tragenden Drucken beschäftigen. Der Titel Nippon banzai. Hyakusen hyakushō (日本万歳百選百笑) bezieht sich auf den der klassischen chinesischen Militärtheorie entnommenen Spruch „Hyakusen – hyakushō“, „Hundert Schlachten – Hundert Siege“ 百 戦 百 勝 (Diesinger 1986:17). Er wird hier durch die feinsinnige Verwendung anderer Schriftzeichen (das Schriftzeichen sen 選 für „auswählen“ anstatt des ursprünglichen 戦 für Schlacht, Krieg; das Zeichen shō 勝 für „Sieg“ wird durch 笑 für „lachen“ ersetzt) auf „Hundertmal gewählt, hundertmal gelacht“ abgewandelt – ein Hinweis auf den humoristisch-karikaturhaften Charakter der Blätter. Diesinger übersetzt es in seinen Erläuterungen zu Kiyochikas Werk mit „Hundertmal China (bzw. Russland) – hundertmal gelacht!“ und betreibt damit eine bereits sinngemäße Exegese (Diesinger 1986:17). Smith bleibt in seiner grundlegenden Monographie zum Künstler bei der Übertragung des Titels ins Englische enger am ursprünglichen Ausspruch, er spricht von „One Hundred Victories, One Hundred Laughs“ ungeachtet der Tatsache, dass es sich, wie oben ausgeführt, um ein kanji anderer Bedeutung handelt (Smith 1988:94). In einer Fußnote weist er jedoch auf das eigentliche „auswählen“ hin. Die Zahl Hundert im Titel deutet eine große Anzahl an Drucken an, sie ist jedoch nicht zwingend als genaue Stückanzahl zu verstehen (Diesinger 1986:17). 27 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 5.1. Exkurs: Satire und politische Karikatur in Meiji-Japan 5.1.1. Charles Wirgman und sein Japan Punch Charles Wirgman wurde 1832 in London geboren und schlug die Offizierslaufbahn in der Britischen Armee ein, bevor er als Autodidakt im Bereich der Karikatur tätig wurde. 1860 war er in China als Illustrator für die Zeitung Illustrated London News tätig, später war er für selbige in Japan beschäftigt. Als europäischer Künstler zog er hier reges Interesse auf sich, nicht wenige japanische Künstler, unter ihnen auch Takahashi Yuichi, kamen nach Yokohama, um bei Wirgman westliche Malerei zu studieren. Bekannt wurde der englische Aussteiger aber insbesondere durch seine, nach dem Vorbild des englischen Satiremagazins Punch gestalteten, Zeitschrift Japan Punch. Sie richtete sich als erstes in Japan erscheinendes englischsprachiges Magazin in erster Linie an die in Japan ansässige nicht-japanische Minderheit und erschien in den Jahren zwischen 1862 und 1887. Anfangs nur gelegentlich erscheinend, mauserte sich der Japan Punch rasch zu einer monatlich erscheinenden Zeitschrift mit einer Auflage von zwei- bis dreihundert Stück. Nach seinem Vorbild entstand in weiterer Folge ein, diesmal von einem Japaner, Nomura Fumio, herausgegebenes Magazin, Marumaru Chinbun (Meech-Pekarik 1987:179f). Für ihn sollte Kobayashi Kiyochika zahlreiche Karikaturen fertigen und auf dem Gebiet der ironischen Feder zur Meisterschaft gelangen. 28 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 5.1.2. Marumaru Chinbun 丸丸珍聞 Nomura Fumio, der Gründer des Marumaru Chinbun, stammte aus Hiroshima und hatte drei Jahre lang (1865-68) in England studiert. Zurück in Japan verdiente er seinen Lebensunterhalt mit Unterricht in „westlichen Studien“. Ab 1870 war er als Regierungsbeamter in seiner Heimatstadt tätig (Meech-Pekarik 1987:181). Die Erinnerung an englische Satirepublikationen wie dem Punch blieb jedoch weiterhin präsent und so begann Nomura ab 1877 eine eigene Zeitschrift, Marumaru Chinbun, herauszugeben. Der Ausdruck Marumaru bedeutet soviel wie „Kreise“ und bezieht sich auf die kleinen kreisförmigen Zeichen, welche in Sammlerkreisen als selbst auferlegtes Kontrollsymbol galten. Chinbun (珍聞) lehnt sich an das japanische Wort für Zeitung, shinbun (新聞), an, verfremdet die Bedeutung jedoch durch Austauschen eines Schriftzeichens hin zu „verrückte Texte“. Die Darstellungen waren, wie auch im Japan Punch, humoristische Karikaturen, die sich aktuellen Ereignissen und dem Leben im Zeitalter der durch große Umwälzungen gekennzeichneten Meiji-Regierung (1868-1912) widmeten (Meech-Pekarik 1987:181f). 5.2. Formales zur Serie Alle Blätter der Serie umfassen circa 25 x 37 cm und entsprechen damit dem japanischen ō-ban (大判) Format. Leichte Abweichungen in der Größe sind bei Drucken generell zu erwarten, zumal die Besitzer gerne ausgefranste Enden an den Blättern wegzuschneiden pflegten. 29 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bei den im Rahmen meiner Arbeit behandelten Drucken (sowie generell allen bekannten dieser Serie) findet sich der Titel der Serie, „Nippon banzai. Hyakusen hyakushō“ (日本萬歳百撰百笑, „Lang lebe Japan! Hundert mal (den Feind) ausgewählt, hundertmal gelacht“) in einer rechteckigen Kartusche im rechten oberen Eck des Blattes. Sie ist farblich unterlegt und zeigt je nach Blatt einen unterschiedlichen dreitonigen Farbverlauf (bokashi), zumeist in Blau- und Grüntönen. Daneben birgt ein querrechteckiges Feld Texte, die die Darstellungen kommentieren. Der japanischen Leseart entsprechend beginnt der Textfluss rechts und setzt sich in Spalten von oben nach unten nach links fort. Nach dem etwas stärker gedruckten Titel des Blattes rechterhand folgt die Nennung eines Namens bzw. Pseudonyms, Koppi Dōshin (骨皮道人). Er gilt als Verfasser der Texte und erscheint auf jedem der bekannten Drucke dieser Serie. Die Bezeichnung „Koppi Dōshin“ setzt sich aus den Schriftzeichen „Knochen“ (hone 骨 ) und „Haut“ (kawa 皮 ), sowie „Weg“ (michi 道 ) und „Mensch“ (hito 人) zusammen, Gunter Diesinger übersetzt dies als „der wahre Meister über Knochen und Haut“ (Diesinger 1986:17). Während Diesinger schlicht bekennt, es sei in der Forschung leider „nichts Näheres“ über den rätselhaften Namen bekannt (Diesinger 1986:17), meint ihn Smith Nishimori Takeki (西森竹気、1861-1913) zuschreiben zu können (Smith 1988:94). Dieser war einer der führenden Comic-Schreiber bei Marumaru Chinbun (丸丸新聞) und hatte bereits hier mit Kiyochika zusammengearbeitet. Der Verleger der Serie war Matsuki Heikichi (松本平吉), ein enger Freund und Förderer Kiyochikas. Er war Inhaber des in Tōkyō gelegenen Verlages Daikokuya (大黒屋) und zeichnete als solcher für die Veröffentlichung einer Reihe von Werken verantwortlich (Genshoku ukiyoe daihyakka jiten 1982:142). 30 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Angeblich soll Matsuki Heikichi Schüler des großen Kuniyoshi gewesen sein (Peters 2008:Yoshitoshi). Entstehungszeit des Druckes, Angabe des Verlagsortes sowie des Verlegers befinden sich am linken Rand des Blattes, die Schrift ist (nach japanischer Schreibweise in Spalten von oben nach unten) in roter Farbe direkt auf den Bildgrund gesetzt. Die Jahresangabe erfolgt in traditioneller Weise nach ÄraNamen und lautet somit Meiji 27 bzw. 28. 5.3. Ukiyo-e, ein Nachrichtenmedium mit „Ablaufdatum“ In einer Welt des überreichen Informationsflusses, des Überangebots an Medien verschiedenster Art fällt es oft nicht leicht, sich die Gegebenheiten des Lebens vor dem Einsetzen moderner Technologien vorzustellen und sich die Kostbarkeit und Attraktivität aktueller Nachrichten vor Augen zu halten. Ende des 19. Jahrhunderts waren fotografische Aufnahmen am Kriegsschauplatz noch Zukunftsmusik. Die Aufgabe, die Neugierde des heimatlichen Bürgertums zu befriedigen, erfüllten Brokatdrucke (Yumoto 1998:68), wie sie unter anderem auch von Kiyochika in großer Anzahl entworfen wurden. In der Tat waren Farbholzschnitte vor dem Siegeszug des Zeitungswesens eine der wenigen Möglichkeiten, die neuesten Nachrichten zu erfahren. Das Repertoire reichte von Berichten großer Katastrophen wie Bränden oder Erdbeben über dokumentarische Blätter, die Symptome diverser Krankheiten behandelten, bis hin zu tragischen Liebesgeschichten aus der Nachbarschaft. Als Vorläufer des modernen Printmediums werden im Allgemeinen die Edozeitlichen kawaraban (auch ichimaizuri 一枚摺り „Einblatt-Drucke“ oder tsujiuri ezōshi 辻売り絵草紙 „an Straßenkreuzungen verkaufte, illustrierte Drucke“), wörtlich die „Ziegel-Drucke“ angesehen - ein Wort, das in Japan auch heute 31 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō noch für minderwertige Drucke hoher Auflage verwendet wird (Linhart 2007:232). Während sich das Militär im Zuge der Kriegszeit vorbehielt, Kriegskorrespondenten sowie die Presse generell strenger Zensur zu unterwerfen (Insbesondere was ausländische Pressestimmen anlangte – denn Japan war sehr daran gelegen, sich der Weltöffentlichkeit als fortschrittliche, siegreiche Nation zu präsentieren). Trotzdem war die japanische Zivilbevölkerung durch Medien diverser Art überraschend gut informiert. So berichtet Lone (Lone 2007b:78) von dem in einer Lokalzeitung der Präfektur Ibaraki erscheinenden Brief eines Kriegsteilnehmers, der mit kaum einem Monat Verzögerung von dem Massaker japanischer Truppen an chinesischen Zivilisten bei Port Arthur im November 1894 berichtet – ein Geschehen, das anderorts nur allmählich bekannt wurde. Die frei auf der Straße verkauften Einzelblattdrucke erfüllten somit einen wichtigen Informationsauftrag, wenn auch naturgegeben auf sehr nationalistisch eingefärbte Weise. Neben den ebenfalls ausgesprochen beliebten LichtspielVorführungen war es erst durch sie möglich, Neuigkeiten von der Front zu erhalten und sich Schlachten in den schönsten Farben und natürlich voller japanischer Identifikationsfiguren wie dem Helden Shirakami „ins Wohnzimmer zu holen“. Lafcadio Hearn 12 berichtet folgendes: „The announcement of each victory resulted in an enormous manufacture and sale of colored prints rudely and cheaply executed, and mostly depicting the fancy of the artist only, but well fitted to stimulate the popular love of glory.“ (Hearn 1896:91) Schriftsteller (1850 – 1904), nach Annahme der japanischen Staatsbürgerschaft auch bekannt unter dem Namen Koizumi Yakumo 小泉八雲 12 32 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Krieg 1894-95 führte zu einer letzten Blüte des, allmählich von neu aufkommenden Techniken wie der Litho- und Fotografie verdrängten, Farbholzschnittes (ukiyo-e). In einem Zeitraum von knapp einem Jahr entstanden an die 3.000 Holzschnitte, was einem Durchschnitt von ca. 10 neuen Drucken pro Tag entspricht. Die pure Quantität sowie die Eile, mit welcher die Blätter produziert wurden, führten generell zu einer schlechteren Qualität. Sie waren kaum mehr mit den kunstvollen und kostbaren nishiki-e der Edo-Zeit vergleichbar (Diesinger 1986:12). In seiner Publikation zu den Beständen des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg plädiert Gunter Diesinger für eine neue Bewertung des satirischen Werkes Kiyochikas. Entgegen der größtenteils negativen Einschätzung japanischer Experten sieht er insbesondere in den Karikaturenserien neue Qualitäten, welche aufgrund historisch-politisch motivierter Zurückhaltung von japanischer Seite nur selten berücksichtigt würde. Diese lägen vor allem in der zeichnerischen Ausführung, als auch in den diffizilen Anspielungen (Diesinger 1986:13). Anders sieht es Nathan Chaïkin. In seiner Publikation zum Sino-Japanischen Krieg 1894-95 meint er zwar, Kiyochika „is considered the last of the important Ukiyo-e printmakers“, gleichzeitig fällt sein Urteil zu dessen Karikaturenwerk kurz und vernichtend aus. „ […] however he (Kiyochika) could not refrain from some appallingly bad caricatures, offensive to our taste. “ (Chaïkin 1983:36). Ich möchte mich an dieser Stelle Diesinger anschließen. Auch wenn der augenscheinlich propagandistische und rassistische Hintergrund den künstlerischen Gehalt überschattet, ist eine Neubewertung der humoristischen Blätter angebracht. Gerade die Populärkultur, zu denen Kiyochikas Drucke eindeutig gehören, birgt einen großen Fundus kunsthistorisch interessanter Facetten; Bildthemen 33 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō werden originell verfremdet, spielerisch interpretiert oder gänzlich neu erfunden, Blätter werden zu Zeitzeugen, sie lassen uns auch heute noch nahe an die Lebensumstände der damaligen Bevölkerung heranrücken. Kiyochikas Serie Nippon banzai. Hykusen hyakushō lässt sich, obwohl satirischen Charakters und von britischer Karikaturentradition beeinflusst, auf ein bestimmtes Genre des ukiyo-e zurückführen. So waren in Literatur und Druckgraphik sogenannte „Travestie-Bilder“ (mitate-e 見立て絵) weit verbreitet (Diesinger 1986:12). Ihre Beliebtheit beruhte darauf, Personen zu verfremden bzw. in bekannte Kontexte zu verpflanzen und so humoristisch umzudeuten. Beispielsweise wurden japanische Helden in chinesischer Verkleidung gezeigt – Diesinger sieht in dem ironischen Unterton solcher Darstellungen bereits einen Ansatz für einen, auch den hier behandelten Karikaturen anhaftenden, Nationalstolz und die, wie er es nennt, „volkstümliche Geschichtsklitterung“ (Diesinger 1986:12). 5.4. Der Zauber der Zeichnung Die Zeit Kobayashi Kiyochikas war eine Zeit der großen Umbrüche, eine Zeit der Neuerungen und Transformationen. Durch die Öffnung des Landes und den zunehmenden Einfluss des Westens begann man rasch, alte Traditionen in Frage zu stellen und nahezu hörig dem „Neuen, Modernen“ nachzueifern – eine Entwicklung, die Kiyochika auf ironisch-bissige Art in seinen Karikaturen für Marumaru Chinbun kommentierte. Doch gerade hier profitierte der Künstler - insbesondere seine Frühwerke zeigen eine erstaunliche Bandbreite verschiedenster Genres geprägt von Experimentierfreude und dem Interesse an den Vorzügen westlicher Malerei. 34 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō So entstanden beispielsweise eine Reihe an kitschigen Landschafts- und Jagddarstellungen (letztere bis dahin eine in Japan gänzlich unbekannte Gattung), einige davon im Diptychon-Format, welches bislang lediglich für Karikaturen und komische Darstellungen verwendet wurde. Ausschlaggebend für die künstlerische Ausrichtung der Blätter Kiyochikas war der Erfolg der durch westliche Stilmittel wie Schattenwirkung geprägten TōkyōAnsichten aus dem Jahr 1876 sowie von „Katze und Laterne“ im Herbst 1877 beide unter dem uns wohlbekannten Verleger Matsuki Heikichi erschienen (Smith 1988:30). Auffällig ist andererseits Kiyochikas Leidenschaft zur Zeichnung, insbesondere zu solcher direkt nach der Natur. Aufgewachsen in einem künstlerischen Umfeld, in dem die Zeichnung á la nature zwar bekannt, generell jedoch eher als lockerer Zeitvertreib denn als Vorbereitungsarbeit gesehen wurde, kann er auf diesem Gebiet doch als Ausnahme gesehen werden (Smith 1988:30). Schon die frühen autobiographischen Skizzen belegen diese Vorliebe. Sie sind von erfrischend unmittelbarer Art in offenem, impulsivem Duktus zu Papier gebracht. Die Ausdrucksvielfalt menschlicher Physiognomie und das Interesse am alltäglichen Leben sind Qualitäten, die sich sowohl in Kiyochikas Studien wie auch seinen Drucken ablesen lassen. Sind Sharakus Porträts von feinem Einfühlungsvermögen und subtilen Dissonanzen geprägt, so zeichnet sich Kiyochika durch Unmittelbarkeit sowie einen Hang zum Ironisch-Humoristischen aus – Kriterien, die ihn für das Medium der Karikatur prädestinierten. Die Serie Hyakumensō (百面相, „Hundert Gesichter“) zeigt dies auf besonders eindrucksvolle Art. Sie entstand 1882, ein Jahr nach dem Erscheinen der Kiyochika Punch-Blätter. Das Thema lässt sich auf eine Form der Alleinunterhaltung in der ausgehenden Edo-Zeit zurückführen, in welcher ein einzelner Darsteller sein Publikum durch rasches Wechseln des Mienenspiels, stellvertretend für verschiedene Gemütsverfassungen und/oder Menschentypen 35 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō bzw. soziale Stellungen, unterhält (rakugo 落語). Wie Shimizu ausführt, war das professionelle Charaktertheater Inspirationsquelle für eine Reihe von Ukiyo-eKünstlern der damaligen Zeit (Shimizu 1982:12-13). 