Info-Schrift KSD 2/13 - Logistikbasis der Armee LBA

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KOORDINIERTER SANITÄTSDIENST
Informationsschrift über den KSD in der Schweiz
SERVICE SANITAIRE COORDONNÉ
Bulletin d’information sur le SSC en Suisse
SERVIZIO SANITARIO COORDINATO
Bollettino d’informazione sul SSC in Svizzera
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«Wir stecken Sie an: CBRN.»
« Prenez garde: contagieux! CBRN. »
«Pericolo di contagio: CBRN! »
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Inhalt
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
03Editorial
04 Hoch ansteckende Krankheiten: Umgang mit Laborproben
07 Die Internationalen Gesundheitsvorschriften der
Weltgesundheitsorganisation: ihre Bedeutung für die Schweiz
13 Advanced Hazmat Life Support: Kurs zum medizinischen Management
von ABC-exponierten Personen
17 Pandemie und Spitex: Herausforderungen und Grenzen
19 Rifugi e posti protetti, tra necessità e nuove realtà
25 Bunker und geschützte Orte: zwischen Notwendigkeiten und neuen
Realitäten
31 In questo numero...
SWISS REVIEW OF MILITARY AND DISASTER MEDICINE
32Editorial
33 Herzliche Gratulation zum 90-jährigen Jubiläum!
35 Das schnell verlegbare B-Labor des Sanitätsdienstes der Bundeswehr
36 Hat der Erkrankungsausbruch natürliche Ursachen? Ist das Rapidly Deployable Outbreak Investigation Team Konzept der NATO angemessen?
40 Rüstungskontrolle – ein alter Zopf oder eine aktuell wichtige Aufgabe?
44 Das neue Biosicherheitslabor – der komplexe Weg bis zur Inbetriebnahme
47 Schutz der Bevölkerung und Rückkehr zum
Normalzustand nach einem grossflächigen A-Ereignis
54 Aufbau der militärischen ABC Abwehr: Vom AC Schutzdienst der Armee 61
zur ABC Abwehr in der Weiterentwicklung der Armee inkl. Einsatzkonzept
57 Fähigkeiten der ABC Abwehr: Prävention, Schutz,
Aufklärung, Nachweis und Dekontamination
59 Diffusions-Nebelkammer – einer der ersten Teilchendetektoren in der
Physik: Vorstellung und Besichtigung eines Teilchendetektors
60 C Nachweismöglichkeiten der Armee: Feldnachweis, C Nachweiskette
und mobiler C Nachweis (Labor auf DURO)
65 Mitteilungen des Präsidenten der SGOS
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
66Editorial
67 Maladies hautement infectieuses:
Manipulation des échantillons de laboratoire
70 Règlement sanitaire international de l’Organisation mondiale de la santé:
son importance pour la Suisse
76 Advanced Hazmat Life Support: Cours sur la gestion
médicale de personnes exposées à des substances NBC
80 Pandémie et Soins à Domicile: enjeux et limites
82 Abris et lieux protégés, entre nécessités et nouvelles réalités
INFO
88 Agenda
89 Neues von der SGNOR
90 Neue Sanitätsausrüstung: Interkantonale Zusammenarbeit
92 Nouveaux équipements sanitaires: Collaboration intercantonale
94Adressen
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Gianpiero A. Lupi (19. Juni 1942 – 18. Mai 2013)
Nachruf für Divisionär aD Gianpiero A. Lupi, Dr. med.; Oberfeldarzt 2001 – 2008
Am 1. April 2001 hat Gianpiero A. Lupi im Grade eines Divisionärs das Amt als Oberfeldarzt der Armee und Chef der
Untergruppe Sanität voller Stolz angetreten, wenn auch mit ein wenig Wehmut, denn er war bis dahin mit Herz und
Seele Vollblut-Kliniker, ein begnadeter und beliebter medizinischer Lehrer. Kaum hatte er sein neues Amt in der Armee
angetreten, begannen Umstrukturierungen und Reformen einen Grossteil seiner Zeit und Energie einzufordern. Nichts
desto trotz kämpfte er immer wieder an wechselnden Fronten, stets bestrebt, das Verständnis für die Anliegen der
Sanität und für die Notwendigkeit eines funktionierenden Sanitätsdienstes in der Armee zu wecken und zu verstärken.
Während seiner Amtszeit vom 1. April 2001 bis 31. Dezember 2008 hat sich mein Vorgänger unermüdlich mit Herz und
Energie für die Dienste der Sanität in der Armee eingesetzt. Obwohl mehr der Praktiker als der Bürolist, hat er auch jede
formale Herausforderung mit vollem Engagement angenommen – und bewältigt. Das Feuer im Herzen von Gianpiero
A. Lupi ist dabei nie erloschen. Treibende Kraft war sein unerschütterlicher Glaube an das Gute im Menschen und sein
Wille, für die Sache einzustehen.
Die grossen Meilensteine und Errungenschaften in der Amtszeit von Gianpiero A. Lupi waren der bedrohliche Rückgang
an Militärärzten, welcher in der Gründung der Schweizerischen Akademie für Militär- und Katastrophenmedizin (SAMK)
seine effiziente Antwort fand, die Erbringung der sanitätsdienstlichen Leistungen im Alltag mit der Regionalisierung der
Gesundheitsversorgung und deren Ressourcierung, die Neugestaltung des medizinischen Teils der Rekrutierung, die
Einbettung der Sanitätsorganisation in die Armee XXI und die nachfolgenden Entwicklungsschritte sowie die Festigung
des Koordinierten Sanitätsdienstes in der Vorbereitung und im Einsatz bei der Bewältigung von Katastrophen und Notlagen im Gesundheitswesen. Kein Weg war Divisionär aD Lupi zu weit, keine Hürde zu gross, um der Sache zu dienen
und die notwendigen Entscheide zu erwirken. Kein Rückschlag liess den Unermüdlichen von seinem Streben abbringen;
dann galt es vielmehr, einen neuen Anlauf zu nehmen.
Wer Gianpiero A. Lupi kennenlernen durfte, der wurde unweigerlich eingenommen von seiner Herzlichkeit und seinem
Schalk, aber auch von seinem filigranen Sachverstand und seinem unbändigen Feuer, der Sanität den ihr gebührenden
Platz in der Armee und dem KSD in der Sicherheitsorganisation von Bund und Kantonen zu sichern. Seine warmherzige und liebenswerte Art sowie sein Witz und seine Kreativität, welche auch der kameradschaftlichen Geselligkeit eine
aussergewöhnliche und persönliche Note gaben, prägten unser Bild von Gianpiero A. Lupi als unserem Chef und Kameraden.
Divisionär aD Gianpiero A. Lupi waren nach seinem wohlverdienten Ruhestand ein paar segensreiche Jahre im Kreise
seiner Familie und besonders seiner wachsenden Schar von geliebten Grosskindern vergönnt, welche er trotz sich
anbahnenden Krankheitszeichen nach Herzenslust genoss.
Zudem engagierte er sich im Bereich des Swisscor Projektes und in der Seniorenuniversität in Solothurn wie auch im
Berner Oberland, wo er als Initiant massgeblich bei deren Umsetzung beteiligt war. Doch allen Anstrengungen zum Trotz
zeigte die fortschreitende Krankheit ihr hässliches Gesicht und lähmte den immer weiter Strebenden.
Wer ihm in den letzten Tagen und Wochen seines Lebens im kleinen Kreis nahe sein durfte, sah die traurigen Augen, in
denen jedoch das bekannte «Feu sacré» beharrlich weiter funkelte und hörte stetige Willensbezeugungen, nicht aufgeben zu wollen.
Lieber Gianpiero, du hast deine Augen jetzt geschlossen und du bist vor deinen Schöpfer getreten. Wir bleiben zurück
und spüren dein Feuer und deine grosse menschliche Wärme in unseren Herzen weiter lodern. Der Mensch ist vergänglich, seine Seele ist es nicht. Du hast uns beseelt, als gütiger Mensch, als beherzter Kämpfer und als Quell immer wiederkehrender Freude und beispielhafter Kameradschaft.
Herzlichen Dank für alles. Wir vermissen dich sehr, doch wir versichern dir, deine begonnenen Wege fortzusetzen.
Im Namen der gesamten Armeeführung gebieten wir dir unseren grossen Respekt und deinen Angehörigen unser
herzliches Beileid.
Divisionär Andreas Stettbacher, Oberfeldarzt der Armee
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Editorial
«Wir stecken Sie an: CBRN.»
CBRN (Chemical, Biological, Radiological, Nuclear):
Hinter diesem Akronym verbirgt sich die Palette
Dr. Marc Cadisch
nicht konventioneller Gewaltanwendung, die seit
Jahren die Terrorismusexperten umtreibt und zu
deren Abwehr in den letzten Jahren viel Geld ausgegeben wurde – bisher offenbar
mit Erfolg: Seit den Anthrax-Anschlägen in den USA von 2001 gab es weltweit nur
vereinzelte, insgesamt erfolglose Versuche, chemisches, biologisches oder radioaktives Material einzusetzen, obschon etliche Gruppierungen erklärten, sie würden
Massenvernichtungswaffen verwenden, falls sie die Gelegenheit dazu hätten.
Der Grund für diese positive Bilanz liegt wohl gleichermassen in der Kompetenz
auf Seiten der verantwortlichen Regierungen wie in der Inkompetenz der potenziellen Täter. Eine Portion Glück hat vermutlich auch eine Rolle gespielt, denn in
Anbetracht der Angebote auf dem Schwarzmarkt sind Anschläge etwa mit nuklearem Material nach wie vor nicht auszuschliessen. Auf der anderen Seite lässt
sich beobachten, dass selbst mit einfachsten «Kochtopf-Bomben» – wie beim
Bostoner Marathon von 2013 – sehr viel Schaden anzurichten ist. Offenbar bevorzugen Attentäter, nachdem sie sich zu einer Aktion entschieden haben, in der
Regel möglichst einfache Mittel und kümmern sich nicht noch zusätzlich um komplexere Waffen wie Pathogene, chemische Kampfstoffe oder radiologische Quellen.
Diese – nicht belegbare – Interpretation bisheriger Erfolge in der Terrorismusbekämpfung sollte jedoch nicht Nachlässigkeit oder gar Gleichgültigkeit im Umgang
mit CBRN-Bedrohungen rechtfertigen. Die Absenz von Massenvernichtungswaffen im Arsenal von Terrorgruppen unterstreicht vielmehr die Bedeutung der Arbeit
von Spezialisten auf dem CBRN-Gebiet. So gehört es zum Kerngeschäft des
LABOR SPIEZ, dem eidgenössischen Institut für ABC-Schutz, das «Undenkbare»
zu denken und sich auf bestimmte Eventualitäten vorzubereiten – egal, ob diese
auf einen Angriff, einen Unfall oder – etwa bei Pandemien – auf ein natürlich auftretendes Phänomen zurückzuführen sind. Ohne eine entsprechende Vorsorge
– gerade auch im medizinischen Bereich – dürfte uns ein Ernstfall umso härter
treffen.
Dr. Marc Cadisch, Leiter LABOR SPIEZ
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«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Hoch ansteckende Krankheiten:
Umgang mit Laborproben
Paola Pilo, PhD, Eidgenössisches Referenzlabor für Anthrax und hoch pathogene Erreger, Institut für Veterinärbakteriologie, Department of Infectious Diseases and Pathobiology (DIP), Vetsuisse Fakultät, Universität Bern, Postfach 8466, 3001 Bern, [email protected]
Key Words: Risikogruppe-3-Bakterien, biologische Sicherheit, Diagnostik
Der Umgang im Labor mit hoch
ansteckendem Material, das Bakterien der Risikoklasse 3 enthält,
ist in der Schweizer Gesetzgebung
streng geregelt. Um Unfälle zu vermeiden, gilt es in der Praxis ein
paar wichtige Punkte zu beachten.
Dieser Artikel behandelt die Vorgehensweise, nachdem eine Probe einer Risikoklasse zugewiesen
wurde. Weiter wird die Bedeutung
der Reduzierung der risikoreichsten Methoden auf ein Minimum beschrieben sowie hervorgehoben,
wie wichtig die Sicherstellung der
Nachverfolgbarkeit von Tätigkeiten
und möglicherweise exponierten
Personen ist.
Einleitung
Die biologische Sicherheit beim Umgang mit Proben, die hoch pathogene
Mikroorganismen enthalten, bedingt
die Einhaltung einer Reihe von Massnahmen und Vorgehensweisen. Bestimmte Aspekte sind dabei entscheidend und zwingend, wobei immer
bedacht werden muss, dass eine Probe möglicherweise erst nach der Analyse, also nachdem mit ihr gearbeitet
wurde, als hoch pathogen erkannt
wird. Zudem entstehen neue Mikroorganismen mit noch unbekannter Biologie, die sich in der Folge als hoch pathogen entpuppen können. Aus diesem
Grund ist auch vor der Feststellung
eines allfälligen besonderen Risikos
eine gute Laborpraxis unter allen Umständen einzuhalten. All dies setzt voraus, dass die etablierten Verfahren
punktgenau befolgt werden und erfordert zudem die Kenntnis der Biologie
dieser Mikroorganismen, ihrer Epidemiologie und der durch sie hervorgerufenen Krankheiten, damit jederzeit
zweckmässige Abklärungen getroffen
werden können.
Dieser Artikel befasst sich mit einigen
Aspekten des Umgangs mit nachgewiesenen bakteriellen Mikroorganismen der
Risikoklasse 3. Dabei sollen einige Risiken im Umgang mit kontaminierten Materialien dargestellt werden. Ebenfalls
erläutert werden Ansätze zur Vermeidung von Unfällen bei diesen Tätigkeiten. Des Weiteren wird die Bedeutung
der Sicherstellung der Nachverfolgbarkeit von Tätigkeiten hervorgehoben.
Klassifizierung der
Mikroorganismen
Definition des Begriffs Mikroorganismus
Mikroorganismen sind Kleinstlebewesen, die von blossem Auge nicht sichtbar sind. Ihre Formen reichen von den
einfachsten Lebenseinheiten wie dem
Virus, über strukturierte Zellen, die in
der Lage sind, Signale auszutauschen,
wie beispielsweise die «sozialen» Amöben der Spezies Dictyostelium discoideum. Mikroorganismen gelten gemeinhin als Krankheitserreger, obwohl
sich die grosse Mehrheit der Spezies in
der Umwelt befindet und zum Gleichgewicht in Biotopen beiträgt.
Klassifikation von Mikroorganismen
Jeder Mikroorganismus weist eine andere Pathogenität auf, ist also auf unterschiedliche Weise fähig, eine Krankheit auszulösen. Damit er eine
Krankheit auslösen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt und
bestimmte Übertragungswege gegeben sein, wie z. B. die Einnahme oder
die Aufnahme einer bestimmten minimalen Infektionsdosis durch einen Wirt.
Diese Fähigkeit von Mikroorganismen,
bei Menschen, Tieren und Pflanzen
Krankheiten auszulösen, wird für ihre
Klassifizierung verwendet. Dasselbe gilt
für die Tätigkeiten ausserhalb des Labors, die ein erhöhtes Infektions- oder
Übertragungsrisiko darstellen.
In der Gruppe derjenigen Personen, die
einem beruflichen Infektionsrisiko ausgesetzt sind, steht das Laborpersonal
aufgrund der verwendeten Methoden,
beispielsweise der Kultivierung von Mikroorganismen, an oberster Stelle. Die
Risiken, denen das Laborpersonal dabei ausgesetzt ist, sind abhängig von
den jeweiligen verwendeten Mikroorganismen und den dabei zum Einsatz
gelangenden Methoden. Dabei werden
die Mikroorganismen sowie die Tätigkeiten in geschlossenen Systemen in
Risikogruppen unterteilt. Diese Konzepte sind in der Schweiz in Art. 6 und
7 der Verordnung vom 9. Mai 2012
über den Umgang mit Organismen in
geschlossenen Systemen (Einschliessungsverordnung, ESV) geregelt.1
In Art. 6 der ESV (blauer Kasten) werden die Gruppen von Mikroorganismen
definiert und klassifiziert. Der Gruppe 1
gehören hauptsächlich Mikroorganismen aus der normalen Umgebung an,
die keine Krankheiten verursachen.
Gruppe 2 setzt sich zusammen aus
Mikroorganismen, die Krankheiten auslösen können, die aber bei Einhaltung
guter Laborpraxis praktisch kein Infektionsrisiko für das Laborpersonal darstellt. Die Mikroorganismen in Gruppe
3 rufen schwer wiegende Erkrankungen hervor, die zwar a priori behandelt
werden können, aber ein Risiko für das
Laborpersonal und/oder die Umgebung darstellen. Die letzte Klasse von
Mikroorganismen, die Gruppe 4, welche in diesem Artikel nicht behandelt
1
SR 814.912
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Einschliessungsverordnung, Art. 6: Gruppierung der Organismen
1. Zur Ermittlung des Risikos beim Vorkommen von Organismen sind
das Ausmass und die Wahrscheinlichkeit von schädigenden Wirkungen
für Mensch, Tier und Umwelt sowie für die biologische Vielfalt und deren
nachhaltige Nutzung abzuschätzen. Dabei sind die Kriterien von Anhang
2.1 Ziffer 1 zu berücksichtigen.
2. Zur Bewertung des ermittelten Risikos sind die Organismen nach den
Kriterien von Anhang 2.1 Ziffer 2 einer der folgenden Gruppen zuzuordnen:
a. Gruppe 1: Organismen, deren Vorkommen kein oder ein vernachlässigbar kleines Risiko darstellt;
b. Gruppe 2: Organismen, deren Vorkommen ein geringes Risiko darstellt;
c. Gruppe 3: Organismen, deren Vorkommen ein mässiges Risiko darstellt;
d. Gruppe 4: Organismen, deren Vorkommen ein hohes Risiko darstellt.
Sind bestimmte Organismen gemäss der Liste nach Artikel 26 bereits
gruppiert, so ist keine neue Risikoermittlung und -bewertung vorzunehmen, ausser wenn Anzeichen eines erhöhten oder verringerten Risikos
beim Vorkommen dieser Organismen bestehen. Bei wesentlichen neuen
Erkenntnissen muss das Risiko neu ermittelt und bewertet werden.
wird, enthält hoch infektiöse Viren, für
welche es keine Behandlung gibt. Die
Charakteristika sind in Anhang 2.1 zur
ESV aufgeführt. Zudem publiziert und
aktualisiert das Bundesamt für Umwelt
(BAFU) Listen von Bakterien, Viren, Parasiten und Pilzen. (http://www.bafu.
admin.ch/publikationen/publikation/01614/index.html?lang=de).
gängigen Genehmigung durch das
BAFU (Art. 10 Abs. 1 ESV) benötigen.
Dies bedeutet, dass bei starkem Verdacht auf Vorhandensein von Organismen der Gruppe 3 die Proben an ein
autorisiertes Labor weiterzuleiten sind.
Mit dieser Massnahme ist auch die Qualitätssicherung des Ergebnisses durch
ein erfahrenes Labor gewährleistet.
Klassifizierung der Labortätigkeit
Die Tätigkeit im Labor wird im Allgemeinen anhand der verwendeten Mikroorganismen beurteilt. Das Risiko ist jedoch zusätzlich abhängig von der
Tätigkeit. Das sind nämlich die beiden
bei der Risikobeurteilung einer Tätigkeit
mit Mikroorganismen zu berücksichtigenden Faktoren. Aus diesem Grund
listet Art. 7 ESV die risikobehafteten
Tätigkeiten auf, deren Kriterien in Anhang 2.2 zur ESV weiter ausgeführt
werden.
Analyse von Proben der
Tätigkeitsklasse 3
Das klinische Material für diagnostische
Analysen2 (Anhang 2.2 Kap. 2.2 Abs. 2
ESV) wird gemäss den angewendeten
Sicherheitsmassnahmen der Klasse 2
(Anhang 2.2 Kap. 2.2 Abs. 2 ESV) behandelt. Darauf hinzuweisen ist, dass
die Labors, in denen Tätigkeiten der
Klasse 3 durchführt werden, einer vor-
An oberster Stelle in diesem Zusammenhang steht die Kommunikation.
Dem Ziellabor sind detaillierte Angaben
über den Inhalt einer Sendung mitzuteilen. Im Fall der Verwendung von Mikroorganismen der Risikogruppe 3 ist
die vorgängige Benachrichtigung des
Labors essenziell. Diese Informationen
ermöglichen eine Bestimmung, Erstellung und/oder Bestätigung des genauen Verfahrens und erlauben dem Labor,
ohne Verdacht auf Mikroorganismen der
Klasse 4
2
Entgegennahme der Proben
Die Entgegennahme von biologischem
Material ist der erste grundlegende
Faktor für die Gewährleistung der biologischen Sicherheit des Laborpersonals. Für eine angemessene Entgegennahme des Materials und eine korrekte
Triage sind besondere Kriterien beim
Versand von biologischem Material zu
beachten.
sich auf die Entgegennahme des biologischen Materials vorzubereiten.
Nach Ankunft der Proben im Labor
folgt als erster Schritt eine Triage. Diese
ist wichtig, damit das Probenmaterial
direkt in das zuständige biologische
Sicherheitslabor der Klasse 3 (BSL3)
oder der Klasse 2 (BSL2) gelangt, wie
das der Inhalt der biologischen Proben
und die Risikobewertung erfordern. Die
von einem Diagnoselabor entgegengenommenen Proben können Material
enthalten, dessen mikrobiologischen
Inhalt man kennt, oder aber dessen
Inhalt völlig unbekannt ist. Im Falle von
bestätigten Kulturen oder der Vermutung von pathogenen Erregern der
Klasse 3, wie z. B. im Fall des Mycobacterium tuberculosis, wird das entsprechende Material direkt ins BSL3
(Abb. 1) geleitet, da es sonst gemäss
dem Routine-Diagnoseverfahren behandelt würde. Aus diesem Grund ist
ein Schreiben ausserhalb des doppelwandigen Behälters mitzuliefern, mit
welchem die Zuweisung der Probe korrekt erfolgen kann (Abb. 2).
Umgang mit Proben gemäss der
Routinediagnostik
Es ist wichtig, dass die im AnalyseDiagnostikverfahren zur Anwendung
gelangenden Verfahren genauestens
befolgt und die risikobehafteten Tätigkeiten auf das absolute Minimum beschränkt werden. Es ist nämlich typisch
für diagnostische Proben, dass zu Beginn der pathogene Erreger nicht bekannt ist. Es kann daher vorkommen,
dass sich das Vorhandensein eines
hoch pathogenen Erregers erst im Analyseergebnis zeigt. Zudem ist es möglich, dass auch nach Bestätigung der
Identifizierung eines Mikroorganismus
dessen Pathogenität nicht vollumfänglich aufgeklärt ist, wie z. B. im Falle eines neuen Mikroorganismus. Aus diesen Gründen ist die Nachverfolgbarkeit
des Umgangs und der hypothetisch
exponierten Personen essenziell; nur
so kann das individuelle Expositionsrisiko evaluiert und können die zu ergreifenden Massnahmen bestimmt werden.