5.5. Der Chanchan – Zwischen Zerrbild und Vertrautheit Bei der Beschäftigung mit Kiyochikas Karikaturenserie ist es oftmals nicht leicht, über die plumpe Propaganda hinweg dem künstlerischen Gehalt des Werkes nachzuspüren. Bis heute bleibt das Verhältnis zwischen Japan und China ein gespanntes, zu tief und zahlreich sind die Wunden der Kriege der Vergangenheit, zu leichtfertig und provokant teilweise der Umgang der heutigen Politik mit ihnen. So scheint es auch kaum verwunderlich, dass augenscheinlich propagandistische Zwecke verfolgende Werke wie die Blätter zum Sino-Japanischen Krieg 1894-95 auf japanischer wie chinesischer Seite nur ungern und mit allergrößtem Unbehagen als Thema wissenschaftlicher Forschung akzeptiert wird. Nishiki-e (錦絵), also Vielfarben- oder Brokatdrucke, spielten eine bedeutende Rolle in der Darstellung des chinesischen Widerparts und der Ausformung und Rezeption eines Feindbildes. Als Teil der Populärkultur fanden sie große Verbreitung, ihre oftmals plakativen Darstellungen und mit furigana (siehe Kapitel Text vs. Schrift) ausgestatteten humoristischen Texte machten es besonders der einfachen Bevölkerung möglich, am Kriegsgeschehen zu partizipieren und die allgemeine Stimmung in gewünschte Bahnen zu lenken. Besonders prädestiniert hierfür waren in erster Linie die großformatigen Schlachtendarstellungen, durch welche auch Kiyochika zu großer Berühmtheit gelangte. Heroische japanische Soldaten inmitten des Kriegsgeschehens, entweder vereinzelt gegen Naturgewalten, den Feind bekämpfend, oder als organisches Ganzes gegen eine Horde unorganisierter Chinesen. Der Krieg als 36 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō schönfarbige Panoramaaufnahme war allseits beliebt und fand reißenden Absatz – ein letztes Mal, bevor die Fotografie endgültig ihren Siegeszug antrat. Schon im Herbst des Jahres 1895 erschien ein Bericht in der Zeitung Yomiuri Shinbun (読売新聞), der von dem rasanten Absturz der Verkaufszahlen im Bereich der nishiki-e berichtet. Der Krieg war vorbei, Schlachtendarstellungen nicht mehr erwünscht, ja – auch die vormals so beliebten Schauspielerdarstellungen erreichten nur noch Auflagen von circa 200 Stück. Der Farbholzschnitt sollte nie mehr an seine vergangene Blüte anknüpfen können (Asakura und Imamura 1965:373, in: Keene 1998:271). Wie in den großen Schlachtendarstellungen, so lassen sich auch in den Karikaturen Kiyochikas einige Grundcharakteristika bei der Darstellung von Chinesen ausfindig machen. Die Kleidung der chinesischen Protagonisten ist in den meisten Fällen in schreiend grellen Rot-, Blau- oder Grüntönen gehalten, während die japanischen Soldaten durch ihre dunklen Uniformen erkennbar sind. Grelle Farben wie diese waren 15 Jahre zuvor bereits bei Drucken der Rebellion in Satsuma verwendet worden, damals jedoch für die japanischen Truppen selbst. Zur Zeit des Sino-Japanischen Krieges waren schreiende Anilin 13 -Farben bereits wieder aus der Mode gekommen und konnten daher zum Sinnbild für Primitives und Plumpes verwendet werden (Keene 1998:257). Auch Physiognomie und Miene ziehen eine deutliche Linie zwischen Japanern und ihren Gegnern. Letztere sind deutlich verhässlicht, mit ihren hohen Wangenknochen, den breiten Nasen und vorstehenden Zähnen bilden sie einen starken Kontrast zu den dargestellten japanischen Soldaten. Diese sind von Soldaten europäischer Herkunft kaum zu unterscheiden – eine Problematik der im Rahmen des bald darauf ausbrechenden Krieges mit Russland durch 13 1. künstlich hergestellte Druckfarben die ab ca. 1860 die natürlichen Pflanzenfarben ablösten 37 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Überzeichnung russischer Grobschlächtigkeit sowie wild wuchernden roten Bärten in den Gesichtern des Gegners begegnet wurde. Charakterlich ist die Darstellung „des Chinesen“ in der Propaganda des SinoJapanischen Krieges stets dieselbe. Er wird als feige und niederträchtig, als unfähig und rückständig geschildert, sowohl an Intelligenz als auch an Mut und Ethos ist er den japanischen Truppen weit unterlegen. Wie Keene in seinem Artikel ausführt, wurde dieses Zerrbild insbesondere durch die Bereitschaft der Chinesen, sich im Zuge der Kampfhandlungen gefangen nehmen zu lassen, begünstigt. So zeigen viele Drucke chinesische Soldaten, die verzweifelt um ihr Leben oder die Erlaubnis, sich den japanischen Streitkräften anzuschließen zu dürfen, betteln (Keene 1998:257). Das Verhältnis zu China war ein zwiespältiges. Hunderte Jahre der geistigen Befruchtung und Vorbildwirkung konnten nicht mit einem Schlag hinweggefegt werden. Chinesische Klassiker der Literatur waren nach wie vor fester Bestandteil einer guten Bildung, die seit jeher hochgeschätzte chinesische Kunst vermochte es, dem ästhetischen japanischen Empfinden stärker entgegenzukommen, als der neu propagierte Realismus westlicher Prägung (Keene 1894:250). „The image of China imprinted on our minds before the Sino-Japanese War was of a splendid, romantic and heroic country“, so fasste es der japanische Philosoph Tsurumi Shunsuke 14 in Worte (Tsurumi 1963:149). Vielleicht bot gerade dieses über lange Zeit hinweg gehegte und nach wie vor wohl unterschwellig in der japanischen Wahrnehmung verhaftete Gefühl der Unterlegenheit und Minderwertigkeit gegenüber China Anlass zu dem offenkundigen Rassismus, welcher gerade zur Zeit des Sino-Japanischen Krieges in bislang ungekannter Weise grassierte. Er sollte in Zukunft im Rahmen der Idee eines pan-asiatischen Kolonialismus weiter Raum gewinnen und zu unglaublichen Gräueltaten führen. 14 鶴見 俊輔 (geb. 1922) 38 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Auf der anderen Seite waren in Japan bereits vor dem Ausbruch des Krieges 1894 kritische Stimmen gegen die scheinbar natürliche Vorherrschaft Chinas sowie die Hörigkeit und unhinterfragte Verehrung chinesischer Kultur zu hören gewesen. Insbesondere die volkstümliche Kunst und Literatur pflegte einen recht freien Umgang mit dem großen Nachbarn, die große Anzahl an Spottversen (kyōka 狂歌) spricht hier wohl für sich (Diesinger 1986:12). Wie Dowe in seiner virtuell veröffentlichten umfassenden Arbeit zu den Drucken zum Sino-Japanischen und Russo-Japanischen Krieg ausführt, stand China 1894-1895 für Asien selbst, jedoch im Sinne eines mit alten Traditionen überladenen, zum Stillstand gekommenen Asiens der Vergangenheit, welches in krassem Gegensatz zu den fortschrittlicheren westlichen Industriemächten zu stehen schien (Dowe 2007:Old China, New Japan). Auch Keene kommt in seinen Arbeiten zu diesem Ergebnis. Japan sah sich als Nutznießer einer neuen Epoche, als Land, welches die Zeichen der Zeit erkannt und im Gegensatz zum ewiggestrigen China in seinem Sinne zu nutzen verstand. So beschwor der japanische Gelehrte Fukuzawa Yukichi (1835-1901) schon in den frühen 1880er Jahren einen künftigen Konflikt zwischen West und Ost herauf, welchem auf asiatischer Seite jedoch lediglich Japan gewachsen sei. Es hätte, so Fukuzawa, sein „hölzernes Haus“ neu aus Stein gebaut und sei somit vor Feuersbrünsten geschützt, seine Nachbarn, sprich China, Korea, u.a. hätten dies jedoch bislang verabsäumt. Um Japans Bemühungen nicht aufgrund der Rückständigkeit der anderen umliegenden Länder zunichte zu machen, sei es nötig, diese zu „bekehren“ und notfalls mit Gewalt zur Modernisierung zu zwingen. Der Krieg erschien somit als fortschrittlich gerechtfertigte Maßnahme, um den gemeinsamen Untergang zu verhindern. Japan wurde zum weitblickenden Kämpfer zum Wohle Asiens (Blacker 1964:135-136). 39 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Einen oftmals außer Acht gelassenen, meiner Meinung nach jedoch nicht unbedeutenden Faktor für den Erfolg von Karikaturenserien wie Kobayashi Kiyochikas erwähnt Stewart Lone in seinem Kapitel „The Wars of Meiji Japan: China (1894-95) and Russia (1904-05)“. Er weist hier auf die wichtige katalysatorische Funktion des Humors in Zeiten kriegerischer Anspannung hin. So sei es nur natürlich, die Angst, welche ein (auch nicht auf heimischem Boden ausgetragener) Krieg unweigerlich mit sich bringe, zumindest kurzfristig in ein herzhaftes Lachen zu lenken (vgl. Lone 2008:85). Auch wenn dieses dem heutigen Betrachter ob der offenkundig rassistischen Darstellungen im Halse stecken bleibt, für die damalige Bevölkerung stellten Blätter wie diese sicherlich heitere Zerstreuung dar. Der Charakter des Humors hing selbstverständlich in hohem Maße mit dem Verlauf des Krieges zusammen, positive Entwicklungen evozierten lässigen, verlustreiche Einbußen beißenden Umgang mit dem Gegenüber (Lone 2008:86). So gesehen bergen propagandistische Darstellungen nicht nur den Blick auf das gehegte Feindbild, überzeichnete Fratzen und Klischees, sondern werfen immer auch einen Schein auf die Befindlichkeit der eigenen Nation. 40 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 5.6. Bild versus Schrift Schrift findet sich, die Buchmalerei ausgenommen, in Werken westlicher Malerei nur selten, ganz im Gegensatz zur asiatischen Kunst. In China entstand im 11. Jahrhundert mit dem Dichter Su Dongpo 15 eine neue Schule, die der Literatur in der bildenden Kunst einen großen Stellenwert gewährte. Sie gelangte in der Yuan-Zeit (1272-1378) die Führung in der chinesischen Kunst. Bild und Gedicht bildeten eine Einheit, sie lassen sich nicht isoliert betrachten sondern stehen in Wechselwirkung zueinander (Odendahl 2001: Chinesische Malerei). Während in Europa Mitte des 15. Jahrhunderts die Erfindung des Buchdruckes durch Gutenberg zu einer Abkehr vom zuvor üblichen Holzschnitt zugunsten des Buchstabendrucks führte, blieb diese Entwicklung in Japan aus. Hier galt das Wort „Druck“ (mokuhan insatsu 木版印刷) seit seiner Entstehungszeit im 8. Jahrhundert gleichbedeutend mit „Holzschnitt“; Schrift und Text wurden in dieselbe Platte geschnitzt (May 2007:26). Ende des 16. Jahrhunderts wurde Japans Drucktradition mit neuen Einflüssen konfrontiert, die insbesondere durch den Kontakt mit iberischen Missionaren in Verbindung gebracht werden können (May 2007:26). Weitere Faktoren waren, wie May ausführt, die im Rahmen von Toyotomi Hideyoshis Korea-Expeditionen 16 erbeuteten Druckwerkzeuge, welche dem heimischen Druckwesen zusätzliche Impulse lieferten. Ich möchte mich im Sinne unseres Themas dem seihan (製版) zuwenden. Trotz Kenntnis der Vorteile des Letterndrucks wandte sich Japan bald wieder dem altbekannten Holzschnitt zu – aus gutem Grund. Nur durch ihn war es möglich, dem japanischen Schriftsystem gerecht zu werden, das neben den komplizierten Schriftzeichen chinesischen Ursprungs 15 16 蘇東坡, auch Su Shi 蘇軾(1037-1101) 1592-1593 sowie 1594-1596 41 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō eine Art „Lautschrift“ in Form kleinerer Silbenschriftzeichen setzte, um dem Leser die Lektüre zu erleichtern. Diese phonetischen Zeichen, furigana (振り仮 名 ) genannt, ermöglichten es auch einer weniger gebildeten Käuferschicht, Texte rasch zu entschlüsseln (May 2007:27). Der Begriff seihan ( 製 版 ) bedeutet soviel wie „Druck in einem Stück“, er bezeichnet die Koexistenz von Bild und Text auf ein und derselben Druckplatte sowie dass beides in einem einzigen Vorgang gedruckt wird. Blätter wie jene der hier behandelten Serie weisen somit nicht nur eine formale Verbindung von Darstellung und Kommentar auf, sie sind auch allein durch die Gegebenheiten des Herstellungsprozesses untrennbar miteinander verbunden. Nicht selten weisen die Drucke Überschneidungen auf, das querrechteckige Textfeld überschneidet (siehe z.B. Blatt 6.2.) und wird überschnitten. Zehn Jahre später wird Kiyochika in der Serie zum Russo-Japanischen Krieg in einigen Blättern die, durch die Einfassung in ein klar definiertes Feld betonte, Trennung von Text und Bild weiter aufheben und die Schrift direkt auf den Seitengrund setzen. Daneben herrscht ebenso eine inhaltliche Verbindung zwischen beiden Medien, der zugeordnete Text enthält Dialoge der dargestellten Figuren oder beschreibt die darunter anschließende Szene. Es ist anzunehmen, dass hierbei eine enge Kooperation der beiden ausführenden Meister bestand, wofür die diffizile Abstimmung von Bild und Text in allen untersuchten Fällen spricht. 42 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6. Die Beispiele In weiterer Folge werde ich mich exemplarisch mit zehn aus Kobayashi Kiyochikas Serie Nippon banzai. Hyakusen hyakushō entnommenen Druckbeispielen beschäftigen. Die Auswahl erfolgte willkürlich. Jedoch wollte ich damit den Versuch unternehmen, dem Reiz und der besonderen Qualität Kiyochikas im Bereich der Karikatur nachzuspüren. Meine Arbeit ist als Anfang zu sehen, die bislang in Übersetzung unveröffentlichten Texte der Serie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Die Blätter sind chronologisch gereiht, sie umspannen den Zeitraum vom September 1894 bis Mai 1895 und können als repräsentativ für die gesamte Dauer des Krieges genommen werden. Als Methode habe ich mich folgender Vorgangsweise bedient: Ich betrachte zuerst den Text. Nach dem Text des Druckes im Original sowie dessen Transkription in lateinische Schrift (romanji) folgt eine erste Übersetzung ins Deutsche. Hierauf wende ich mich der Darstellung und ihren Besonderheiten zu. An eine kurz gehaltene Bildbeschreibung gliedern sich Anmerkungen zur Sprache, dem kulturellen Kontext und historischen Gegebenheiten. Alle hier besprochenen Werke stammen (mit einer Ausnahme) aus Wiener Privatbesitz. Ihre Abbildungen wurden mir für diese Arbeit freundlicherweise zur Verfügung gestellt. 43 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.1. Inhaltsverzeichnis „Prolog“ (Abb. 5) Ohne Datum (vermutlich Spätsommer/Herbst 1895) Abbildung 5: „Prolog“ 44 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 口上 百撰百笑(ひやくせんひやくせう)の飛出(とびだ)したる以来(いらい)非 常(ひじやう)に江湖(こうこ)の喝采(かつさい)を博(はく)し東京(と うきやう)の紙問屋(かミとひや)をして為(た)める / 紙値(しち)を貴 (たか)からしめたるハ今更(いまさら)道人(たうじん)の吹聴(ふいちよ う)をまたずして諸君(しよくん)も亦(また)既(すで)に御存(ごぞん) じ / の事(こと)たりと雖(いへど)も今(いま)や戦争(せんさう)も平和 (へいわ)に帰(き)し大日本全勝(だいにほんぜんしやう)の局(きよく) を結(むす)びたるに / 就(つい)てハ此(この)百撰(せん)百笑(せう) も亦(また)清親君(きよちかくん)万歳(ばんざい)し骨皮道人(こつぴど うじん)才蔵(さいぞう)の拍手(はくしゆ)中(ちう)に於(おい)て両/人 (にん)とも獅子(しし)ッ鼻(ばな)をピコ付(つか)せツツ筆硯(ひつけ ん)を洗(あら)つて政(まさ)にアバヨを極込(きめこ)まんとせり然(し か)るに / 敢(あえ)て期(き)せざりし忠告(ちゆうこく)ハ四方(はう) 八方(はう)より来(きた)る曰(いわ)く其名(そのな)元(もと)百撰 (せん)と称(しやう)しながら突然(とつぜん)/ 中途(ちうと)にして引 込(ひつこ)むハ恰(あたか)も杯洗(はいせん)の音(おと)を聞(きい) て酒(さけ)を飲(のま)ざりの感(かん)あり宜(よろ)しく鴬初の / 約 (やく)を履(ふ)んで百笑(せう)を全(まつた)からしむべしと板元主人 (はんもとしゆじん)も亦(また)得手(えて)に帆(ほ)を揚(あ)げてど うか左(さ)/様(やう)な事(こと)に願(ねが)ひ度(たい)ふし請(こ) ふや切(せつ)なり是(ここ)に於(おい)てか道人(だうじん)も小首(こ くび)を捻(ひね)り直(なほ)して以為(おもへ)/ らく百撰(せん)百笑 (せう)ハ百戦(せん)百勝(せう)と国音相通(こくおんあいつう)ずるに しすれバ如何(いか)さま凱旋(がいせん)と共(とも)に筆(ひつ)/鋒 (は う)を納(おさ)むべきハ勿論(もちろん)の事(こと)なれども百撰(せ ん)百笑(せう)ハ読(よ)んで字(じ)の如(ごと)しとすれバ強(あな 45 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō が)ち / 戦争(せんそう)の事(こと)のみに限(かぎ)らず社会(しやくわ い)百般(ばん)の出来事(できごと)何(なに)しを担(かつ)ぎ出(だ) しても差支(さしつか)へなき / 筈(はづ)なり況(まし)て人様(ひとさ ま)の兎(と)や角(かく)緒仰(おつしや)つて下(くだ)さる時(とき) に素直(すなお)ならざれバ後悔(こうくわい)或(ある)ひは / 臍(ほぞ) を噛(か)むことあるやも知(し)るべからずと遂(つゐ)に踏止(ふミと ま)つて清親子(きよちかし)と笑談熟戯(せうだんじゆくぎ)/ の上(う え)既出(きしゆつ)平和(へいわ)に至(いた)るまでを上(うえ)の巻 (まき)と為(な)し是(これ)より以下(いか)ハ冠字(かんじ)日本万歳 に代(か)/ ふるに社会幻燈(しやかいげんとう)の四字(じ)を以(もつ) てして之(これ)を下(げ)の巻(まき)と為(な)し猶(なほ)引続(ひき つづ)いて諸君(しよくん)のお目(め)/ にブラ下(さげ)ると共(とも) に絵草紙屋(ゑざうしや)の店頭(てんたう)にもブラ下(さけ)んと欲(ほ つ)す而(しか)して其(その)顕(あらハ)れ出(いづ)る處(ところ)/ のものハ鬼(おに)なるかはた仏(ほとけ)なるか何(いづ)れ尋常(じんじ やう)一様(やう)の物(もの)にハあらさるべけれは / 何卒(なにとぞ)相 変(あいかは)らず御愛翫(ごあいぐわん)を賜(たま)はらんことを願(ね が)ふと云爾(しかいふ) 骨皮道人識 目録 ちやんちやんの膽潰(きもつぶ)し 李鴻章(りこうしやう)の大頭痛(おほづつう) おか支那兵士(しなへいし 踏(ふみ)潰(つぶ)しの歌(うた) 人間(にんげん)の皮剥(かわは)ぎ 御敗将(おんはいしやう) 龍宮(りうぐう)の騒(さハ)ぎ 46 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 御注進御注進 地獄(ぢごく)の大繁盛(おほはんじやう) 奉天府(ほうてんふ)の荷厄介(にやつかい) 日兵(につぺい)の一捻(いちねん) 敗将の泣別(なきわか)れ 清代(しんだい)限(かぎ)り 逃(に)げ支度(したく) 木偶(でく)の防(ぼう) 豚(ぶた)の當惑(とうわく) 分鳥(ぶんどり) 首(くび)ッ引(ぴき) 厚(あつ)い面(つら)の皮(かわ) 清兵(しんへい)の冷(ひや)かされ 長足(ちやうそく)の進歩(しんぽ) 飛(とん)だ老大国(らうだいこく) 北京嬢(ぺきんじよう)の落涙(らくるい) 討清翫弄遊(とうせいおもちやあそ)び 自業自得(じごふじとく) 清狂言(しんきようげん)の降状(こうじやう) 向(むか)ふ處(ところ)に敵(てき)なし 威海衛(いかいえい)の大漁(たいりやう) 愉快(ゆかい)な運動(うんどう) 帒(ふくろ)の鼠(ねずミ) 大兵降(おほへいかう) 支那人形(しなにんげう) 漢兵(かんぺい)の切腹(せつぷく) 勇(いさ)ましい子供遊(こどもあそ)び 頓知盗難除(とんちとうなんよけ) 清発明(しんはつめい)の危械(きかい) 47 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 北京(ぺきん)の摘草(つみくさ) 三途川(さんづがわ)の大混雑(おほこんざつ) 支那土産(しなミやげ) 患吁(かんう)と愁傷(しゆうしやう) 臆病神(おくびやうがミ) 是(これ)ハ澎湖島(ほうことう) 大歯(だいば)を抜(ぬ)く ぶるぶる大将(たいしやう) 案山子(かかし)に驚(おどろ)く 清国困苦民兵(しんこくこんくミんへい 支那玉遣(しなだまつか)ひ 漁翁島(ぎよおうたう)の阿き家(いへ) 新日本(しんにつぽん)の開拓(かいたく) 二奥(におく)の到来(とうらい) 48 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Kōjō Hyakusen hyakushō no tobidashitaru irai hijō ni kōko no kassai o hakushi Tōkyō no kamitoiya o shite tameru / shichi o takakarashimetaru wa imasara Dōjin no fuichō o matazushite shokun mo mata sudeni gozonji / no koto tari to iedomo ima ya sensō mo heiwa ni kishi Dainihon zenshō no kyoku o musubitaru ni / tsuite wa kono Hyakusen hyakushō mo mata Kiyochika-kun banzai shi Koppi Dōjin Saizō no hakushu-chū ni oite ryō/nin tomo shishippana o pikotsukasetsutsu hikken o aratte masa ni abayo o kimekoman to serishikaru ni / aete kisezarishi chūkoku wa shihōhappō yori kitaru. Iwaku sono na moto Hyakusen to shōshinagara totsuzen / chūto ni shite hikkomu wa ataka mo haisen no oto o kiite sake o nomazari no kan ari. Yoroshiku dōsho no / yaku o funde Hyakushō o mattōkarashimubeshi to hanmoto shujin mo mata ete ni ho o agete dōka sayōna koto ni negaitai fushi kō ya setsunari. Koko ni oite ka Dōjin mo ko-kubi o hinerinaoshite omoe/raku Hyakusen hyakushō wa Hyakusen hyakushō to kokuon aitsūzuru ni shisureba ikasama gaisen to tomo ni hi/ppō o osamubeki wa mochiron no koto naredomo Hyakusen hyakushō wa yonde ji no gotoshi to sureba anagachi / sensō no koto nomi ni kagirazu shakai hyappan no dekigoto nanishi o katsugidashite mo sashitsukae naki / hazunari. Mashite hitosama no toyakaku osshatekudasaru toki ni sunao narazareba kōkai arui wa / hozo o kamu koto aru ya mo shirubekarazu to tsui ni fumitomatte Kiyochika-shi to shōdanjukugi / no ue kishutsu. Heiwa ni itaru made o ue no maki to nashi kore yori ika wa kanji Nippon banzai ni ka/waru ni Shakaigentō no yoji o motte shite kore o ge no maki to nashi nao hikitsuzuite shokun no o-me / ni burasageru to tomo ni ezōshiya no tentō ni mo burasagen to hossu. Shikashite sono arawareizuru tokoro / no mono wa oni naru ka hata hotoke naru ka izure jinjōichiyō no mono ni wa arazarubekereba / nanitozo aikawarazu go-aigan o tamawaran koto o negau to shikaiu. 49 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Koppi Dōjin shiki Mokuroku (Meiji 28) 1. Chanchan no kimotsubushi *) (Meiji 27/9) 2. Rikōshō no ō-zutsū k. A. 3. Okashina heishi (Meiji 27/9) 4. Fumitsubushi no uta *) (Meiji 27/9) 5. Ningen no kawahagi (Meiji 27/10) 6. On-taishō (Meiji 27/11) 7. Ryūgū no sawagi (Meiji 27/11) 8. Go-chūshin go-chūshin *) (Meiji 27/11) 9. Jigoku no ōhanjō *) (Meiji 27/11) 10. Hōtenfu no ni-yakkai (Meiji 27/11) 11. Nippei no ichinen (Meiji 27/12) 12. Taishō no nakiwakare (Meiji 27/12) 13. Shindai kagiri (Meiji 27/12) 14. Nigeshitaku *) (Meiji 27/12) 15. Dekunobō (Meiji 27/12) 16. Buta no tōwaku k. A. 17. Bundori k. A. 18. Kubippiki *) (Meiji 27/11) 19. Atsui tsura no kawa *) (Meiji 28/2) 20. Shinpei no hiyakasare (Meiji 28/2) 21. Chōsoku no shinpo (Meiji 28) 22. Tonda Rōdaigoku (Meij 28/2) 23. Pekinjō no rakurui (Meiji 28) 24. Tōsei omocha asobi *) (Meiji 28/2) 25. Jigōjitoku (Meiji 28/3) 26. Shinkyōgen no kōjō (Meiji 28) 27. Mukau tokoro ni teki nashi (Meiji 28) 28. Ikaiei no tairyō (Meiji 28/4) 29. Yukaina undō (Meiji 28) 50 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 30. Fukuro no nezumi (Meiji 28/4) 31. Ō-heikō (Meiji 28) 32. Shinaningyō (Meiji 28/3) 33. Kanpei no seppuku (Meiji 28/3) 34. Isamashi kodomo asobi (Meiji 28) 35. Tonchi tōnan-yoke (Meiji 28) 36. Shin-hatsumei no kikai *) (Meiji 28/4) 37. Pekin no tsumikusa (Meiji 28) 38. Sanzugawa no ō-konzatsu *) (Meiji 28/5) 39. Shina miyage (Meiji 28) 40. Kan’u to Shūshō (Meiji 28) 41. Okubyōgami (Meiji 28) 42. Kore wa Hōkotō (Meiji 28) 43. Daiba o nuku (Meiji 28) 44. Buruburu taishō (Meiji 28) 45. Kakashi ni odoroku (Meiji 28) 46. Shinkoku konkuminhei (Meiji 28) 47. Shinadamatsukai (Meiji 28/6) 48. Gyoōtō no akiie (Meiji 28) 49. Shin-Nippon no kaitaku (Meiji 28) 50. Nioku no tōrai (Meiji 28) *) Im Zuge dieser Arbeit besprochene Blätter unterstrichen – nicht im Besitz des National Museum of Japanese History (Sakura) befindliches Exemplar 51 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Übersetzung ins Deutsche Prolog Seit der Herausgabe der Serie Hyakusen hyakushō hat sich die Öffentlichkeit begeistert gezeigt, müßig zu sagen, dass der außerordentliche Erfolg allerorts die Blattpreise des Verlegerhauses in die Höhe schießen ließ. Da nun der Krieg vorbei und mit dem totalen Sieg des großen Japans der Friede zurückkehrt ist, wollten wir die Serie – bei welcher Kiyochika triumphiert und ich, Koppi Dōjin, ebenfalls großen Beifall gefunden habe – zu Ende bringen. Als wir uns bereits zufrieden die Nasen gerieben und unsere Pinsel und Tuschsteine wieder abgewaschen hatten, kam von allen Seiten der Ratschlag, die Serie doch fortzusetzen, die „hundert Auswahlen“ seien doch schließlich noch gar keine hundert Stück. Die Arbeit nicht zu vollenden, wäre so wie wenn man den bereits gewaschenen Sakebecher nicht füllen und zum Mund führte - sehr bedauerlich. Da dies auch der innige Wunsch des Verlegers ist, scheint es wohl besser, das Angekündigte einzuhalten und dem Anspruch „hundertmal gelacht“ gerecht zu werden. In dieser Lage haben wir ein weiteres Mal überlegt und uns gedacht, wenn man die Serie gelacht“ Hyakusen gleichklingend hyakushō, mit „Hundertmal „Hundertmal gewählt, gekämpft, hundertmal hundertmal gesiegt“ annähme, sollten wir natürlich zusammen mit dem Kriegstriumph auch unsere Pinsel weglegen. Aber wenn man den Titel „Hundertmal gewählt, hundertmal gelacht“ als solchen versteht, können wir nicht nur den Krieg, sondern auch Begebenheiten des gesellschaftlichen Alltages zum Thema nehmen. Außerdem sollten wir auf das derzeitige Interesse von Seiten der Kundschaft eingehen, sonst könnte es sein, dass wir es später bereuen. Deshalb haben wir innegehalten in den Abschlussvorbereitungen, uns lange mit Vergnügen besprochen und sind schließlich weiterzumachen. 52 zu dem Entschluss gekommen Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Alle Werke von Anfang bis zum Ende des Krieges erklären wir zu „Teil Eins“. Alle weiteren führen wir als Teil Zwei der Serie und anstatt des Titelanfangs „Nippon banzai“ jetzt mit dem Titel „Shakai gentō“ (Eine magische Laterne der Gesellschaft). So wollten wir euch, werte Kundschaft, weiterhin mit Vergnügen dienen und unsere Werke im ezōshi 17 -Laden feilbieten. Ob Teufel oder Buddha darin auftreten werden, weiß ich noch nicht zu sagen, aber es werden wohl keine banalen Dinge, sondern sicher außergewöhnliche sein und so bitten wir auch weiterhin um Gunst und Interesse. Koppi Dōjin Inhaltsverzeichnis (1895) 1. Chanchans großer Schrecken *) (Sep. 1894) 2. General Lis 18 große Kopfschmerzen k. A. 3. Komische / chinesische 19 Soldaten (Sep. 1894) 4. Das Lied vom Zerstampfen *) (Sep. 1894) 5. Häuten von Menschen (Okt. 1894) 6. Der geschlagene Feldherr (Nov. 1894) 7. Aufruhr im Palast des Drachenkönigs (Nov. 1894) 8. Eilmeldung! Eilmeldung! *) (Nov. 1894) 9. Hochkonjunktur in der Unterwelt *) (Nov. 1894) 10. Die lästige Mandschurei (Nov. 1894) 11. Das große Ziel der japanischen Soldaten (Dez. 1894) 12. Tränenreicher Abschied des besiegten Generals (Dez. 1894) 13. Das Ende der Qing-Dynastie 20 / der Erbfolge (Dez. 1894) 14. Fluchtvorbereitungen *) (Dez. 1894) 15. Der Einfaltspinsel / Die Verteidigung der Holzpuppe (Dez. 1894) 16. Herumirrende Schweine k. A. 17. Entreißen k. A. 17 illustrierte Populärkultur Anspielung auf den chinesischen Oberbefehlshaber General Li Hongzhang 19 Wortspiel auf okashina „seltsam, komisch“/ Shina „China“ 20 Qing zhao 清朝, letzte von der Manchu-Familie 1644 begründete und bis 1912 regierende Dynastie Chinas 18 53 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 18. Köpfeziehen *) (Nov. 1894) 19. Ein dickhäutiges Gesicht *) (Feb. 1895) 20. Eine Abreibung für das chinesische Heer (Feb. 1895) 21. Rasanter Fortschritt / Spaziergang mit langen Beinen 21 (1895) 22. Ein altehrwürdiges Großreich wird hinweggefegt / fliegt weg (1895/02) 23. Wehklagen Fräulein Pekings (1895) 24. Vergnügen an modernem Kriegsspielzeug *) (Feb. 1895) 25. Selber schuld! / Eigenarbeit-Eigenleistung (März 1895) 26. Monolog über die schlechte Lage der Truppen in einem (1895) chinesischen kyōgen 22 27. Kein Feind in Sicht (1895) 28. Großes Fischen bei Weihaiwei (April 1895) 29. Bewegung aus Reue (1895) 30. Ratten im Sack (April 1895) 31. Totale Erschöpfung / Großer militärischer Untergang (1895) 32. Chinesische Puppen (März 1895) 33. Seppukku 23 eines chinesischen Soldaten / (März 1895) „Kambeis 24 Selbstmord“ 34. Lebhaftes Kinderspiel (1895) 35. Ein geistreicher Diebstahlschutz (1895) 36. Eine in China neu erfundene Maschine *) (April 1895) 37. Das Kräutersammeln zu Peking (1895) 38. Großes Getümmel am Fluss Sanzu *) (Mai 1895) 39. Mitbringsel aus China (1895) 40. Weh und Klag / Kan’u 25 und Ryūhō 26 (1895) 41. Die furchtsame Gottheit (1895) 42. Das also sind die Pescadores! (1895) 21 Wortspiel auf chōsoku Wörtlich für „verrückte Wörter“, eine Form des traditionellen jap. Theaters. 23 Art des rituellen Selbstmordes von Samurai, bei dem man sich mit dem Schwert den Bauch aufschlitzt. 24 einer der legendären „Sieben Samurai“ 25 Feldherr in China im Zeitalter der Drei Reiche (220-280). Er diente Liu Bei (Ryūbi) und schlug Tsao Tsao (Sōsō) in der Schlacht von Sekiheki. Protagonist in einem beliebten Kabukistück. 26 Ebenfalls chinesischer Held 22 54 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 43. Der große Zahn wird gezogen (1895) 44. Der zitternde General (1895) 45. Erschrecken von Vogelscheuchen (1895) 46. Das chinesische Leide-Volksheer (1895) 47. Der Jongleur des chinesischen Balls (Juni 1895) 48. Ein verlassenes Haus auf der Insel Gyoōshima (1895) 49. Urbarmachung des neuen Japans (1895) 50. Ankunft der zwei Bräute / 200 Millionen [tael] Kriegsentschädigung (1895) Obwohl das vorliegende Blatt (Abb. 5) chronologisch an letzter Stelle der hier behandelten Drucke zu stellen wäre, möchte ich es ob seines außerordentlich wichtigen Informationsgehalts an den Anfang des Bildteiles stellen. Der Druck ist eine Quelle ersten Ranges für die Beschäftigung mit Kobayashi Kiyochikas Serie Nippon banzai. Hyakusen hyakushō, liefert er doch eine genaue Auflistung der unter diesem Titel erschienen fünfzig Drucke. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei dieser, also der ersten Ausgabe, um Blätter, welche das tagespolitische Thema des Krieges aufgreifen. Der erläuternde Text nennt nicht nur die beiden beteiligten Künstler, Kobayashi Kiyochika und Koppi Dōjin, sondern gibt auch einen wichtigen Hinweis auf den weiteren Verlauf der künstlerischen Tätigkeit. Nicht mehr der bereits zu Ende geführte Krieg, vielmehr spannende Episoden und gesellschaftliche Spitzen sollten nun den Fokus darstellen – der Serientitel wird in „Shakai gentō“ („Eine Magische Laterne der Gesellschaft“) umgewandelt. Doch bleiben wir bei der für uns relevanten, mit „Lang lebe Japan! Hundertmal gewählt, hundertmal gelacht“ betitelten Serie. Die umfangreichste Sammlung an Drucken befindet sich im National Museum of Japanese History/Sakura. Von den insgesamt 50 Blatttiteln befinden sich 45 im Besitz des Museums (nicht vorhanden: „Die lästige Mandschurei“, „General 55 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Lis große Kopfschmerzen“, „Das Ende der Qing-Dynastie/der Erbfolge“, „Fluchtvorbereitungen“ sowie „Aufschwung in der Unterwelt“). Auch ein Exemplar des mokuroku, des Inhaltsverzeichnisses, befindet sich hier. Einige Blätter Schrecken“, „Tränenreicher („Seltsame/chinesische „Häuten von Abschied Menschen“, des Soldaten“, „Der geschlagenen „Chanchans geschlagene Generals“, großer Feldherr“, „Die lästige Madschurei“ sowie „Das große Ziel der japanischen Soldaten“) befinden sich außerdem im Besitz der National Gallery in Prag (siehe: Catalogue of Japanese Art in The National Gallery, Prague. The International Research Center for Japanese Studies Nichibunken Japanese Studies Series 5. Report of Japanese Art Abroad Research Project Vol. 4, Kyoto 1994), um nur ein weiteres Beispiel zu nennen. Die Nummerierung bzw. Datumsangabe der Titel ist auf dem Blatt nicht vorhanden, sondern stellt eine Beifügung von mir selbst dar. Leider war es mir nicht möglich, für alle Blätter eine genaue Datierung zu ermitteln. 56 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.2. Blatt 1: „Chanchans großer Schrecken“ (Abb. 6) 明治 27 年 9 月 / September 1894 松本平吉 / Matsuki Heikichi Abbildung 6: "Chanchans großer Schrecken" 57 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original ちやんちやんの膽潰(きもつぶ)し 骨皮道人 怖(こわ)いと思(おも)やア箒(ほうき)が鬼(おに)に見(みへ)ると言 (い)ふが自己(おら)ア虫(むし)の / 故(せへ)か日本(にほん)の兵隊 (へいたい)が怖(こわ)くて怖くて堪(たま)らねへ尤(もつと)も日本 (にほん)の / 兵隊(へいたい)百発百中(はつちう)だの百戦百勝(せんし やう)だのと言(い)ツて。 / 軍艦(ぐんかん)を打沈(うちしづ)めたり牙 山(がざん)の・・・キヤツ・・・/ 「オヤオヤちやんちやん坊主(ばうず)めが兵隊(へいたい)の / 人形(にん ぎやう)を見(み)て目(め)を廻(まわ)しやアがつた態(ざま)ア見 (み)ろ / 頭(あたま)から水(ミづ)でも打掛(ぶつかけ)て呼(よん)で 見(ミ)ろ見ろ / 「ちやんちやん坊主(ばうず)ヤーイ南京坊主(なんきんばうず)ヤ/ーイ「オ オ膽(きも)を潰(つぶ)した・・ヘイ有(あり)/がたう御座(ござ)いま す・・きと / もう大丈夫(だいじやうぶ)で御/座(ござ)います 「気(き)が附(つい)たか / 気が附たか。どうした貴様(きさま)は / 癲癇 持(てんかんもち)と見(ミ)へるナ「イエ私(わたくし)ハ臆病(おくびや う)で / ございます 58 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Chanchan no kimotsubushi Koppi Dōjin Kowai to omoyā hōki ga oni ni mieru to iu ga orā mushi no /sē ka Nihon no heitai ga kowakute kowakute tamaranē mottomo Nihon no / heitai hyappatsuhyakuchū da no hyakusen hyakushō da no to itte / gunkan o uchishizumetari Gazan no…kya…/ „Oya oya Chanchan- bōzume ga heitai no / ningyō o mite me o mawashāgatta zamā miro. / Atama kara mizu demo bukkakete yonde miro miro” / “Chanchan- bōzu yāi, Nankin- bōzu yā/i” “Ō kimo o tsubushita…hei ari/gatō gozaimasu…kito mō daijōbu de go/zaimasu” “Ki ga tsuita ka / ki ga tsuita ka dōshita kisama wa / tenkanmochi to mieru nā” “Ie watakushi wa okubyō de / gozaimasu” Übersetzung ins Deutsche Chanchans großer Schrecken (Abb. 6) Koppi Dōjin Wenn man sich fürchtet, sieht man in Gedanken Besen als Teufel, sagt man. Wahrscheinlich sitzen meine Bandwürmer am falschen Platz, ich habe nämlich fürchterliche Angst vor den japanischen Soldaten. Man sagt von ihnen, wenn sie hundert Mal schießen, treffen sie hundert Mal, wenn sie hundert Mal kämpfen, siegen sie hundert Mal, und so versenkten sie unsere Militärschiffe in der Bucht von Asan…ach! „Oioi, der Chanchan-Glatzkopf erblickte japanische Soldatenpuppen und er fällt in Ohnmacht - er verdient es nicht besser! Gieß ihm Wasser über seinen Kopf und weck ihn auf!“ „Chanchan-Glatzkopf, heda!…Nanjing-Glatzkopf, he!“ 59 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō „Oh, bin ich erschrocken…Vielen Dank…Alles in Ordnung.“ „Du bist wieder bei Bewusstsein. Was ist passiert? Bist du an Epilepsie erkrankt?“ „Nein, ich bin nur krank vor Angst…(Wortspiel auf okubyō)“ Bildbeschreibung Ein im Profil wiedergegebener Mann nähert sich rechterhand dem Bildzentrum, verharrt jedoch in einer Geste größten Entsetzens. Der durch Tracht sowie den langen Zopf gekennzeichnete Chinese hat scheinbar etwas entdeckt, was sich in der linken Hälfte der Darstellung Raum greift. Hier befindet sich ein durch den Bildrand lediglich abgeschnitten wiedergegebenes Strohbündel, in welchem mehrere Stöcke stecken. An diesen baumeln wie an Angelruten zwei kleine Püppchen japanischer Soldaten, gut an ihren Uniformen zu erkennen. Des Weiteren tragen die Miniaturen große Rucksäcke, selbst Gewehre haben sie geschultert. Außerdem stecken zwei, die japanische Flagge tragende Fähnchen in dem Bündel, bei näherer Betrachtung lässt sich auch eine kleine, ebenfalls an einer, jedoch durch die Textkartusche überschnittenen, Angelrute hängende Schildkröte ausmachen. Der Handlungsraum ist durch keinerlei Zugabe näher definiert, lediglich ein zarter blauer bokashi - Farbverlauf hinterfängt die Darstellung. So lenkt auch der großformatige Chinese die Aufmerksamkeit ungeteilt auf sich, in einer expressiven Geste reißt er den Mund auf, Arme und Beine weit von sich gestreckt verharrt er mitten in der Bewegung. Seine Kleidung ist farbenfroh, neben weißen Beinkleidern und Gamaschen trägt er ein grün verbrämtes Lederwams über einem ebenfalls weißen Unterhemd, 60 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō einen Farbpunkt bildet ein unter dem Wams hervorlugendes knallrotes Untergewand. In karikaturhafter Übersteigerung ist sein Blick unverwandt auf die japanischen Soldatenpüppchen gerichtet, die ihrerseits ihm entgegenzublicken scheinen. Erläuterungen In bewundernswerter Weise schafft es Kiyochika hier, durch gezielten Einsatz der verfügbaren Mittel lediglich durch Blicke und Gesten Spannung zu erzeugen. Die Konfrontation Püppchen – Chinese wird dem Betrachter spürbar, man kommt nicht umhin, selbst eine gewisse Scheu vor den kleinen Figürchen zu empfinden, gleichzeitig macht die groteske Übersteigerung der Reaktion eine Sympathie für den furchtsamen Mann unmöglich – sie macht ihn ganz im Sinne der angestrebten pro-japanischen Propaganda zu einem Bild der Lächerlichkeit. Das Blatt thematisiert den Sieg japanischer Truppen bei Asan (29. Juli 1894) im Rahmen des 1. Sino - Japanischen Krieges 1894-95. Als China dem Wunsch der koreanischen Regierung um Entsendung von Truppen zur Niederschlagung der Tonghak-Revolte nachkam, lieferte es Japan einen guten Grund, gemäß des Vertrages von Tianjin (1884) seinerseits Truppen nach Korea zu entsenden - der Ausgangspunkt des Krieges. Die Darstellung illustriert den beigefügten Text, der die große Angst der chinesischen Truppen nach ihrer Niederlage bei Asan im Juli 1894 in einem humoristischen Dialog zwischen dem abgebildeten Chinesen und einem nicht näher definierten „Erzähler“ heraufbeschwört. Auf die Frage, warum ihm denn der Schrecken so ins Gesicht geschrieben sei, ob er denn etwa an einem körperlichen Gebrechen leide verneint der, herabwürdigend als „Chanchan-Glatzkopf“ ( ち や ん ち や ん 坊 主 、 chanchanbōzu) titulierte, Chinese. 61 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Nein, es wäre keineswegs ein epileptischer Anfall, welcher ihn quäle, vielmehr sei er vor Angst ganz krank. Die Pointe bezieht sich auf ein Wortspiel, sie lebt vom ähnlichen Klang der beiden Ausdrücke im Japanischen. Der im Text verwendete Ausdruck chanchan (auch chankoro u.