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Abb. 1: Im Fall von bestätigten oder vermuteten Kulturen von
Pathogenen der Klasse 3 werden die Proben direkt ins BSL3
weitergeleitet.
Abb. 3: Risikobehaftete Tätigkeiten, wie z. B. Öffnung der Rotoren bei
der Zentrifugierung, dürfen nur unter Strömungsbedingungen
erfolgen.
zusätzliche Sicherheitssysteme hinzugefügt werden können.
Abb. 2: Ein erklärendes Begleitschreiben
muss ausserhalb des doppelwandigen
Behälters mitgeschickt werden, damit die
Probe korrekt weitergeleitet werden kann.
Umgang mit Proben der Tätigkeitsklasse 3
Wenn festgestellt worden ist, dass der
Umgang mit einer Probe in die Tätigkeitsklasse 3 fällt, wird sie an das BSL3
weitergeleitet. Die Tätigkeit vom BSL3
ist in der ESV und seinen Anhängen
detailliert geregelt und bewilligungspflichtig. Um alle Tätigkeiten der Klasse
3 durchführen zu dürfen, müssen die
beschriebenen Vorschriften eingehalten werden. Ausschlaggebend für jede
Tätigkeit mit pathogenen Mikroorganismen bleibt die Risikobeurteilung. Dies
trifft ganz besonders dort zu, wo Mikroorganismen und Tätigkeiten der Risikoklasse 3 zugehören. Es ist zweckmässig, die Risiken zu begrenzen und
abzuklären, welche Tätigkeiten wirklich
notwendig sind, damit jeder Etappe
Die Beschränkung der risikoreichsten
Manipulationen, insbesondere die Bildung von Aerosolen und grosse Kulturen, ist ein wichtiger Faktor für die Begrenzung der Kontaminationsrisiken
des Laborpersonals. Falls trotzdem
solche Tätigkeiten durchgeführt werden müssen, ist insbesondere bei den
risikoreichsten Manipulationen, wie der
Zentrifugierung, höchste Sorgfalt anzuwenden (Abb. 3).
Schlussfolgerung
Die geltende Gesetzgebung regelt die
Tätigkeit mit Pathogenen der Klasse 3.
Eine solche Tätigkeit ist für die Labors
bewilligungspflichtig. Zuvor werden die
Verfahren validiert und etabliert. Kommunikation ist essenziell zur Bestimmung
der Risikokategorie einer Probe, und der
Details für den Umgang damit. Zudem ist
es eine Besonderheit der Diagnoseverfahren, dass der vorhandene pathogene
Erreger nicht bekannt ist. Aus diesem
Grund ist es wichtig, die gute Laborpraxis unter allen Umständen zu beachten,
auch wenn aufgrund der Umstände vorerst nicht auf hoch ansteckende Pathogene geschlossen wird. Auch die Nachverfolgbarkeit des Umgangs mit den
Proben und der Personen, die in Kontakt
mit dem hoch infektiösen Material gekommen sind, ist wichtig.
Übersetzung: Yve Delaquis
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Die Internationalen Gesundheitsvorschriften der Weltgesundheitsorganisation: ihre Bedeutung für die
Schweiz
Stefanie Schmied, MSc, Bundesamt für Gesundheit, Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit, Abteilung Übertragbare Krankheiten, Sektion
Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit, Schwarztorstrasse 96, 3003 Bern, [email protected]
Key Words: Internationale Gesundheitsvorschriften (IGV 2005), IGV-Anlaufstelle,
übertragbare Krankheiten, Weltgesundheitsorganisation (WHO), globale Gesundheitsbedrohungen
Im Mai 2005 verabschiedete die Weltgesundheitsversammlung (WHA) der
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
eine revidierte Fassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV,
2005), die im Juni 2007 für die Vertragsstaaten – und somit auch für die
Schweiz – völkerrechtlich verbindlich
in Kraft getreten ist. Die IGV (2005)
bilden das zentrale Instrument, um
grenzüberschreitende Gesundheitsbedrohungen insbesondere im Bereich der übertragbaren Krankheiten
rasch zu erkennen, zu bewerten und
international koordiniert zu bekämpfen. Seit Frühjahr dieses Jahres sind
die IGV (2005) in der Schweiz nun vollständig umgesetzt. Der Abschluss
des mehrjährigen Umsetzungsprojektes wird zum Anlass genommen,
Zweck und Anwendungsbereich der
IGV (2005) vorzustellen sowie die Bedeutung des völkerrechtlichen Vertrags zur Erkennung, Verhütung und
Bekämpfung von grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren für die
Schweiz aufzuzeigen.
Zum Hintergrund
In den letzten Jahrzenten haben die
internationale Mobilität von Personen
und Gütern, und damit auch die potenzielle Verbreitungsgeschwindigkeit von
Gesundheitsgefahren wie die übertragbaren Krankheiten, erheblich zugenommen. Eine gesundheitliche Notlage
in einem Land kann sich direkt oder
indirekt auf Lebensgrundlagen von
Menschen und Volkswirtschaften in
vielen Teilen der Welt auswirken. Zu
Beginn des 21. Jahrhunderts schreckten drei Ereignisse die Weltöffentlichkeit auf und zeigten die Verletzlichkeit
der internationalen öffentlichen Gesundheit. Es handelte sich dabei um
die absichtliche Verbreitung von Anthraxsporen in Postsendungen im Jahr
2001, die Emergenz und Verbreitung
von SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) im Jahr 2003 sowie
die Ausbreitung der Vogelgrippe H5N1
und die damit verbundene Influenzapandemiegefahr seit Beginn 2004.
Angesichts der internationalen Bedeutung dieser Gesundheitsbedrohungen
wurden eine globale Überwachung sowie internationale Steuerung und Koordination der Bekämpfungsmassnahmen gefordert, um Epidemien zu
verhüten und andere gesundheitliche
Notlagen frühzeitig zu erkennen und
einzudämmen. Die nationalstaatlich
ausgerichtete Perspektive der Vorgängerreglemente (1969) zur Kontrolle und
Eindämmung von einigen wenigen Infektionskrankheiten erwies sich als
nicht mehr zweckmässig. Bereits in
den 90er-Jahren wurde deshalb die
Revision der Gesundheitsvorschriften
von 1969 durch die WHA der WHO
eingeleitet, die allerdings über Jahre auf
rein technischer Ebene verlief. Unter
dem Eindruck der SARS-Krise erhielt
der Revisionsprozess schliesslich neuen Schwung. Die aktuelle Fassung
wurde im Mai 2005 von der WHA verabschiedet und ist seit dem 15. Juni
2007 völkerrechtlich verbindlich.
Ein Paradigmenwechsel
Mit der Revision der IGV (2005) wurde
ein Paradigmenwechsel in die Wege
geleitet. Die Vorschriften haben zum
Ziel, Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und kollektiv sowie durch die
WHO international koordiniert, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen,
um eine Weiterverbreitung von Gefah-
ren für die öffentliche Gesundheit zu
verhindern oder einzudämmen, ohne
dabei den internationalen Handel und
Verkehr unnötig zu beeinträchtigen.
Ihrem Anspruch eines umfassenden
und global ausgerichteten Gesundheitsschutzes wird dadurch Rechnung
getragen, dass der Geltungsbereich
massiv ausgedehnt, einheitliche Kriterien zur Erkennung, Meldung und Bekämpfung von Gesundheitsbedrohungen implementiert und der WHO neue
Steuerungsinstrumente zugebilligt wurden. Die IGV (2005) setzen zudem auf
einen verbesserten Vorbereitungsstand
und standardisierte Bekämpfungskapazitäten der Vertragsstaaten: Es werden Mindestanforderungen hinsichtlich
der Überwachung, Meldung und Bekämpfung von Ereignissen von internationaler Tragweite gemacht, die von
den Vertragsstaaten umzusetzen sind.
Diese Anforderungen beziehen sich auf
das gesamte Staatsgebiet und betreffen nicht nur die Grenzübergangsstellen, wie dies noch in den ehemaligen
Vorschriften von 1969 der Fall war.
Ausgeweiteter Geltungsbereich
Die IGV (2005) beziehen sich nicht
mehr nur auf die drei klassischen quarantänepflichtigen Krankheiten Cholera, Pest und Gelbfieber, sondern generell auf alle Ereignisse, die potenziell
eine Beeinträchtigung der internationalen öffentlichen Gesundheit oder der
internationalen Reise- und Handelstätigkeit darstellen. Im Rahmen dieses
«All-Risk»-Ansatzes umfassen die Vorschriften neben übertragbaren Krankheiten folglich auch Gesundheitsgefährdungen, bei denen chemische
Wirkstoffe oder radioaktives Material
die Ursache sind oder bei denen die
Ursache noch unklar ist. Dies unabhängig davon, ob sie natürlich, absichtlich
oder unbeabsichtigt (z. B. Laborunfall)
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eingetreten sind. Der erweiterte Geltungsbereich ergibt sich aus der breiten Definition des Begriffs «Krankheit»
in Artikel 1 IGV (2005): «Krankheit» im
Sinne der IGV (2005) umfasst eine
Krankheit oder einen gesundheitlichen
Zustand, «die oder der ungeachtet des
Ursprungs oder der Quelle Menschen
erheblich schädigt oder schädigen
kann» (Art. 1). Für Infektionskrankheiten sind die IGV (2005) damit das zentrale Instrument des Völkerrechts. Für
andere Gesundheitsgefährdungen, für
welche bereits völkerrechtliche Instrumente bzw. ein international anerkanntes Vorgehen bestehen, kommen die
IGV (2005) subsidiär zur Anwendung (z.
B. bei nuklearen Unfällen, für welche
primär die Internationale AtomenergieOrganisation [IAEA]1, zuständig ist).
Informationsmanagement in der
Erkennung und Bekämpfung von
Gesundheitsbedrohungen
Für die Koordination der Massnahmen
und eine wirksame Bekämpfungsstrategie ist eine zeitgerechte Weitergabe
von Informationen zu Krankheitsausbrüchen und anderen Gesundheitsgefährdungen unabdingbar. Die Meldewege, d. h. die gegenseitige Unterrichtung zwischen der WHO und den
Vertragsstaaten bei grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren, sind daher in den IGV (2005) verbindlich definiert.
Alle Staaten sind verpflichtet, der WHO
alle Ereignisse zu melden, die eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite darstellen können. Grundlage für die einheitliche Bewertung
eines entsprechenden Ereignisses bildet ein Entscheidungsschema der IGV
(2005), das in das nationale Risikoas1
IAEA: International Atomic Energy Agency
sessment zu integrieren ist. Im Wesentlichen geht es darum, anhand von vier
Fragen jedes von der nationalen Überwachung registrierte Ereignis auf seine
potenziellen internationalen Auswirkungen zu überprüfen. Für jedes Ereignis
ist jeweils zu beurteilen, ob:
„„
die Auswirkungen auf die öffentliche
Gesundheit schwer wiegend sind;
„„
das Ereignis ungewöhnlich oder unerwartet ist;
„„
ein erhebliches Risiko für eine grenzüberschreitende Ausbreitung besteht;
„„
ein erhebliches Risiko für Beschränkungen des internationalen Reiseoder Handelsverkehrs besteht.
beitet. Der abschliessende Entscheid,
ob ein Ereignis von internationaler Tragweite vorliegt, liegt bei der WHO. Bei all
diesen Entscheiden stützt sich die
WHO auf ein international zusammengesetztes Expertengremium. Die Feststellung des Eintretens einer solchen
Notlage führt nicht automatisch zur
Anordnung von Massnahmen in den
betroffenen Vertragsstaaten. Vielmehr
gibt die WHO nicht bindende Empfehlungen ab. Diese beinhalten in der Regel Gesundheitsmassnahmen, die von
den betroffenen Vertragsstaaten umgesetzt werden sollten (Kapitel «Neue
Steuerungsinstrumente für die Weltgesundheitsorganisation»).
Vier Krankheiten sind bei Auftreten immer zu melden: Pocken, Poliomyelitis
(verursacht durch Wildtyp-Polioviren),
humane Influenza (verursacht durch einen neuen Influenzavirussubtyp) und
SARS. Weitere speziell aufgeführte
Krankheiten erfordern zwingend die Anwendung des Entscheidungsschemas,
da diese Krankheiten gezeigt haben,
dass sie schwer wiegende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben und sich rasch grenzüberschreitend
ausbreiten können2.
Auch im weiteren Verlauf des Geschehens sollen regelmässig relevante Informationen zum Ereignis, möglichst einschliesslich Falldefinition, Laborergebnissen, Ursache und Art des Risikos,
Zahl der Krankheits- und Todesfälle
sowie getroffene Gesundheitsmassnahmen an die WHO gemeldet werden.
Kontaktstelle für die WHO ist jeweils die
nationale IGV-Anlaufstelle (Kapitel «Minimalanforderungen an die nationalen
Krankheitsüberwachungs- und Reaktionskapazitäten»). Im Rahmen von Konsultationen mit der WHO können die
Staaten bei nicht meldepflichtigen Ereignissen die WHO gleichwohl informieren und sich mit ihr über geeignete
Gesundheitsmassnahmen abstimmen,
wenn sie dies wünschen.
Liegt ein Ereignis gemäss Entscheidungsschema vor (d. h. sind mindestens zwei der oben genannten Kriterien
erfüllt), müssen das Ereignis sowie Informationen zu bereits durchgeführten
Gesundheitsmassnahmen der WHO
innert 24 Stunden nach Bewertung zur
Kenntnis gebracht werden. Die Informationen werden von der WHO zu einer weltweiten Lagebeurteilung verar2
Cholera, Lungenpest, Gelbfieber, viralen hämorrhagischen Fiebern (Ebola, Lassa, Marburg), West-Nil-Fieber und andere Krankheiten besonderer nationaler oder regionaler
Bedeutung.
Neue Steuerungsinstrumente für
die Weltgesundheitsorganisation
Für die WHO bestehen mit den IGV
(2005) mehr Möglichkeiten der Einflussnahme. So kann sich die WHO im
Zuge ihrer globalen Überwachungstätigkeiten bei der Einschätzung von Ereignissen auch auf inoffizielle Informationen anderer Quellen oder Staaten
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Zum Inhalt/au sommaire
9
beziehen. Wenn derartige Informationen vorliegen, konsultiert die WHO den
betroffenen Vertragsstaat und ersucht
um eine Bestätigung.
Die WHO kann – in Kooperation mit
anderen internationalen Organisationen – nach Feststellung eines Ereignisses von internationaler Tragweite,
Empfehlungen zu Massnahmen für den
betroffenen Vertragsstaat abgeben.
Dazu gehören zeitlich befristete oder
ständige Empfehlungen, die von den
betroffenen Vertragsstaaten umgesetzt
werden sollten, «um die grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern oder zu verringern
und eine unnötige Beeinträchtigung
des internationalen Verkehrs zu vermeiden» (Art. 15, Abs. 2). Empfehlungen
beinhalten allgemeine und besondere
Gesundheitsbestimmungen etwa zur
Kontrolle von Personen an den Grenzen sowie erforderliche Massnahmen
in Bezug auf Transportmittel und Güter
im internationalen Verkehr. Empfehlungen, die von der WHO gestützt auf die
IGV (2005) ausgesprochen werden,
sind für die Vertragsstaaten nicht bindend. Für die Vertragsstaaten besteht
weiterhin die Möglichkeit, souverän
über Massnahmen zu entscheiden.
Minimalanforderungen an die
nationalen Krankheitsüberwachungs- und Reaktionskapazitäten
Die IGV (2005) verpflichten die Vertragsstaaten erstmalig, Kapazitäten im Sinne
von Fähigkeiten und technischen Vorkehrungen zu schaffen, auszubauen und
aufrecht zu erhalten, «um Ereignisse […]
festzustellen, zu bewerten, zu melden
und darüber Bericht zu erstatten» (Art. 5,
Abs. 1) und «umgehend und wirksam auf
Gefahren für die öffentliche Gesundheit
und gesundheitliche Notlagen von internationaler Tragweite zu reagieren» (Art.
13, Abs. 1). Die geforderten Kapazitäten
sind in Anlage 1 spezifiziert3 und umfassen Anforderungen auf kommunaler,
kantonaler und nationaler Ebene, aber
auch an den Grenzübergängen (Flughäfen, Schiffshäfen, Landübergänge). Diejenigen Grenzübergangsstellen, insbesondere die Flug- und Schiffshäfen,
welche die entsprechenden Anforderungen der IGV (2005) erfüllen müssen, sind
von den Vertragsstaaten zu benennen
(Designation).
Ausdrücklich sollen bereits vorhandene
nationale Strukturen und Mittel genutzt
werden. Die Kapazitäten zum Gesundheitsschutz auf nationaler Ebene beziehen sich auf die Planung geeigneter
Bekämpfungsmassnahmen, Laboranalysen, Logistik, den Einsatz vor Ort,
die Führung und Koordination sowie
den Vorbereitungsstand («Preparedness», z. B. Erarbeitung von Notfallplänen für gesundheitliche Notlagen). Darunter fällt auch die Einrichtung einer
rund um die Uhr verfügbaren nationalen IGV-Anlaufstelle, welche die Kommunikation mit der WHO für alle Belange, welche die IGV (2005) betreffen,
sicherstellt. In der Schweiz wurde die
IGV-Anlaufstelle im Bundesamt für Gesundheit (BAG) eingerichtet (Kapitel
«Die Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) in der Schweiz»). Auf
kantonaler und/oder kommunaler Ebene betreffen die Kapazitäten hauptsächlich die Überwachung, die Meldung und die Durchführung von
Gesundheitsschutzmassnahmen.
Weitere wichtige Neuerungen betreffen die Berücksichtigung der Men3
Geforderte Kernkapazitäten für die Überwachung und Reaktion (Anlage 1, A) sowie von
benannten Flughäfen, Häfen und Landübergängen geforderte Kernkapazitäten (Anlage
1, B).
schenrechte (Art. 3, 32, 42, 43), den
Bezug zum Umgang mit personenbezogenen Daten (Art. 45), die Einbettung in das internationale Recht (Art.
14) sowie die Etablierung und Festlegung neuer Organe und Prozeduren4
(Art. 47–50).
Die Internationalen
Gesundheitsvorschriften (2005) in
der Schweiz
Umsetzung
Die IGV (2005) sehen eine vollständige
Umsetzung in den Unterzeichnerstaaten innerhalb eines Zeitraumes von
fünf Jahren vor. Die Umsetzung der
Vorschriften bedingte für die Vertragsstaaten – und somit auch für die
Schweiz – die Überprüfung und Optimierung der Früherkennungs-, Überwachungs-, Bekämpfungs- und Meldekapazitäten im atomaren, biologischen und chemischen Bereich
(ABC-Bereich). Die Beurteilung in der
Schweiz ergab, dass die Kapazitäten
in Bezug auf die Gefahren für die öffentliche Gesundheit im ABC-Bereich
bereits auf einem sehr guten Stand
waren und Bund und Kantone zusammen mit den Melde- und Vollzugsstellen über praktisch alle der Mindestanforderungen der IGV (2005) verfügten.
Dementsprechend mussten für die
Umsetzung der Vorschriften lediglich
einige gezielte Anpassungen vorgenommen werden. Zwei Handlungspunkte auf nationaler Ebene sind an
dieser Stelle herausgegriffen:
„„
Vernetzung der fachlichen Bundesstellen aus dem ABC-Bereich
„„
Einrichtung der nationalen IGV-Anlaufstelle
IGV-Sachverständigenliste,
Notfallausschuss, Prüfungsausschuss und Streitbeilegungsverfahren
4
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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10
Vernetzung der verschiedenen zuständigen Bundesstellen aus dem ABCBereich
Verschiedene fachliche Bundesstellen
sind mit Aufgaben der Früherkennung
und Lagedarstellung in dem von den
IGV (2005) abgedeckten ABC-Bereich
tätig (Tab. 1). Sie sind für die Bewertung von Ereignissen in ihrem Zuständigkeitsbereich verantwortlich und
wenden das IGV-Entscheidungsschema an. Damit im Falle eines IGV-relevanten Ereignisses die zeitgerechte
Verbreitung von Informationen an die
betroffenen Akteure (WHO, Vertragsstaaten, nationale Akteure) gewährleistet ist, ergab sich die Notwendigkeit,
die Behörden noch besser zu vernetzen und die Schnittstelle zur nationalen
IGV-Anlaufstelle sicherzustellen. Zu
diesem Zweck wurde ein neues «Nati-
onales IGV-Meldekonzept» etabliert.
Dieses stellt im Falle eines internationalen Ereignisses den Kommunikationsweg mit der WHO, anderen betroffenen
Vertragsstaaten und den nationalen
Akteuren sicher (Abb. 1).
Nationale IGV-Anlaufstelle
Seit Juni 2006 ist das BAG, Abteilung
Übertragbare Krankheiten, für den operativen, rund um die Uhr verfügbaren
Betrieb der nationalen IGV-Anlaufstelle
zuständig. Sie stellt die Schnittstelle zwischen dem ABC-Bereich sicher und ist
verantwortlich für die Kommunikation
relevanter Ereignisse im Geltungsbereich der IGV (2005). Sie nimmt als einziges Eintrittsportal alle Mitteilungen
entgegen, die von der WHO oder von
den Vertragsstaaten unter den IGV
(2005) erfolgen und leitet die Informati-
Bundesstellen
Zuständigkeit
Fachbereich
Bundesamt für Gesundheit
(BAG), Abteilung Übertragbare Krankheiten
Übertragbare
Krankheiten
B-Bereich
BAG, Abteilung Lebensmittelsicherheit
Lebensmittelsicherheit
A-, B- und C-Bereich
BAG, Abteilung Chemikalien
Chemische Produkte,
Gegenstände,
technische Geräte
C-Bereich
BAG, Abteilung Strahlenschutz
Radioaktive Strahlung
A-Bereich
Bundesamt für Landwirtschaft
Pflanzenschutzmittel
und Dünger
C-Bereich
Bundesamt für Veterinärwesen
Zoonosen
B-Bereich
Bundesamt für Bevölkerungsschutz, Nationale
Alarmzentrale (NAZ)
Störfälle
C-Bereich
Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut
Arzneimittel und
Medizinprodukte
B- und C-Bereich
Tab. 1: Die designierten Bundesstellen aus dem ABC-Bereich und ihre Zuständigkeiten.
onen und Anfragen an die fachlich zuständigen Bundesstellen der ABC-Bereiche weiter. Die IGV-Anlaufstelle stellt
sicher, dass die IGV-Gefährdungsanalyse von den zuständigen Bundesstellen
durchgeführt wird und unterstützt diese
in Bezug auf die IGV-Prozesse bei (potenziell) IGV-relevanten Ereignissen. Sie
meldet im Auftrag der zuständigen Bundestelle ein IGV-relevantes Ereignis der
WHO, nachdem dieses IGV-konform
beurteilt wurde.