Ä.) leite sich, wie Keene vermutet, vom chinesischen Wort für „Chinese“ chungkuo jen ab (Keene 1998:257), Dowe vermutet als Ursprung vielmehr den englischen Slangausdruck Chink (Dowe 2007:Old China, New Japan). Von ebenfalls äußerst negativer Konnotation ist das japanische Wort tombi, das eine wörtliche Übersetzung des englischen Wortes „pigtail“ darstellt. Entgegen der ursprünglichen Bedeutung von „Pferdeschwanz, Zopf“ steht es in Verbindung mit der durch die Kriegspropaganda verbreitete Meinung, Chinesen würden wie Schweine stinken oder sich wie solche gebärden. Wie Keene unter Berufung auf den Bericht eines Reporters anführt, gab es bei den japanischen Soldaten den Brauch, die Zöpfe der chinesischen Kriegsgegner als Trophäen zu sammeln, um so die Zahl der getöteten Kontrahenten belegen zu können (Keene 1998:257). In den im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Drucken wird die Bezeichnung chanchan-bōzu generell als Synonym für „Chinese“ verwendet, ich nehme mir die Freiheit heraus, nicht in jedem Fall gesondert auf den abschätzigen Charakter dieses Ausdrucks hinzuweisen. Leider lassen sich die, auch in den nachfolgenden Texten häufig anzutreffenden, Wortspiele nur sehr schwer ins Deutsche übertragen; selbst bei dem Vorhandensein einer einigermaßen akzeptablen Entsprechung der gewählten Ausdrücke geht zumeist die Frische und Unmittelbarkeit des japanischen Originals verloren. Darstellungen wie diese dienten in erster Linie der Propaganda, nicht selten sind sie diskriminierender Natur. Das vorliegende Blatt stellt die Überlegenheit 62 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō der japanischen Soldaten in den Vordergrund, selbst nach ihrem Vorbild gefertigte Puppen würden noch ausreichen, den Gegner das Fürchten zu lehren und ihn in die Flucht zu schlagen. Während interessanterweise die Miniaturausgaben japanischer Soldaten bewaffnet und in Uniform dargestellt sind, ist ihr chinesischer Gegenpart auch in Sachen Ausrüstung nicht ebenbürtig. Die Ausrüstung spielte, wie in allen Kriegen, auch im Sino-Japanischen Krieg 1894-95 eine bedeutende Rolle, der stetige siegreiche Vorstoß der japanischen Truppen lässt sich besonders auf die gute Kooperation mit den lokal ansässigen Chinesen zurückgeführt werden. Die japanische Haltung unterschied generell zwischen chinesischen Zivilisten und den Truppen der Qing-Dynastie. Das wird auch in der japanischen Namensgebung des Krieges deutlich: Er wird im Allgemeinen als Nisshin sensō (日清戦争), also „Krieg zwischen Japan und Qing“ bezeichnet (Lone 1994:137). Zu erwähnen bleibt zudem der deutliche Unterschied der Kleidung. Die im Zuge der Meiji-Revolution (1868) durchgeführte Modernisierung des japanischen Heeres brachte eine Änderung der Uniform mit sich. Die dunklen Uniformen der Soldaten wurden denen der Husaren, der Reitereinheit des bewunderten ungarischen Militärs, nachgebildet und erfreuten sich in dieser Zeit auch innerhalb Europas großer Beliebtheit (Meech-Pekarik 1987:203). Nach dem großen Sieg der japanischen Truppen bei Sōnghwan war der Kampfesmut der chinesischen Truppen soweit gesunken, dass ein Großteil bereits vor Eintreffen der Japaner in Asan die Flucht ergriffen haben soll. Damit waren die chinesischen Bestrebungen vereitelt, von Pjöngjang im Norden sowie Asan im Süden einen neuerlichen Vorstoß auf die Hauptstadt Seoul zu wagen. 63 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der rasche Rückzug des Gegners gab japanischer Kriegspropaganda reichlich Nahrung für schmähende Darstellungen und Berichte, genüsslich konstatierte beispielsweise die Japan Weekly Mail am 4. August (Paine 2003:159): „The Chinese are indeed skilled in the art of running away. As they fled they generally cast off their uniforms and donning the clothes of Koreans made the best of their way to what they considered safe places. The directions toward which they fled are unmistakably indicated by the cast-off uniforms. Even the Vice-commander of the Chinese troops appears to have been tempted to avail himself of this method, for his uniform was left behind in camp.” Anders sah es die chinesische Presse. Ein Korrespondent der in Shanghai ansässigen Zeitung North-China Herald wusste vom heroischen Widerstand einer kleinen chinesischen Truppe gegen die japanische Übermacht zu berichten (Paine 2003:159): „The Chinese have retired from the Yashan [Asan] district after several days of heavy fighting, 10.000 Japanese against 3.500 Chinese. In the first days, the Japanese met with a sharp reverse and severe losses, the Chinese loss being unimportant. On July 29th the Chinese withdrew, leaving the camp in charge of a guard of 300 men, who were attacked and captured by an overwhelming force of Japanese before dawn. The guard was killed. The Japanese lost 500 men, found only heavy baggage in the camp, and took no prisoners, many Chinese non-combatants in the vicinity being slain.” Tatsächlich handelte es sich bei der besiegten „kleinen Truppe” jedoch um einen großen Teil der chinesischen Kampfkraft, wie Paine betont, der chinesische Hof wurde, wahrscheinlich um mögliche tödliche Konsequenzen für die Verantwortlichen zu verhindern, in Sicherheit gewiegt (Paine 2003:160). 64 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.3. Blatt 2: „Das Lied vom Zerstampfen“ (Abb. 7) 明治 27 年 9 月 / September 1894 松本平吉 / Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 7: "Das Lied vom Zerstampfen" 65 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 踏潰(ふミつぶ)しの歌(うた) 骨皮道人 潰(つぶ)せや潰せやミな潰(つぶ)せ。滅多矢鱈(めつたやたら)に踏潰 (ふミつぶ)せ。/ 喩(たと)ひメソメソ泣(ない)たとて。喩(たと)ひ吠 面(ほへずら)かはくとて。/ 元(もと)わ彼等(かれら)の士出(しで)か した。身(み)から湧(わき)たる錆(さび)なるぞ。/ 是(これ)まで餘 (あん)まり馬鹿(ばか)にして。生意気(なまいき)ぬかした罰(ばち)な るぞ。/ 今更(いまさら)後悔(こうくわい)するとても。後(あと)の祭 (まつ)りで仕方(しかた)なし。/ いくら敵(てき)對(たい)為(な)す とても。丸(まる)で無駄(むだ)なり無益(むえき)なり。陸地(りくち) ハ政歓(せいくわん)また牙山(がざん)。平壌 (へいじやう)までも踏潰 (ふミつぶ)し。/ 又(また)軍艦(ぐんかん)ハ十餘艘(よさう)。美事 (みごと)に沈(しづ)めて仕舞(しまひ)たり。/ いでやちやんちやん覚悟 (かくご)せよ。是(これ)からだんだん大股(おほまた)に。/ 満州(まん しう)に入(ゐ)り奉天府(ほうてんふ)。とどの詰(つま)りハ南京(なん きん)も。北京(ぺきん)ミシミシ潰(つぶ)すべし。/ 北京(ぺきん)ミシ ミシ潰(つぶ)すべし。 66 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Fumitsubushi no uta Koppi Dōjin Tsubuse ya tsubuse ya mina tsubuse. Mettayatara ni fumitsubuse. / Tatoi mesomeso naita tote. Tatoi hoezura kawaku tote./ Moto wa karera no shidekashi da. Mi kara wakitaru sabi naru zo. Kore made anmari baka ni shite. Namaiki nukashita bachi naru zo. / Imasara kōkai surutote mo. Ato no matsuri de shikata nashi. / Ikura tekitai nasu tote mo. Maru de muda nari mueki nari. Rikuchi wa seikan mata Gazan. Heijō made mo fumitsubushi. / Mata gunkan wa jūyo-sō. Migoto ni shizumete shimaitari. / ideya Chanchan kakugo seyo. Kore kara dandan ōmata ni. / Manshū ni iri Hōtenfu. Todo no tsumari wa Nankin mo. Pekin mo mishi mishi tsubusu beshi. / Pekin mo mishi mishi tsubusu beshi. Übersetzung ins Deutsche Das Lied vom Zerstampfen (Abb. 7) Koppi Dōjin Zerstampfen, zerstampfen, alles zerstampfen. Blindlings zerstampfen. Auch wenn sie schluchzen. Auch wenn sie jammern. Sie haben es heraufbeschworen. Sie sind selber schuld. Bis jetzt habt ihr uns für dumm verkauft. Das habt ihr davon, eure Großtuerei wird bestraft. Auch wenn ihr es bereut. Es ist zu spät dafür. Auch wenn ihr mit ganzer Kraft gegen uns kämpft, es ist nutzlos, vergebliche Mühe! Uns gehört schon das Festland und Asan. Auch Pjöngjang haben wir bereits zermalmt. Mehr als 10 eurer Kriegsschiffe haben wir bereits komplett versenkt. Ihr Chinesen, ihr Chanchan, macht euch auf das Ende gefasst! Ab hier in großen Schritten nach Mukden, zum Eingang in die Mandschurei. Letztlich auch Nanking. Peking müssen wir noch zerstampfen. Peking müssen wir noch zerstampfen! 67 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Die Darstellung zeigt spielzeugartig anmutende Miniaturen chinesischer Soldaten und Schiffe sowie zwei junge Männer. Einer der beiden, Kleidung und Haartracht nach zu schließen, Chinese, sitzt wehklagend am Boden und bedeckt seine Augen, während der andere, ein japanischer Soldat, sich anschickt, eine durch beschriftete Fähnchen als chinesische Stützpunkte gekennzeichnete Figurengruppe nach der anderen mit grimmigem Gesichtsausdruck zu zerstampfen. Er ist frontal wiedergegeben und wiederum bekleidet mit weißen Beinkleidern, Gamaschen, Uniformjacke, Gürtel sowie einem Käppi, um die Brust trägt er eine gelbe Schärpe. Die rechte Hand reckt er in einer wütenden Geste zur Faust geballt vorwärts, die linke hält den Schaft seines Gewehres. Kopf, Hand sowie Gewehrlauf überschneiden hier bereits den Rand der dem Bild zugewiesene Fläche – sie überschneiden das oben abschließende Textfeld bzw. ragen davor empor. Der linkerhand im Schneidersitz am Boden sitzende Chinese ist ebenfalls frontal dargestellt, seine Kleidung greift die Farben der zuvor beschriebenen Uniform nochmals auf, ist jedoch „chinesisch“ umgedeutet. Die beiden noch heil gebliebenen Miniatur-Stützpunkte befinden sich wohl nicht zufällig direkt vor seiner Gestalt, sie sind ihm direkt zugewiesen. Mit einer raschen, entschlossenen Reaktion wäre ihre Zerstörung noch zu verhindern, dem Wüten des Japaners noch Widerstand zu leisten… einerlei, der Mann hat die Augen bedeckt und wehklagt. Den Hintergrund des Blattes bildet hier ein blau – durchscheinend – grüner Farbverlauf, welcher jedoch diesmal etwas greller in der Titelkartusche am rechten Rand nochmals aufscheint. 68 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Erläuterungen Zur Entstehungszeit dieses Druckes im Oktober 1894 konnten die japanischen Truppen bereits große Siege für sich verbuchen, so etwa bei Toshima (25. Juli 1894), Asan (29. Juli 1894) oder Pjöngjang (15. September 1894). Diese drei Stationen sind auch unter den auf der Darstellung angeführten, die sie symbolisierenden Figürchen wurden von dem japanischen Soldaten bereits zerstampft. Mitten in der Bewegung festgehalten, wendet sich dieser nun den beiden verbleibenden und als Mandschurei und Peking beschrifteten Stationen zu. Im Sinne propagandistischer Motive wird hier die militärische Übermacht Japans in humoristischer Weise dargestellt. Der japanische Soldat zermalmt mit zur Faust geballten Hand einen chinesischen Stützpunkt nach dem anderen, es ist ihm ein Leichtes, sie dem Erdboden gleichzumachen. Die feindlichen Truppen werden symbolisch zu passiven Püppchen degradiert. Der chinesische Widersacher kann oder will dem Wüten des übermächtigen Japaners nichts entgegensetzen, er sitzt lediglich daneben und wehklagt. Die Frage, ob es sich bei den dargestellten Personen um Männer oder Knaben handelt muss lässt sich meiner Meinung nach nicht eindeutig beantworten. Auch wenn die Szene in der Tat stark an ein kindliches Sandkastenspiel erinnert, handelt es sich in Hinblick auf die Physiognomie und das Faktum, dass beide Soldatenkleidung tragen meiner Meinung nach um erwachsene Männer wenn sie sich auch wie Kinder verhalten. Ein Knabe wäre schwerlich in den Besitz des Gewehres gekommen, welches die dargestellte Person so prominent geschultert trägt. Mit einem Augenzwinkern stellt Kiyochika hier den Streit der beiden Kontrahenten dar. Weder die grimmige Miene des Japaners noch das Klagen des Chinesen scheinen dramatische Auswirkungen zu haben, das Agieren der beiden wirkt vielmehr kindlich trotzig. 69 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der wahre „Sieger“ ist der Künstler selbst, gelingt es ihm doch, seinen Karikaturen abseits vordergründiger Kriegspropaganda eine ironische Note beizufügen. Die Diktion des zugeordneten Textes ist, wie der Titel des Blattes bereits vermuten lässt, ähnlich der eines Liedtextes und lässt sich wie ein anfeuernder Schlachtgesang verstehen. In der Tat spielten Lieder wohl auch in der Propaganda des Sino-Japanischen Krieges eine wichtige Rolle. 70 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.4. Blatt 3: „Eilmeldung! Eilmeldung!“ (Abb. 8) 明治 27 年 11 月 / November 1894 松本平吉 / Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 8: "Eilmeldung! Eilmeldung! 71 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 御注進御注進(ごちうしんごちうしん) 骨皮道人 国(くに)乱(ミだ)れて注進(ちうしん)顕(あら)はるるとハ云(い)へ、 さうノベツに / 四方八方(しはうはつはう)から御注進御注進(ごちうしんご ちうしん)と来(こ)られてハ、餘(あま)/り注進(ちうしん)が顕(あら) はれ過(すぎ)てどうにも 手(て)が廻(まわ)らないで / 目(め)が廻(ま わ)るワ「御注進御注進(ごちうしんごちうしん) 「エエ騒々寿(さうさうしい)わい最少(もすこ)し / 静(しずか)にしろ へ・・・ムム成(なる)ほど又(また)平壌(へいじやう)で負(まけ)て、/ 黄海(くわうかい)でも軍艦(ぐんかん)を四艘(さう)沈(しづ)められた、 義/州(ぎしう)を追払(おいはら)はれて、九連城(れんじやう)も占領(せ んりやう)されて / 奉天府(ほうてんふ)もとうとう日本(にほん)の 物 (もの)になつた /・・・イャ此奴(こいつ)が此奴(こいつ)が何(なに) を申(まを)す。負(まけ)た事(こと)/ ばかりを報知(しらせ)るのが注 進(ちうしん)でハないゾ、偶(たま)には / 勝(かつ)た事(こと)も申 (まを)すものぢや、サァ今度(こんど)ハ勝(かつ)た事(こと)/ を申 (まを)せ勝(かつ)た事(こと)を「へー是(これ)ハ困(こま)りました、 オット / ありますあります「さうだろうさうだろう其(その)勝(かつ)た事 (こと)を早(はや)/く申(まを)せ「エート先(まつ)第一(だいいち)が 日本兵(にほんへい)に負(まけ)て口惜(くやし)かつた、/ 味方(ミか た)の兵(へい)が弱(よわ)かつた、腹(はら)が減(へつ)てひもじかつ た、首(くび)を / 切(き)られて痛(いた)かつた、夫(それ)から苦(く る)しかつた悲(かな)しかつた /「ヤイヤイヤイヤイ此奴等(こいつら)ハ 何(なに)を申(まを)す其様(そん)な / 事(こと)でハない軍(いくさ) に勝(かつ)た事(こと)ぢや「イエ其辺(そのへん)の / 所(ところ)ハ斥 候(せきこう)に存(ぞん)じませぬ 72 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 「平壌も亦た負けました 「黄海でもまた負けました 「義州も取られて仕舞ました 「九連城も追払はれました 「奉天府もメチャメチャに成りました 「いよいよ北京へ押掛て参ります 73 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Go-chūshin go-chūshin Koppi Dōjin Kuni midarete chūshin arawaruru to wa ie, sō nobetsu ni / shihō happō kara gochūshin go-chūshin to korarete wa, amari chūshin ga araware sugite dō ni mo te ga mawaranai de / me ga mawaru wa 「 Go-chūshin go-chūshin 「 Ee sōzōshii wai mosukoshi / shizuka ni shiro e…mumu naruhodo mata Heijō de makete, / Kōkai de mo gunkan o yonsō shizumerareta, Gishū o oiharawarete. Kyūrenjō mo senryō sarete, / Hōtenfu mo tōtō Nihon no mono ni natta /...iya koitsu ga koitsu ga nani o mōsu. Maketa koto bakari o shiraseru no ga chūshin de wa naizo, tamani wa / katta koto mo mōsu mono ja. Sā kondo wa katta koto / o mōse katta koto o 「Hē kore wa komarimashita, otto / arimasu arimasu 「Sō darō sō darō sono katta koto o haya/ku mōse「Ēto mazu daiichi ga nihonhei ni makete kuyashikatta. / Mikata no hei ga yowakatta. Hara ga hette himojikatta. Kubi o / kirarete itakatta. Sore kara kurushikatta kanashikatta / 「Yaiyaiyaiyai koitsura wa nani o mōsu, sonna / koto de wa nai ikusa ni katta koto ja 「Ie sono hen no tokoro wa sekkō ni zonjimasen. 「Heijō mo mata makemashita. 「Kōkai demo mata makemashita. 「Gishū mo torarete shimaimashita. 「Kyūrenjō mo oiharawaremashita. 「Hōtenfu mo mecha mecha ni narimashita. 「Iyoiyo Pekin e kakete mairimasu. 74 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Übersetzung ins Deutsche Eilmeldung! Eilmeldung! (Abb. 8) Koppi Dōjin Man sagt, ist das Land in Aufruhr, treten Helden (chūshin) auf den Plan, aber aus zu vielen Richtungen treffen mittlerweile Eilboten (chūshin) ein. Von überall her dringen Hilferufe, in meinem Kopf dreht sich schon alles. „Ah, es ist so schrecklich laut, seid doch ein wenig leiser…verstehe, wir haben nun auch bei Pjöngjang verloren. Und auch im Gelben Meer wurden vier unserer Kriegsschiffe versenkt? Qiuliancheng wurde okkupiert, auch Mukden wurde letztendlich japanischer Besitz…. Du Kerl, was sagst du da… Nur von verlorenen Schlachten zu berichten ist keine (passende) Nachricht! Du musst gelegentlich auch von gewonnenen Dingen erzählen! Nun gut, jetzt berichte mir einmal von einem Sieg, einer gewonnen Schlacht.“ „ Oh weh, damit habe ich wohl Probleme. Doch halt, da habe ich was!“ „Wenn das so ist, wenn das so ist, berichtet rasch von unseren Siegen (katta koto)!“ „Nun ja, zuerst haben wir gegen die japanischen Truppen verloren, was für ein Kummer (kuyashikatta). Die Truppen unserer Verbündeten waren schwach (yowakatta). Unser Magen knurrte, es herrschte großer Hunger (himojikatta). Unsere Köpfe wurden abgeschlagen, es herrschte großer Schmerz (itakatta). Es war so leidvoll (kurushikatta), so traurig (kanashikatta).“ „Du Kerl, was redest du da, das klingt überhaupt nicht nach einem Sieg!“ „Leider verstehe ich einfacher Bote (sekkō) nichts (ikkō) von solchen Dingen…“ „Pjöngjang wurde auch verloren.“ „Auch am Gelben Meer eine Niederlage.“ „Guizhou 27 ebenso eingenommen.“ „Qiuliancheng wurde in Trümmer gelegt.“ „Letztlich marschiert man gen Peking…!“ 27 Provinz im Südwesten der Volksrepublik China 75 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Den Mittelpunkt der Darstellung nimmt die imposante Gestalt eines chinesischen Mandarins, erkennbar an der typischen Kopfbedeckung mit Quaste, ein, dessen Augen und Mund vor Schrecken geweitet sind und wie Windräder zu rotieren scheinen. Seine in ein blau-gelbes Gewand gehüllte Gestalt ist stark vereinfacht und in den Proportionen verzerrt dargestellt – fast genauso breit wie hoch und mit stark vergrößertem Kopf erinnert er weniger an einen Menschen denn an eine Pappfigur. Die Mimik ist so überzeichnet und gestaltet dass das Rotieren der kugelrunden Augenhöhlen und des ebenso kugelrund geöffneten Mundes die atemlose Orientierungslosigkeit des Mandarins zeigen, der dem Betrachter geradewegs entgegenstarrt. Vor ihm knien sechs weitere, im Sinne der Bedeutungsperspektive deutlich kleinere Gestalten, ebenfalls (durch ihre Zöpfe erkennbar) Chinesen, die dem Mandarin zugewandt Bericht erstatten. Sie sind in Dreiergruppen im Vordergrund platziert, sodass lediglich neben den halb- und verlorenen Profilen ihre gebeugten Rücken sichtbar sind. Die beiden am äußersten Rand der Darstellung befindlichen Männer im Profil treten in grotesker Art verhässlicht in Erscheinung treten. Über den kauernden Gestalten erscheinen ein- bis dreizeilige Schriftspalten, die ohne hinterfangende Kartusche direkt auf den Blattgrund gesetzt wurden und ähnlich den allseits bekannten Sprechblasen die Äußerungen der Männer wiedergeben. 