Kantonale und kommunale Überwachungs-, Melde- und Vollzugsstellen
Für die kantonalen bzw. kommunalen
Fachstellen (z. B. Kantonsärztliche
Dienste, Ärzteschaft, Spitäler, Laboratorien) bedeuten die IGV (2005) keine
grundlegenden Änderungen. Die bestehenden kantonalen und kommunalen Überwachungs-, Melde- und Vollzugssysteme sind durch die Umsetzung
der IGV (2005) und die Einrichtung des
nationalen IGV-Meldekonzepts nicht
tangiert. Im Zuge der jährlichen Revision der Departementsverordnung des
Eidgenössischen Departements des
Innern über Arzt- und Labormeldungen
wurde 2006 die Meldefrist von sieben
Krankheiten5 von 24 auf zwei Stunden
verkürzt. All diesen Erregern gemeinsam ist die Dringlichkeit für ein rasches
Handeln. Kantonale und nationale Behörden müssen in einem solchen Fall
möglichst rasch informiert werden, um
Massnahmen an die Bevölkerung kommunizieren und den Informationsbedarf
abdecken zu können. Je nach Situation
kann dies eine Gesundheitsbedrohung
sein, welche über die Landesgrenzen
hinaus von Bedeutung ist, und eine internationale Notifikation erfordert6. Da Anthrax, Botulismus, Pest, Pocken, SARS,
virale hämorrhagische Fieber und Influenza
A HxNy, neuer Subtyp
6
BAG-Bulletin 40/06, ISSN 1420-4266, BAG
5
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mit entsprach man auch den Anforderungen der IGV (2005), welche darauf
abzielen, mit Hilfe des Entscheidungsschemas Bedrohungen der öffentlichen
Gesundheit rechtzeitig zu erfassen. Bei
dieser Gelegenheit seien die Akteure
des Gesundheitswesens darum daran
erinnert, ihre Verantwortung in Bezug
auf die Meldefristen wahrzunehmen
und die internationale Dimension eines
Ereignisses zu berücksichtigen.
Ereignisbewältigung unter den
IGV (2005)
Seit Inkrafttreten der IGV (2005) im Juni
2007 hat die Schweiz zahlreiche Ereignisse nach den Grundsätzen der IGV
(2005) bewältigt, unter anderem die
Grippepandemie A (H1N1). Im Rahmen
der Bewältigung der Grippepandemie
H1N1 umfassten ihre Aufgaben die
Meldung der Fälle (ohne Angaben des
Namens) an die WHO, die Koordinie-
rung der Antworten auf die von der
WHO angeforderten Bestätigungen,
der Austausch von Informationen über
zeitlich befristete Empfehlungen der
WHO sowie die Koordinierung der Umgebungsuntersuchung in Flugzeugen
zu Beginn der Virusausbreitung. Rund
50 IGV-relevante Ereignisse pro Jahr
betreffen heute die Schweiz. Dabei
handelt es sich in erster Linie um den
Informationsaustausch mit IGV-Anlaufstellen anderer Vertragsstaaten sowohl
im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen in Flugzeugen (beispielsweise
Masern, Tuberkulose) als auch bei lokalen Krankheitsausbrüchen (wie Legionellose) oder anderen Gesundheitsgefährdungen aus dem B- und
C-Bereich, in welche internationale
Partner involviert sind.
Ein Beispiel einer Umgebungsuntersuchung stellt der letztjährige Hantavirus-
Ausbruch im Yosemite-Park in Kalifornien (USA) dar, der international für
mediales Aufsehen sorgte. Die amerikanischen Behörden stellten allen betroffenen Staaten die Kontaktangaben
der Reisenden zur Verfügung, die sich
zwischen Juni und Ende August im Nationalpark aufgehalten haben sollen
und bei denen die Möglichkeit bestand,
dass sie sich mit Hantaviren infiziert
hatten. So auch dem BAG, wobei die
Informationen über die nationale IGVAnlaufstelle eintrafen und rund 40 Kontaktangaben von Reisenden aus der
Schweiz enthielten. Die betroffenen
Kantonsärzte wurden von der zuständigen Bundesstelle informiert. Diese
haben Kontakt zu den betroffenen Personen aufgenommen. Die Personen
wurden rechtzeitig beraten und erhielten die Empfehlung, bei ersten Anzeichen einer Infektion schnellstmöglich
ärztliche Hilfe einzuholen. Die Kontakte
Abb. 1: Nationales IGV-Meldekonzept. Das Konzept definiert den Meldeweg für IGV-relevante Ereignisse und stellt die Kommunikation mit der
WHO sicher. Die bestehenden Überwachungs-, Melde- und Vollzugssysteme in der Schweiz werden durch das nationale IGV-Meldekonzept
nicht tangiert.
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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haben ergeben, dass sich glücklicherweise kein Schweizer unter den infizierten Personen befand.
Unter den Bestimmungen der IGV
(2005) zur Zusammenarbeit und Hilfe
(Art. 44) entwickelt sich das Netzwerk
der nationalen IGV-Anlaufstellen immer
mehr zu einer internationalen Plattform,
über welche Informationen zu Krankheitsgeschehen auch direkt zwischen
Vertragsstaaten schnell und verlässlich
ausgetauscht werden.
forderungen einer globalisierten Welt
Rechnung getragen. Gesundheitsgefahren wie die übertragbaren Krankheiten
machen nicht Halt vor nationalen Grenzen. SARS, die Vogelgrippe H5N1 und
die pandemische Grippe H1N1 haben
deutlich gemacht, wie notwendig eine
geregelte internationale Zusammenarbeit
ist, um Gesundheitsbedrohungen erfolgreich zu begegnen und die immensen
gesellschaftlichen Auswirkungen einer
(pandemischen) Ausbreitung frühzeitig
und kollektiv zu verhindern.
(2) International Health Regulations (2005). World
Health Organization.
(http://www.who.int/csr/ihr/current/en/index.
html)
(3) Internationale Gesundheitsvorschriften (2005)
(Amtliche Übersetzung, SR0.818.103)
(http://www.admin.ch/opc/de/classifiedcompilation/20052894/index.html)
(4) Matter, Hans C., 2005: Internationale Gesundheitsvorschriften (2005). Internationale
Bedeutung und Auswirkungen auf die Steuerung und Organisation der Krankheitsbekämpfung in der Schweiz. Masterarbeit eingereicht bei Prof. Dr. Andreas Ladner,
Bedeutung der Internationalen
Gesundheitsvorschriften (2005)
für die Schweiz
Mit den IGV (2005) sind die schweizerischen Gesundheitsstrukturen neu in ein
internationales System der Krankheitsbekämpfung eingebunden und dadurch
über nationale Grenzen hinaus wirksam
geworden. So sind heute die internationale Kommunikation und der Zugang zu
Gesundheitsinformationen verbessert.
Zudem hat die Umsetzung der Gesundheitsvorschriften zu einer Optimierung
der bestehenden nationalen Bekämpfungskapazitäten geführt und eine aktive
sektorenübergreifende Zusammenarbeit
und Kommunikation in der Bewältigung
von Gesundheitsgefahren bewirkt.
Die Schweiz hat im Vergleich zum BBereich bisher sehr wenige bzw. keine
Ereignisse aus dem C-(z. B. Lebensmittel, Medizinprodukte) und A-Bereich
nach den Grundsätzen der IGV (2005)
bewältigen müssen. Die Erfahrungen
aus dem B-Bereich sowie die etablierten
Strukturen werden eine hilfreiche Basis
bilden, um entsprechende Ereignisse,
sollten sie eintreffen, zu bewältigen.
Angesichts neuer globaler Gesundheitsbedrohungen – aktuell ausgehend vom
Influenzavirus A (H7N9) und vom neuartigen Coronavirus MERS-CoV – stimmt
es zuversichtlich, dass auf der Grundlage der IGV (2005) heute ein rasches,
koordiniertes sowie verhältnismässiges
Vorgehen bei Überwachung, Informationsaustausch und der Durchführung
gezielter Massnahmen möglich ist. Dies
entspricht dem Ziel der IGV (2005),
nämlich Sicherheit vor der grenzüberschreitenden Ausbreitung von Gesundheitsgefahren zu geben und gleichzeitig
unnötige Behinderungen des internationalen Personen- und Warenverkehrs
zu vermeiden.
Trotz der Einbindung in ein globales
System zur Bekämpfung von Krankheiten behält jeder Vertragsstaat – und
damit auch die Schweiz – seine Souveränität. Jeder Staat kann selbst über
Massnahmen entscheiden, die für sein
Land in einer gesundheitlichen Notlage
angemessen sind.
Literaturhinweise
(1) Bundesamt für Gesundheit (Schweiz), Juni
2007: Erläuternder Bericht zu den Internatio-
Schlussfolgerung
Mit der Revision der IGV (2005) hat die
Weltgemeinschaft den heutigen Heraus-
nalen Gesundheitsvorschriften (2005).
(http://www.bag.admin.ch/themen/internatio
nales/11103/11512/11514/11524/?lang=de)
Kompetenzzentrum für Public Management,
Schanzeneckstrasse 1, 3001 Bern.
Dieser Artikel ist im BAG-Bulletin
26/13 erschienen.
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Advanced Hazmat Life Support: Kurs zum medizinischen Management von ABC-exponierten Personen
PD Dr. med. Mathias Zürcher, Departement Anästhesiologie, Universitätsspital Basel, 4031 Basel, [email protected]
Dr. med. Hugo Kupferschmidt, Direktor Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum (STIZ) Zürich, 8032 Zürich,
[email protected]
Key Words: NBC-Incident, CBRN-Incident,
ABC-Exposition, hazardous material, hazmat,
Medizinischer ABC-Schutz, Katastrophenmedizin, CEFOCA-SFG, Vergiftung, Intoxikation
Grossereignisse mit Exposition von
Personen gegenüber Gefahrenstoffen sind zwar selten, haben aber
ein grosses Schadenpotenzial für
Mensch und Umwelt. Aus diesem
Grund ist es wichtig, dass die professionell entlang der Rettungskette
tätigen Personen (Rettungssanitäter, Notärzte, Notfallpflegefachpersonen, Notfallärzte, Spezialisten der
Feuerwehr und der Polizei) über
Zusatzkenntnisse verfügen, die
es ihnen erlauben, entsprechende
Ereignisse zu erkennen, um sich
und andere potenziell Involvierte
schützen und eine Verschleppung
der Kontamination entlang der Rettungskette verhindern zu können.
Zudem müssen Kenntnisse im medizinischen Management soweit vorhanden sein, dass exponierte Personen adäquat behandelt werden.
Der Advanced Hazmat Life Support
Kurs (AHLS) vermittelt diese spezifischen Kenntnisse und wird als Fortbildungsveranstaltung regelmässig
durch SFG angeboten.
Ausgangslage
Gefahrenstoffe kommen auch in der
Schweiz in relevanten Mengen in der
Industrie und im Gewerbe zum Einsatz.
Auch im Alltag sind Substanzen, die als
gefährliche Stoffe klassifiziert werden,
allgegenwärtig – Erdölprodukte wie z. B.
Benzin, Diesel oder Flüssiggas werden
in grossen Mengen verbraucht und
müssen entsprechend auf Schiff, Strasse und Schiene transportiert werden.
2011 wurden alleine auf dem Schienennetz der Schweiz 1’454 Mio. tkm als
Gefahrgut deklarierte Substanzen transportiert, wovon 853 Mio. tkm auf Ben-
zin, 88 Mio. tkm auf Propan, aber immerhin auch 7.1 Mio. tkm auf Chlorgas
entfallen (1). Glücklicherweise sind grössere Schadenereignisse mit Substanzen
aus dem atomaren, biologischen und
chemischen Bereich (ABC-Ereignisse)
sehr selten und haben in der Schweiz
bisher nie zu einer Schädigung einer
grossen Anzahl Personen geführt. Ereignisse im Ausland haben das Schadenspotenzial aber klar demonstriert:
„„
Nukler/radiologisch: Tschernobyl
(1986), Fukujima (2011)
„„
chemisch: Seveso (Dioxin, chemische Industrie, 1976), Bhopal (Methylisocyanat, chemische Industrie
1984), Toulouse (Ammoniak-Explosion in Deponie, 2001), Graniteville
(Zugunglück, Chlorgas, 2005).
Wesentlich häufiger sind Ereignisse, bei
denen einzelne Personen einer Exposition gegenüber einem Gefahrenstoff
ausgesetzt sind und daran akut erkranken. Zudem besteht die Möglichkeit
einer mutwilligen Freisetzung solcher
Stoffe in terroristischer Absicht. Aus
diesen Gründen ist es wichtig, dass
insbesondere Notärzte (NA) und Rettungssanitäter (RS), Leitende Notärzte
(LNA) und Einsatzleiter Sanität (EL San)
sowie Mitarbeiter der Notfallstationen
der Spitäler (Notfallärzte und Notfallpflegefachpersonen) für diese Thematik sensibilisiert sind und über ein entsprechendes Grundwissen verfügen.
Nur so wird es gelingen, dass eine
entsprechende Gefährdung rasch erkannt und adäquate Selbstschutzmassnehmen getroffen werden können
und eine Verschleppung einer Kontamination entlang der Rettungskette bis
in den Hospitalisationsraum möglichst
vermieden werden kann.
Die Geschäftsstelle Koordinierter Sanitätsdienst (KSD) hat in Zusammenar-
beit mit dem Labor Spiez und dem
Kompetenzzentrum ABC der Schweizer Armee nationale Empfehlungen
erlassen (Konzepte «ABC-Dekontamination von Personen im Hospitalisationsraum», «ABC-Dekontamination von
Personen im Schadenraum» und
«Empfehlungen ABC-Dekontamination
für Akut- und Dekontaminationsspitäler») und bietet entsprechende Kurse
an (Ausbildung für technische und medizinische Dekontaminationsspezialisten; E-Learning «Sanitätsdienstliche
Bewältigung von ABC-Ereignissen»).
Die Weiterbildungsangebote des KSD
fokussieren auf die Thematik der Dekontamination.
„„Selbstschutz
Schutz entlang der Rettungskette
„„Primary Survey
„„Secondary Survey
– Toxidrom identifizieren
„„Poisoning Treatment Paradigm
„„Behandlung
Tab. 1: Prinzip des medizinischen Managements von Personen, die einem Gefahrstoff
ausgesetzt waren.
Kenntnisse der medizinischen Auswirkungen einer Exposition von Gefahrenstoffen, das Verständnis der
Pathophysiologie sowie das Management und die Behandlung von Personen mit entsprechenden Expositionen
gehören nur für die häufigsten Substanzen zum medizinischen Basiswissen, das in der Ausbildung zum RS
resp. in der Weiterbildung zum Notarzt SGNOR vermittelt wird. Ereignisse mit Gefahrenstoffen haben immer
das Potenzial, eine Vielzahl von Personen zu betreffen. Da diese Ereignisse selten sind, ist es sinnvoll, dass bei
solchen Einsätzen zusätzlich zum
13
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Notarzt ein LNA aufgeboten wird. Aus
diesen Gründen wurde im Rahmen
der Fortbildungsangebote der Sanitätsdienstlichen Führung Grossereignis (SFG) (2) ein international anerkannter Kurs zu dieser Thematik, der
«Advanced Hazmat Life Support»
Kurs (AHLS) in der Schweiz etabliert.
Dieser wird in Kooperation mit dem
Labor Spiez sowie dem Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrum (STIZ) (3) regelmässig angeboten.
AHLS-Kurs
Der AHLS-Kurs wurde ursprünglich
von notfallmedizinischen und toxikologischen Experten am Arizona Emergency Medicine Research Center
(AEMRC) in Tucson (Arizona) entwickelt
und ab 1993 angeboten (4). Motivation
dafür war das Bedürfnis, Paramedics
und Feuerwehrangehörige zu schulen,
um bestmöglich auf die regelmässig
vorkommenden schweren Strassenunfälle mit Tanklastwagen, die korrosive
und toxische Substanzen in die Kupferminen von Arizona transportierten, reagieren zu können. 1998 wurde eine
Kollaboration mit der American Academy of Clinical Toxicology (AACT) eingegangen, der 1999 in Las Vegas durchgeführt wurde, und dessen Form bis
heute beibehalten werden konnte. Inzwischen haben Hunderte von Kursen
in englischer Sprache in den Vereinigten Staaten, Kanada, Europa und dem
Fernen Osten stattgefunden. Das in
spanischer Sprache verfügbare Unterrichtsmaterial kommt in Südamerika
zum Einsatz. Prof. Frank. G. Walter ist
Vorsitzender des wissenschaftlichen
Beirats. Die AHLS-Faculty trifft sich
jährlich im Rahmen des North American Congress of Clinical Toxicology
(NACCT) und garantiert, dass der Kurs
immer auf dem neusten Stand des me-
dizinischen Wissens ist und prüft die
Vorschläge, die von Teilnehmern, Instruktoren und Toxikologen der weltweit durchgeführten AHLS-Kurse zurückgemeldet werden.
Der AHLS-Kurs wird mit dem AHLS
Provider Manual und einem 50 Multiple
Choice Fragen umfassenden «PreTest» vorbereitet. Dieser «Pre-Test»
kann in der Schweiz online via RescuePoint® absolviert werden (5). Der
daran anschliessende Präsenzkurs
dauert zwei Tage à acht Unterrichtseinheiten und wird mit einem ebenfalls 50
Multiple Choice Fragen umfassenden
«Post-Test» abgeschlossen. AHLSKurse in der Schweiz werden zusätzlich
mit einem so genannten «Swiss Module» ergänzt, welches am Abend des
ersten Kurstags stattfindet. Dieses
«Swiss Module» spannt den Bogen
zwischen dem im offiziellen AHLS gebotenen, international gültigen Wissen
und dem für die Schweiz spezifischen
Vorgehen und Management im Falle
eines solchen Ereignisses. Die Kurssprache der AHLS-Kurse in der
Schweiz ist bisher Englisch.
AHLS-Kurse in der Schweiz werden in
Kooperation mit dem Schweizerischen
Toxikologischen Informationszentrum
(STIZ) angeboten, das in der Person
seines Direktors, Dr. med. Hugo Kupferschmidt, den für die Durchführung
eines AHLS-Kurses erforderlichen klinischen Toxikologen zur Verfügung
stellt. Für das «Swiss Module» verantwortlich zeichnet Dr. phil. Marc Kenzelmann, Leiter der Geschäftsstelle Nationaler ABC-Schutz und sein Team des
Labors Spiez, das auch die Kurslokalitäten zur Verfügung stellte. Erfreulicherweise konnte bisher als Hauptreferent
für die Schweizer AHLS-Kurse Prof. Dr.
Frank G. Walter, der eigentliche «Vater
des AHLS», gewonnen werden. Der
Kurs wird als Fortbildungsangebot von
SFG unter der Gesamtleitung von PD
Dr. med. Mathias Zürcher angeboten.
„„Reizgas-Syndrom
„„Stickgas-Syndrom
„„CholinergesToxidrom [oder:
cholinerges Syndrom]
„„Ätzstoff-Syndrom
„„Kohlenwasserstoff-Syndrom
Tab. 2: Toxidrome
Grundprinzipien des
medizinischen Managements
gemäss AHLS (6)
Inhaltlich vermittelt der AHLS-Kurs eine
Übersicht über mögliche Ereignisse,
deren Häufigkeit und Gefährlichkeit,
und zeigt mögliche Hergangsmechanismen auf. Der Kurs fokussiert zwar
auf chemische Ereignisse, vermittelt
aber auch das Grundwissen für biologische und nukleare/radiologische Gefahrenstoffe und führt in die speziellen
Aspekte der Gefährdung ein, die durch
AAlter Absorption
(Exposition zum Schadstoff
beenden)
Antidota vorhanden?
BBasics (ABCDE) & Resuscitation
(Basismassnahmen nach
ABCDE)
CChange Catabolism
(Abbau beeinflussen)
DDistribute differently
(Verteilung im Körper beeinflussen)
E Enhance Elimination
(Elimination aus dem Körper beschleunigen)
Tab. 3: Behandlungs-Grundmuster von
Gefahrenstoff exponierten Personen
(«Poisoning Treatment Paradigm»)
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den Einsatz entsprechender Substanzen in terroristischer Absicht entsteht.
Damit angesichts der Vielzahl chemischer Schadstoffe trotz der Seltenheit
der Ereignisse diese notfallmedizinisch
korrekt erkannt und entsprechend behandelt werden können, wird beim
AHLS ein systematisches Vorgehen vermittelt (Tab. 1). Zu diesem Zweck bedient sich AHLS dem in der klinischen
Toxikologie gebräuchlichen Begriffs des
«Toxidroms». Dieser setzt sich aus den
Begriffen «Toxisch» (giftig) und «Syndrom» (Gruppe von Symptomen, die für
eine bestimmte Krankheit typisch sind)
zusammen. AHLS teilt die Vergiftungen
mit chemischen Schadstoffen in Toxidrome ein (Tab. 2) ein. Dadurch kann die
Vielzahl chemischer Substanzen in eine
übersichtliche Anzahl Gruppen typischer Reaktionen des Giftstoffs gegenüber dem Körper und typischen Reaktionen des Körpers gegenüber dem
Giftstoff zugeteilt werden. Auch für die
Initialbehandlung vermittelt das Konzept
von AHLS ein mnemotechnisch geeignetes systematisches Vorgehen mittels
des Begriffs des «Poisoning Treatment
Paradigm» (Tab. 3). Dieses «Behandlungs-Grundmuster» bei GefahrenstoffExposition standardisiert das Vorgehen,
das bei einer identifizierten Substanz
oder Substanzkategorie im Allgemeinen
anzuwenden ist. Das Konzept des Toxidroms wird am Beispiel des Gefahrenstoffs «Schwefelwasserstoff» erläutert
(Tab. 4).
Zielgruppen für AHLS
Der AHLS richtet sich primär an NA und
RS, LNA und EL San. Es ist aber wichtig, dass auch Mitarbeitende der Notfallstationen der Spitäler auf die Thematik
gefährlicher Substanzen sensibilisiert
sind und insbesondere bei sich selbsteinweisenden Personen Symptommus-
Gefahrenstoff: Schwefelwasserstoff (H2S)
Zugehöriges Toxidrom:
„„
Stickgas-Syndrom («Asphyxiant»)
– Untergruppe: Systemisch erstickende Stoffe
(Interaktion mit der mitochondrialen Cytochromoxidase mit Blockierung
der Atmungskette → Zelltod)
„„
Schwefelwasserstoff ist leicht wasserlöslich und wird dadurch auch zu
einem Reizgas für die oberen Atemwege
„„
Primär involvierte Körper-Systeme:
Systeme
Primäres Wirkziel
A: Atemweg (Airway)
X
B: Atmung (Breathing)
X
C: Cardiovasculäres System
X
D: Nervensystem (Disability)
X
E: Elimination (Liver & Kidney)
Tab. 4: Erläuterung des Konzepts des Toxidroms am Beispiel von Schwefelwasserstoff (H2S)
ter erkennen können, die auf das Vorliegen einer chemischen Kontamination
hinweisen. Dadurch kann allenfalls eine
entsprechende Gefährdung der SpitalMitarbeiter und -Struktur vermieden
werden. Auch Spezialisten der Feuerwehr, der Armee und weiterer Partner
der Bewältigung entsprechender Ereignisse sollten mit dem Grundwissen der
medizinischen Auswirkungen von Gefahrengut-Expositionen vertraut sein,
um rechtzeitig entsprechende Situationen erkennen zu können. Die AHLSKurse werden in der Schweiz und in
Europa gegenwärtig nur in englischer
Sprache angeboten, wodurch der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf die
Ärzteschaft und wenige Spezialisten
eingeschränkt bleibt. Aus diesem Grund
unterstützen die Geschäftsstelle KSD
und das Labor Spiez die Initiative von
SFG, zusammen mit dem STIZ und dem
Einbezug zuständiger Stellen des Deutschen Bundesministeriums für Bevölkerungsschutz die Lizenzrechte für die
Übersetzung und Produktion der AHLSUnterrichtsmaterialien in deutscher
Sprache zu erwerben und künftig
AHLS-Kurse auch in deutscher Sprache
anbieten zu können.
Zertifikat und Rezertifizierung
Nach dem Absolvieren des AHLS-Provider-Kurses und dem Bestehen der
Schlussprüfung mit mindestens 80 Prozent korrekten Antworten wird ein
AHLS-Zertifikat ausgestellt und der
Kursabsolvent ins zentrale Register der
AHLS-zertifizierten Personen aufgenommen (4). Da das medizinische Wissen einem ständigen
Wandel unterliegt, ist
es auch nicht einfach,
dieses Spezialwissen
bei diesen doch eher
seltenen Ereignissen
stets aktuell zu halten. Darum ist es gerechtfertigt, dass das
AHLS-Zertifikat nach
vier Jahren erneuert werden muss, was
durch das Absolvieren eines internetbasierten Multiple-Choice-Examens möglich ist (4). Nach weiteren vier Jahren
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muss das Zertifikat durch den Besuch
des Kurses wieder erworben werden.
Sponsoren
Die Durchführung der AHLS Kurse für
die Schweiz werden von der Geschäftsstelle KSD sowie vom Labor
Spiez mit finanziellen und personellen
Mitteln unterstützt.
Interessenkonflikte
Mathias Zürcher ist AHLS-Kursleiter
und -Instruktor und hat als Ärztlicher
Leiter von SFG den AHLS-Kurs als
Fortbildungsangebot für LNA und EL
San in der Schweiz etabliert. Hugo
Kupferschmidt ist AHLS-Kursleiter
und -Instruktor und erfüllt die Auflage,
in jedem AHLS-Kurs einen klinischen
Toxikologen als Ansprechpartner für
spezifische Fragen zur Verfügung zu
stellen. Er repräsentiert die Schweiz in
der AHLS-Course-Faculty, die im Rahmen des North American Congress of
Clinical Toxicology (NACCT) tagt. Mathias Zürcher führt die Arbeiten für
AHLS im Rahmen seines Mandats als
Ärztlicher Leiter SFG durch und erhält
keine Honorare von AHLS. Das STIZ
erhält für die Tätigkeit von Hugo Kupferschmidt als Kursleiter und Toxikologe AHLS von SFG eine Honorarentschädigung. Die übrigen Arbeiten für
AHLS erbringt er unentgeltlich im Rahmen seiner Tätigkeit als Direktor des
Schweizerischen Toxikologischen Informationszentrums.
Literatur
(1) Bundesamt für Verkehr, Schweizerische Bundesbahnen, BLS AG, Bundesamt für Umwelt,
Partenariat RCAT. Aktualisierte netzweite Abschätzung der Personenrisiken (Screening
2011). Ernst Basler + Partner
(2) www.cefoca-sfg.ch
(3) www.toxi.ch
(4) www.ahls.org
(5) www.rescuepoint.ch
(6) F.G. Walter. Advanced Hazmat Life Support
Provider Manual. Third Edition 2003. University of Arizona Emergency Medicine Research
Center and American Acadmey of Clinical
Toxicology. Arizona Borad of Regents for the
University of Arizona, Tucson, AZ.
Abb. 1: AHLS-Faculty 2010 (von links: Dr. Marc Kenzelmann, PD Dr. Mathias Zürcher, Prof.
Frank G. Walter, Dr. Hugo Kupferschmidt), Kursort: Labor Spiez
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Pandemie und Spitex:
Herausforderungen und Grenzen
17
Ursula Jobin-Howald, Professorin Haute Ecole de la Santé La Source, Avenue Vinet 30, 1004 Lausanne, [email protected]
Key Words: Spitex Kanton Waadt, Pandemie, Personalmanagement
Der öffentliche Gesundheitsdienst
des Kantons Waadt entwickelte
2006 einen Pandemieplan, der alle
Bereiche des öffentlichen Gesundheitsdienstes umfasst. Auf Grund
der späteren Erfahrungen ist dieser
Plan angepasst und entsprechend
den Bedürfnissen verschiedener
Pandemien flexibler gestaltet worden, so dass er eine bessere Patientenversorgung erlaubt, trotz
wegen eigener Erkrankung reduziertem Personalbestand.
Die folgenden Angaben sind hauptsächlich anlässlich eines Interviews mit Frau
Virginie Bertschi, Adjunktin bei der Association Vaudoise d’Aide et Soins à
Domicile (AVASAD) gesammelt worden.
Dieser Verein mit 4’100 Mitarbeitenden
hat 2012 29’500 Leistungsbezüger mit
Hilfe und Pflege versorgt, was 2’300
Vollzeitstellen entspricht, verteilt auf 52
medizinisch-soziale Zentren.
Die Mitarbeitenden reichen von Pflegeund Haushaltshilfen über Fachangestellte Gesundheit (FAGE) mit einem
Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis
(EFZ), bis zur Pflegefachperson (in der
Romandie mit einem Bachelor in Science of Nursing), welche zusätzlich
eine Spezialausbildung in Gesundheitspflege erwerben kann. Weiter kommen
noch Ergotherapeuten, Diätassistenten
und Sozialarbeiter dazu. AVASAD beliefert somit jeden Tag 5’500 Personen
mit 6’000 Pflegeverrichtungen, mehr
als 800 Stunden Haushaltshilfe und
2’100 Mahlzeiten.
Parallel zu diesem öffentlichen Dienst
gibt es auch privatrechtliche Unternehmen, die Spitexdienste anbieten.
Vergleichsweise setzen sich in der gesamten Schweiz 32’000 Spitex-Mitarbeitende für 217’000 Leistungsbezüger ein. Allerdings werden in diesen
Zahlen nicht überall die Haushaltshilfen
mit einberechnet.
Bei einer Pandemie steht dieses Personal an vorderster Front, in einer an
sich schon anfälligen Bevölkerung, da
sie schon zu normalen Zeiten Hilfe benötigt. In dieser speziellen Situation
riskieren viele Pflegepersonen sowohl
in den Spitälern wie auch in der Spitex,
die Ärzte mit eingeschlossen, selbst zu
erkranken, gerade wenn der Bedarf der
Bevölkerung besonders gross ist. Die
direkten Folgen hängen vom Charakter
der Pandemie ab: ihrer Ansteckungsgefahr, ihrer Schwere und Tödlichkeit
für die Individuen, ihrer Dauer und ihrer
Anfälligkeitskriterien, wie z. B. die vor
allem betroffenen Altersgruppen.
2006 entwickelte und publizierte der
Waadtländer öffentliche Gesundheitsdienst einen ersten Pandemieplan. Dazu
hat die Expertengruppe Pandemie
(GEX), bestehend aus Spitalärzten und
Mitgliedern des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in enger Zusammenarbeit
mit betroffenen Partnern von Seiten des
Staates, einschliesslich des Führungsstabes
des
Katastrophenplanes
«ORCA» und der Pflegeleistungserbringer sowie deren Vereinen den sanitätsdienstlichen Operationsplan für den Fall
einer Grippepandemie entwickelt.
Die Spitex hat bei der Entwicklung dieses Plans, dem ein spezifischer Teil der
Versorgung zu Hause gewidmet ist,
mitgewirkt. Um einem grossen Anstieg
der Pflegeempfänger gewachsen zu
sein, gliedert sich die Organisation der
Spitex im Falle einer Pandemie in drei
Bereiche:
„„
Die Anpassung der noch angebote-
nen Leistungen: Die Gesamtheit der
Leistungen ist überarbeitet worden
um zu definieren, welche Leistungen
für einige Wochen weggelassen oder
reduziert werden können.
„„
Das Personalmanagement: Erfassen
der zusätzlich mobilisierbaren Personalgruppen (junge Pensionierte, administratives Personal); erfassen der
Personen, welche ihre Arbeitszeit
erhöhen könnten usw.
„„
Die Führung und Organisation der
medizinisch-sozialen Zentren: Bildung eines Führungsstabes in den
Zentren, Anpassung der Öffnungszeiten, Bildung von spezifischen Arbeitsteams für die Grippepatienten
und die nicht von einer Grippe befallenen Patienten usw. Für das Personal existiert ein Recht auf «Nichteinsatz» unter Vorbehalt von Sanktionen,
die der Arbeitgeber bei unberechtigtem Wegbleiben von der Arbeit ergreifen kann.
2009, bei der Epidemie A(H1N1), ist
der 2006 erstellte Plan nicht wie vorgesehen eingesetzt worden. Er war für
eine sehr ansteckende Pandemie vorgesehen und erwies sich dann als zu
spezifisch. Die Pandemie A(H1N1)
zeichnete sich durch eine viel grössere
Anzahl von Unbekannten und Zweifeln
aus als vorgesehen. Es handelte sich
für den GEX und den Kantonsarzt darum, die nötigen Aktionen je nach Entwicklung der Pandemie und des Charakters des Virus anzupassen.
Manchmal erweist es sich, dass eine
sehr ansteckende und daher sehr gefürchtete Pandemie in der Praxis weniger schwer und tödlich ist als die saisonale Grippe, wie dies eben der Fall
war für den Virus H1N1 im Jahr 2009.
Auch in diesem Fall müssen die Vorschriften angepasst werden.
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Anweisungen des Kantonsarztes
Um das Vorgehen anzupassen, erhält
die Spitex die Anweisungen des Kantonsarztes, der sich auf die wissenschaftlichen Informationen und die
Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Bundesamt
für Gesundheit (BAG) in Bezug auf die
drohende Pandemie stützt (es wird in
diesem Zusammenhang auf den Artikel
«Die Internationalen Gesundheitsvorschriften der Weltgesundheitsorganisation: ihre Bedeutung für die Schweiz»,
S. 7 verwiesen). Er erstellt zusammen
mit seinem Stab spezifische Richtlinien
für seinen Kanton, basierend auf dem
flexibel gestalteten Pandemieplan. Somit wird die Spitex z. B. entscheiden
können, die Mitarbeiterzahl zu erhöhen,
um die Erkrankten zu ersetzen und die
erhöhten Bedürfnissen zu erfülle, indem Ferienabwesende oder Personen
im Freitag oder Pensionierte zurückgerufen werden und durch die Anstellung
von Aushilfen.
Die Spitex wird auch entscheiden können, welche Leistungen weggelassen
oder verstärkt werden müssen, je nach
den typischen Symptomen oder den
vermuteten, beziehungsweise bestätigten Diagnosen. Auf dieser Basis
kann, den Vorschriften des Kantonsarztes und der Natur der betreffenden
Pandemie entsprechend, eine Liste
von angepassten Anweisungen erstellt
und für alle Zentren publiziert werden.
Im Zeitpunkt der Erstellung des Pandemieplans gab es noch keine privaten
Spitexdienste. Heute, mit 29 anerkannten Unternehmen, ist dies eine nicht
wegzudenkende Wirklichkeit geworden
und alle Dienste, sowohl die privaten
wie die öffentlichen, sind auf die eine
oder andere Art von der Pandemie betroffen und würden auf dieselbe Weise
informiert.
Das anzuwendende Prozedere ist
demnach einheitlich und klar für alle
Berufspersonen auf jeder Stufe, von
der Haushaltshilfe bis zur spezialisierten Pflegefachperson. Spezifisches
Material wie Masken ist vorrätig, bereit
für den Fall einer Pandemie mit einem
möglichen Lieferungsunterbruch von
Seiten der Lieferanten.
Informationen werden permanent
angepasst
Den Leistungsempfängern werden die
Informationen mündlich oder schriftlich
übermittelt und laufend der Entwicklung der aktuellen Pandemie angepasst. In einer Krisensituation ist es
jedoch schwierig zu überwachen, ob
sich alle Leistungsempfänger an die
verordneten Regeln halten, z. B. nur mit
einer korrekt funktionierenden und angepassten Maske auszugehen oder
strikt im Hause zu bleiben.
Schweizweit besteht zurzeit kein allgemeiner, für alle im Spitex Verband
Schweiz zusammengeschlossenen
Spitexdienste verbindlicher Pandemieplan. Gegenwärtig ist ein Pandemieplan auf Bundesebene in Erarbeitung.
Der Kanton Waadt verfolgt das Ziel,
durch seine sowohl auf wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch je nach
den wirklichen Bedürfnissen und den
vorhandenen Ressourcen flexibel gestalteten Massnahmen im Pandemiefall
bestmöglich auf die Bedürfnisse seiner
Bevölkerung eingehen zu können.
Literaturverzeichnis
(1) Canton de Vaud. (2013) Service d’aide et
de soutien à domicile. Repéré à http://www.
vd.ch/autorites/departements/dsas/assurances-sociales-et-hebergement/
(2)Canton de Vaud. (2013) Organisations
privées de soins à domicile. Repéré à
In einer Pandemieperiode verschreibt
und erklärt der behandelnde Arzt weiterhin die Behandlung seiner Patienten.
Das Spitexpersonal führt diese durch.
Anpassungen der Prozedere sind möglich und notwendig. Wenn die Krise
erheblich ist, kann der Einsatz des Koordinierten Sanitätsdienstes vom jeweiligen Kantonsrat oder der Eidgenossenschaft angeordnet werden, etwa
bei einem Hitzeplan, der enorm viele
Personen betrifft.
In Bezug auf die saisonale Grippe
wird die jährliche Impfung in Erinnerung gerufen und gratis angeboten,
aber weniger als 30 Prozent aller Berufsleute führen sie durch. Wenn die
Epidemieschwelle überschritten ist,
sind alle nicht geimpften Berufspersonen verpflichtet, beim Umgang mit
Patienten ständig eine Maske zu tragen.
http://www.vd.ch/themes/sante-social/vivre-a-domicile/aide-a-domicile/
(3) Canton de Vaud. (2013) Liste des organisations de soins à domicile privées autorisées
à exploiter. Repéré à http://www.vd.ch/
themes/sante-social/vivre-a-domicile/organisations-privees/
Übersetzung: Ursula Jobin
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Rifugi e posti protetti, tra necessità e nuove realtà
Franco Bianchi, giornalista RP/FSG, via Cantonale, 6927 Agra, membro della commissione di redazione del bollettino d’informazione sul SSC,
[email protected]
Cerchiamo di tracciarne il quadro, in Ticino, senza la pretesa di renderlo esaustivo e privo di nostre pecche delle quali chiediamo sin d’ora venia, ai lettori. Per
restringere il campo, ci limitiamo a considerare la situazione nell’area del polo
urbano luganese visto che la Città sul
Ceresio, con i suoi 65’000 abitanti, è tra
le 10 più popolose in Svizzera e che,
proprio a Lugano, si trova l’unico ospedale protetto a statuto speciale del SSC,
fra i sette riconosciuti dalla Confederazione in quatro regioni del Paese: l’Ospedale Civico (OCL) dell’Ente Ospedaliero Cantonale (EOC).
Parole chiave: Finanze, regole, progetti
Dura lex, sed lex: sia quella della
vita, destinata a finire con la morte sin dal momento in cui la sua
scintilla si accende; sia quella delle umane vicende condizionate, in
quanto tali, da una miriade di fattori. Il concetto stesso del SSC/
KSD ne tiene conto fondandosi
sulle attuali minacce alla vita e sulle
difficoltà finanziarie, che limitano le
prestazioni degli Enti pubblici: Confederazione, Cantoni, Comuni. Nella lotta alle emergenze NBCR (cioè
le ABC integrate dal fattore Radiologico), abbiamo ancora bisogno di
«posti protetti»? E, in Ticino, come
siamo messi? Andiamo a scoprirlo.
Se consideriamo la minaccia nel suo
complesso, la risposta al primo quesito
non necessita particolare impegno e si
riassume in un chiaro: SI! Meno evidente, dal profilo pratico, delineare il quadro logistico riferito al fabbisogno di
‘bunker’ e letti sanitari (appunto) protetti, per rapporto ai potenziali effetti di
una situazione di crisi specifica e alle
risorse disponibili per la popolazione.
Il SSC e i suoi partner – ovvero: Esercito, Protezione Civile (PCi) ed Enti sanitari civili – intervengono per garantire la
migliore assistenza ai pazienti, non la
certezza di sopravvivere a un ‘danno’
EOC Lugano, Ospedale Civico.
NBCR, visto che l’unico dato certo della vita, è, come accennato, la sua fine.
Tant’è. Si faccia avanti, a questo punto,
chi non ha mai sentito parlare dei ‘bunker’, dei rifugi ‘anti atomici’ a disposizione della popolazione. Considerando
che la loro costruzione è obbligatoria
per legge e che ve ne sono nelle ‘cantine’ di tutti gli edifici privati più recenti
(diciamo datati Anni 80), alla fine resteremmo soli. Per contro, aumenterebbe
sensibilmente il numero di chi ci affiancherebbe se chiedessimo quanti e
dove sono quelli adatti all’intervento del
SSC.
Dovendo poi parlare di ‘bunker’ e posti
protetti per la popolazione, non potevamo esimerci dal considerare almeno
uno dei preziosi partner SSC: la PCi. In
specie, volendo uscire dai confini territoriali della Città, l’Ente regionale PCi di
Lugano Campagna, cui fanno capo 32
Comuni con 49’000 abitanti nelle regioni Vedeggio e Malcantone (180 km
quadrati, da Caslano a Isone, per intenderci).
C’era una volta…
Ci sia consentito, a questo punto, ringraziare per la preziosa e gentile collaborazione i nostri interlocutori: Direzione generale EOC, Bellinzona; Direzione
OCL (in specie: l’ing. Davide Ferrari,
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«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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I letti a castello per pazienti sono smontati e inutilizzati; pronti, invece, quelli per il personale…
responsabile del Servizio tecnico e sicurezza, e Oscar Maniscalco, responsabile dell’ospedale protetto); per la
PCi, a Mezzovico, il presidente Pier
Giorgio ‘Mike’ Donada e il cdt ten col
Ferruccio Landis.
Perché partire da: c’era una volta? In
estrema sintesi, perché il nuovo concetto di SSC (elaborato negli Anni 90, tenuto conto del nuovo assetto politicomilitare in Europa e dei suoi effetti sulla
politica di sicurezza elvetica) ha inciso
notevolmente sull’organizzazione dei
servizi sanitari, logistica compresa.
Tra gli effettivi della PCi, ad esempio,
sono scomparsi i militi sanitari e i pompieri, sicché pure l’organizzazione degli
impianti ha dovuto adeguarsi alle nuove esigenze. Stesso discorso, da tale
profilo, per i già esistenti e allora chiamati Centri Operatori Protetti (COP) a
disposizione della popolazione, via-via
integrati nell’EOC. Al primo realizzato
nell’Ospedale Distrettuale di Faido si
aggiunsero: il S.Giovanni di Bellinzona;
Acquarossa (per metà, militare); La Carità di Locarno; il Civico (nel 1980, costato 6,7 mio di franchi sussidiati da
Confederazione, Cantone e Comuni
del Distretto di Lugano); il ‘Beata Vergine’ di Mendrisio; privato, invece, quello
nell’ospedale di Castelrotto. L’EOC dispone pure dell’Ospedale Italiano di
Lugano che non ha un ‘bunker’, poiché
riedificato in tempi recenti, quando ormai i COP avevano già la nuova designazione di ‘Ospedali Protetti’.
Nuove competenze attribuite al SSC;
nuovo destino degli impianti dell’EOC
che resta proprietario di quelli ‘sotterranei’, ma può disporne liberamente
ritenuto che solo il ‘Civico’, come detto, è riconosciuto tale. I siti, of course,
non sono stati smantellati e, su richiesta, possono essere ‘riattivati’ in 24 –
48h e annualmente, in collaborazione
con la PCi, l’EOC ne provvede alla
Istallati 36 nuovi letti sanitari militari; nuova la centrale termica e tecnica.
manutenzione. Tuttavia, almeno in
parte, ora sono occupati in altro
modo: ad esempio, quali magazzini o
depositi.
C’erano una volta… i COP, da sfruttare
in caso di catastrofe, guerra, epidemia
e, di conseguenza, concepiti per un
servizio sanitario completo (con tanto
di sale operatorie, laboratori, locali per
la radiologia, ecc.).
Nuove esigenze
Oggi, ci sono gli Ospedali Protetti. In
Ticino, appunto, solo uno: il Civico.
Come in origine, ripartito su 3 livelli, è
anti-atomico; anti-sismico; separato
dalla piastra base dell’ospedale da 1,5
m di cemento armato e 3,5 m di terra;
dispone di filtri per gas nervini; è del
tutto autonomo ma, di fatto, si è trasformato in sito di degenza e i locali, i
servizi e pure le attrezzature mediche a
suo tempo richiesti per tenerlo in esercizio, sono altri.
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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I corridoi sono adeguati allo spostamento dei letti; non è il caso, ovviamente, per la cucina!
Nell’OCL adeguato alle nuove esigenze, ecco dunque inutili due sale OP,
tre autoclave, due centrifughe, laboratorio, locale RX; scesa da 300 a
100 pazienti la capienza massima
(letti san militari al posto di quelli a
castello).
Il grado di prontezza è fissato in 12h
per i 36 letti già pronti; con disponibilità
su richiesta di altri 64 ritenuto che l’intera infrastruttura farebbe capo alle
prestazioni dei bat mob H dell’esercito
e che il servizio ospedaliero ordinario
continuerebbe in modo autonomo (260
posti al Civico; 60 all’Italiano; 1’400 i
collaboratori, dei quali 600 in permanenza).
Ventilato e riscaldato costantemente
(temp. base 17–18°), l’ospedale protetto luganese è operativo e risponde «ai
nuovi scenari e ai nuovi concetti di mobilità che già caratterizzano l’attività
ordinaria», spiega l’ing. Ferrari.
Da questo profilo, aggiunge, «prendiamo d’esempio la sterilizzazione: per
tutto l’EOC, è centralizzata a Biasca.
Un guasto può sempre succedere:
come rimediare? Abbiamo a disposizione tre unità steri-mobile a noleggio,
con locali pronti a riceverle e attivarle».
Alla vista, l’Ospedale
Civico di Lugano si staglia come una torre, fra
via Tesserete e via Torricelli. La piastra base
comprende:
„„
al P0, cioè al PT (EG), servito da un
autosilo con 550 posti, troviamo entrata principale; accettazione; PS
(Notfallstation), radiologia; collegamento al Caridocentro dell’attigua
Fondazione;
„„
al P1+ sale operatorie, Cure intense,
sale parto, ambulatori chirurgici;
„„
dal +2 al +14 i reparti di degenza,
incluse le stanze di sicurezza per detenuti;
„„
al P15+, infine, i locali tecnici.