76 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Erläuterungen Der abgebildete Mandarin vernimmt gerade mit Schrecken die schlechten Nachrichten, die ihm von Eilboten überbracht werden. Ihre Kunde kann der Betrachter über den Figuren lesen, sie beinhaltet etwa den Fall von Pjöngjang am 16. September 1894, die Niederlage in der Schlacht am Gelben Meer am Tag darauf sowie den Fall der Festung Qiuliancheng am 26. Oktober (vgl. Diesinger 1986:20). Der Sino-Japanische Krieg 1894-95 wurde insbesondere durch vier große Schlachten entschieden, zwei davon (Pjöngjang sowie das Gefecht am Gelben Meer) sind hier genannt. Neben dem symbolischen Charakter waren beide Standorte auch vom strategischen Standpunkt aus von eminenter Bedeutung. Der Schrecken, den solche Verluste auf chinesischer Seite hervorriefen, wird hier thematisiert und wie bei den meisten Blättern propagandistisch überzeichnet. So scheint es, als wären lediglich japanische Siege zu überbringen, den chinesischen Befehlshabern dreht sich ob dieser Hiobsbotschaften im wahrsten Sinne des Wortes alles vor Augen. Der Text beinhaltet einige Wortspiele. So fordert der Befehlshaber katta koto, also Kunde von Siegen (wörtlich: „gewonnenen Dingen“), seine Boten interpretieren dies jedoch auf recht eigenwillige Art. Sie berichten einfach Negatives in der auf -katta endenden Vergangenheitsform. Außerdem wird eine japanische Redensart herangezogen, der zufolge immer, wenn die Not im Land am Größten ist, Helden auf den Plan treten würden. Das Wort chūshin lässt sich auf zwei verschiedene Arten verstehen: einerseits im Sinne der Redensart als „Held“, hier jedoch wiederum humoristisch umgedeutet als den keineswegs Gutes verheißenden „Eilboten“ (注進). 77 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.5. Blatt 4: „Hochkonjunktur in der Unterwelt“ (Abb. 9) 明治 27 年 11 月 / November 1894 松本平吉 / Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 9: „Hochkonjunktur in der Unterwelt“ 78 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 地獄(ぢごく)の大繁昌(おほはんじやう) 骨皮道人 豊島海(ほうとうかい)でちやんちやん船(ぶね)が一艘(さう)沈(しづ) められて以来(このかた)。閻(えん)/魔大王(まだいわう)ハ夜(よ)を日 (ひ)に継(つい)での取調(とりしら)べ「コリヤ其方(そのほう)は / 何 (なに)と申(まを)す「ヘイ私(わた)しハ土左衛門(とさえもん)「其次 (そのつぎ)ハ「ヘイ私(わた)しも / 土左衛門(どざえもん)「其次(その つぎ)ハ「私(わた)しも同(おな)じく「其次(そのつぎ)ハ「私(わた) しも / 右(みぎ)同断(どうだん)と云(い)ふので大王(だいわう)ハとう とう七日七夜(なぬかななよ)土左(どざ)/衛門(えもん)の書続(かきつ づ)け其(その)の取調(とりしら)べでさへ未(ま)だ済(すま)ない所 (ところ)へ持(もつ)て / 来(き)て直(すぐ)に成歓(せいくわん)牙山 (がざん)から何千人(なんせんにん)其(その)又(ま)た下調(したし ら)べも / 済(すま)ない中(うち)に、今度(こんど)ハ平壌(へいじや う)と来(き)て此(この)亡者(もうじや)が何万人(なんまんにん)。 / それから之(これ)に続(つづ)いて黄海(くわうかい)と来(き)て是 (これ)が又(また)何(なん)百/人(にん)。イクラちやんちやんと云 (い)つたからとて、爾(さ)うチャン/チャンと片付(かたつ)きやう筈(は づ)がないから。流石(さすが)/ の閻魔王(えんまわう)も驚(おどろ)い て居(い)ると 鬼「イヤモウ忙数(いそがしい)の / 忙数(いそがし)く無 (な)いのッて。此様(このやう)に亡的(もうてき)がドヤドヤ柙掛(おし か)けて / 来(く)るなんざア。地獄(ぢごく)の開闢(かいびやく)以来 (いらい)始(はじ)めててせう。/ お負(まけ)に来(く)る奴(やつ)も 来(く)る奴(やつ)も皆(みん)なちやんちやん坊/主(ばうず)ばかしです が。何故(なぜ)又(また)ちやんちやん坊主(ばうず)/ ハ此様(こんな) に死去(くたば)るのでせうと云(い)へば / 閻「それだから国(くに)の名(な)を死國(しにこく)と云(い)ふのだ 79 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Jigoku no ōhanjō Koppi Dōjin Hōtōkai de Chan-chan-bune ga issō shizumerarete irai. Enma-daiō wa yo o hi ni tsuide no torishirabe 「Korya sono hō wa / nani to mōsu 「 Hei watashi wa dozaemon 「Sono tsugi wa 「Hei watashi mo / dozaemon 「Sono tsugi wa 「Watashi mo onajiku 「Sono tsugi wa 「Watashi mo / migi dōdan to iu no de daiō wa tōtō nanoka nanayo doza/emon no kakitsuzuke sono torishirabe de sae mada sumanai tokoro e motte/kite sugu ni Seikan Gazan kara nanzennin sono mata shitashirabe mo / sumanai uchi ni, kondo wa Heijō to kite kono mōja ga nanmannin. / Sore kara kore ni tsuzuite Kōkai to kite kore ga mata nanbyakunin. Ikura Chan-chan to itta kara tote, sō jan/jan to katatsuki yō hazu ga nai kara. Sasuga / no Enma-ō mo odoroite iru to Oni 「 Iya mō isogashii no / isogashiku nai no tte. Kono yō ni mōteki ga doyadoya oshikakete / kuru nan zā. Jigoku no kaibyaku irai hajimete deshō. / Omake ni kuru yatsu mo kuru yatsu mo mina Chan-chan-bō/zu bakari desu ga. Naze mata Chan-chan-bōzu / wa konna ni kutabaru no deshō to ieba En「Sore dakara kuni no na o shinikoku to iu no da Übersetzung ins Deutsche Hochkonjunktur in der Unterwelt (Abb. 9) Koppi Dōjin Nachdem im Meer von Hōtō wiederum ein chinesisches Schiff versenkt wurde. König Enma verhört ununterbrochen bei Tag und Nacht. „Wie heißt du?“. „Ich heiße Dozaemon (Wortspiel, dozaemon 土左衛門, jap. für „Ertrunkener“)“. „Und der Nächste?“ 80 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō „Mein Name ist auch Dozaemon“. „Gut, und der Nächste?“ „Ich heiße genauso!“ „Der Nächste?“ „Ich heiße genauso wie mein Vorgänger.“ So schrieb König Enma sieben Tage und sieben Nächte immer nur ununterbrochen den Namen Dozaemon. Er war noch gar nicht zu Ende gekommen, da erschienen bereits wieder Tausende Verstorbene von Seikan und Asan. Und damit nicht genug, schon trafen wiederum zahllose Tote aus Pjöngjang ein. Und daran anschließend eine große Anzahl vom Gelben Meer kommend. Doch auch wenn sie alle Chanchan heißen, geht die Abfertigung nicht zack zack (Wortspiel, Chanchan als Schimpfwort für „Chinesen“ in Verbindung mit janjan „schnell, rasch“). Da ist selbst König Enma erstaunt. Ein Teufel: „Puh, ich bin schon ganz erschöpft. Hat es seit Bestehen der Unterwelt je so viele Verstorbene auf einmal gegeben? Und noch dazu, wie viele auch kommen, alle, sie alle sind Chinesen! Warum bloß sterben derartig viele Chinesen?“ Daraufhin antwortet König Enma: „Das ist weil der Name des Landes Shikoku (Wortspiel, shi(ni)koku „Sterbeland“ und Shinkoku „China“) lautet.“ 81 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Eine Masse von Hinterköpfen mit Totenhauben füllt den Vordergrund. Lediglich ihre Zöpfe sind zu sehen. Ein paar Gestalten stehen linkerhand, ihre Gruppierung um das Podest gibt den Blick frei auf die stark vereinfachten, hässlichen Gesichter und blau-weißen Gewänder der chinesischen Verstorbenen (die angedeuteten weißen Kopftüchlein, welche in japanischer Ikonographie den Totenstatus einer Person anzeigen, legen eine solche Vermutung nahe). Ihnen gegenüber ragt hinter einem wuchtigen Podest eine in ein kostbares Gewand gehüllte grimmige Gestalt empor. Sie ist durch ihre Kopfbedeckung, auf welcher sich das Zeichen für „König“ 王 befindet, sowie die purpurne Hautfarbe als Herrscher der Unterwelt, König Enma, ausgewiesen. Mit wütender Miene und weit von sich gestreckten Armen schreit er die Ankömmlinge an. Neben dem Herrscher befinden sich auf einem schwarzgoldenen Sockel mit lotosverziertem Kalyx zwei Köpfe, ebenfalls mit weit geöffneten Mündern und angsteinflößendem Gesichtsausdruck. Am rechten Bildrand, noch vor dem Podest, hält ein grünhäutiger Teufel mit Stab und Hörnern Wache. Die eine Hand mit gespreizten Fingern von sich gestreckt, die andere um seine Waffe geschlossen starrt blutunterlaufenen Augen unter buschigen Augenbrauen vor sich hin. 82 er mit Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Erläuterungen Zur Entstehungszeit des vorliegenden Blattes im November 1894 konnten sich die japanischen Truppen bereits über eine Reihe von wichtigen Siegen freuen, insbesondere über solche zur See. Auf einen nimmt auch der vorliegende Text bezug: Die Schlacht im Gelben Meer am 17. September 1894. Der König der Unterwelt, König Enma, sieht sich einer wahren Flut an Verstorbenen gegenüber, nur mit Mühe wird er dem Ansturm der in der Schlacht ertrunkenen chinesischen Soldaten gerecht. Nicht ein einziger Japaner lässt sich in der Masse entdecken, im propagandistischen Sinne werden die prekäre Lage des Feindes und seine Verluste überzeichnet. Die verwendete Ikonographie der Unterwelt sowie ihrer „Bewohner“ entspricht dem gängigen Schema, das sich unter dem Einfluss der aus China eindringenden Jūōzu (Porträtdarstellungen der zehn Höllenkönige) im Laufe der Kamakura-Periode 28 ausgebildet hatte. Jūōzu stellen jeden König einzeln auf einem Blatt und zumeist hinter einem Pult mit Unterlagen sitzend dar. Flankiert von Würdenträgern empfangen die Herrscher Verstorbene, während vor dem Pult oni ( 鬼 Dämonen bzw. Teufelsgestalten) Wache halten. Ihre Aufgabe ist es, die Sünder vor den König zu bringen und sie nach der Urteilsverkündigung zu foltern (Wakabayashi 2004:304). Die beiden Köpfe (miru me, kagu hana 見る目かぐ鼻) neben dem König helfen bei der Beurteilung der Verstorbenen – sie sind in der Lage, gute und böse Taten zu sehen bzw. zu riechen. 鎌倉時代 Kamakura-jidai (1185–1333) 28 83 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der erläuternde Text ist gespickt mit Wortspielen. So ist dozaemon eigentlich das japanische Wort für „Ertrunkener“, hier wird es als stets gleichförmiger Name der Verstorbenen verwendet. Der abschätzig für Chinesen gebrauchte Ausdruck chanchan wird aufgrund des ähnlichen Klangs in Verbindung gebracht mit janjan, was soviel wie „einfach, mühelos, im Handumdrehen“ bedeutet. 84 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.6. Blatt 5: „Fluchtvorbereitungen“ (Abb. 10) 明治 27 年 12 月 / Dezember 1894 松本平吉 / Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 10: "Fluchtvorbereitungen" 85 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 逃(に)げ仕度(したく) 骨皮道人 日本(にほん)の軍隊(ぐんたい)が愈々(いよいよ)奉天府(ほうてんふ) まで押掛(おしかけ)たと云(い)ふので。/ 同處(どうしよ)近邊(きんぺ ん)から北京(ぺきん)へ掛(かけ)てハ上(うえ)を下(した)へと大騒動 (おほそうどう)/ 此家(このや)ハ主人(しゆじん)が出陣(しゆつぢん) した留守中(るすちう)。殊(こと)に婦人(ふじん)計(ばか)りと / 見 (ミ)えて其(その)狼狽(らうばい)ハ一方(かた)ならぬ様子(やうす)。 折(をり)から慌(あワただ)/ しく駆(かけ)て来(き)た一人(ひとり) の下女(げぢよ)「御新造(ごしんぞ)さんやァあに / をマゴマゴして居 (い)さッしやるだァよ、早(はや)く突(つ)ッ走(はし)/ らねへと日本 (にほん)の兵隊(へいたい)にハァおッ殺(ころ)されて仕舞(しまい)ま / すべエじやねへか・・・ホヲ聞(き)かつしやれへ。彼(あ)のハァ / ズドー ンちうな鉄砲(てつぱう)だァ・・・オオ可恐(おッか)ねへ可恐(おッか) ねへ / ・・・サアョー早(はや)く突(つ)ッ走る(はし)らせへョー「然 (だ)ッてお前(まえ)誰(だれ)か / 連(つれ)て行(いつ)て呉(くれ) なけりやァ一人(ひとり)ぢやァ迚(とて)も歩朝(あるけ)ない / のだもの 「アラマアどうしたら宣(よ)かんベエ。もう / ひやァ腰(こし)が抜(ぬ) けたダァ「ナーニさうぢや無(な)い / けれど何(なん)にしても此(この) 足(あし)だから「ホンにさうだ/ツけよ。夫(それ)ぢやァ突(つ)ッ走(は し)る事(こと)ア出来(でき)ましねへ。/ 然(だ)けんど何(なん)だァ チウて又(また)そげへな摺木(すりこぎ)見(み)た / やうな足(あし)を して居(い)さッしやるだんべエ夫(それ)/ だァからハァ旦那(だんな)さ んが味噌(みそ)べエ附(つけ)て居(ゐ)る/だァ 86 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Nige-jitaku Koppi Dōjin Nihon no guntai ga iyoiyo Hōtenfu made oshikaketa to iu no de. / Dōsho kinpen kara Pekin e kakete wa ue o shita e to ō-sōdō. / Kono ya wa shujin ga shutsujin shita rusuchū. Koto ni fujin bakari to / miete sono rōbai wa hitokata naranu yōsu. Ori kara awatada shiku kakete kita hitori no gejo 「Goshinzo-san yā nani o magomago shite irassharu dā yō, hayaku tsuppashi / ranē to Nihon no heitai ni ā okkorosarete shimaimasu / bē ja nē ka…hō kikassharē. Ano ā / zudon chū na teppō da…Ō okka nē okka nē / sā yō hayaku tsuppashi rasēyō「Datte omae dareka / tsurete itte kurenakeryā hitori jā totemo arukenai / no da mono 「Aramā dōshitara yokanbē. Mō / hyā koshi ga nuketa dā 「Nāni so ja nai / keredo nan ni shite mo kono ashi dakara 「 Hon ni sō dakke yo. Sore jā tsuppashiru kotā dekimashinē. Dakedo nan da chūte mata sogē na surikogi mita yō na ashi o shite isassharu danbē. Sore / da kara wā danna-san ga miso bē tsukete iru / dā. Übersetzung ins Deutsche Koppi Dōjin Fluchtvorbereitungen (Abb. 10) Das japanische Heer rückt immer weiter nach Mukden (Fengtianfu) vor, alles von hier bis Peking ist deshalb im Aufruhr. Das Haus liegt verlassen da, der Hausherr wurde zum Militärdienst eingezogen. Besonders die Frauen sind in Panik, sie sind allein zurück geblieben. Eine Dienstmagd kommt in großer Eile am Haus vorbeigelaufen. „Gnädige Frau, was treiben Sie denn da? Laufen Sie schnell weg, sonst töten Sie japanische Soldaten! …Horchen Sie! Da hört man schon das Donnern der Gewehre…Ah, schrecklich schrecklich, bitte laufen Sie schnell!“. „Aber ich kann nicht ohne fremde Hilfe gehen“. 87 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō „Oh weh…was machen wir nur? Haben Sie so große Angst, dass sie ihre Beine nicht tragen?“. „Nein, daran liegt es nicht. Wegen meinen Füßen kann ich nicht gehen“. „Ja wirklich, ich verstehe. Wieso haben sie bloß so dünne Beine wie SurikogiReibestöcke? Das ist allein die Schuld ihres Mannes!“. 88 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Die Darstellung zeigt als einzige der hier behandelten Arbeiten zwei weibliche Gestalten. Die Figur im Vordergrund stellt eine, der Kleidung nach, vornehme chinesische Dame dar, die gestürzt zu sein scheint. Unter dem rechten Arm trägt sie zwei mandolinenartige Musikinstrumente. An ihr rechtes Handgelenk ist eine Leine mit einem kleinen Hausschwein gebunden. Einen prominenten Platz in der Bildmitte nehmen die Beine der am Boden Liegenden ein, ihre Füße sind auffallend klein und abgerundet dargestellt. In Übergewand und chinesische Hosen in grellen Pink- und Blautönen gekleidet sowie weiß geschminkt hebt sich die Dame deutlich von ihrem Umfeld sowie dem monotonen Hintergrund der Darstellung ab. Eine Dienstmagd, beladen mit allerlei Küchengerät und mit einer Laterne den Weg leuchtend, wendet sich zu der Dame um. Sie ist einfacher gekleidet und durch ihr grobschlächtig anmutendes Gesicht als Person niedrigerer Herkunft charakterisiert. Die typisch chinesische Liege sowie das umgestürzte Tischchen mit dem Narzissentopf in der rechten unteren Ecke ergänzen die Szene und weisen sie als im häuslichen Bereich angesiedelt aus. 89 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Erläuterungen Der rasche Vorstoß der japanischen Truppen und die Eroberung des Verwaltungsbezirks Fengtianfu (Mukden) zwang die chinesische Zivilbevölkerung im Dezember 1894 zur Flucht. Die dargestellte Szene bezieht sich auf die panischen Versuche der allein und schutzlos zurück gebliebenen Frauen, der heranrückenden fremden Armee zu entgehen. Gezeigt wird eine augenscheinlich höhergestellte chinesische Dame, deren kleine Füße sie zu Fall gebracht haben. Dies wird im beigefügten Text, einem Dialog der beiden Frauen, deutlich, er spielt auf den chinesischen Brauch der „Lotusfüße“, also die durch Zusammenschnüren am Wachsen gehinderten Füßen an (Diesinger 1988: 22). Sie galten als Schönheitsideal höhergestellter Damen und machten längeres Marschieren für diese unmöglich. Japan, das sich lange Zeit am großen Nachbarn China orientiert hatte, kannte dessen Bräuche und Gepflogenheiten gut und nutzte dieses Wissen, um sich wie hier – nicht ohne eine gewisse Schadenfreude darüber lustig zu machen und die eigene Überlegenheit und Modernität zu unterstreichen. In der Gestalt der feinen Dame versucht China hier, seine kulturellen Schätze vor dem heranrückenden Narzissentöpfchen ist bereits Feind in zu Bruch Sicherheit gegangen, zu nun bringen. gilt es, Das die Musikinstrumente als Symbol feinen Zeitvertreibs und Kunstsinn zu retten. Doch gerade diese Last und ihre Trägerin sind es, die dem Untergang geweiht scheinen. Die pragmatische Dienstmagd vermag zu fliehen, mitleidig wendet sie sich nach der großen Kultur um, die hinter ihr zurückbleibt. Kiyochika wendet sich in diesem Blatt den Sorgen der Zivilbevölkerung zu, anstatt Soldaten zeigt er hier die Frauen des Feindes. Nicht genug, dass dieser seine Pflicht, sie zu beschützen, nicht erfüllen kann, selbst die Flucht ist ihnen durch die Bürde alter, überkommener Traditionen verwehrt. 90 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Interessant ist auch der im Dialog anhand des Dialektes erkennbare Standesunterschied der beiden Frauen. Nicht immer ist hohe Herkunft von Vorteil, die Dienstbotin erweist sich in der Krisensituation als „lebensfähiger“. Die Physiognomie beider Figuren ist verhässlicht, das im Profil deutlich zutage tretende fliehende Kinn der Dame sowie der breite grobgezeichnete Mund der Dienstmagd verspielen den Bonus der Weiblichkeit. 91 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.7. Blatt 6: „Köpfeziehen“ (Abb. 11) 明治 27 年 11 月 / November 1894 松本平吉 / Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 11: „Köpfeziehen“ 92 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 首(くび)ツ引(ぴき) 骨皮道人 形(なり)が小造(こづく)りだから力(ちから)も無(な)からうと。猿 (さる)よりも劣(おと)つた / 浅墓(あさはか)な量見(りやうけん)でさ んざん人(ひと)を軽蔑(ばか)にして居(い)たが。/ 汝等(うぬら)ハ一 体(たい)杓子(しやくし)あるを知(しつ)て耳掻(みみか)きを知(し) らず。一寸(すん)/ 八分(ぶ)の観世音(くわうんぜおん)ハ一丈(ぜう) 餘(よ)の仁王(にわう)を門番(もんばん)使(つか)つて / 居(ゐ)る事 (こと)を知(し)らないのに。論(ろん)より証拠(せうこ)。自己(お れ)の 力量(りきりやう)/ の程(ほど)を見(ミ)せて遣(や)るからサ ァ首(くび)ツ引(ぴき)で来(き)て見(ミ)ろ。/ 汝等(うぬら)のやう な芋虫(いもむし)同様(どうやう)のコロコロ野郎(やらう)が。十疋(ぴ き)や / 二十疋(ぴき)一ツ固(かたま)りになつて来(き)からッて多寡 (たくわ)の / 知(し)れたものだ・・・ソラ来(こ)いサアどうだ・・・只 (たつ)た夫(それ)ッ/ ばかりの力(ちから)か。イヤハヤなさけねへ奴等 (やつら)だ。其様(そん)な / 逃腰(にげこし)でどうして自己(おれ)の 小指(こゆび)一本(ぽん)にも叶(かな)ふものか/・・・ウントコドッコイ しよ。もつと確乎(しつかり)来(こ)い来(こ)い/・・・ソーラ宣(いい) かとウンと一ツ力(ちから)を入(い)れると。五六/人(にん)の首(くび) が一度(ど)にミリミリズルズルズルと。生大(なまだい)/根(こ)でも引 (ひつ)こ抜(ぬく)やうに抜(ぬい)て仕舞(しまつ)たから。/傍(そば) に居(い)たちやんちやん坊主(ぼうず)めハ皆(みな)驚/いたの驚かないの でハない。アツと云(いひ)さま首の / 無(な)い身体(からだ)に取捕(と ツつか)まつて此(こ)りや胴(どう)だ。 