Tra il materiale non più in uso, autoclavi e apparecchi di vario genere per ora tenuti in deposito.
Sempre nella piastra base:
„„
al livello -1 sono inseriti uffici ammi-
nistrativi, cucina, farmacia, fisioterapia, mensa, ecc;
„„
al -2 neurologia, dialisi, camere per il
personale di picchetto e depositi,
come pure l’eliporto esterno.
L’OP Civico
Per trovare l’ospedale protetto, dobbiamo scendere ancora per trovare:
„„
P-3: entrata blindata; 8 sale di cura
(5 vuote; 3 usate come deposito).
„„
P-4: 2 vecchie sale OP, 4 sale REA
ora con 36 letti san militari; accettazione contaminati; 2 sale steri, labor,
farmacia (vuoti, poiché si farebbe
capo, nel bisogno, ai servizi di supporto esterni); servizi.
„„
P-5: cucina, tecnica, dormitori per il
personale.
I vecchi letti a castello «sono stati
smontati e in parte sono riutilizzabili,
ma ovviamente (eccetto quelli per il
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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personale) non siamo più a capienza
300 essendo cambiate regole d’ingaggio e attrezzature», conferma il responsabile operativo, Maniscalco. Non sono
mancati i lavori d’ammodernamento e
messa a norma di alcuni impianti (investiti 150mila fr., dal 2010); tra questi:
ripristino parziale della tecnica (pompe,
luci, ventilazione); applicazione dei rilevatori d’incendio; adeguamento del
sistema di trasferimento della nafta
(Diesel) dai serbatoi, ora in plastica, al
generatore (ridotto a uno, con 390 CV
di potenza).
«I cambiamenti riguardano anche altri
servizi del vecchio COP. I tre serbatoi
per l’acqua potabile (270mila l di capacità), ad esempio, sono dismessi e vuoti perché, se del caso, ci riforniranno
dall’esterno con bottiglie PET d’uso
comune. Stesso discorso per altre dotazioni. I locali (alcuni vuoti) sono rimasti,
così come parte delle vecchie attrezzature mediche. Potenzialmente, su richiesta di Berna o del Cantone, sono riattivabili ma ne stiamo discutendo con le
Autorità, fermo il principio del ricorso a
dotazioni esterne, comprese quelle in
uso nell’ospedale che sovrasta il bunker…», conclude il nostro interlocutore.
Protezione e servizi
Dei cambiamenti intervenuti nei sotterranei del nosocomio cittadino è ben
consapevole ‘Mike’ Donada, già responsabile sicurezza dell’Ospedale
regionale di Lugano (OCL+OIL) e
dell’allora COP al ‘Civico’, che ritroviamo a presiedere la PCi di Lugano Cam-
Protezione Civile Lugano Campagna: a sx, il cdt ten col Ferruccio Landis; a dx, il presidente
Pier Giorgio ‘Mike’ Donada.
pagna. «Altri tempi, altre esigenze; le
novità non mancano pure in casa nostra, a cominciare dalla sparizione dei
militi sanitari», osserva non nascondendo una punta di nostalgia.
Oggi, infatti, l’Ente regionale coordina
1’100 astretti suddivisi in 6 cp: quatro
L’entrata del PSS, a Rivera.
Sala operatoria e uno dei locali tenuti a disposizione dalla PCi, nel sito di Rivera.
«della 1a ora», cioè d’intervento immediato, e due di riserva. Ogni unità comprende sezioni di condotta (SM); logistica (materiale, trasporto, sussistenza
e cucina); salvataggio (interventistica);
assistenza (aiuto agli sfollati e controllo
periodico dei rifugi, CPR); beni culturali (inventario e gestione). A una cp, la
41, è pure attribuito il servizio di rinforzo polizia, per la gestione di traffico e
vie di circolazione.
Finanze e tagli
«Negli Anni 90, il servizio sanitario è stato
attribuito al SSC, che fa capo agli ospedali pubblici e ai servizi ambulanza del
cantone; ma abbiamo ‘perso’ anche i
militi pompieri poiché il servizio antincendio è stato demandato ai Corpi locali»,
aggiunge Donada rilevando che i militi
PCi di primo intervento sono completamente istruiti ed equipaggiati, mentre
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Nel Centro-Pandemie di Bioggio, i pazienti devono seguire un percorso designato che parte dalla sala d’attesa, prima di giungere al locale di
visita.
quelli della «2a ora», essendo di riserva,
lo sono secondo le necessità d’ingaggio.
Il bilancio annuale dell’ente (che dispone pure di 12 automezzi e un veicolo
comando, recentemente acquisito)
ammonta a 1,3 mio di franchi, con fabbisogno di 900mila a carico dei Comuni, per un pro capite di 20 franchi.
Meno militi, meno servizi
Come siamo messi a ‘bunker’ antiatomici pubblici e privati? Ci risponde
il cdt Landis: «attualmente ne disponiamo di 2’500, per una capienza di
38mila abitanti, pari al 73% della popolazione. I rifugi pubblici sono 25: pertanto, non copriamo il fabbisogno fissato dalla legge al 90% della
popolazione. L’ammanco è del 17%,
ma non è prevista, a breve-medio termine, la costruzione di rifugi importanti. Dura lex, sed lex anche quella delle
finanze pubbliche (ovvero dei cittadini
contribuenti)», precisa il dirigente.
docce e mensa per i militi, ma resta
vuoto e usato per altri scopi (vari corsi
della PCi medesima).
In caso di pandemia, mancando i militi
san, verrebbe affidato a un medico civile
servito dai militi per la gestione dei pazienti (ad es., per decontaminazione, nuovi
abiti, trasferimenti in ospedale, ecc.).
A Rivera, invece, si trova il PSS attrezzato pure di sala OP e capace di ospitare 128 pazienti: l’apertura di entrambi gli impianti, in ogni caso, è di
competenza del medico cantonale.
2 Posti sanitari (PoSan)
uno a Mezzovico, dove si trova pure la
sede dell’ente, l’altro a Rivera e capaci
di ospitare 32 pazienti ciascuno.
«Impianti, PSS e PoSan coprono il fabbisogno della regione Lugano Campagna: pertanto, non ne verranno più edificati di nuovi. D’altronde, a partire dagli
Anni 90, come PCi possiamo e dobbiamo garantire la protezione della popolazione, a domicilio, ritenuto e ribadito che
per le necessità sanitarie (pazienti degenti o nuovi a causa di catastrofe,
guerra, pandemia, ecc.) le competenze
sono del SSC cantonale e dei suoi partner», sottolinea il ten col Landis.
Quali progetti?
La ‘scheda’ fin qui presentata non risponde, direttamente, al quesito iniziale sul fabbisogno di posti protetti: nondimeno, offre alcuni spunti di riflessione
che, in parte, si sono già concretizzati
in azione.
Per quanto riguarda gli impianti di PCi
(posto comando e stazionamento), in
Lugano Campagna ve ne sono 10, ai
quali si aggiungono:
2 Posti sanitari di soccorso (PSS)
Uno, a Bioggio, fu allestito per la pandemia nel 2010 su ordine del medico
cantonale, è in prontezza d’intervento;
può smaltire 130 pazienti al giorno; dispone di locali triage, accettazione,
La PCi chiede una revisione dei compiti retribuiti (compensazione) in funzione delle necessità.
Tra queste: anche il ripristino dei sentieri come qui, al Molino di Bioggio?
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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il fabbisogno sanitario della popolazione? Il quadro abbiamo cercato di delinearlo; la risposta, preferiamo lasciarla
in sospeso. Unica certezza, nella
vita…
La Conferenza dei presidenti e comandanti delle 6 Regioni di PCi ticinesi, infatti, ha chiesto al Governo cantonale
di elaborare un’analisi dei rischi, sul
territorio sudalpino, analoga a quella
federale (KaTaPlan).
Da parte sua, forte dell’esperienza al
‘Civico’, dove l’allora COP era sovente
usato per esercitazioni militari o civili
(con tanto di ricoveri e interventi chirurgici su pazienti effettivi), Mike Donada
ritiene non vi sia necessità di nuovi posti protetti «ma quelli esistenti restano
e vanno tenuti in funzione (con prove
impianti, telefoni, pulizie, ecc.), muniti
di letti e del necessario per fronteggiare le emergenze», osserva.
Quanto alla PCi, in attesa dell’analisi
cantonale dei rischi, il presidente di Lugano Campagna ne vede l’ingaggio
(più che ai fini di protezione NBCR) per
fronteggiare necessità indotte da allagamenti, scoscendimenti e frane, forti
nevicate e pericolo valanghe, siccità «o
altri bisogni della popolazione, anche
solo per breve durata e ben codificato
il riconoscimento ai militi delle indennità AVS/AI/IPG per servizio prestato»,
conclude Donada.
Cento posti nell’Ospedale protetto, al
‘Civico’ di Lugano: bastano per coprire
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Bunker und geschützte Orte:
zwischen Notwendigkeiten und neuen Realitäten
Franco Bianchi, BR/SJV Journalist, via Cantonale, 6927 Agra, Mitglied der Redaktionskommission KSD, [email protected]
bedenkt, dass der Bau solcher Räume
gesetzlich vorgeschrieben ist und jedes
neuere private Gebäude (sagen wir mal
ab Baujahr 1980) einen solchen Raum
in seinem Keller birgt. Wie viele dieser
Schutzräume für den Einsatz des KSD
geeignet sind und wo sie sich befinden,
wissen dagegen wahrscheinlich nur
wenige.
Key Words: Finanzen, Regeln, Projekte
Dura lex, sed lex – Das Gesetz ist
hart, aber es ist das Gesetz: Dies
gilt für das Leben an sich, das mit
dem ersten Atemzug bereits dem
Tode geweiht ist ebenso wie für das
menschliche Schicksal, das von unzähligen Faktoren beeinflusst wird.
Das Konzept des KSD berücksichtigt dies, indem es den aktuellen
Bedrohungen des Lebens und den
finanziellen Schwierigkeiten, die den
Leistungsumfang der öffentlichen
Einrichtungen – Bund, Kantone und
Gemeinden – begrenzen, Rechnung
trägt. Brauchen wir im Kampf gegen
CBRN-Notfälle (also ABC-Waffen inklusive radiologischer Bedrohungen)
noch «geschützte Orte»? Und wie ist
die Lage im Tessin? Diesen Fragen
wollen wir auf die Spur gehen.
Wenn wir das gesamte Ausmass der
Bedrohung betrachten, so lautet die
Antwort auf die erste Frage ohne Weiteres: JA! Als nicht ganz so einfach
erweist sich in der Praxis die Erfassung
des logistischen Rahmens hinsichtlich
des Bedarfs an «Schutzräumen» und
geschützten Krankenbetten, die der
Bevölkerung zur Verfügung stehen, unter Berücksichtigung der möglichen
Auswirkungen einer bestimmten Krisensituation und der Ressourcen.
EOC Lugano, Ospedale Civico.
Die Bemühungen des KSD und seiner
Partner – Armee, Zivilschutz (ZS) und
zivile Gesundheitsdienste – zielen darauf ab, den Patienten die bestmögliche
Behandlung zu verschaffen, und nicht
die Sicherheit, einen CBRN-«Schaden»
zu überleben. Schliesslich ist im Leben
nur eine Sache wirklich sicher – nämlich der Tod.
Traurig, aber wahr. Gibt es unter den
Lesern jemanden, der noch nie etwas
von den «Schutzräumen» oder auch
«Atombunkern» gehört hat, die in der
Schweiz für die Bevölkerung bereitstehen? Wahrscheinlich kaum, wenn man
Versuchen wir einmal, die Lage im Tessin zu erfassen, aber ohne Anspruch
auf Vollständigkeit und übermässige
Korrektheit, der Leser möge es verzeihen! Um die Sache zu vereinfachen,
beschränken wir uns darauf, die Situation im Stadtgebiet von Lugano zu betrachten, zumal die Stadt am Luganersee mit ihren 65’000 Einwohnern zu
den zehn meistbevölkerten der
Schweiz zählt und sich gerade hier das
einzige der insgesamt sieben in vier
Regionen des Landes von der Eidgenossenschaft anerkannten geschützten Spitäler «aktiv mit Sonderstatus
KSD» befindet: das Stadtspital «Ospedale Civico» (OCL) der «Ente Ospedaliero Cantonale» (EOC), einer öffentlichrechtlichen Anstalt des Kantons Tessin
zur Führung von Spitälern.
Wo von «Schutzräumen» und geschützten Orten für die Bevölkerung
die Rede ist, kommen wir nicht umhin,
25
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Demontierte alte Etagenbetten für Patienten nicht in Gebrauch; im Gegenteil für das Personal noch geeignet.
zumindest einen der wertvollen Partner
des KSD zu nennen: den Zivilschutz.
Als Beispiel ausserhalb des städtischen
Raums soll uns hierbei die Regionale
Zivilschutzorganisation Lugano-Land
dienen, die für 32 Gemeinden mit
49‘000 Einwohnern in den Regionen
Vedeggio und Malcantone zuständig ist
(180 km2 zwischen Caslano und Isone,
wenn Sie es genau wissen wollen).
Es war einmal…
An dieser Stelle sei es uns gestattet,
unseren Partnern für die wertvolle und
gute Zusammenarbeit zu danken,
nämlich der Generaldirektion EOC in
Bellinzona; der Direktion OCL (insbesondere bei Davide Ferrari, Verantwortlicher für den technischen Dienst und
Sicherheitsdienst und bei Oscar Maniscalco, Verantwortlicher für das geschützte Spital); ausserdem danken wir
dem Zivilschutz in Mezzovico und insbesondere dessen Vorsitzendem, Pier
Giorgio «Mike» Donada, und Oberstlt
Ferruccio Landis, Zivilschutzkommandant.
«Es war einmal…», warum diese Überschrift? Kurz gesagt, weil das neue
Konzept des KSD (erstellt in den 90erJahren unter Berücksichtigung der
neuen politischen und militärischen
Gegebenheiten in Europa und ihrer
Auswirkungen auf die Schweizer Sicherheitspolitik) sich erheblich auf die
Organisation der Sanitätsdienste – einschliesslich Logistik – ausgewirkt hat.
Beispielsweise sind beim ZS-Personal
die Militärsanitäter und die Militärfeuerwehr weggefallen, so dass auch die
Organisation der Anlagen den neuen
Anforderungen angepasst werden
musste. Ähnlich erging es in dieser Hinsicht den damals so genannten «Geschützten Operationsstellen (GOPS)»
für die Bevölkerung, die noch vorhanden sind und nach und nach in die EOC
integriert wurden. Die erste Einrichtung
36 neue militärische Sanitätsbetten und die neue Thermo-Technische Zentrale.
dieser Art wurde im «Ospedale Distrettuale» in Faido realisiert; es folgten «S.
Giovanni» in Bellinzona; «Acquarossa»
(zur Hälfte militärisch); «La Carità» in
Locarno; das «Ospedale Civico» (1980,
Kosten 6,7 Mio. Franken, mit Unterstützung von Bund, Kantonen und Gemeinden des Bezirks Lugano) und «Beata Vergine» in Mendrisio. Hinzu kommt
eine private Einrichtung im Spital von
Castelrotto. Zur EOC gehört auch das
«Ospedale Italiano di Lugano», das keinen «Schutzraum» besitzt, obwohl es
unlängst erneuert wurde, als die GOPS
bereits in «Geschützte Spitäler» umbenannt worden waren.
Neue Kompetenzen für den KSD: neues
Schicksal für die Anlagen der EOC, die
Eigentümerin dieser unterirdischen Einrichtungen bleibt, aber frei darüber verfügen kann, zumal wie gesagt nur das
«Ospedale Civico» als «Geschütztes
Spital» anerkannt wird. Die Standorte
wurden natürlich nicht völlig aufgege-
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Die Flure sind für die Bewegung der Betten geeignet; das ist natürlich nicht der Fall für die Küche!
ben, sondern können innert 24 bis 48
Stunden «reaktiviert» werden. Die EOC
übernimmt jährlich die Instandhaltung in
Zusammenarbeit mit dem ZS. Allerdings
werden die Räumlichkeiten derzeit zumindest teilweise anderweitig genutzt,
z. B. als Magazine oder Depots.
und ist vollständig autonom. Faktisch
jedoch dient die Einrichtung heute nur
noch der Patientenunterbringung, und
die Räume, die Dienste und sogar die
medizinische Ausstattung, die damals
der Aufrechterhaltung des Betriebs
dienten, sind nicht mehr dieselben.
«Es waren einmal…» die GOPS. Sie
sollten bei Katastrophen, Kriegen und
Epidemien bereitstehen und wurden
somit auf einen umfassenden Sanitätsdienst ausgelegt (samt Operationssälen, Labors, Röntgenräumen usw.).
Angesichts der neuen Gegebenheiten
im «Ospedale Civico» sind die zwei OPSäle, drei Autoklaven, zwei Zentrifugen, das Labor und
der Röntgenraum
überflüssig geworden; die Höchstkapazität wurde von
300 auf 100 Patienten herabgesetzt
(Betten des militärischen Sanitätsdienstes statt Etagenbetten).
Neue Anforderungen
Heute gibt es dagegen «geschützte
Spitäler». Im Tessin eben genau eines,
das «Ospedale Civico». Es besteht
nach wie vor aus drei Ebenen, ist atombomben- und erdbebensicher und
durch eine Schicht aus 1,5 m dickem
Stahlbeton und 3,5 m Erde von der
Grundplatte des Spitals getrennt; es
verfügt über Filter gegen Nervengase
Die Betriebsbereitschaft für die 36
schon fertigen Betten ist auf 12 Stunden
festgelegt; 64 weitere Betten können bei
Bedarf bereitgestellt werden, wobei die
Bis anhin noch im Lager deponierte verschiedene Apparate wie Autoklaven und andere Geräte.
gesamte Infrastruktur auf die Hilfsleistungen der mobilen Spitalbataillone der
Armee zurückgreifen und der übliche
Krankenhausbetrieb autonom weitergeführt würde (260 Plätze im «Ospedale
Civico»; 60 im «Ospedale Italiano»;
1’400 Mitarbeitende, davon 600 ständige).
Das geschützte Spital in Lugano wird
ständig belüftet und geheizt (Grundtemperatur 17–18°), es ist betriebsbereit und entspricht «den neuen Szenarien und Mobilitätskonzepten, die
bereits den Regelbetrieb kennzeichnen», so Davide Ferrari. Er fügt hinzu:
«Nehmen wir beispielsweise die Sterilisierung: sie erfolgt für die gesamte
EOC zentral in Biasca. Zu Ausfällen
kann es immer kommen: Was geschieht dann? Uns stehen drei mietbare mobile Sterilisierungseinheiten zur
Verfügung und die entsprechenden
Räumlichkeiten für die Unterbringung
und Inbetriebnahme».
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Das «Ospedale Civico» von Lugano erhebt sich zwischen der Via Tesserete
und der Via Torricelli wie ein Turm vor
den Augen des Betrachters. Die Grundplatte setzt sich wie folgt zusammen:
„„
Im Erdgeschoss (EG) befinden sich
ein Parkhaus mit 550 Plätzen sowie
der Haupteingang, der Empfang, die
Notfallstation und die Radiologie;
Zugang zur Kardiologie der angrenzenden Stiftung;
„„
im 1. OG Operationssäle, Intensivstation, Kreissäle, chirurgische Ambulanz;
„„
vom 2. bis 14. OG Räume für Patientenunterbringung, einschliesslich
gesicherter Zimmer für Gefangene;
„„
im 15. OG ist die Technik untergebracht.
Wieder ausgehend von der Grundplatte befinden sich:
„„
im 1. UG Verwaltungsbüros, Küche,
Apotheke, Physiotherapie, Mensa
usw.;
„„
das 2. UG beherbergt die Neurologie, das Dialysezentrum, Zimmer für
das Pikettpersonal und Lagerräume
sowie ein Hubschrauberlandeplatz
im Aussenbereich.
Das geschützte Spital Civico
Um das geschützte Spital zu erreichen,
müssen wir noch tiefer hinab:
„„
3. UG: Panzertür; 8 Behandlungsräume (5 leerstehend; 3 als Lager
genutzt).
„„
4. UG: 2 veraltete OP-Säle, 4 REHARäume, derzeit mit 36 Betten des
militärischen Sanitätsdienstes; Emp-
Zivilschutz Lugano Campagna: links, Kdt Oberstlt Ferruccio Landis; rechts, der Präsident Pier
Giorgio «Mike» Donada.
fang für bestrahlte Personen; 2 Sterilräume, Labor, Apotheke (leer, da im
Bedarfsfall auf externe Hilfsdienste
zurückgegriffen würde); Nasszellen.
„„
5. UG: Küche, Technik, Schlafräume
für das Personal.
Die alten Etagenbetten «wurden abgebaut und sind teilweise wieder benutzbar, aber natürlich sind wir nicht mehr
bei einer Kapazität von 300 (Personalbetten ausgenommen), da die Einsatzregeln und die Ausrüstung nicht mehr
identisch sind», bestätigt der operative
Leiter, Oscar Maniscalco. Modernisierungs- und Normierungsarbeiten wurden zur Genüge vorgenommen (seit
2010 wurden 150’000 Franken investiert), unter anderem für die teilweise
Instandsetzung der Technik (Pumpen,
Beleuchtung, Belüftung); Anbringung
Der Operationssaal und ein Raum sind zur Verfügung und in Bereitschaft vom ZS in Rivera gestellt.
von Brandmeldeanlagen; Anpassung
des Systems zur Umfüllung von Dieselöl aus den Tanks, die nun aus Plastik
sind, in den Generator (nur noch einer,
mit einer Leistung von 390 PS).
«Die Änderungen betreffen auch andere Dienste der ehemaligen GOPS. So
sind beispielsweise die drei Trinkwasserreservoire (270’000 Liter Fassungsvermögen) leer und ausser Betrieb,
denn im Falle eines Falles werden wir ja
von aussen mit handelsüblichen PETFlaschen versorgt. Gleiches gilt auch
für andere Bereiche. Die Räume (einige
davon leer) sind noch vorhanden,
ebenso ein Teil der ursprünglichen medizinischen Ausstattung. Potenziell
können sie auf Anordnung des Bundes
oder des Kantons wieder in Betrieb
genommen werden, aber das diskutie-
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Pandemie-Zentrum in Bioggio: vom Wartesaal bis zur Untersuchungsabteilung steht den Patienten ein vorgeschriebener Parcours zur Verfügung.
ren wir gerade mit den Behörden, ständig nach dem Prinzip der externen
Versorgung, auch durch das Spital
oberhalb des Bunkers …», so unser
Gesprächspartner abschliessend.
Schutz und Dienste
Gut informiert über die Veränderungen
im Kellergeschoss des städtischen
Spitals ist «Mike» Donada, der schon
beim Ospedale regionale di Lugano
(Ospedale Civico Lugano und Ospedale Italiano Lugano) und der damaligen GOPS im «Ospedale Civico» für
die Sicherheit verantwortlich war und
nun Vorsitzender des ZS für LuganoLand ist. «Andere Zeiten, andere Anforderungen; auch bei uns gibt es
Veränderungen, angefangen beim
Verschwinden der Militärsanitäter»,
erläutert er, wobei er etwas Nostalgie
durchklingen lässt.
Heute koordiniert die regionale Zivilschutzorganisation 1’100 Schutzdienstpflichtige, die in sechs Kompanien eingeteilt sind: vier Kompanien «der
ersten Stunde» für den Soforteinsatz
und zwei Reservekompanien. Jede
Einheit umfasst Züge für Kommando
(Kdo), Logistik (Material, Transport,
Verpflegung und Küche), Rettung (Einsätze), Betreuung (Hilfe für Evakuierte
und regelmässige Kontrolle der Schutzräume, ASC) und Kulturgüterschutz
(Inventar und Management). Eine der
Kompanien, die Kp 41, ist zudem dafür
zuständig, die Polizei im Bereich Verkehr und Fahrbahnen zu unterstützen.
Finanzen und Reduktionen
«In den 90er-Jahren wurde der Sanitätsdienst dem KSD zugeordnet, der
auf die öffentlichen Spitäler und die
kantonalen Ambulanzdienste zurückgreift; aber auch die Militärfeuerwehr
haben wir «verloren», da der Feuerwehrdienst den lokalen Feuerwehrkorps übertragen wurde», führt Donada
weiter aus, mit dem Hinweis, dass die
für den Soforteinsatz zuständigen
Schutzdienstpflichtigen
vollständig
ausgebildet und ausgerüstet sind, diejenigen der Reserve jedoch nur gemäss
den aktuellen Einsatzerfordernissen.
Die Jahresbilanz der Organisation (die
über zwölf Einsatzwagen und ein kürzlich erworbenes Kommandofahrzeug
verfügt) beläuft sich auf 1,3 Mio. Franken, wovon 900’000 Franken zulasten
der Gemeinden gehen, was dann 20
Franken pro Kopf ausmacht.
Weniger Soldaten, weniger
Dienste
Und wie sieht es mit öffentlichen und
privaten «Atombunkern» aus? Hierzu
erläutert Kommandant Landis: «Im Moment verfügen wir über 2’500 solcher
Bunker, die insgesamt 38’000 Personen, also 73 Prozent der Bevölkerung,
aufnehmen können. 25 Bunker befinden sich in öffentlichem Besitz: Die
gesetzlich vorgegebenen 90 Prozent
der Bevölkerung erreichen wir somit
Der ZS fragt um eine Revision der bezahlten kompensierten Arbeiten nach Bedarf. Gehört die
Wiederinstandsetzung der Wege (wie z.B. hier, in Molino di Bioggio) auch dazu?
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dere Zwecke genutzt (verschiedene
Zivilschutzkurse).
Im Falle einer Pandemie würde die San
Hist aufgrund der nicht vorhandenen
Militärsanitäter einem zivilen Arzt anvertraut, der mit Hilfe der Schutzdienstpflichtigen die Patienten versorgt (z. B.
Dekontamination, Kleidungsausgabe,
Verlegung ins Spital usw.).
nicht. Trotz der fehlenden 17 Prozent
sind kurz- bis mittelfristig keine weiteren grösseren Schutzbauten geplant.
Dura lex, sed lex: Dies gilt auch für die
öffentliche Finanzlage (bzw. die Finanzlage der Steuerzahler)».
In Lugano-Land gibt es insgesamt zehn
Schutzanlagen (Kommandoposten und
Stationierung), hinzu kommen:
Zwei Sanitätshilfsstellen (San Hist)
Die eine befindet sich in Bioggio, wurde
anlässlich der Pandemie 2010 auf Anordnung des Kantonsarztamtes eingerichtet und ist einsatzbereit; 130 Patienten können hier pro Tag versorgt
werden; es gibt Triage- und Aufnahmeräume, Duschen und eine Mensa für
die Schutzdienstpflichtigen; die Räume
sind allerdings leer und werden für an-
Die andere San Hist, die sich in Rivera
befindet, hat sogar einen Operationssaal und kann 128 Patienten aufnehmen: auch hier ist das Kantonsarztamt
für die Öffnung verantwortlich.
Zwei Sanitätsposten (San Po)
Einer befindet sich in Mezzovico (Sitz der
Organisation), der andere in Rivera. Fassungsvermögen: jeweils 32 Patienten.
«Schutzanlagen, San Hist und San Po
decken zusammen den Bedarf der Region Lugano-Land: es werden daher
keine neuen gebaut. Im Übrigen können
und müssen wir vom ZS seit den 90erJahren den Schutz der Bevölkerung am
Domizil gewährleisten, während für den
sanitätsdienstlichen Bedarf (vorhandene
sowie durch allfällige Katastrophen,
Kriege, Pandemien usw. hinzukommende Patienten) wie gesagt der kantonale
KSD und dessen Partner zuständig
sind», betont Oberstlt Landis.
Pläne?
Die bisherige Zustandsbeschreibung
beantwortet die anfängliche Frage
nach dem Bedarf an geschützten Orten
nicht direkt; sie liefert aber einige Denkanstösse, die teilweise bereits Taten zur
Folge hatten.
Eingang der San Hist in Rivera.
So hat die Konferenz der Vorsitzenden
und Kommandanten der sechs regionalen Zivilschutzorganisationen im Tes-
sin die Kantonsregierung aufgefordert,
in Anlehnung an den KATAPLAN eine
Risikoanalyse für das subalpine Gebiet
zu erarbeiten.
Aufgrund seiner Erfahrungen im «Ospedale Civico», wo die damalige GOPS
häufig für militärische oder zivile Übungen (samt Unterbringung und chirurgischer Behandlung echter Patienten)
genutzt wurde, ist Mike Donada der
Ansicht, dass wir nicht noch mehr geschützte Orte brauchen, «sondern die
bestehenden Räumlichkeiten erhalten,
ihre Funktionstüchtigkeit gewährleisten
(Anlagentests, Telefone, Reinigung
usw.) und Betten bereitstellen sollten,
damit wir im Notfall gewappnet sind».
Der Vorsitzende des ZS Lugano-Land
sieht, in Erwartung der kantonalen Risikoanalyse, die Verpflichtung des Zivilschutzes nicht so sehr im CBRNSchutz, sondern vielmehr im Schutz
vor Überschwemmungen, Hang- und
Erdrutschen, starken Schneefällen und
Lawinen, Dürren «sowie im Schutz anderer Bedürfnisse der Bevölkerung,
auch für kurze Zeit, sofern den Schutzdienstpflichtigen die AHV/IV/EO-Entschädigungen für den geleisteten
Dienst zuerkannt werden.»
Reichen hundert Plätze im geschützten
Spital «Ospedale Civico» in Lugano
aus, um den medizinischen Bedarf der
Bevölkerung zu decken? Die aktuellen
Gegebenheiten haben wir so gut es
geht erfasst. Die Antwort möchten wir
lieber offen lassen. Im Leben ist eben
nur eines sicher…
Übersetzung: Jérôme Benoit
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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In questo numero...
31
Franco Bianchi, giornalista, via Cantonale, 6927 Agra, membro della commissione di redazione del bollettino d’informazione sul SSC,
[email protected]
Parole chiave: Pericolo di contagio: CBRN
... si coniugano ricordi e celebrazioni
– come i 90 anni della Rivista svizzera di medicina militare e di catastrofe (curata dalla Società svizzera
degli ufficiali sanitari presieduta dal
col. Hugo Battaglia e affidata al caporedattore magg. Thomas Syburra
nell’inserto «Swiss Review of Military and Disaster Medicine», SRMDM)
– alla riflessione su temi correlati
con l’attività del laboratorio di Spiez
voluto da Berna per prevenire e, se
del caso, coordinare la lotta contro
le emergenze NBCR (Nucleari, Biologiche, Chimiche e Radiologiche).
Impostato sui temi del seminario
organizzato dall’editrice dell’inserto,
indetto proprio a Spiez, il periodico
SSC/KSD rende pure omaggio al div
Giampiero Lupi: prematuramente
scomparso in maggio, fu il primo e
fino ad oggi unico ticinese medico
in capo dell’esercito. Eleviamo un
caro pensiero alla sua memoria invitando i lettori a riscoprirne la figura
negli articoli pubblicati, con gli altri,
in questo numero.
Accennato al compianto div Lupi, rileviamo che pure nell’edizione autunnale della rivista SSC/KSD troviamo nuovamente un servizio nella lingua di Dante,
tradotto pure in tedesco e francese,
sulla situazione ticinese di «Rifugi e posti
protetti: tra necessità e nuove realtà» in
funzione, appunto, della minaccia NBCR.
In effetti, come sottolinea nell’editoriale
il dr Marc Cadisch, direttore del Laboratorio di Spiez, l’impegno responsabilmente assunto dalla Confederazione e
dai Governi di altri Paesi, unitamente alla
serie di fattori che ha ne ha ridimensionato quella terrorista, la minaccia non
trova riscontri degni di nota né dopo la
caduta del muro di Berlino (che, tra altro,
è sfociata nella riforma del SSC/KSD),
né dopo gli attentati del 9 settembre
2001, negli Stati Uniti (che in ogni caso,
indipendentemente da quelli all’antracite perpetrati subito dopo, hanno mutato
l’assetto della sicurezza mondiale, fattore-sanità incluso!).
Sottovalutare la minaccia NBCR, tuttavia, potrebbe rivelarsi molto grave. Un
attacco terrorista, un incidente o, ancora, un fenomeno naturale come, ad
esempio, una pandemia restano pur
sempre dietro l’angolo e «senza sufficienti misure di prevenzione, in specie
d’ambito medico e sanitario, siamo
esposti al rischio di una vera e propria
catastrofe», osserva Cadisch insistendo sul ruolo centrale dell’Istituto federale di Spiez, incaricato di proteggere
la popolazione svizzera anche «immaginando l’inimmaginabile».
Ecco, pertanto, dipanarsi i contributi
scientifici che analizzano questa minaccia; le note esplicative su organizzazione, dotazione, costi, problematiche e progetti dei servizi che hanno il
compito di prevenirla e combatterla; su
su fino alle opinioni e ai rendiconti di chi
è addentro nella materia.
Come manipolare i campioni di laboratorio necessari per valutare e studiare
malattie altamente infettive? Quali
sono, in Svizzera, rilevanza e osservanza delle norme dettate dall’OMS (Organizzazione Mondiale della Sanità)? In
caso di pandemia, quale contributo
può dare lo Spitex, ovvero il Servizio di
cura e aiuto a domicilio? Quali sono i
suoi limiti?
Per reagire a una crisi NBCR, occorrono specialisti: da qui, l’importanza dei
corsi di formazione per il personale incaricato del trattamento di pazienti
contaminati ABC; oppure, la necessità
di nuovi equipaggiamenti sanitari da
valutare nel contesto di una pure indispensabile collaborazione intercantonale. Come funziona, in Germania, il
Laboratorio-B (biologico) della Bundeswehr, facilmente dispiegabile là
dove necessario? Come lavora e come
ci si rapporta con il piano di valutazione
e intervento rapido concepito dalla
NATO, per i team investigativi specialistici? In caso di evento atomico di ampia portata e superficie estesa, come
proteggere la popolazione e come restituirla (in seguito) a condizioni di vita
«normali»?
Il Laboratorio di Spiez, dov’è stato realizzato anche un settore di ricerca e
prevenzione biologica unico nel suo
genere, in Svizzera, collabora con centri specializzati all’Estero e, ovviamente,
con i vari Enti di soccorso nazionali elvetici (pompieri, sanitari, polizia). Molto
stretti anche i legami con l’Esercito che
pure, dal servizio di protezione AC di Es
61, ha sviluppato il nuovo concetto e
stabilito le regole d’ingaggio per la Difesa militare ABC articolata in: prevenzione, protezione, analisi, comprova e,
non ultima (anzi!) decontaminazione.
Dura lex, sed lex (per riprendere l’adagio del servizio in italiano) anche quella
dello spazio tipografico, che non ci
consente di entrare nel dettaglio dei
singoli contributi ed evidenziarne l’alto
profilo degli autori, ma il lettore saprà
certo trovarne interessante, prezioso
ed esaustivo riscontro pure in questo
numero.
«Minaccia NBCR: se la conosci, non ti
uccide»; o, quanto meno, puoi ridurne
al minimo gli effetti di sue eventuali manifestazioni in episodi concreti. Teniamone conto.
SW I S S REVIEW O F MILITARY AND DI SASTE R M E DI CI NE
Schweizerische Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin
Revue suisse de médecine militaire et de catastrophe
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Rivista svizzera di medicina militare e di catastrofe
Editorial
32
Ad multos et faustissimos annos! Chère LecAd multos et faustissimos annos! Diese Austrice, Cher Lecteur, cette édition célèbre la
gabe zelebriert den 90. Jahrgang der Schwei90ème année de parution de la Revue Suisse
zerischen Zeitschrift für Militär- und Katastrode Médecine Militaire et de Catastrophe. Sa lonphenmedizin. Ihre Langlebigkeit ist ein Tribut
gévité honore les Rédacteurs en Chef qui m’ont
an alle ehemaligen Chefredaktoren, zu deren
précédé pour leur pugnacité et leur vision à long
Willen und Weitsicht; es ist mir eine Ehre, dieterme; c’est un honneur de continuer à faire
ses Erbe weiter zu betreuen, umgeben von
fructifier leur héritage, entouré d’un état-major
einem phantastischen Redaktionsstab. Die
de rédaction exceptionnel. Les témoignages
Zuschriften hierzu werden Sie auf den nachque vous lirez dans les pages qui suivent refolgenden Seiten lesen können.
flètent l’importance d’un tel organe de publicaEs ist leider auch meine schmerzliche Pflicht,
Maj Thomas Syburra
Ihnen diese traurige Botschaft zu überbringen:
tion dans le contexte actuel et futur.
Divisionär aD Gianpiero A. Lupi hat uns verlasJe dois hélas vous faire part d’une bien triste
nouvelle: Divisionnaire Gianpiero A. Lupi nous a quitté. Nous sen. Wir alle sind von seinem Ableben erschüttert. Seine
sommes tous émus par sa disparition et son vibrant souvenir quirlige und erquickende Erinnerung wird in unserem Gerestera vivant en nos mémoires. Son successeur, Division- dächtnis weiterleben. Sein Nachfolger, Divisionär Andreas
naire Andreas Stettbacher, lui rend hommage dans ce numé- Stettbacher, ehrt ihn in dieser Nummer.
ro.
Und jetzt Schutzanzug montieren und fein säuberlich justieEt à présent, enfilez votre scaphandre de protection et vérifiez ren, bevor Ihr weiterblättert! Chemische, biologische, radioqu’il soit bien ajusté avant de vous aventurer parmi les articles logische und nukleare Bedrohungen sind eine Realität, Besuivants! La menace chimique, biologique, radiologique et reitschaft gehört erstellt. Detektion ist ebenso notwendig wie
nucléaire CBRN est une réalité à laquelle nous devons faire entsprechende Gegenmassnahmen. Fukushima wird uns
face. Avoir les capacités de détection et de contre-mesures. nicht widersprechen. Ebensowenig die Irrungen des Nahen
Être toujours prêts. Ce n’est pas Fukushima qui nous contre- Ostens. Ihr erhält hier das Privileg, unser Hochsicherheitsladira. Ni les errements du Proche-Orient. Vous aurez le privilège bor Spiez, eine Abteilung des Bundesamtes für Bevölkede découvrir ici de l’intérieur notre laboratoire de haute sécu- rungsschutz, von innen zu entdecken. Unsere Autoren entrité à Spiez, une division de l’Office fédéral de la protection de hüllen ausgewählte Leckerbissen über die Schutzkonzepte
la population. Nos auteurs lèvent un coin du voile sur les unserer Nachbarländer und der NATO.
concepts de protection de nos pays voisins et de l’OTAN.
Ich freue mich, Sie zahlreich an unserem Internationalen Tag
Je me réjouis de vous accueillir nombreux aux conférences intra-muros im Labor Spiez zu begrüssen. Ich wünsche Ihnen
de la Journée Internationale qui se tiendra intra-muros dans eine bereichernde Lektüre und lang lebe die Swiss Review of
le Laboratoire Spiez. Je vous souhaite une lecture enrichis- Military and Disaster Medicine!
sante et longue vie à la Swiss Review of Military and Disaster Ihr Chefredaktor,
Major Thomas Syburra
Medicine!
Votre rédacteur en chef
Major Thomas Syburra
IMPRESSUM
Offizielles Publikationsorgan der Schweizerischen Gesellschaft der Offiziere der
Sanitätstruppen (SGOS), 90. Jahrgang
ISSN 1660-9514
Chefredaktor
Major Thomas Syburra
Rue du Grand-Pont 46
CH-1950 Sion
E-Mail: [email protected]
Redaktion
Oberst Sergei Bankoul, Ittigen
Hptm RKD Dorothee Bürgi, Zürich
Oberst Franco Poretti, Bern
Major Lorenz Richner, Burgdorf
Major Frank J. Rühli, Zürich
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Herzliche Gratulation zum 90-jährigen Jubiläum!
Zum 90-jährigen Jubiläum
Seit 90 Jahren besteht nun diese Zeitschrift
als Sprachrohr der Schweizerischen Gesellschaft der Offiziere der Sanitätstruppen
(SGOS). Eine tolle Leistung in einer sich
immer schneller ändernden Welt. Herzliche
Gratulation!!! Viele Epochen im Schweizerischen Armeesanitätsdienst hat sie mitgemacht, mitgeprägt und auch überlebt. Als
wissenschaftliches Publikationsorgan hat
sie auf hohem Niveau die Trends im Armeesanitätsdienst und der Kriegsmedizin
vermittelt. Die alten Ausgaben bestätigen
dies. Dabei war die Zeitschrift auch Sprachrohr der Sanitätsoffiziere, ohne dabei zum
reinen Vereinsblatt zu mutieren. Wahrscheinlich war gerade diese inhaltliche
Gratwanderung die Basis zum Erfolg. Als
dynamische Fachzeitschrift musste sie
mehr als einmal nicht nur im Erscheinungsbild dem Zeitgeist Rechnung tragen. Die
elektronische Verbreitung und eine neue
Namensgebung sind dabei nur zwei äusserliche Zeichen.
Mit der Armee XXl begann definitiv eine
Reduktion der Offiziersbestände. Diese
Zeichen der Zeit wurden frühzeitig erkannt
und seit 2004 ist unsere Zeitschrift in der
Informationsschrift über den KSD in der
Schweiz integriert. Diese Zusammenarbeit
ist bis heute ein Glücksfall. Die gemeinsamen Schwerpunktthemen ergänzen sich
ausgezeichnet, was viele Rückmeldungen
der Leserschaft bestätigen. Dadurch konnte auch das seit den 90er-Jahren schon bestehende und erfolgreiche Konzept der
Schwerpunktthemen weiterverfolgt werden. Die SGOS hat auch in Zukunft das
Ziel, den Kadern Wissensschwerpunkte im
KSD und Armeesanitätsdienst zu vermitteln. Die Zeitschrift wird das Medium dazu
bleiben.
Das aktuelle Redaktionsteam, dem an dieser Stelle ein grosses «Dankeschön!» gehört, ruht aber nicht auf den Lorbeeren
aus. Die übernächste Geländekammer ist
schon im Visier, wie es sich für Offiziere
gehört. Freuen wir uns auf diese Zukunft.
Zehn Jahre durfte ich die Zeitschrift als
Chefredaktor führen. Es ist schön anzusehen, wie sie jugendlich und dynamisch geblieben ist und weiterhin wichtige Trends
setzt. Auch Ihnen als treue Leser gebührt
ein grosses «Dankeschön!».
Ich glaube, wir können den Champagner
zum 100-Jahr-Jubiläum schon bald in den
Eiskübel stellen.
Oberst Hugo Battaglia, Präsident SGOS
Aus vergangenen Tagen
Als 1969 meine Arbeit «Die militärische
Panik» in der «Schweizerischen Zeitschrift
für Militärmedizin», wie sie damals hiess,
erschien, war ich stolz. Hatte ich doch diese Zeitschrift als junger Sanitätsoffizier
schätzen gelernt, weil darin häufig, neben
hilfreichen medizinischen Themen, auch
bedeutsame sanitätstaktische Überlegungen zu lesen waren.
Wenige Jahre später fiel mir in Gesprächen
mit ausländischen Sanitätsoffizieren auf,
wie sehr die Zeitschrift auch im deutschsprachigen Raum beachtet wurde.
1990 übernahm Oberst Giovanni Bass die
Chefredaktion und berief mich in die Redaktionskommission, der ich bis 2006 angehörte. Aus dieser Zeit stammt die folgende Geschichte: Ich hatte einen Artikel über
ein psychiatrisches Thema zur Beurteilung
erhalten und nahm in der Redaktionskommission dazu wie folgt Stellung: «Ich weiss,
dass die Lateinmatur für Mediziner abgeschafft ist, dass das aber auch mit der
Deutschmatur geschah, wusste ich nicht.
Der Text ist so, wie er vorliegt, einfach unverständlich.» Ein anderes Redaktionsmitglied übernahm es, den Text zu überarbeiten. Einige Wochen später berichtete er
uns. «Ich habe den Text in ein lesbares
Deutsch übertragen, aber jetzt sagt der Artikel überhaupt nichts mehr aus.» Zu Ehren
unserer anderen Autoren muss ich aber
betonen, dass dieser Text ein zwar eindrückliches, aber Gott sei Dank einmaliges
Ereignis war.
Oberst Dietegen Guggenbühl
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SW I S S REVIEW O F MILITARY AND DI SASTE R M E DI CI NE
Schweizerische Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin
Revue suisse de médecine militaire et de catastrophe
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Rivista svizzera di medicina militare e di catastrofe
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Ad multos et faustissimos annos!
«Gemeinsame Hilf in gemeinsamer Not
Hat Reiche und Staaten gegründet,
Der Mensch ist ein einsamer nur im Tod,
Doch Leben und Streben verbündet.»
Franz Grillparzer war Österreicher. Der
von ihm verherrlichte Feldmarschall Radetzky hat die Schweiz weder verstanden
noch gemocht. Und doch kommt in den
Zeilen des Dichters eine Erkenntnis zum
Ausdruck, die sich als Thema durch die
Schweizerische Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin zieht: die solidarische Zusammenarbeit. Chefredaktor Thomas Syburra bezieht sich auf den Fall einer
Nuklearkatastrophe (absit omen), aber
seine Worte haben umfassende Geltung:
«Voyez la complémentarité interprofessionnelle
d’une chaîne de sauvetage en cas d’accident nucléaire. Les exemples ne manquent pas, ils sont à
l’image de la complexité et de la pléthore des missions à exécuter.»