93 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Kubippiki Koppi Dōjin Nari ga kozukuri da kara chikara mo nai kara to saru yorimo ototta / asahaka na ryōken de sanzan hito o baka ni shite ita ga. / Unura wa ittai shakushi aru o shitte mimikaki o shirazu. Issun / hachibu no Kanzeon wa ichijō yo no Niō o monban ni tsukatte / iru koto o shiranai no da. Ron yori shōko. Ore no rikiryō / no hodo o misete yaru kara sā kubippiki de kite miro. / Unura no yō na imomushi dōyō no korokoro yarō ga jūppiki ya / nijuppiki hitotsu katamari ni natte kitakaratte taka no / shireta mono da…sora koi sā dō da…Tatta sore / bbakari no chikara ka. Iyahaya nasakenē yatsura da. Sonna / nigekoshi de dōshite ore no koyubi ippon ni mo kanau mono ka/… untokodokkoi sho. Motto shikkari koi koi/… sōra ii ka to un to hitotsu chikara o ireru to. Go-roku nin no kubi ga ichido ni mirimiri zuruzuruzuru to namadai/ko de mo hikkonuku yō ni nuite shimatta kara soba ni ita Chanchan-bōzume wa mina odoroita no odorokanai no de wa nai. Atto iisama kubi no / nai karada ni tottsukamatte korya dō da. 94 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Übersetzung ins Deutsche Köpfeziehen (Abb. 11) Koppi Dōjin Ihr seid noch dümmer als Affen, weil ihr uns (Japan) für klein und kraftlos gehalten und uns lange zum Narren gemacht habt. Ihr beachtet nur grobe Dinge (wie Schöpflöffel), die kleinen aber bedeutenden Dinge (wie Ohrenputzer) seht ihr nicht. Die 1,8 sun (1 sun = 3,03 cm) kleine Kannon 29 verwendet Niōs 30 als Wächter, die mehr als ein jō (1 jō = 3,03 m) messen, doch das wisst ihr nicht. Ich zeige euch Beweise anstatt zu argumentieren. Ich werde euch zeigen, wie stark ich bin, kommt nur her und wir kämpfen gegeneinander beim kubippiki! Ihr seid allesamt wertlose Schufte wie Raupen. Wenn ihr mich auch zu zehnt oder zwanzig auf einmal attackiert, ist es doch keine Herausforderung für mich… Na kommt, wie gefällt euch das? Ist das das Einzige, was ihr an Kraft aufbieten könnt? Widerliche Kerle seid ihr! Ihr seid so feige, nicht einmal gegen die Kraft meines kleinen Fingers kommt ihr an. Hau ruck! Kommt, kommt, strengt euch an… Ha, ich gebe nur ein bisschen mehr Kraft hinzu und schon strecken sich die Köpfe von fünf, sechs Männern auf einmal, länger und länger wie weißer Rettich, den man aus der Erde zieht. Dass die Chanchan-Glatzköpfe in der Nähe nicht allesamt erschauern, ist unmöglich. Und so klammern sie sich an die kopflosen Körper und schreien: „Wie kommt das…?/ Das sind nur noch Rümpfe! (dō da) “ meist weibliche Inkarnation des Bodhisattvas für Güte und Barmherzigkeit Wächter der buddh. Lehre; als Figuren oft links und rechts des Zuganges zu buddh. Tempeln platziert 29 30 95 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Das Blatt zeigt fünf Männer, einen an der westlich geprägten Uniform erkennbaren Japaner sowie vier durch ihrer Kleidung sowie den langen Zöpfen als Chinesen dargestellte Männer. Der rechts im Bild erscheinende Japaner trägt um den Hals eine Schlinge, mit der er die Köpfe dreier vor ihm auf dem Bauch liegender Chinesen in die Länge zieht. Ein weiterer Chinese kniet daneben und verfolgt die Szene mit Entsetzen. Die abgebildete Szene bezieht sich auf ein japanisches Spiel, kubippiki. Es handelt sich dabei um eine Art Kräftemessen, bei dem die Kontrahenten versuchen, sich mit um den Hals gelegten Schnüren gegenseitig wegzuziehen. Gleich drei der chinesischen Gegner hat der japanische Soldat hier in seiner Schlinge, mit grimmigem Gesicht zieht er ihnen wortwörtlich die Hälse lang. Besonders expressiv sind die Köpfe der malträtierten Chinesen – ihre Augen quellen aus den Höhlen und sind blutunterlaufen. Erläuterungen Einmal mehr handelt es sich hierbei um eine propagandistische Darstellung. Die überlegene Stärke des Japaners wird mit der angeblichen Schwäche der Chinesen kontrastiert. Ein einziger Mann reicht aus, um dreien von ihnen das Handwerk zu legen sowie einen weiteren mit Grauen und Furcht zu erfüllen. Das Blatt entstand im November 1894 als japanische Truppen bereits die Festung von Dalian (jap. Dairen, 7. November) einnahmen und der Fall von Port Arthur (21. November) nicht mehr lange auf sich warten ließ. Doch auch hier gibt es bei aller vordergründigen Propaganda einen feinen Unterton. Der japanische Soldat schafft es zwar, die Hälse seiner Gegner langzuziehen, alsdann verharrt er jedoch ratlos in dieser nicht gerade 96 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō angenehmen Position. Mögen Stärke und Überlegenheit demonstriert und der Feind besiegt sein, nun fehlt es an einem „Masterplan“ des Japaners. Der Text beinhaltet ein Wortspiel, sein Ende lässt sich sowohl als „Was ist los?“ wie auch als Aussage „Das sind (doch nur) Rümpfe!“ verstehen (dō da – 胴 für „Rumpf“ anstatt どうだ für „Wie kommt das/Wie ist das?“). 97 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.8. Blatt 7: „Ein dickhäutiges Gesicht“ (Abb. 12) 明治 27 年 9 月 / September 1894 松本平吉 / Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 12: "Ein dickhäutiges Gesicht" 98 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 厚(あつ)い面(つら)の皮(かわ) 骨皮道人 面(つら)の皮(かわ)が厚(あつ)いの厚(あつ)く無(な)いのと云(い つ)て凡(をよ)そ世界(せかい) / 中(ぢう)に是(これ)ほど鉄面皮(て つめんぴ)の奴(やつ)ハ無(な)い、恥(はぢ)も知(し)らなけれ/バ外聞 (がいぶん)も知(し)らない、面(つら)の皮(かは)千枚張(せんまいば り)とハ此奴等(こいつら) / の事(こと)だらう、其(その)癖(くせ)ヒ ン剥(むい)たのハ二度(ど)や三度で / ハないのだが 「面(つら)の皮(か わ)剥(むか)れる度(たび)に厚(あつ)くなり」と / 云(い)ふ古(ふ る)川柳(せんりう)もあるから大方(おおほう)剝(む)けバ剝(む)く / ほど厚(あつ)くなるものかも知(し)れん、間(ま)て間(ま)て今度(こ んど)ハ / 少(すこ)し方法(はうはふ)を替(かへ)て、片(かた)ッ端 (ぱし)から鉋(かんな)で削(けづ)って / 遣(や)らう・・・ガリガリガ リ・・・其處(そこ)でと、此奴(こいつ)ハ イ/ヤに人(ひと)を見下(み さげ)る癖(くせ)があるから、先(ま)づ斯(か)う眼玉(めだま)/ を削 (けづ)り取(とつ)て、夫(それ)から今度(こんど)ハ此(この)高慢 (かうまん)の鼻(はな)を削(けづ)/るか、エエ夫(それ)からと、此奴 (こやつ)ハ又(また)兎角(とかく)に大法螺(おほぼら)を吹(ふ)き / 腐(くさ)るから、此口(このくち)も斯(か)う削(けず)り取(とつ)て と、頻(しきり)にガリ/ガリ削(けづ)つて居(い)ると、流石(さすが)の 無神経(むしんけい)も是(これ)/ にハ少(すこ)し閉口(へいこう)した と見(ミ)えて 「オイ痛(いた)い痛(いた)い、もう / どうぞ其(その)位 (くらゐ)で御勘弁(ごかんべん)を・・・・「イヤまだ勘弁(かんべん) / ハ出来(でき)ぬ 「それぢやア片(かた)ッ方(ばう)の目(め)だけハ其 侭(そのまま)削(けづ)/らずに置(おい)て下(くだ)さい「シテどうする 積(つも)りだ 「ハイ是(これ)か/らハ一目(もく)置(お)つくと云 (い)ふ印(しる)し 99 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Atsui tsura no kawa Koppi Dōjin Tsura no kawa ga atsui no atsuku nai no to itte oyoso sekai / jū ni kore hodo tetsumenpi no yatsu wa nai haji mo shiranakere/ba gaibun mo shiranai, tsura no kawa senmaibari to wa koitsura / no koto darō, sono kuse hinmuita no wa nido ya sando de / wa nai no da ga ´Tsura no kawa mukareru tabi ni atsuku nari, to / iu furu senryū mo aru kara ōhō mukeba muku / hodo atsuku naru mono ka mo shiren, mate mate kondo wa / sukoshi hōhō o kaete, katappashi kara kanna de kezutte / yarō …. gari gari gari … Soko de to, koitsura wa i/yani hito o misageru kuse ga aru kara, mazu kō medama / o kezuritotte, sore kara kondo wa kono kōman no hana o kezu/ru ka. Ē sore kara to, koyatsu wa mata tokaku ni ōbora o fuki/kusaru kara, kono kuchi mo kō kezuritotte to, shikiri ni gari / gari kezutte iru to, sasuga no mushinkei mo kore / ni wa sukoshi heikōshita to miete “Oi itai itai, mō /dōzo sono kurai de go-kanben o“ “Iya mada kanben / wa deki nu“ “Sore jā katahō no me dake wa sono mama kezu/razu ni oite kudasai“ “Shite dōsuru tsumori da“ “Iya kore ka/ra wa ichi moku oku“ to iu shirushi 100 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Übersetzung ins Deutsche Ein dickhäutiges Gesicht (Abb.12) Koppi Dōjin Man kann es kaum in Worte fassen, wie dickhäutig sie sind; nirgendwo auf der Welt gibt es arrogantere eisenhäutige Schufte als diese hier. Sie kennen weder Scham noch Ehre, das muss es sein, was man mit „eine tausendschichtige Haut“ meint. Wir haben ihnen schon zwei-, dreimal die Haut vom Gesicht gezogen und trotzdem bleibt sie dick. Vermutlich ist es so wie es das alte Kurzgedicht (senryū) sagt: „Jedes Mal wenn Haut abgezogen wird, wird sie nur noch dicker“. Nun gut, dann werde ich einfach zu einer anderen Methode greifen und versuchen, sie eine nach der anderen abzuhobeln! Gari gari, Ritsch, Ratsch. Dieser Schuft hier hat die Angewohnheit, auf uns herabzublicken, so will ich bei den Augäpfeln beginnen. Als nächstes hoble ich die allzu hoch gehaltene Nase ab! Und dann? Tja, er spricht gern große Worte, so rasple ich auch gleich den Mund ab. Und nach eifrigem gari gari, ritsch ratsch scheint es selbst ein gefühlloser Kerl wie dieser hier nicht mehr auszuhalten. „Au weh!! Das schmerzt…bitte…das genügt, bitte verzeih mir!“ „Nein, ich kann dir nicht vergeben.“ „Wenn das so ist, so lass mir doch bitte wenigstens ein einziges Auge.“ „Was möchtest du denn damit anstellen?“ „Ich würde ihnen gerne ab jetzt Respekt zollen (ichi moku oku, Wortspiel mit „ein Auge belassen“). 101 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Das Blatt zeigt zentral positioniert und prominent in Szene gesetzt zwei Männer, einen in Uniform gekleideten japanischen Soldaten sowie die Figur eines seltsam deformierten Chinesen. Letzterer liegt, auf die Arme gestützt, bäuchlings am Boden, während sich der andere mit einem Hobel an seinem Kopf zu schaffen gemacht hat. Hierfür hat sich der Japaner auf seinen Widersacher gestellt, mit seinem Werkzeug geht er daran, Schicht um Schicht von dem überdimensional großen Haupt ab zu raspeln. Späne bedecken bereits reichlich Boden und Schulter des Chinesen, von seinem Kopf ist nur noch die Hälfte übrig. Wie sehr die Behandlung schmerzen muss, ist an den weit aufgerissenen Augen und dem zum Schrei geöffneten Mund, der eine Reihe weiße Zähne blitzen lässt, im frontal wiedergegebenen Gesicht des Mannes zu sehen. Angelehnt an frisch geschnittenes Holz, ist die Schnittfläche heller wiedergegeben als das übrige Inkarnat des Gesichts. Die Kleidung des Chinesen besteht wiederum aus schwarzen Schuhen, weißen Beinkleidern sowie einem weiß-violetten Obergewand mit roter Borte an Ärmeln und Bund. Abgerundet wird die kennzeichnende Tracht durch den schwarzen Hut sowie den obligaten langen Zopf. Wie in den meisten Darstellungen ist auch in dieser die Kleidung des Chinesen eher leger und einfach, die Uniform des Japaners kontrastiert hier deutlich. Sie besteht aus Käppi, schwarz-goldener Jacke, einer dunkelroten Hose mit seitlichem blauen Streifen und schwarzen Stiefeln. Das nur im Profil sichtbare Gesicht des Soldaten trägt einen fein getrimmten Schnauzbart, sein Blick ist konzentriert auf den Hobel gerichtet. Im Hintergrund der Szene lassen sich weitere Werkzeuge wie verschiedene Sägen und Schleifmaterialien erkennen. 102 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Erläuterungen Das zwiespältige Verhältnis der beiden Nationen, die Diskrepanz zwischen dem neuen Selbstbewusstsein Japans sowie dem tiefsitzenden Respekt vor der, über Jahrhunderte hinweg bestehenden, Vormachtstellung Chinas ist hier thematisiert. Der Krieg erscheint als längst nötig gewordene Maßregelung, als Strafe für die angebliche Überheblichkeit des Feindes; gnadenlos hobelt der propere japanische Soldat Schicht um Schicht ab, um seinen übergroßen chinesischen Konterpart schrumpfen zu lassen. Und doch scheint das Unterfangen von zweifelhaftem Erfolg gekrönt, der Riese blickt dem Betrachter trotz herber Einbußen nach wie vor geradezu herausfordernd entgegen. Fast scheint es so als hätte die anmaßende Tat des kleinen Japaners erst seine Wut geweckt. Kiyochikas Karikatur enthält unter der Oberfläche plakativer Propaganda durchaus zynische Untertöne, die erst bei näherer Betrachtung in Erscheinung treten. Auch in diesem Text bildet ein Wortspiel den Abschluss. Der gequälte Chinese bittet darum, „ihm doch ein Auge zu lassen“, der Ausdruck ichi moku oku bedeutet jedoch gleichzeitig auch, die eigene Unterlegenheit anzuerkennen. Er ist insbesondere im Go-Spiel geläufig. Ein „dickhäutiges Gesicht“ haben im Wortgebrauch besonders arrogante, hochnäsige Personen; der Ausdruck „die Haut vom Gesicht ziehen“ meint, die Person zu demütigen bzw. sie wieder auf den Boden zurückzuholen (vgl. Smith 1988:94). 103 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.9. Blatt 8: „Vergnügen an modernem Kriegsspielzeug“ (Abb. 13) 明治 28 年 2 月 / Feber 1895 松本平吉 / Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 13: „Vergnügen an modernem Kriegsspielzeug“ 104 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 討清(とうせい)翫弄物(おもちや)遊(あそ)び 骨皮道人 枕(まくら)屏風(べうふ)を立廻(たてまわ)して此處(ここ)へ紙細工 (かみさいく)の翫弄物(おもちや)/ を並(なら)べ左(さ)も面白(おも しろ)さふに餘念(よねん)もなく遊(あそ)んで居(い)る子(こ)/供(ど も)熟(いづ)れも當世風(とうせいふう)の活潑(くわつばつ)にて 「僕(ぼく)ハ陸軍大(りくぐんたい)/将(しやう)だよ 甲 乙「君(きみ)が 陸軍大将(りくぐんたいしやう)なら僕(ぼく)ハ海軍大将(かいぐんたいし やう)だ。 / 僕(ぼく)が定遠(ていえん)と致(鎮)遠(ちんえん)を引繰 返(ひつくりかへ)して見(ミ)せるから其(その)団(うち)/扇(は)を貸 (かし)たまへ 甲「ムム僕(ぼく)が先(さき)だよ、彼(あ)のちやんち/ やん坊主(ばうず)を踊(おど)らして見(ミ)せるから、君(きみ)ハ其所 (そこ)で / 見(ミ)て居給(いたま)へな 乙「ムム僕(ぼく)から先(さ き)にして呉(く)れたま /へ 甲「夫(そ)れぢやァじやん拳(けん)よ チツチツチツ / 夫(そ)れ僕(ぼく)が勝(かつ)たろう、陸軍(りくぐ ん)万(ばん)ザーイ うず)め ソ/ラね ソ/ラね 此野郎(このやらう)ちやんちやん坊主(ば ちやんちやん坊主(ばうず)が一生懸命(いつしやうけん めい)に逃(にげ)るだらう / 帝国(ていこく)万(ばん)ザーイ 度(こんど)ハ僕(ぼく)の番(ばん)だよ 乙「今 /此(こ)ン畜生(ちくしやう) 此奴(こいつ)めへソラね定遠(ていえん)が引繰返(ひつくりかへ)/ッたら う日本海軍万(ばん)ザーイと頻(しきり)に面白(おもしろ)/ がッて遊 (あそ)んで居(い)ると此處(ここ)へ来(き)た女(おんな)の子(こ) が /「アラマァ面白(おもしろ)い事(こと)皆(みな)さんも来(き)て御 覧(ごらん)な支那(チヤイナ) 105 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Tōsei omocha asobi Koppi Dōjin Makura- byōbu o tatemawashite koko e kamizaiku no omocha / o narabe sa mo omoshirosō ni yonen mo naku asonde iru ko/domo izuremo tōsei-fū no kappatsu nite Kō 「Boku wa rikugun tai/shō da yo Otsu「 Kimi ga rikugun taishō nara boku wa kaigun taishō dai / Boku ga Teien to Chinen o hikkurikaeshite miseru kara sono uchiwa o kashi tamae Kō 「Mumu boku ga saki da yo, ano chanchan- bōzu o odorashite miseru kara, kimi wa soko de / mite itame e na Otsu「Mumu boku kara saki ni shite kure tama/e Kō「…sorejā janken yo chi chi chi / ...sore boku ga kattarō. Rikugun banzāi sora ne kono yarō chanchan-bōzu me so/ra ne chanchan-bōzu ga isshōkenmei ni nigeru darō. / Teikoku banzāi Otsu 「Kondo wa boku no ban da yo/ konchikushō koitsumē sora ne Teien ga hikkurikaettarō Nippon kaigun banzāi to shikiri ni omoshiro / gatte asonde iru to koko e kita onna no ko ga /「Ara mā omoshiroi koto mina-san mo kite go-ran na Chaina 106 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Übersetzung ins Deutsche Vergnügen an modernem Kriegspielzeug (Abb. 13) Koppi Dōjin Vor einem aufgestellten Kopfkissen-Wandschirm (makura-byōbu), davor interessantes, aus Papier gefertigtes Spielzeug aufgereiht, so vergnügen sich die Kinder ganz vertieft in ihr Spiel. Sie sind lebhaft und erzogen im Sinne der neuen Zeit (tōsei). Der Erste: „Ich bin der Feldmarschall!“ Der Zweite: „Wenn du der Feldmarschall bist, bin ich der Admiral! Ich möchte zeigen, wie ich die Dingyuan 31 und die Zhenyuan 32 versinken lasse, borg mir mal den Fächer…“ Der Erste: „Nichts da, ich bin der Erste! Ich will zeigen, wie ich die Chinesen nach meiner Pfeife tanzen lasse, du schau zuerst mal her.“ Der Zweite: „Nicht doch, ich möchte zuerst!“ Der Erste: „Also dann lassen wir Schere-Stein-Papier (janken) entscheiden… Eins, zwei, drei… Ich habe gewonnen! Lang lebe die Armee! Schau her, niederträchtiger Chinese, schau her, wie der Feind verzweifelt versucht, sich zu retten. Ein Hoch auf das Kaiserreich!“ Der Zweite: „Diesmal bin aber ich an der Reihe! Du Missgeburt, schau her, jetzt wird das Kriegsschiff Dingyuan versenkt, die japanische Marine lebe hoch!“ Während die beiden sich amüsieren, kommt ein Mädchen und ruft: „Kommt alle her, hier gibt es Interessantes zu sehen/China!“ (go-ran na Chaina anstatt von go-ran nasai) 31 Auch häufig Ting Yuen. Gepanzertes Flagschiff der chinesischen Marineflotte und eines der modernsten Schlachtschiffe seiner Zeit. 32 In Deutschland gebautes, ebenso gepanzertes und mit Krupp-Gewehren ausgestattetes Schlachtschiff. Begleitschiff der Dingyuan. 107 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Zwei japanische Buben mit kurz geschorenen Haaren knien lachend vor einem Stellschirm, hinter dem ein in einen Kimono gekleidetes Mädchen und ein kleiner Bursche die Szene beobachten. Der niedrige Schirm ist aufgestellt und leicht eingeknickt, er schließt direkt an den rechten Bildrand an und nimmt eine prominente Position im Bildfeld ein. Auf ihm befindet sich eine mit wenigen Strichen angedeutete topografische Darstellung, die durch einen Schriftzug in der linken oberen Ecke mit „Bild von Weihaiwei (Weihaiwei no zu 33 )" bezeichnet ist. In der linken unteren Ecke der Darstellung, räumlich gesehen vor dem Stellschirm knien die beiden Buben, beide in durch Gürtel gehaltene Gewänder gekleidet. Mit einem Blattfächer, auf welchem sich eine rote Sonne als japanische Flagge befindet, wirbelt der Bursche im Vordergrund fünf Papierfigürchen durch die Luft. Drei davon sind menschlich geformt, mit ihren langen Zöpfen sollen sie augenscheinlich Chinesen darstellen. Die restlichen beiden Papiermodelle sind große, mit jeweils zwei Masten ausgestattete Schiffe. Merkwürdigerweise weisen auch diese durch die Luft flatternden Schiffe Extremitäten auf, Günter Diesinger meint, hierin ein Indiz auf eine „Rattengestalt“ der Objekte sehen zu können (Diesinger 1986:24). Auch wenn das Vorhandensein von Augen auf den Modellen eine solche These stützen würde, kann ich mich ihr nicht anschließen. Um tatsälich eine Assoziation mit Ratten zu wecken, wäre meiner Meinung nach ein wichtiges Charakteristikum, nämlich der lange Schwanz vonnöten. Hinter dem Stellschirm werden die beiden weiteren Gestalten sichtbar, von dem lachenden Mädchen mit Hochsteckfrisur sind lediglich Oberkörper und Kopf, von dem kleineren Knaben aufgrund der geringeren Größe nur ein Teil des Kopfes sowie die aufgestützten Hände sichtbar. 33 図, „Plan, Karte“ 108 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Erläuterungen Das vorliegende Blatt entstand in Verbindung mit den Gefechten rund um die Bucht von Weihaiwei, dem Stützpunkt der chinesischen Kriegsmarine. Nachdem einige chinesische Schiffe der Schlacht bei Yuan am Tag zuvor entronnen waren, wurden sie hier am 2. Feber 1894 schließlich gestellt und von den Japanern gänzlich zerstört. Die Schlacht von Weihaiwei, ausgetragen zu Land und Wasser, dauerte 23 Tage, vom 20. Jänner bis zum 12. Februar 1895. Nach ihrem Ende stießen die Japaner weiter gegen die Süd-Mandschurei sowie nach Nordchina vor. Der chinesische Befehlshabende, Admiral Ding 34 , nahm sich kurz nach der Niederlage selbst das Leben. Das harmlose Spiel der Kinder wird hier zur Propaganda. Mit Leichtigkeit vermag der Fächer mit der japanischen Flagge darauf, die gegnerische Marine vor dem Hintergrund des Stellschirms durcheinander zu wirbeln, selbst die wuchtigen Kriegsschiffe, die im beigefügten Text namentlich genannt sind, flattern im Angesicht japanischer Kraft durch die Lüfte. Den Titel des Blattes „Tōsei omochamono asobi“ übersetzt Gunter Diesinger meiner Meinung nach irrig mit „Spaß an Kriegsspielzeug anläßlich des Sieges über China“ (Diesinger 1986:24). Der Ausdruck tōsei im Titel des Blattes ist vielmehr auf zweierlei Art zu verstehen. Tōsei war insbesondere in der Meiji-Zeit ein sehr geläufiger Ausdruck, er stand und steht immer noch für „modern, up to date und fortschrittlich“. Ende des 19. Jahrhunderts war Japan eifrig bestrebt, den Tribut, den die lange Zeit der Abschlusspolitik gefordert hatte, wettzumachen und mit dem Fortschritt westlicher Nationen Schritt zu halten. 34 Dīng Rǔchāng 丁汝昌 (1836 -1895) 109 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Das Schlüsselwort lautete hier Modernisierung und Progress; mit nahezu unglaublicher Schnelligkeit begannen sich alte Strukturen und Werte zugunsten des Glaubens an die Möglichkeiten der industrialisierten Zukunft aufzulösen. Der Verfasser dieses Textes verfremdet das Wort jedoch in seinem Sinne. Mit den Schriftzeichen für „anti-“ ( 討 ) und „China“ ( 清 ) wird der Ausdruck gleichzeitig zum politischen Statement. Von dem Anbruch einer neuen Zeit zeugen auch die kurzgeschorenen Frisuren der beiden Knaben im Vordergrund. Sie stehen für das moderne Japan, das nunmehr über die Kraft verfügt, alte Rollen über den Haufen zu werfen. Das Mädchen im farbenprächtigen Kimono hinter dem Stellschirm ist im Gegensatz dazu als Bestandteil des „alten“ Japans lesbar. Die Zuteilung des Geschlechts, „Modernes Japan“ – männlich und aktiv, „Japan der Vergangenheit“ - weiblich und passiv ist wohl nicht zufällig gewählt. Beide Welten werden in dieser Darstellung durch ein gemeinsames Ziel geeint. Auch wenn die Modernisierungsmaßnahmen der Meiji-Regierung in manchen Fällen auf Widerstand stießen, ihren Nutzen konnte der Krieg rasch zeigen. Am Ende des Textes steht ein weiteres Spiel mit Sprache und Schrift. Der Ausdruck go-ran nasai („Schauen Sie bitte.“) wird zu go-ran na Chaina („Schau, China.“) umgewandelt. „China“ ist jedoch eine eher ungebräuchliche Bezeichnung, als Titulierung des Landes war im behandelten Zeitraum eher Shinkoku (清国), der Ausdruck, der auch in Koppi Dōjins Texten im Allgemeinen verwendet wird. 110 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.10. Blatt 9: „Eine in China neu erfundene Maschine“ (Abb. 14) 明治 28 年 4 月 / April 1895 松本平吉 / Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 14: "Eine in China neu erfundene Maschine" 111 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 清発明(しんはつめい)の危械(きかい) 骨皮道人 ムム出来(でき)たぞ出来(でき)たぞ、実(じつ)に早や奇々妙々(ききめ うめう)珍妙来(ちんめうらい)/ 世界第(せかいだい)一等(とう)の危械 (きかい)ができたゾ、乃公(おれ)の事(こと)を野蛮(やばん)/ だの未 開国(みかいこく)だのと云ふが、エへン何所(どこ)が野蛮(やばん)だ、 何(ど)/所(こ)が未開国(みかいこく)だ、此(かく)の如(ごと)き便利 (べんり)な危械(きかい)を発明(はつめい)し/た者ハ末(いま)だ嘗(か つ)て一人もなかろう ソーラ前(まえ)の / 奴(やつ)ハ向(むか)ふを見 ると怖(こわ)がつて逃(にげ)るから、斯(か)う眼隠(めかく)/ しをし て胴中(どうなか)を鎖(くさり)で縛(しば)り付て、それから後(あと) の奴(やつ)も/ 同じく ヲット待(まて)よ、此奴の眼隠(めかく)しをす ると退/陣(ちん)の時に困(こま)るから、是ハ眼(め)を塞(ふさ)がずに 置(を)ク / エエト其所(そこ)で乃公(おれ)が此真(まん)中へ乗(の つ)て両方の縁尾(ちんび)を / 取捕(とッつか)まへて、此穴(あな)から 敵の様子を覗(のぞ)いて茶 / でも呑(のミ)ながら、小隊(せうたい)-止 (とま)れ 小隊-逃(にげ)ろ / イヤ旨(うま)い旨い日本兵が何程(い くら)強(つよ)くても是なら/もう負(まけ)る気遣(づか)ひハない 徐々(そろそろ)出掛(でかけ)や/う ドレ 小隊(せうたい)歩(ある)け、と号 令(ごうれい)を掛て應怖吃驚(おつかなびつくり)/ で出掛(でかけ)た折 (をり)から前の奴(やつ)が足を踏外(ふミはず)して只(と)ある / 堤 (つつミ)の上から素ツ顛転(すてんころ)りのコロコロコロと転(ころ)げ 落(おち)る、/ 退将(たいしやう)ハ泣(なき)ッ面(つら)をして「アイ タタタタタ是やァ骨(ほね)/折損(をりぞん)をした 112 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Shin-hatsumei no kikai Koppi Dōjin Mumu dekita zo dekita zo, jitsu ni haya kikimyōmyō chinmyōrai / sekai daiittō no kikai ga dekita zo, ore no koto o yaban / da no mikaikoku da no to iu ga, ehen doko ga yaban da, do/ko ga mikaikoku da, kaku no gotoki benri na kikai o hatsumei shi/ta mono wa ima da katsute hitori mo nakarō Sōra mae no / yatsu wa mukō o miru to kowagatte nigeru kara, kō mekaku / shi o shite dōnaka o kusari de shibaritsukete, sorekara ato no yatsu mo / onajiku otto mate yo, koyatsu no mekakushi o suru to tai/jin no toki ni komaru kara, kore wa me o fusagazu ni oku / Ēto soko de ore ga kono man’naka e notte ryōhō no chinbi o / tottsukamaete, kono ana kara teki no yōsu o nozoite cha / demo nominagara, shōtai tomare shōtai nigero / iya umai umai Nihonhei ga ikura tsuyokute mo kore nara / mō makeru kizukai wa nai Dore sorosoro dekakeyō shōtai aruke, to gōrei o kakete okkanabikkuri / de kaketa ori kara mae no yatsu ga ashi o fumihazu shite to aru / tsutsumi no ue kara suttenkorori no korokorokoro to koroge ochiru, / taishō wa nakittsura o shite 「Aitatatatata koryā hone/orizon o shita 113 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Übersetzung ins Deutsche Eine in China neu erfundene Maschine (Abb. 14) Koppi Dōjin Sie ist fertig, sie ist fertig, die wahrlich an Schnelligkeit und Originalität absonderlichste, weltweit einzigartige gefährliche Maschine (Wortspiel, das „ki“ 機 wird durch „ki“ 危 für „gefährlich“ ersetzt) ist vollendet! Ihr meint, wir wären barbarisch, wir wären ein Entwicklungsland, doch wo seht ihr hier etwas Rückständiges?! Niemand hat bisher eine so praktische Tötungsmaschine erfunden wie diese hier! Schaut her, weil die Männer vorne bei dem Anblick des Feindes die Flucht ergreifen würden, sind ihre Augen verbunden und mit Ketten angekettet, die hinteren ebenso. Doch halt, wartet mal, beim Rückzug sind verbundene Augen hinderlich, lassen wir sie bei euch unbedeckt! Nun gut, ich steige hier in die Mitte ein, nehme die Zopf-Enden von beiden Seiten und trinke Tee, während ich durch diese Löcher nach der Lage des Feindes spähe. Zug, bleib stehen! Zug, auf zur Flucht! Ah, perfekt, perfekt, wie stark das japanische Heer auch sein mag, mit dieser Maschine gibt es keinen Grund zur Besorgnis… Na gut, gehen wir langsam mal los… Und wie befohlen setzt sich der Trupp in Bewegung, mit großer Furcht zieht er voran. Doch kaum geschehen, rutscht einer der Männer vorne aus und schon kullert der gesamte Zug durcheinander. Mit weinender Miene jammert der Feldherr (Wortspiel, statt 大 für „groß“ wird 退 für „Rückzug, Flucht“ verwendet): „Oh weh, oh weh, alles umsonst!/ Mein Bein ist gebrochen!“ 114 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Das Zentrum der Darstellung nimmt eine sonderbare Konstruktion ein. Sie verfügt über zwei große rote Räder wie ein Wagen, an zweierlei Seiten ziehen jeweils drei Chinesen sie voran. Während die vorne angeketteten Männer mit verbundenen Augen zu schießen versuchen, wird der Wagen gleichzeitig von den drei anderen Chinesen nach hinten gezogen. Die Zügel, genauer gesagt die als Zügel verwendeten Zöpfe, führt ein einzelner Mann, der Befehlshaber. Er sitzt in dem umgebauten Leistenkarren hinter einer braunen Panzerung in grob menschlicher Gestalt, welche in einem Arm eine grellrote Fahne, in der anderen ein Schwert in die Höhe reckt und späht durch einen integrierten Ferngucker dem Feind entgegen. Die Gewänder der sechs angeketteten Chinesen sind schlicht, sie tragen helle Hosen, blitzblaue Hemden und laufen barfuß. Zudem tragen sie in weißen Kartuschen befindliche Schriftzeichen auf ihrem Obergewand, die Männer linkerhand das Zeichen für „vorne“ (前, mae), die auf der Rückseite des Gefährts bzw. rechts das Zeichen für „hinten“ (後, ushiro). An den Enden ihrer Zöpfe werden sie wie Zugpferde von ihrem Befehlshaber gelenkt. Dieser sitzt grinsend in seinem Verschlag. Die Teekanne und weitere Utensilien belegen, dass er hier ein recht annehmbares Leben zu führen scheint. 115 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Erläuterungen Vielleicht handelt es sich bei dem bärtigen Gesellen um den chinesischen Oberbefehlshaber Li Hongzhang 35 , einem bis zum Ausbruch des Krieges auch in Japan hochgeschätzter Militärstratege. Er, der vormals als „Bismarck des Ostens“ gerühmt worden war, wurde nun zum Ziel beißenden Spottes. Im nishiki-e erscheint er nicht selten als vor Angst schlotternde oder zu Tode erschrockene komische Figur. Erst das im Zuge der Friedensverhandlungen bei Shimonoseki auf ihn verübte Attentat eines japanischen Nationalisten, welches der alte Mann verwundet überlebte, brachte ihm erneut Hochachtung von Seiten der japanischen Bevölkerung ein (Keene 1998:256). Erstmals präsentierte sich das kleinere Japan im Zuge des Ersten SinoJapanischen Krieges der Weltöffentlichkeit als neue Supermacht nach westlichem Vorbild; im Gegensatz zu China hatte es sich darauf verstanden, die Zeichen der Zeit zu deuten und für sich zu nutzen. So ging auch ein Raunen durch die Reihen, als sich wider Erwarten das Großreich China erstmals geschlagen geben musste. Einer der ausschlaggebenden Faktoren, die Ausrüstung und Bewaffnung, wird in dieser Abbildung thematisiert. Chinas militärische Gerätschaften waren veraltet, vieles wurde nur durch das Aufgebot an schierer Menschenmenge aufgewogen. Die hier dargestellte Konstruktion nimmt die Rückständigkeit des Gegners aufs Korn - der primitive Karren wird zur Kriegsmaschine umgebaut und bleibt doch trotz seiner Panzerung nur zweifelhaft wirksam. Während der Schein des Kampfeswillens durch die imposante Attrappe auf, sowie die schussbereiten Soldaten vor dem Wagen aufrechterhalten wird, macht sich der Feldherr bereits an den Rückzug. 35 李鴻章 (1823-1901), chinesischer General und führender Staatsmann im China der QingDynastie 116 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Die japanische Überzeugung der chinesischen Rückständigkeit manifestierte sich unter anderem auch in den zahlreichen Liedern, die während des Krieges kursierten. Hier ein beliebiges Beispiel, das ausgesprochen populäre Pekin made („Bis nach Peking“) von Yokoi Tadanao (1857 – 1928). Shina mo mukashi wa seiken no Oshie aritsuru kuni naredo Yo wo kae toshi wo furu mama ni Shidai ni kaika no taojisari Kuchi ni wo chūka to hokoredomo Kokoro no yaban wa hampirei Sono mōmai wo yaburazuba Wa ga tōyōno yo wa akeji China war vor langer Zeit Das Land, in dem die Weisen lehrten, Aber als die Dynastien sich abwechselten und die Jahre vergingen, Ist es hinter den Fortschritt zurückgefallen Es preist sich selbst als das mittlere Blumenland, Hat jedoch ein barbarisches Herz. Wenn wir Chinas Ignoranz nicht zerstören, Wird die Nacht des Ostens nie vergehen. Und der britische Militärexperte und Leutnant E.G. Barrow konstatierte Mitte 1895 erstaunt: I came to Japan expecting to see some miserable parody of a third-rate European soldier: instead, I find an army in every sense of the word admirably organised, splendidly equipped, thoroughly drilled, and strangest thing of all in an Oriental people, cheaply and honestly administered… the Japanese army 117 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō bears comparison with the Chinese much in the same way as the forces of nineteenth century civilisation compared with those of medieval times. (in: Lone 1994: 28, British Foreign Office, FO 881/6594, British Army Directorate of Military Intelligence to Foreign Office, 16. Juli1894). Im April 1895, der Entstehungszeit dieser Darstellung, war der Krieg bereits so gut wie beendet. Am 30. März war ein Waffenstillstand vereinbart worden, kurz darauf, am 17. April erfolgte die Unterzeichnung des Friedenvertrags von Shimonoseki, welcher kaum überraschend sehr zugunsten des Kriegsgewinners ausfiel. So sollten neben Taiwan die Pescardoren-Inseln sowie die Halbinsel Liaodong an Japan fallen und China die Souveränität Koreas anerkennen. Des Weiteren sah der Vertrag eine Kriegsentschädigung von 200 Millionen Tael vor, für die bereits durch den Krieg finanziell ausgeblutete Qing-Regierung eine nahezu unmögliche Summe. Ein Detail des Textes ist der Begriff taishō, (Groß-) General, der hier durch das Verwenden eines anderen Schriftzeichens zu „der flüchtende General“ ironisch umgedeutet wird. Auch im Titel des Blattes findet sich ein Wortspiel. Hier wird das „shin“ 新 für „neu“ durch das Schriftzeichen „shin“ 清, welches als Bestandteil des Wortes Shinkoku stellvertretend für China verwendet wird, ersetzt. 118 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 6.11. Blatt 10: „Großes Gedränge am Fluss Sanzu“ (Abb. 15) 明治 28 年 5 月 / Mai 1895 松本平吉/ Verleger Matsuki Heikichi Abbildung 15: "Großes Gedränge am Fluss Sanzu" 119 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Der Text im Original 三途川(さんづかハ)の大混雑(おほこんざつ) 骨皮道人 近頃(ちかころ)ハちやんちやん坊主(ばうず)の亡者(もうじや)が夥(お ほ)いので、三途(さんづ)/川(かハ)の渡(わた)し場(ば)も殊(こと) の外(ほか)の大混雑(おほこんざつ)船頭「コレサコレサ やミ)に乗込(のりこ)んぢやァ仕方(しかた)がない / さう無暗(む お前方(まへがた)/ が乗(のつ)た娑婆(しやば)の船(ふね)ぢやァ、塩漬け(しほづけ)の豚 (ぶた)も同(おな)じ様(やう)に、/ 這入(はい)るだけキシキシと詰込 (つめこむ)さうだが、此(この)地獄(ちごく)へ / 来(き)てまで其傳 (そのでん)を遣(や)ら/れちやア / 困(こま)るぢやァ / ないか エエヲイ ちやん的― /さう押掛け(おしかけ)ちやァ行(い)けねへと云(い)ふに ナニー / 日本兵(にほんへい)が追掛け(おつかけ)て来(く)るト、馬鹿 (ばか)を云(い)ひねへ、イクラ / 日本兵(にほんへい)が強(つよ)いか らツて、地獄(ぢごく)まで追掛け(おつかけ)て来(き)て堪(たま)る / ものか、もう此度(ここ)まで来(く)りやア蘇生(いきかへ)る気遣(きづ か)ひハ / 無(ね)へから安心(あんしん)して居(ゐ)なせへ、と船頭(せん どう)が死力(しりよく)を尽(つく)/して頻(しきり)に製(せい)するを も聞入(ききゐれ)ず、元来(くわんらい)理(り)も悲(ひ)も / 解(わ か)らないちやんちやん坊主(ばうず)とて、只(ただ)無茶苦茶(むちやく ちや)に乗(のり)/込(こん)だから堪(たま)らない、船(ふね)わ忽(た ちま)ちブクブクブクブク、ソラこそ / 沈没(ちんぼつ)と流石(さすが)の 赤鬼(あかおに)も青(あを)くなつたが、沈没(ちんぼつ)馴(なれ)て / 居(ゐ)るちやんちやんハ平気(へいき)の皮(かわ)「ムム又(また)沈没 (ちんぼつ)か極(きま)ッて居(い)/らア、第一 豊島海(ほうとうかい) で沈没(ちんぼつ)、其次(そのつぎ)ハ黄海(くわうかい)で沈没 / したか らどうせ二度(にど)ある事(こと)ハ三途(さんづ)だア 120 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Transkription Sanzugawa no ō-konzatsu Koppi Dōjin Chikagoro wa chanchan-bōzu no mōja ga ōi node, Sanzugawa no watashiba mo koto no hoka no dai-konzatsu. Sendō 「Koresa koresa. / Sō muyami ni norikonjā shikata ga nai. Omaegata / ga notta shaba no fune jā, shiozuke no buta mo onaji yō ni, / hairu dake kishikishi to tsumekomusō da ga, kono jigoku e / kite made sono den o yara/re chā / komaru jā / nai ka. Ēto oi Chan-teki / sō oshikakechā ikenē to iu ni, nanii / Nihonhei ga otsukkakete kuru to, baka o ii nē, ikura / Nihonhei ga tsuyoi karatte, jigoku made okkakete kite tamaru / mono ka, mō koko made kuryā ikikaeru kizukai wa / nai kara anshin shite inasē, to sendō ga shiryoku o tsuku/shite shikiri ni sei suru o mo kikiirezu, ganrai ri mo hi mo / wakaranai Chanchan-bōzu tote, tada muchakucha ni nori/konda kara tamaranai, fune wa tachimachi bukubukubukubuku, sora koso / chinbotsu to sasuga no akaoni mo aoku natta ga, chinbotsu narete / iru Chanchan wa heiki no kawa 「Mumu mata chinbotsu ka kimatte i/rā, daiichi Hōtōkai de chinbotsu, sono tsugi wa Kōkai de chinbotsu / shita kara dōse nido aru koto wa Sanzu dā 121 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Übersetzung ins Deutsche Großes Gedränge am Fluss Sanzu (Abb. 15) Koppi Dōjin Da neuerdings die Zahl der chinesischen Verstorbenen derart überhand nimmt, herrscht auch an der Furt des Flusses Sanzu großes Gedränge. Der Bootsmann: „Ihr dürft euch doch nicht wie wahnsinnig hier hereindrängen! Hier in der Unterwelt ist es verboten, nicht so wie an der Erdoberfläche, wo ihr euch wie eingepökeltes Schweinefleisch dicht an dicht aneinander drängt. Obacht, ihr einfältigen Chinesen! Ihr dürft euch doch nicht so hereindrängen! Was…? Was sagt ihr, die japanischen Truppen folgen euch? Was für ein Unsinn! Obwohl die japanischen Truppen so stark sind, können sie doch nicht bis in die Unterwelt nachfolgen... Macht euch keine Sorgen, ihr seid schon so weit gekommen, schon mausetot, ins Leben kommt ihr sicher nicht wieder zurück!“ Die verzweifelten Mühen des Fährmannes reichen nicht aus, die wahrlich weder von Vernunft noch von Kummer etwas verstehenden chanchan drängen sich hinein und durch den großen Tumult geht das Boot entzwei - im Handumdrehen versinkt es, blubb blubb blubb... Schaut, als es so untergeht, läuft selbst der rote Teufel blau an, die Chinesen jedoch behalten normale Hautfarbe, sie sind es gewohnt, baden zu gehen. „Wieder eines versenkt, zuerst im Hōtō Meer, dann das nächste am Gelben Meer… doch aller guten Dinge sind drei (Sanzu – sando „drei“)!