Komplexität und Masse der Aufgaben in
einem Katastrophen- oder Kriegsfall verlangen gebieterisch das gemeinsame Handeln von kundigen Akteuren, die sich gegenseitig kennen. Das ist, was die Swiss
Review of Military and Disaster Medicine konsequent fordert und fördert. Niemand
wünscht sich ein Erdbeben wie Basel, 18.
Oktober 1356, oder auch «nur» einen Lawinenwinter 1951 oder 1999 oder einen Murgang wie Gondo, 14. Oktober 2000. Und
doch wissen wir von unseren Vorfahren
und aus eigener Erfahrung, dass uns immer
wieder solche Ereignisse unterschiedlichen
Schweregrades begegnen werden. Dank
dem Koordinierten Sanitätsdienst, dank der
permanenten Weiterbildung der Akteure,
dank gewissenhaft konzipierter Übungen können wir davon ausgehen, dass das Optimum dessen vorgekehrt wird, was wir vernünftigerweise erhoffen dürfen. Zentral
mit beteiligt an dieser segensreichen Arbeit
ist die Schweizerische Zeitschrift für Militär- und
Katastrophenmedizin, eine rüstige Neunzigjährige, der wir von Herzen zurufen: Ad
multos et faustissimos annos!
Jürg Stüssi-Lauterburg
Zum 90-jährigen Jubiläum
Seit neun Jahrzehnten besteht nun die
Schweizerische Zeitschrift für Militär- und
Katastrophenmedizin SRMDM als wichtiges Publikationsorgan der Schweizerischen
Gesellschaft der Offiziere der Sanitätstruppen SGOS. Sie ist damit ein Spiegel für die
Entwicklung des kriegs- und katastrophenmedizinischen Wissens während einer Zeitspanne, die reich war an Ereignissen, die die
Welt prägten, und die für die Entwicklung
der Sanitätsdienste eine höchst interessante
Zeit bildete, vor allem auch wegen den gewaltigen medizinisch-technischen Fortschritten der letzten Jahre bei den Möglichkeiten zur Rettung und Behandlung von
Patienten.
Für die Schweiz mit ihrer Verteidigungsarmee, die für den Sanitätsdienst auf den
Mitteln des Gesundheitswesens des eigenen Landes basieren kann, hatte und hat die
SRMDM nach wie vor einen besonderen
Stellenwert als Bindeglied zwischen den
zivilen und militärischen Fachspezialisten
des In- und Auslands und der Armee, eine
Funktion, die ja auch die SGOS wahrnimmt. Die Struktur unserer Milizarmee
brachte und bringt es auch weiterhin mit
sich, dass die Erkenntnisse aus der Forschung und deren praktische Anwendung,
aber auch die pragmatischen Erfahrungen
bei deren Verwendung in der Friedens- und
Katastrophenmedizin, in der Regel aus dem
zivilen Bereich nach dem Milizprinzip
durch Fachspezialisten in die Armee eingebracht und dort umgesetzt werden müssen.
Es ist auch wesentlich, dass Erfahrungen
der Sanitätsdienste aus reellen Einsätzen
ausländischer Streitkräfte im Hinblick auf
unser System analysiert und ausgewertet
werden.
So ist es denn äusserst verdienstvoll, dass
sich immer wieder Spezialisten als Sanitätsoffiziere nach unserem Milizsystem zur
Verfügung gestellt haben, auf anschauliche
Weise in einem Fachorgan, der Schweizerischen Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin, moderne Entwicklungen und
Erkenntnisse darzustellen, die Zeitschrift
zu redigieren und der Armee zur Verfügung
zu stellen. Allen Beteiligten gebührt dafür
uneingeschränkter Dank. Der gegenwärtige
Aufbau unserer Armee und die sich abzeichnende Entwicklung machen es auch
heute und in den kommenden Jahren unerlässlich, dass das militär- und katastrophenmedizinische Fachwissen zu einem wesentlichen Teil «von aussen» in unsere Armee
eingebracht wird. Das Milizsystem bildet
dafür eine wesentliche Grundlage. Die jubilierende Zeitschrift kann dazu auch in
Zukunft einen wichtigen Beitrag liefern.
Dr. med. Peter Eichenberger, Div a D
Oberfeldarzt und Beauftragter für den
KSD 1.1.1989 – 31.3.2001
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Das schnell verlegbare B-Labor des Sanitätsdienstes
der Bundeswehr
Oberstarzt Prof. Dr. Lothar Zöller, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, Neuherbergstrasse 11, 80937 München,
[email protected]
Key Words: B-Labor, B-Detektion, Bundeswehr
Da die absichtliche Freisetzung
biologischer Agenzien in bioterroristischen Szenarien wahrscheinlich erst durch das Auftreten von
Krankheitsfällen manifest wird,
kommt es auf eine rasch verfügbare medizinische B-Aufklärung
besonders an. Dafür wird eine spezielle Ausrüstung ebenso benötigt
wie geeignete Testverfahren für
die Anwendung an menschlichem
Untersuchungsmaterial. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat zu
diesem Zweck eine schnell verlegbare medizinische B-AufklärungsEinheit aufgebaut, die auch eine
Laborkomponente beinhaltet.
Die Antwort auf Bedrohungsszenarien
im Hinblick auf den Einsatz biologischer
Kampfstoffe umfasst verschiedene Detektionsstrategien (Detect-to-Protect,
Detect-to-Warn, Detect-to-Treat). Diese
zielen darauf ab, intentional ausgebrachte biologische Agenzien noch vor
Erreichen der Population bzw. vor dem
Auftreten von Erkrankungsfällen zu entdecken, um entweder die Exposition zu
vermeiden oder rechtzeitig eine Behandlungs- oder Prophylaxemassnahme einzuleiten.
Kommt es zu einem Krankheitsausbruch, sind schnellstmöglich medizinische Diagnosemassnahmen erforderlich, um das auslösende Agens festzustellen. Die möglichen Szenarien einer
absichtlichen Freisetzung von biologischen Kampfstoffen gehen heute primär von einer asymmetrischen Bedrohungslage aus. Dabei stehen bioterroristische Akteure mit improvisierten
Ausbringungsmitteln im Vordergrund.
Angesichts dieser Szenarien und im
Hinblick auf den technischen Entwick-
lungsstand der Detektionsmethodik ist
es wahrscheinlich, dass die absichtliche Freisetzung biologischer Agenzien
erst durch das Auftreten von Krankheitsfällen bemerkt wird. Sowohl für die
B-Detektion als auch für die medizinische Diagnostik von Erkrankungen
durch biologische Agenzien gibt es
Konzepte für mobile bzw. schnell verlegbare Laboratorien, die sich in ihrer
Aufgabenstellung ergänzen. Kernanforderungen an die medizinische BAufklärung sind die schnelle Verfügbarkeit diagnostischer Kapazitäten, der
Einsatz von Testverfahren, die zur Verwendung an menschlichem Untersuchungsmaterial validiert sind, die Fähigkeit, epidemiologische Umgebungsuntersuchungen zur Ermittlung der
Infektionsquelle durchzuführen sowie
die Implementierung forensischer
Massnahmen im Rahmen der Beweissicherung.
Medizinische B-Labor-Einheit
Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr hat eine modular aufgebaute,
schnell verlegbare medizinische B-Labor-Einheit aufgebaut, die im Rahmen
der Task Force Medizinischer ABCSchutz des Sanitätsdienstes der Bundeswehr eingesetzt werden kann. Eine
lageabhängige Zusammenstellung der
Ausstattungskomponenten bzw. der
Das Material des schnell verlegbaren
Biolabors ist in Rollkoffern und kleinen
Transportkisten verstaut und kann als
Sperrgepäck in zivilen oder militärischen
Luftfahrzeugen transportiert werden.
funktionalen Module (Mission-Tailoring)
ist möglich. Die Ausstattung umfasst
auch eine aufblasbare Laborhülle, welche die Einrichtung und Betrieb des
Labors ausserhalb fester Gebäude ermöglicht.
Die Labortechnik ist im Wesentlichen
PCR-basiert, umfasst aber auch mikroskopische und immundiagnostische
Verfahren. Die einzelnen Module werden mit speziell für die Aufgabe trainiertem Personal betrieben (zum Beispiel
Probennahmemodul: ein Facharzt für
Mikrobiologie, ein Fachtierarzt für Mikrobiologie, ein technischer Assistent;
Labormodul: ein Facharzt für Mikrobiologie, drei technische Assistenten).
Eine Vielzahl von Parametern, hauptsächlich basierend auf selbst entwickelten Tests, ist mittlerweile implementiert. In der Zukunft könnte die
schnell verlegbare medizinische B-Labor-Einheit modularer Bestandteil eines
Rapidly Deployable Outbreak Investigation Teams (RDOIT) gemäss NATO
STANAG 2529 sein, das darüber hinaus auch weitere Module, zum Beispiel
ein Epidemiologie-Modul bzw. ein klinisches Modul, enthalten könnte. Bei
entsprechender
Standardisierung
könnten die einzelnen Module sogar
durch verschiedene Nationen beigetragen werden, so dass die Vision eines
multinationalen RDOIT realistisch erscheint. 35
SW I S S REVIEW O F MILITARY AND DI SASTE R M E DI CI NE
Schweizerische Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin
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Hat der Erkrankungsausbruch natürliche Ursachen?
Ist das Rapidly Deployable Outbreak Investigation
Team Konzept der NATO angemessen?
Oberstarzt Dr. Dirk Densow, Sanitätsamt der Bundeswehr, Dachauer Strasse 128, 80637 München, [email protected]
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Key Words: Biologische Waffen, Aufsuchende Epidemiologie, Ausbruchsuntersuchung
Der medizinische B-Schutz in der
NATO baut seit einigen Jahren eine
schnell verlegbare Kapazität zur
Untersuchung von Erkrankungsausbrüchen auf. Hierbei kommt der
Differenzierung der natürlichen respektive unnatürlichen Ursache des
Ausbruchsgeschehens eine erhebliche politische, ethische, humanitäre und nicht zuletzt medizinischfachliche Bedeutung zu. Basierend
auf dem Rapidly Deployable Outbreak Investigation Team Konzept
(RDOIT-Konzept) haben einige NATO-Nationen mit der Implementierung begonnen.
Für den medizinischen B-Schutz, also
den Schutz vor Gefahren durch die
Nutzung von Bakterien, Viren, Pilzen
oder biologischen Toxinen zu offensiven Zwecken, sind die Fragen, ob ein
Erkrankungsausbruch natürliche Ursachen hatte oder ob er vom Menschen
herbeigeführt wurde, und die Frage,
welches Agens den Ausbruch hervorgerufen hat, von zentraler Bedeutung.
Historischer Überblick
Von diesem Paradigma ist auch die Arbeitsgruppe der NATO, die für den medizinischen ABC-Schutz zuständig ist,
die CBRN Med WG, ausgegangen, als
sie im Frühjahr 2001 ihrem Tochtergremium, der Bio Med AC, auch vor dem
Hintergrund der Anthrax-Anschlagsserie in den Vereinigten Staaten, den Auftrag gegeben hat zu untersuchen, wie
die Vorbereitung des Bündnisses auf
solche speziellen Ausbruchsereignisse
verbessert werden kann. So wurde die
Schaffung einer medizinischen BSchutz Aufklärungskomponente erstmalig im Juni 2001 bei der siebten
Sitzung der Bio Med AC diskutiert. Im
Mai 2002 erklärte sich Frankreich bereit, als Federführer für ein Standardisierungsdokument für ein schnell verlegbares Ausbruchsuntersuchungsteam zur Verfügung zu stehen. Schnell
stellte sich heraus, dass die Formulierung von Auslösemechanismen, von
Umfang und Zusammensetzung der
Teams in einem internationalen Umfeld,
eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist.
Zunächst schon allein deswegen, da
die beteiligten Fachgebietsexperten
aus den verschiedenen Forschungseinrichtungen der NATO-Staaten sich
erstmalig mit der Aufstellung von
schnell verlegbaren Einsatzkräften befassen durften. Die nächste Herausforderung stellte sich mit der Zusammensetzung der Teams. So unterschiedlich
wie die NATO-Mitgliedsstaaten, so
unterschiedlich sind auch die Definitionen für die verschiedenen Berufsgruppen des Gesundheitssystems. So hat
eine Krankenschwester in den Vereinigten Staaten ein Studium absolviert und
bekleidet in den Streitkräften einen Offiziersrang. In Deutschland handelt es
sich dagegen um einen Lehrberuf, was
in den Streitkräften die Einordnung in
die Dienstgradgruppe der Unteroffiziere mit Portepee bedeutet. Daher stellt
das finale Abkommen auch auf Fähigkeiten und nicht auf Dienstgrade oder
Ausbildungsgänge ab. Auch wichen
die Anforderungen der Nationen an die
Sicherung der Beweismittel, die so genannte «Wahrung der Chain-of-Custody», in erheblichem Umfang voneinander ab. Auch hier waren letztlich Kompromisse erforderlich, die es den
Nationen im Bedarfsfall erlauben, (Militär-)Polizisten den RDOIT-Teams beizustellen. Andererseits ist während der
Bearbeitungszeit in den beteiligten Nationen die Auffassung gereift, dass mit
der Ratifizierung und Inkraftsetzung
des Standardisierungsabkommens im
Jahre 2009 der Umsetzungsprozess
nicht nur nicht abgeschlossen sei, sondern erhebliches Engagement erfordere, die Implementierung voranzutreiben
und so sicherzustellen, dass die NATO
tatsächlich über Teams verfügt, die in
der Lage sein werden, die Frage der
natürlichen oder unnatürlichen Ausbruchsursache zu klären.
Zielsetzung und Aufgaben
Ziel der langjährigen Bemühungen war
also die Schaffung eines NATO-Netzwerks zum Vorhalten von RDOIT, mit
dem Ziel der Ausbruchsuntersuchung
bzw. von Ereignissen, bei denen eine
absichtliche Freisetzung von B-Agenzien nicht ausgeschlossen werden kann.
Wichtigster Auslöser ist dabei das
Auftreten einer aussergewöhnlichen
Infektionskrankheit, die in der Region
unbekannt ist und die eine deutlich
höhere Inzidenz oder wesentliche
grössere Fallzahlen als sonst üblich
aufweist. Ein anderer Indikator stellt
eine Erkrankung durch potenzielle BAgenzien dar. Das plötzliche Auftreten
einer bisher nur im Tierreich bekannten Zoonose in einer menschlichen
Population würde ebenfalls den Einsatz von RDOIT nahelegen. Sobald
das NATO Deployment Health Surveillance Center in München die neue
Echtzeitüberwachungssoftware eingeführt haben wird, wird die Erfüllung
der darin hinterlegten Falldefinitionen
einen weiteren Auslöser darstellen.
Auch wenn die Erfüllung einer oder
mehrerer dieser Auslösekriterien aus
technisch wissenschaftlicher Sicht den
Einsatz eines RDOIT erfordert, bleibt
der politische Entscheidungsvorbehalt,
da möglicherweise die Verlegung einer
Aufklärungskomponente als Eskalationsstufe interpretiert werden könnte.
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
Welche Aufgaben haben die RDOIT
dann im Einsatzfall wahrzunehmen?
Zunächst ist es die bestätigte Identifizierung vor Ort. Gemäss NATO-Terminologie erfordert dies zwei voneinander
unabhängige Nachweisemethoden,
d.h. in der Regel mit Antikörper- bzw.
PCR-basierten Testverfahren. Die bestätigte Identifizierung schafft für den
Sanitätsdienst die erforderlichen Voraussetzungen, gezielte medizinische
Massnahmen einleiten zu können. Das
sind neben der Therapie bereits Erkrankter auch die Postexpositionsprophylaxe und Massnahmen zur Isolierung
von
Verdachtsfällen
und
Kontakten. Weiterhin sind die RDOIT zu
befähigen, epidemiologische Untersuchungen durchzuführen.
Kernauftrag im Sinne der Differenzierung zwischen natürlichem Ausbruch
und der willentlichen Freisetzung von
Agenzien ist die qualifizierte Probennahme durch die RDOIT aus Mensch,
Tier, Lebensmitteln und Trinkwasser
sowie im Bedarfsfall auch aus der Umwelt. Erst die nach den Regeln der
Kunst durchgeführte Probennahme,
die Verpackung und der Rücktransport
der Proben in ein für deren Analyse geeignetes Labor schaffen die Voraussetzungen für die zweifelsfreie Identifizierung, die forensische Bewertung und
möglicher militärischer oder politischer
Konsequenzen, die eine willentliche
Freisetzung gegebenenfalls nach sich
zieht. Die Fähigkeit zur qualifizierten
Probennahme durch Fachgebietsexperten, seien sie technische Assistenten oder Wissenschaftler ist auch der
entscheidende Unterschied zu den
Sampling and Identification of Biological, Chemical, and Radiological Agent
(SIBCRA) Teams der ABC-Abwehrtruppe, die in der Regel aus angelernten
Kräften zusammengesetzt sind.
Vor Ort nicht minder wichtig ist der Beratungsauftrag der RDOIT. Sie stehen
unter dem Einsatzvorbehalt des Kommandeurs der eingesetzten NATOKräfte (COM-CJTF) und beraten ihn
und seinen Medical Adviser insbesondere bei der Implementierung antiepidemischer Massnahmen im Zuständigkeitsbereich (AOR).
Zusammensetzung der RDOIT
Relativ schnell während der Konzeptionsphase des RDOIT-Standardisierungsabkommens wurde deutlich,
dass (wenn überhaupt), nur wenige
NATO-Staaten in der Lage sein würden, den vorgängig geschilderten
Funktionsumfang auch personell zu
hinterlegen. Also verständigte man sich
auf das «Lead Nationen»-Konzept: Eine
Nation fingiert als Haupttruppensteller
und ist dann für die logistische Unterstützung des RDOIT verantwortlich.
Inzwischen wurden mit Hilfe des Allied
Command Operations (ACO) zwei Optionen hierzu identifiziert: zum einen
Anweisung auf Zusammenarbeit mit
dem multinationalen ABC-Abwehrbataillon der NATO Response Force (NRF)
oder als Bestandteil der sanitätsdienstlichen Unterstützungskräfte der NRF.
Nach derzeitigem Planungsstand wird
die zweite Lösung vermutlich für NRF
2015 angestrebt. Die Schwierigkeiten
in der multinationalen Zusammensetzung liegen nicht zuletzt in der Tatsache begründet, dass die jeweiligen
Truppensteller verantwortlich für Einsatzklarstand sind, d.h. dass Impfungen und militärische Einsatzvorbereitung im Wesentlichen in nationale
Zuständigkeit fallen. Da ein wesentliches Moment für die Durchführung des
Aufklärungsauftrages an die RDOIT der
Faktor Zeit ist, kommt einem möglichst
kleinen und leichten Team (small footprint) eine besondere Bedeutung zu.
Das bedeutet andererseits aber auch,
dass die RDOIT stets auf Force Protection aus dem zu unterstützenden
Grossverband angewiesen sein werden. Der Spezialauftrag, und der damit
verbundene Körperschutz, verbieten
die Übernahme von Eigenschutzaufträgen.
Über welche Fähigkeiten muss ein
RDOIT verfügen, um den bereits dargelegten Auftrag bewältigen zu können? Als Kernkompetenzen für den
Bereich der Gesundheitsvorsorge und
des Ausbruchsmanagements sind Epidemiologie und Präventivmedizin sowie
Hygiene erforderlich. Zur Unterstützung der eingesetzten sanitätsdienstlichen Kräfte in der Versorgung Erkrankter ist infektiologischer Sachverstand
erforderlich, der für den Bereich der
Identifikation möglicher Erreger oder
Toxine durch mikrobiologische Fachexpertise ergänzt werden muss. Wesentlicher Bestandteil des Kernteams ist
das Element der Probenverpackung
und des -versands, da die internationalen Regularien z.B. der IATA oder des
ADR entsprechende Fach- und Sachkunde verlangen. Nach hiesiger Lesart
bedeutet dies jedoch nicht, dass ein
Team mindestens aus sechs Personen
bestehen müsse, da gegebenenfalls
Teammitglieder mehrere der Kernkompetenzen auf sich vereinigen. Aus Sicht
der Bio Med AC sollte der Führer des
Teams ein Offizier im Rang OF 5 oder
OF 4 sein, um so auch die Sichtbarkeit
im Stab der Combined Joint Task Force
(CJTF) sicherzustellen.
Je nach Einsatzauftrag und -dauer
werden diese Kernfähigkeiten zur Bewältigung des Auftrags nicht hinreichen. So kann es erforderlich sein, das
Fähigkeitsspektrum um Tropenmedizin, Entomologie, Gerichtsmedizin und
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Zum Inhalt/au sommaire
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forensische Probennahme und Toxikologie zu ergänzen. Wie schon dargelegt, fordern einige Nationen zur Sicherstellung der Beweismittelintegretität (Wahrung der Chain-of-Custody) die
Anwesenheit eines Vertreters der Militärpolizei bereits bei der Probennahme,
der die Probe dann auf all ihren bis hin
zur Abgang im zuständigen Labor im
Heimatland begleitet.
Die Übung «Precise Response» als
Beispiel für den Einsatz eines
RDOIT
In den letzten Jahren hat die deutsche
Task Force medizinischer ABC-Schutz
wiederholt an der Übung «Precise Response» am Counter Terrorism Training
Center in Suffield (Kanada) teilgenommen. Übungsschwerpunkt ist die szenariobasierte Übung der SIBCRA-Fähigkeit in einem internationalen
Rahmen. Insofern stehen für den medizinischen B-Schutz Fragen, neben
der rein technischen Probennahme, die
im Rahmen dieser Ausführungen zu
betrachten sind, im Vordergrund. Das
rein medizinische Handeln im Sinne
von Therapieempfehlungen und dergleichen wird nicht beübt. Seit zwei
Jahren stellt die Task Med ABC-Schutz
mit dem schnell verlegbaren Labor die
B-Labor-Fähigkeit für die Übung. Das
gibt dem Team des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr die Möglichkeit, Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Probenmatrizes und den
Probennahmeverfahren der anderen
Nationen zu gewinnen.
Im Unterschied zu einer Reihe anderer
eher theoretischer Standardisierungsvorhaben im Rahmen der NATO war
das RDOIT-Konzept von Anfang an
sehr praxisorientiert. Wechselseitig haben sich dabei nationale deutsche Entwicklungen und die Implementierungs-
Abb. 1: Das deutsche medizinische
B-Schutz Team als Beispiel für ein RDOIT. In
der Abbildung oben ist das Probennahme-,
unten das Laborteam, dargestellt. Rechter
Hand sind die Verstärkungskräfte für
«Precise Response 2012» repräsentiert.
bemühungen
im
multinationalen
Rahmen ergänzt. Für die Bundesrepublik Deutschland ist dabei der medizinische B-Schutz-Anteil der Task Force
medizinischer ABC-Schutz die Instanziierung eines Kern-RDOIT ergänzt um
eine schnell verlegbare Laborkomponente. Die personelle Zusammensetzung erläutert die Abbildung 1. Das
Probennahmeteam besteht im Regelfall aus drei Mitgliedern: einem Mikrobiologen und zwei Assistenten. Für die
Übung «Precise Response», bei der ein
Auftrag für die Task Force auch die Beratung der internationalen SIBCRATeams war, wurde die Gruppe um zwei
weitere Offiziere verstärkt. Das Laborteam besteht in der Regel aus einem
Mikrobiologen und drei Assistenten
und war ebenfalls als Übungskünstlichkeit um einen weiteren Assistenten verstärkt. Zahl und Bemassungen der
Koffer im Schaubild sind nicht zufällig
gewählt. In diesen Koffern ist die ge-
Abb. 2: Leerung der Lebendfalle
samte Grundausstattung, unter Einschluss der Schutzbekleidung und der
erforderlichen Geräte und des Verbrauchsmaterials, für ein geringes Probenaufkommen verpackt. Durch diese
Verpackungsart ist sichergestellt, dass
innerhalb von rund 48 Stunden eine
initiale Probennahme- und Beratungskapazität mit jedem beliebigen Transportmittel in den Einsatz verlegt werden
kann. Zur Erhöhung der Durchhaltefähigkeit bzw. des Probendurchsatzes
wird mehr Verbrauchsmaterial benötigt.