“ 122 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Bildbeschreibung Eine große Menge menschlicher Gestalten füllt hier, im Wasser treibend, den Großteil des unteren Bildfeldes. Von den meisten ist lediglich der Kopf mit dem kleinen und für Verstorbene charakteristischen weißen Kopftuch sowie dem langen Zopf zwischen den Wellen erkennbar. Andere versuchen, sich panisch auf ein kleines, unter dem gewaltigen Ansturm fast völlig verschwindendes Boot zu retten, das von einem Teufel mittels einer langen Stange gelenkt wird. Der rothäutige und mit einem gelben Lendenschurz bekleidete Fährmann späht mit offenem Mund und einem Ausdruck der Hilflosigkeit der Masse an hineindrängenden Passagieren entgegen. Im Hintergrund werden das satt grün kolorierte Ufer sowie ein ins Wasser reichender Steg erkennbar. Hier drängen sich weitere, nur sehr vage angedeutete Figuren, wie die im Wasser treibenden ebenfalls in blau-weiße Gewänder gekleidet. Rechterhand an Land befinden sich eine etwas größere, am Boden kniend winkende Gestalt in hellem Gewand sowie zwei obeliskenartige Steine, auf welchen der Name des Flusses „Sanzu-gawa" geschrieben steht. 123 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Erläuterungen Der Fluss Sanzu ist in der buddhistischen Tradition das Pendant des griechischen Styx, ein Fluss, den Verstorbene auf ihrem Weg durch die Unterwelt zu überqueren haben. Der Name des Flusses leitet sich von dem buddhistischem Ausdruck San-ch’u ab, das für die Wege der „Drei Übel“ – den „Weg des Feuers“ bzw. das Leben in der Unterwelt, den „Weg des Blutes“ bzw. die Wiedergeburt als Tier sowie den „Weg des Messers“ bzw. die Existenz als hungernder Geist – steht (Diesinger 1986:30). Vielleicht handelt es sich bei der etwas größer dargestellten, winkenden Figur am Ufer des Flusses um die sagenumwobene Datsuebaba/Datsuebā (脱衣婆) oder Sozū no baba (三途の婆), die nach japanischem Glauben in Gestalt einer runzeligen alten Frau in der Unterwelt auf Opfer wartet. Sobald die für schuldig Befundenen den Sazu durchschwommen haben, raubt sie ihnen die Kleidung („datsu“ heißt soviel wie „rauben“), bereits nackt Ankommenden zieht sie stattdessen die Haut vom Leib (Schumacher 2007:Datsueba – Old Hag from Hell). Auf drastische Weise veranschaulicht die Karikatur die Zahl der Gefallenen, die der Krieg auf chinesischer Seite gefordert hatte – selbst die Unterwelt zeigt sich von dem Massenansturm überfordert. Obwohl es an genauen Belegen mangelt, lässt sich von ungefähr 12.700 Chinesen ausgehen, die im Kampf, durch Verwundung oder aber Krankheiten ums Leben kamen, auf japanischer Seite beklagte man Verluste von „lediglich“ 4.100 Mann (Chaïkin 1983:105). Selbst die bereits verstorbenen chinesischen Soldaten fürchten in dieser Darstellung immer noch die Verfolgung durch japanische Truppen. Panisch 124 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō versuchen sie, ihnen zu entkommen, selbst wenn die Alternative die Schrecken der Unterwelt sind. Der begleitende Text kommentiert ironisch das durch den großen Andrang verursachte Sinken des kleinen Bootes. Bezugnehmend auf die Nachricht japanischer Siege zur See merkt er an, die Chinesen seien es ohnehin bereits gewohnt, versenkt zu werden. Das Ende dieses Kommentars bildet wiederum ein Wortspiel: Das Sprichwort „Aller guten Dinge sind drei!“ (japanisch: Nido aru koto wa sando aru) wird mit dem Namen des Flusses Sanzu („Fluss der drei Furten“) in Verbindung gebracht. Damit wird auch das angestrebte Ziel deutlich: Je mehr chinesische Soldaten die Reise über den Sazu in das Reich der Toten anzutreten gezwungen sind, desto besser. In dieser Darstellung geschieht dies mit Freuden, um dem Wüten der japanischen Armee zu entrinnen – die skurrile Vision einer plakativ euphemistischen Propaganda. 125 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 7. Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit der Karikaturenserie Nippon banzai. Haykusen hyaksushō des japanischen Künstlers Kobayashi Kiyochika. Die Reihe an 50 Farbholzschnitten (ukiyo-e) entstand im Zeitraum zwischen Oktober 1894 und Frühjahr 1895, zeitgleich mit dem auf koreanischem und chinesischem Gebiet ausgetragenen, Sino-Japanischen Krieg. Dieser ist auch das Thema der Serie, die Drucke nehmen konkreten Bezug auf Schlachten, Orte und relevante Kriegsereignisse. Formal handelt es sich um Blätter im ō-ban Format, welche sich jeweils aus einer Darstellung im unteren Teil sowie einem erläuternden Textfeld im oberen Drittel zusammensetzen. Während erstere von Kobayashi Kiyochika stammen, wurden die Texte von einem, unter dem Pseudonym Koppi Dōjin auftretenden Schreiber verfasst. Der Titel der Serie befindet sich jeweils in einer hochrechteckigen Kartusche am rechten Rand des Bildfeldes. Die Serienüberschrift Nippon banzai. Hyakusen hyakushō wandelt eine Phrase der klassischen chinesischen Militärkunde humoristisch ab. Anstatt „Hundert Schlachten – hundert Siege“ (百戦百勝) heißt es hier durch den Austausch der gleichlautenden Schriftzeichen „Hundertmal gewählt, hundertmal gelacht“ (百選百笑) – ein Hinweis auf den erheiternden Anspruch der Blätter. Nach einem einführenden Kapitel über geschichtliche Hintergründe und den Sino-Japanischen Krieg 1894-95 haben wir uns mit der Person des Künstlers Kobayashi Kiyochika beschäftigt. Wir haben gesehen, dass, nach einer Phase westlich geprägter Landschafts- und Stadtansichten er sich schon bald der Karikatur zuwandte und als Karikaturist bei der Zeitung Marumaru Chinbun auch seine humoristische Feder kunstreich zum Einsatz brachte. 126 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Berühmtheit erlangt Kiyochika insbesondere mit seinen theatralischen Triptychon-Darstellungen im Rahmen des Sino-Japanischen Krieges – Werke die auch heute noch stellvertretend für sein gesamtes Œvre herangezogen werden. Schließlich haben wir uns der Serie selbst zugewandt und nach einer kurzen Einleitung zehn Blätter eingehend besprochen. Wichtige Schlagwörter waren hierbei die Liebe zur Zeichnung und physiognomischen Studien, die enge Verflechtung mit dem Text sowie der kriegspropagandistische Charakter. In einer Zeit aufkeimenden Nationalismus und Rassismus sind Kiyochikas Darstellungen unbestreitbar großteils diskriminierender Natur, der chinesische Feind wird karikiert und mit überzeichnet negativen Attributen versehen. Schritt für Schritt wurden die ausgewählten Drucke in lateinischer Schrift transkripiert und übersetzt, abschließend folgten kurze Erläuterungen. Das Karikaturenwerk Kobayashi Kiyochikas zählt auch heute noch zu den weitgehend unbeachteten Gebieten der ostasiatischen Kunstgeschichte, eine weiterführende Aufarbeitung der Serie Nippon banzai. Haykusen haykushō wäre meiner Meinung nach unbedingt zu begrüßen. 127 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 8. Glossar bokashi ぼかし Technik des fließenden Farbverlaufs im Ukiyo-e chanchan ちゃんちゃん Abschätzige Bezeichnung für Chinesen Datsuebā 奪衣婆 Dämonische alte Frau, die den Toten wenn sie den Totenfluss Styx überqueren, ihre Kleidung wegnimmt. Edo 江戸 Das heutige Tōkyō edokko 江戸っ子 Bezeichnung für alteingesessene Bewohner Tōkyōs Enma-daiō 閻魔大王 Herrscher der Unterwelt, der über die Verstorbenen richtet ezōshi 絵増資 Illustrierte Populärliteratur furigana 振り仮名 phonetische Zeichen, die die Lesung der komplizierten chinesischen Schriftzeichen angeben 128 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Hyakusen hyakushō 百撰百笑 Spruch und Teil des Titels der Serie; zu übersetzen sowohl mit „100 Kriege, 100 Siege“, als auch mit „Hundertmal gewählt, hundertmal gelacht. ichimaizuri 一枚摺り „Einblatt-Drucke“, siehe kawaraban jō 丈 Ein Längenmaß: 3,03 m Kannon 観音 Bodhisattwa des Mitgefühls, weibliche Gottheit kawaraban 瓦版 „Ziegeldrucke“, Bezeichnung für Einzelblatt-Drucke unterschiedlichen Motivs kokatsujiban 古活字版 Druck mit „harten“ (metallenen) Lettern kubippiki 首引 japanisches Spiel, bei welchem die Gegner versuchen, sich an Stricken um den Hals gegenseitig wegzuziehen kyōka 狂歌 Spottverse kyōgen 狂言 wörtl. “verrückte Rede, verrückte Worte”. Humoristische Theatergattung die meist in Verbindung mit Nō-Stücken aufgeführt wird. 129 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Marumaru chinbun 圚圚珍聞 Ab 1877 erscheinende Wochenzeitschrift, welche in Form von Karikaturen Kritik an der Politik der Regierung übte sowie die Ideen der Bürgerrechtsbewegung aufgriff. Betätigungsfeld Kobayashi Kiyochikas. Meiji-Zeit 明治時代 1868-1912 mitate-e 見立て絵 „Travestie-Bilder“ miru me, kagu hana 見る目かぐ鼻 Assistenten des Königs Enma, welche gute und schlechte Taten der Verstorbenen zu erkennen bzw. zu riechen vermögen mokuhan insatsu 木版印刷 Holzschnitt, generell „Druck“ nishiki-e 錦絵 „Brokatbilder”, Sammelbegriff für ukiyo-e Holzschnitte, die im Vielfarbendruck hergestellt werden. Dieser wurde im Jahre 1765 von Suzuki Harunobu erfunden, als Zentrum etablierte sich bald schon Edo. ni-ō 仁王 Furchteinflößende, muskulöse Wächterfiguren, meist Tempeleingänge bewachend. Port Arthur 旅順 chin. Lushun; ein eisfreier Hafen auf der Liaodong-Halbinsel, strategisch wichtig platziert, da er den Zugang nach Peking über das Meer kontrolliert. 130 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 1895 im Vertrag von Shimonoseki Japan zugesprochen, jedoch aufgrund der Tripel-Intervention nicht in Anspruch genommen Rakugo 落語 „fallende Wörter“, Unterhaltungsform bei welcher ein einzelner Darsteller nur durch akzentuierte Monologe und Mienenspiel sein Publikum amüsiert Sanzu-gawa 三途側 Fluss, den Verstorbene bei ihrem Eintritt in die Unterwelt überqueren müssen. Japanisches Äquivalent zum griechischen Fluss Styx. seihan 製版 „Druck in einem Stück“, sowohl Bild als auch Text befinden sich auf ein und derselben Druckplatte, sie werden in einem Vorgang gedruckt senryū 川柳 Kurzgedicht in drei Versen zu je fünf, sieben und fünf Silben. Ähnlich dem haiku, jedoch eher das Persönliche, Alltägliche und weniger Jahreszeitästhetik thematisierend Shōgun 将軍 Ursprünglich Bezeichnung für einen militärischen Führer, der über eine ganze Armee befiehlt (General). Seit Minamoto Yoritomo als Abkürzung von seii taishōgun für das Oberhaupt der Bakufu-Regierung verwendet. Sino-Japanischer Krieg 日清戦争 1. August 1894 – 14. April 1895 Kampf zwischen China und Japan um die Vorherrschaft in Korea sun 寸 Ein Längenmaß: 3,03 cm 131 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō surikogi すりこ木 Hölzener Stößel, Mörserstößel tael 兩 Heute nicht mehr gebräuchliche chinesische Währungseinheit. taishō 大将 „großer Feldherr“, Titelbezeichnung Tripel-Intervention Einspruch der drei Großmächte Russland, Frankreich und Deutschland gegen den im Vertrag von Shimonoseki (17.4.1895) vereinbarten territorialen Zugewinn Japans auf Kosten Chinas. ukiyo-e 浮世絵 Bilder der fließenden Welt; japanische Farbholzschnitte 132 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 9. Literaturverzeichnis Asakura Haruhiko und Imamura Tetsugen 1965 Meiji Sesō Hennen Jiten. Tōkyō: Tōkyō shuppan. Blacker, Carmen 1964 The Japanese Enlightment. A Study of the Writings of Fukuzawa Yukichi. Camebridge: University Press. 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April Vertrag von Tientsin über Korea 1894 4. Mai Ausbruch des Tonghak-Aufstands in Korea 23. Juli Japanische Truppen kämpfen gegen koreanische Palastwachen in Seoul 25. Juli Schlacht von Phungtao 29. Juli Schlacht von Songhwan 30. Juli Fall von Asan 1. Aug. Japan und China erklären einander den Krieg 12. Sep. Japanische Truppen überqueren den Taedong-Fluss 15. Sep. Der Kaiser Meiji besucht das Hauptquartier in Hiroshima 16. Sep. Fall von Pjöngjang 17. Sep. Schlacht am Gelben Meer 24. Okt. Japanische Truppen überqueren den Fluss Yalu Die 2. Japanische Armee landet auf der Halbinsel Liaodong 25. Okt. Schlacht von Hushan 26. Okt. Fall der Festung Qiuliancheng 139 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 29. Okt. Fall der Festung Feng-huang-chen 6. Nov. Fall von Qinzhou 7. Nov. Fall der Festung von Dalian 9. Nov. Japanische Truppen rücken bis Sauhoku vor 21. Nov. Fall von Port Arthur 13. Dez. Fall von Haicheng 1895 10. Jan. Angriff auf Kaiping 20. Jan. Japanische Truppen landen auf der Halbinsel Shandong 1. Feb. China sendet Unterhändler mit einem Friedensangebot nach Hiroshima 2. Feb. Fall von Weihaihai 12. Feb. Die chinesische Flotte gibt bei Beiyang auf 5. März Fall von Newchang 7. März Fall von Yingkou 20. März Beginn der Friedensverhandlungen in Shimonoseki 23. März Japanische Soldaten landen auf den Pescadoren-Inseln 24. März Li Hongzhang wird bei einem Attentat verwundet 26. März Japanische Truppen erobern die Pescadoren-Halbinsel 30. März Ein Waffenstillstand wird vereinbart 17. April Vertrag von Shimonoseki 23. April Intervention der Dreimächte Russland, Deutschland und Frankreich 25. Mai Widerstand der Taiwanesen gegen die japanische Annektion 29. Mai Japanische Truppen landen auf Taiwan 21. Okt. Fall von Taiwan Ende des Sino-Japanischen Krieges 140 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 12. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Karte zum Verlauf des Sino-Japanischen Krieges 1894-95 aus: http://en.wikipedia.org/wiki/Image:First_Chinese_Japanese_war_map_of_battle s.jpg Abb. 2: Auszug aus dem autobiografischen Skizzenbuch Kobayashi Kiyochikas aus: SMITH, Henry: Kiyochika. Artist of Meiji Japan. Santa Barbara 1988. Seite 18. Abb. 3: „Fukawawa Susaki in Tokyo” aus dem Kiyochika Punch 1881 aus: ebenda, Seite 59. Abb. 4: Kobayashi Kiyochika (Fotografie) aus: Ebenda, Seite 119. Abb. 5: „Prolog“ aus: Privatsammlung Wien Abb. 6: „Chanchans großer Schrecken“ aus: Privatsammlung Wien Abb. 7: „Das Lied vom Zerstampfen“ aus: Privatsammlung Wien 141 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō Abb. 8: „Eilmeldung! Eilmeldung!“ aus: Privatsammlung Wien (Abb. auch bei Diesinger 1986:20) Abb. 9: „Hochkonjunktur in der Unterwelt“ aus: KONISHI, Shirō: Nisshin sensō. Vol. II. Nishikie bakumatsu Meiji no rekishi. Tōkyō 1977. Abb. 10: „Fluchtvorbereitungen“ aus: Privatsammlung Wien (Abb. Auch bei Diesinger 1986:22) Abb. 11: „Köpfeziehen“ aus: Privatsammlung Wien (Abb. auch bei Diesinger 1986:25) Abb. 12: „Ein dickhäutiges Gesicht“ aus: Privatsammlung Wien (Abb. auch bei Smith 1988:94) Abb. 13: „Vergnügen am Spielen mit modernem Spielzeug“ aus: Privatsammlung Wien (Abb. auch bei Diesinger 1986:24) Abb. 14: „Eine in China neu erfundene Maschine“ aus: Privatsammlung Wien (Abb. auch bei Diesinger 1986:29) Abb. 15: „Großes Gedränge am Fluss Sanzu“ aus: Privatsammlung Wien (Abb. auch bei Diesinger 1986:31) 142 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 13. Anhang 13.1. Abstract This thesis is dealing with the series Nippon banzai. Hyakusen hyakushō („Long live Japan! One hundred selections, one hundred laughs”) made by Kobayashi Kiyochika. It is a series containing fifty satiric woodblock prints concerning the Sino-Japanese War 1894-95, 10 randomly selected pieces and the table of content will be representately translated and discussed in detail. The Sino-Japanese War, a conflict between Japan and China about interests in Korea, was the very first Japanese war fought on foreign ground for three hundred years and Japan’s chance to assert its authority as new power on the international scene. The caricatures taking place at that time are a valuably document of proJapanese propaganda and the view of nascent racialism between the Chinese counterpart. The enemy is shown as cowardly and disingenuous; the pictures make fun of them in various ways. The accompanying texts in Japanese language penned by Koppi Dōjin refer to the pictures underneath. They are humorous comments, mostly peppered with wordplays and ironic punches and often related to specific events and battles. Within the limits of this thesis, I have tried to analyse the series and its cultural environment, my research is only a first step into a mostly neglected field of ukiyo-e. Maybe the included eleven translations could be the basis for further discussions and analysis. 143 Diplomarbeit Sonja M. Hotwagner – Nippon banzai. Hyakusen hyakushō 13.2. Lebenslauf der Verfasserin Persönliche Daten Geboren am 6. Jänner 1982 in Oberwart Ausbildung August 2007 Abschluss des Bakkalaureatstudiums Japanologie Okt. 2006 – Auslandssemester an der März 2007 OSAKA UNIVERSITY OF FOREIGN LANGUAGE / Japan Seit Oktober 2003 Bakkalaureatsstudium der Japanologie im Rahmen eines Doppelstudiums Seit Oktober 2002 Diplomstudium der Kunstgeschichte 1997 – 2002 HBLA HERBSTSTRASSE für Künstlerische Gestaltung, Wien Berufserfahrung seit März 2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ostasienwissenschaften Wien, Mitarbeit am Erstellen einer Datenbank im Bereich ukiyo-e Sommer 2005 Praktikum in der Ostasienabteilung des MAK/Wien, Mitarbeit an den beiden Ausstellungen „UAHHHHH…MANGA!“ sowie „Ukiyo-e RELOADED“ 144
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