Dadurch steigt das Packvolumen deutlich.
Ein Aspekt indes kann im Rahmen der
Übung «Precise Response» nicht erprobt werden. Das ist das Fangen und
Untersuchen von Vektoren, welches
unter anderem für die Fragestellung der
Differenzierung zwischen einem natürlichen Ausbruch und einer willentlichen
Freisetzung von erheblicher Bedeutung
ist. Über diese Fähigkeit müssen die
RDOIT verfügen. Die Bilderserie schildert dies anhand der Hantavirus-Untersuchung auf einem Truppenübungsplatz
im Südwesten Deutschlands (Abb. 2 bis
5). Wie auch bei einem scharfen Einsatz,
kommt es entscheidend darauf an, die
Proben in ADR-gerechter Form so in
das stationäre Labor zu transportieren,
dass im konkreten Fall Sequenzierungsuntersuchungen, im Einsatzfall zusätzlich die zweifelsfreie Identifizierung
durchgeführt werden kann.
Abb. 3: Tötung des Vektors
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Durch das Bespiel des deutschen
Teams wird somit deutlicher, was das
RDOIT-Konzept in der Anwendung im
Einsatz leisten können sollte.
Unmittelbare Perspektive
Bleibt die Frage, welche nächsten
Schritte im Rahmen der Operationalisierung des Konzepts erforderlich sind.
Nachdem aufgrund verdankenswerter
Unterstützung durch den medizinischen ABC-Schutz Stabsoffizier bei
Allied Command Operations erreicht
wurde, dass die RDOIT-Fähigkeit eine
Planungsnummer erhalten hat, die wiederum Voraussetzung für eine Forderung an die Nationen ist, diese Positionen beispielsweise im Rahmen von
NRF zu besetzen, ist es nun an der Bio
Med AC, mit Standardarbeitsanweisungen die Voraussetzungen für ein
möglichst reibungsloses Zusammenwirken der verschiedenen Fähigkeitsträger zu schaffen mit dem Ziel, die
volle Arbeitsfähigkeit mittelfristig zu
erreichen.
In diesem Zusammenhang stehen
noch einige Herausforderungen für die
Bio Med AC an. Rein wissenschaftlich
betrifft dies den erforderlichen Umfang
an Erregern/Toxinen, die im Rahmen
der bestätigten Identifizierung zu erkennen sind. Mit anderen Worten: wie
viele nicht primär als B-Agenzien in
Frage kommende Erreger müssen die
Teams erkennen können, um bei un-
Abb. 4: Entnahme von Herzblut
charakteristischer Initialsymptomatik
zunächst einmal die richtige Diagnose
zu stellen?
Wesentlich schwieriger wird eine Einigung hinsichtlich der Laborbestätigung
werden. Das schliesst die Frage ein, in
welches Labor die Proben versendet
werden. Erfolgt die Einsendung in ein
Labor der Lead-Nation oder gehen die
Proben an alle dem jeweiligen RDOIT
beteiligten Nationen? Wie sieht es mit
dem Versand der Proben an Dritte aus,
wenn nur darüber die entsprechende
Fachexpertise zu erreichen ist? Und
wie ist die Verfügbarkeit der Resultate
zu regeln? Erhalten alle am eingesetzten RDOIT beteiligten Nationen Zugang
oder alle, die in der Bio Med AC mitarbeiten? Was geschieht mit notwendigerweise klassifizierter Information über
Datum und Ort der Probennahme,
wenn das empfangende Labor eine
zivile Einrichtung ist? Somit bleibt für
die Bio Med AC noch eine Menge
Kernarbeit zu leisten, bevor eine vollständige Operationalisierung des RDOIT-Konzepts erreicht werden kann.
Zusammenfassung und
Bewertung
Der medizinische B-Schutz in der
NATO baut seit einigen Jahren eine
schnell verlegbare Kapazität zur Untersuchung von Erkrankungsausbrüchen
auf. Hierbei kommt der Differenzierung
der natürlichen respektive unnatürli-
Abb. 5: Organentnahme
chen Ursache des Ausbruchsgeschehens eine erhebliche politische, ethische, humanitäre und nicht zuletzt
medizinisch-fachliche Bedeutung zu.
Basierend auf dem RDOIT-Konzept haben einige NATO-Nationen mit der Implementierung begonnen. Am Beispiel
der deutschen Umsetzung wird gezeigt, dass mit beträchtlichem Aufwand
eine nationale Fähigkeit aufgebaut werden kann. Insoweit kann die Frage
nach der Angemessenheit des Konzepts bejaht werden. Genauso deutlich
muss aber gesagt werden, dass für
eine multinationale, d.h. mehr als zwei
Nationen umfassende Zusammensetzung der Teams noch erhebliche Herausforderungen zu meistern sind. Abstract:
Is the illness outbreak due to natural
causes? Is NATO’s Rapidly Deployable Outbreak Investigation Team
concept adequate?
Over the last few years, NATO’s biological protection task force has been
building up a rapidly deployable capacity to investigate illness outbreaks.
Here, the distinction between natural
and unnatural causes of an outbreak
has great political, ethical, humanitarian and, not least, medical significance.
Based on the Rapidly Deployable Outbreak Investigation Team concept
(RDOIT concept), some NATO countries have begun the implementation
process.
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Rüstungskontrolle – ein alter Zopf oder eine aktuell
wichtige Aufgabe?
Cédric Invernizzi, Ph.D., CBRN Arms Control Expert, Federal Office for Civil Protection FOCP, SPIEZ LABORATORY, Biology, 3700 Spiez,
[email protected]
40
Key Words: Rüstungskontrolle, chemische
und biologische Waffen, Dual-Use-Dilemma
Die Wurzeln der Rüstungskontrolle
von chemischen und biologischen
Waffen liegen weit in der Vergangenheit zurück. Trotzdem hat die
Rüstungskontrolle in diesem Bereich bis heute nichts an Aktualität verloren. Die diversen internationalen Bemühungen, sich nicht
nur ausschliesslich auf staatliche
Aktivitäten zu fokussieren, sondern zunehmend auch terroristische Aspekte mit einzubeziehen,
stellen eine grosse Herausforderung für die multilateral ausgehandelten Konventionen und Regime
dar. Dabei stehen oft die bewusst
politisch gehaltenen Wortlaute der
Konventionen und Regime im Kontrast zu neuen Errungenschaften
in Wissenschaft und Technologie.
Mit der Verpflichtung, dass Staaten jegliche Massnahmen zur vollen Umsetzung der Konventionen
zu ergreifen haben, ist unter diesen
neuerlichen Gesichtspunkten auch
die Forschung zunehmend betroffen. Deshalb ist in der Forschung
das Bewusstsein um das Dual-UseDilemma zu steigern, um damit ein
verantwortungsvolles Verhalten eines jeden Forschenden nachhaltig
zu fördern.
2012 sorgten zwei wissenschaftliche
Untersuchungen (1, 2) zum Vogelgrippevirus H5N1 und dessen mögliche
Übertragbarkeit von Mensch zu
Mensch für Furore und lösten eine weltweit heftige Debatte über Dual-UseForschung aus. Dabei stand das Spannungsfeld
zwischen
Sicherheit,
Verantwortung und Forschungsfreiheit
im Zentrum der Diskussion. Eine mögliche Zensur wurde zeitweilig in Aussicht gestellt, jedoch wurden die Resul-
tate der niederländischen und
US-amerikanischen Forschergruppen
schliesslich vollumfänglich in Fachblättern publiziert.
Auf den ersten Blick ist ein Bezug zur
Rüstungskontrolle kaum ersichtlich. Ein
Zusammenhang folgt aber als logische
Konsequenz aus der historischen Entwicklung der Rüstungskontrolle von
biologischen und chemischen Waffen.
Genfer Protokoll von 1925 gilt als
Grundstein
Obwohl die Anfänge der Rüstungskontrolle von biologischen und chemischen
Waffen im späten 19. Jahrhundert auf
den Haager Abkommen von 1899
gründen, stellt das Genfer Protokoll
von 1925 (3) den eigentlichen Grundstein für eine entsprechende Rüstungskontrolle dar. Dieses verbietet den Einsatz von chemischen und biologischen
Waffen als Mittel zum Krieg und ist
damit ein wichtiges Element des modernen humanitären Völkerrechts. Die
jüngsten Entwicklungen in Syrien zeigen, wie aktuell dieses Instrument noch
heute ist. Die zurzeit (Juli 2013) von der
UNO geplante Untersuchung von mutmasslichem Einsatz von chemischen
Waffen im bewaffneten Konflikt ist ein
dem UNO-Generalsekretär zur Verfügung stehender Mechanismus (4), dessen Ursprung im Genfer Protokoll zugrunde liegt.
Die internationale Gemeinschaft realisierte nach dem Zweiten Weltkrieg,
dass ein Verbot, welches den Einsatz
von biologischen und chemischen Waffen untersagt, zu wenig weit greift, um
die Aufrüstung mit und die Verbreitung
von solchen Waffen wirkungsvoll zu
verhindern. Entsprechend wurden Verhandlungen mit dem Ziel eines umfassenden Verbots von chemischen und
biologischen Waffen aufgenommen. Da
ein erfolgreicher Abschluss solcher
Verhandlungen für chemische Waffen
sich politisch viel schwieriger gestaltete, wurde 1972 mit dem Biowaffenübereinkommen (5) zunächst ein umfassendes Verbot von biologischen
Waffen und Toxinwaffen erreicht, indem
auch deren Entwicklung, Herstellung
und Lagerung untersagt sind. Erst
1993, nach dem Ende des Kalten Krieges, konnten die Verhandlungen für ein
Chemiewaffenübereinkommen (6) erfolgreich abgeschlossen werden. Damit existieren nun zwei separate Konventionen, die ein umfassendes Verbot
zweier Kategorien von Massenvernichtungswaffen zum Ziel haben.
Obwohl das ausgehandelte Zusatzprotokoll des Chemiewaffenübereinkommens einen gewissen Grad der Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen zulässt, werden zunehmend
mögliche Schlupflöcher ausgemacht.
Grund hierfür ist die politisch geprägte
Natur des Vertragstextes, der im Spannungsverhältnis zu den Fortschritten in
Wissenschaft und Technologie steht.
Beispielsweise lässt das Chemiewaffenübereinkommen die Verwendung der
toxischen Eigenschaften von Substanzen zur Gesetzesvollstreckung, dem so
genannten «law enforcement», zu. Jedoch wurde aus verschiedenen Gründen auf eine Definition von «law enforcement» verzichtet, was sich nun als Ausgangspunkt einer Erosion des
umfassenden Verbots von chemischen
Waffen erweisen könnte. Im Fokus steht
die Verwendung der toxischen Eigenschaften von Substanzen, insbesondere von handlungsunfähig machenden
chemischen Stoffen, den so genannten
«incapacitiating chemical agents» (7), in
einer Welt der zunehmend asymmetrisch geführten Konfliktformen.
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Zum Inhalt/au sommaire
In die Zeit der Verhandlungen für das
Chemiewaffenübereinkommen
fällt
auch die Entstehung der so genannten
Australiengruppe (8). Auslöser war
1984 eine Untersuchung der UNO, die
zum Schluss kam, dass das Regime
von Saddam Hussein im Iran-Irak Krieg
chemische Waffen eingesetzt hatte und
diese zumindest teilweise mit Hilfe von
Vorläuferchemikalien und Gerätschaften, die über legitime Handelswege
erworben worden waren, hergestellt
hatte. Die von vielen industrialisierten
Staaten unmittelbar eingeführten Exportkontrollen von bestimmten Substanzen und Gütern wurden nicht zuletzt
aufgrund fehlender Einheitlichkeit der
Kontrollen umgangen. Auf Initiative
Australiens wurde deshalb 1985 die
Australiengruppe ins Leben gerufen,
um die nationalen Exportkontrollen zu
harmonisieren.
Exportkontrolle im Dilemma
Die Entwicklung von hochwertigen Gerätschaften, die für deren erfolgreichen
Einsatz immer weniger Fachwissen
voraussetzen, stellen eine grosse Herausforderung für die Konventionen und
Regime dar. Dies reflektiert sich exemplarisch im ständig zunehmenden
Marktanteil von Einweggeräten und
«Do-It-Yourself»-Geräten. Beispielsweise ist ein Trend hin zu Einwegbioreaktoren beobachtbar und «Do-ItYourself»-PCR-Geräte sind selbst für
private Haushaltsbudgets mittlerweile
erschwinglich. In der Folge nimmt auch
die Vermischung von biologischen und
chemischen Herstellungsprozessen im
Sinne einer Konvergenz der beiden
Disziplinen markant zu. Neue Technologien, wie beispielsweise die synthetische Biologie, die bereits verschiedene
«proof-of-concepts» erarbeiten konnte
(9, 10) und industriell genutzt wird (11),
oder aber die Nanotechnologie, so bei-
spielsweise auf dem Gebiet der Aerosolforschung (12) und dem Targeting
von Nanocarriern (13), machen die
zukünftigen Aufgaben einer wirkungsvollen Exportkontrolle nicht einfacher
und sind eine Herausforderung für die
beiden Konventionen. Vor dem Hintergrund, dass zunehmend nicht nur
staatliche Aktivitäten, sondern vermehrt auch der Terror im Fokus der
Non-Proliferation steht, verwischen
sich zusehends auch die Grenzen zum
Forschungsbereich, der sich bezüglich
Gerätschaften bis anhin klar von industriellen Applikationen abgrenzte und
kaum tangiert war. Somit befindet sich
die Exportkontrolle zusehends im Dilemma zwischen Verhinderung der Proliferation und Behinderung der Forschung.
Die zusätzliche Fokussierung der Staaten auf Terroraspekte verstärkte sich
massgeblich nach dem Ende des Kalten Krieges, insbesondere nach den
Ereignissen in Japan rund um die Aum
Shinrikyo Sekte mit ihren Anschlägen
mit verschiedenen chemischen und
biologischen Waffen. Im Nachgang an
9/11 und «Amerithrax» in den USA folgte schliesslich die Resolution 1540 des
UNO-Sicherheitsrats (14), die allen
Staaten jegliche Unterstützung von Terror mit Massenvernichtungswaffen untersagt und sie dahingehend zur Erlassung nationaler Gesetze verpflichtet.
Diese veränderte Wahrnehmung von
rein staatlichen Massenvernichtungswaffenprogrammen hin zu Terror mit
solchen Waffen, bedeutete nicht nur für
die Australiengruppe eine zusätzliche
Herausforderung, sondern hatte auch
Konsequenzen für das Biowaffen- und
das Chemiewaffenübereinkommen,
indem der auf staatliche Aktivitäten
konzentrierte Fokus um den Terroras-
pekt erweitert wurde. Beide Konventionen verlangen nämlich von den Vertragsstaaten, dass diese jegliche Art
von Massnahmen ergreifen, um die
vollständige nationale Umsetzung der
Konventionen zu ermöglichen. In der
heutigen Auslegung heisst dies nun
aber nicht mehr nur die Verhinderung
von staatlichen Massenvernichtungswaffenprogrammen, sondern zusätzlich die konsequente Verhinderung
jeglicher Art von terroristischen Aktivitäten durch Gruppen bis hin zu Individuen mit solchen Waffen.
Dazu gehören nach Ansicht der Weltgemeinschaft auch präventive Massnahmen zur Verminderung des Risikos
eines Missbrauchs von Dual-Use Forschung. Als solche wird eine legitime
zivile Forschung bezeichnet, die zugleich für schädliche Zwecke missbraucht werden kann. Das Portfolio an
möglichen Massnahmen umfasst z. B.
Managementstandards für Biosafety
(15) und Biosecurity (15), die Sensibilisierung von Forschenden für das DualUse-Dilemma in der Forschung bezüglich der gesetzlichen Verpflichtungen
sowie der ethischen und moralischen
Überlegungen und, damit einhergehend, die Förderung einer Kultur des
verantwortungsvollen Verhaltens.
Heftige Debatte über Dual-UseForschung
Bereits 2001 – das Jahr der AnthraxAnschläge – wurde in den USA eine
Debatte über Dual-Use-Forschung geführt. Auslöser waren damals mehrere
wissenschaftliche Publikationen, darunter die Beschreibungen eines genetisch rekombinierten Mäusepockenvirus (16), gegen welches Impfstoffe
wirkungslos sind, sowie einer künstlichen Synthese des Poliovirus (9) , womit ein infektiöses und replikationsfähi-
41
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Schweizerische Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin
Revue suisse de médecine militaire et de catastrophe
Zum Inhalt/au sommaire
Rivista svizzera di medicina militare e di catastrofe
42
ges Virus aus chemischen Bausteinen
erschaffen wurde. In der Folge riefen
die USA den National Science Advisory Board for Biosecurity (NSABB) (17)
ins Leben, welcher unter anderem mit
der Aufgabe betraut ist, Empfehlungen
zu Dual-Use-Forschung abzugeben.
Im Fokus des NSABB ist heute die so
genannte «dual-use research of concern» (DURC). DURC ist jener Teil der
breiter gefassten Dual-Use-Forschung,
der ein direktes Missbrauchspotenzial
aufweist und damit eine signifikante
Bedrohung mit weitreichenden Konsequenzen darstellt, etwa für das Gesundheitswesen oder die nationale Sicherheit. Der NSABB nennt zudem zur
Veranschaulichung von DURC sieben
Arten von Experimenten (18), so etwa
die Übertragbarkeit eines Erregers zu
steigern oder das Wirtsspektrum zu
modifizieren.
In die Kategorie von DURC fallen nach
Ansicht des NSABB auch die zwei zu
Beginn erwähnten Untersuchungen (1,
2) zum Vogelgrippevirus H5N1 und zu
seiner möglichen Übertragbarkeit von
Mensch zu Mensch. Experten weltweit
sind sich zwar einig, dass beide Studien als Dual-Use-Forschung zu betrachten sind und einige der «sieben Experimente» vollführt wurden. Allerdings
gehen die Meinungen auseinander, ob
es sich bei beiden Studien um DURC
handelt und tatsächlich ein direktes
Missbrauchspotenzial besteht.
Jedenfalls lösten die Arbeiten der beiden Forschergruppen aus den Niederlanden und den USA eine heftige Debatte generell über Dual-Use-Forschung
aus, wobei Sicherheitsaspekte sowie
die Verantwortung und die Forschungsfreiheit von Wissenschaftlern im Zentrum der Auseinandersetzung standen.
Zunächst wurde im November 2011
die vollständige Veröffentlichung der
Experimente in der bestehenden Form
durch den NSABB zur Ablehnung empfohlen. Damit brachte der NSABB zum
ersten Mal in den Biowissenschaften
die Zensur ins Spiel. Nach monatelangen Debatten und einem von den Forschenden selbst verhängten Moratori-
um für Arbeiten zur Übertragbarkeit
von H5N1, wurden viele zusätzliche
Details zu den Experimenten bekannt.
Dabei änderten die Forschenden
schrittweise ihre anfänglich effekthascherischen Aussagen: aus den apokalyptisch anmutenden Szenarien wurden schliesslich den experimentellen
Daten getreue Ergebnisse. Nach Wiedererwägung durch den NSABB wurde
letztlich auf jegliche Zensur verzichtet,
so dass die beiden Forschergruppen
ihre Resultate in den Fachblättern «Nature» bzw. «Science» in vollständiger
Form präsentieren konnten.
Gegen generelle Exportbewilligungspflicht wird rekurriert
Ein wichtiges Detail der Debatte blieb
jedoch weitgehend unbemerkt: Die niederländischen Behörden verlangten für
die definitive Veröffentlichung der Ergebnisse von der Forschergruppe rund um
Ronald Fouchier am Erasmus Medical
Centre in Rotterdam einen Exportbewilligungsantrag für den Transfer der darin
enthaltenen Technologie. Die rechtlichen Grundlagen zur Exportkontrolle
der EU (19) sehen eine generelle Exportbewilligungspraxis für den Transfer von
Technologie vor, die im Zusammenhang
mit bestimmten Gütern steht. Darunter
fallen auch verschiedene Krankheitserreger, wie beispielsweise das Vogelgrippevirus H5N1, sowie genetische Elemente von solchen Krankheitserregern.
Allerdings gibt es einige Ausnahmen zu
dieser Exportkontrollregelung: Während die angewandte Forschung
grundsätzlich der Exportbewilligungspflicht unterliegt, ist die Grundlagenforschung davon ausgenommen. Der
vorliegende Fall wurde seitens der niederländischen Behörden als angewandte Forschung eingestuft. Diese
Interpretation ist umstritten. Die Arbeit
scheint weit von einer praktischen Anwendung entfernt. Und so sträubte
sich die Gruppe zunächst gegen ein
solches Vorgehen, beantragte aber
trotz gegenteiliger Meinung schliesslich
doch eine Exportbewilligung. Nach eingehender Analyse beurteilten die niederländischen Behörden das Gesuch
positiv und erteilten die Exportbewilligung, einerseits gestützt auf die Forschungsresultate und andererseits die
Argumente der Debatte abwägend. Die
positive Beurteilung des Gesuchs hinderte die Forschergruppe nicht daran,
gegen die Einstufung ihrer Forschungsergebnisse als der Exportbewilligungspflicht unterstehend vor Gericht zu rekurrieren. Ein richterlicher Entscheid ist
bis heute ausstehend.
In Anbetracht der Einstufung der Arbeit
als angewandte Forschung stellt sich
die Frage, was heute als Grundlagenforschung gilt und was als angewandte
Forschung zu betrachten ist. Tatsache
ist, dass der Kampf um Forschungsmittel über die Jahre härter geworden
ist. Eine weltweit ansteigende Zahl an
Projekten sieht sich mit weniger schnell
ansteigenden finanziellen Mitteln konfrontiert. Dementsprechend ist es heute kaum noch vorstellbar, dass Forschung in den Biowissenschaften
finanziert wird, ohne dass mögliche
Anwendungen der Forschungsergebnisse überzeugend dargestellt oder
zumindest erklärt wird, worin der Mehrwert für die Gesellschaft liegen könnte.
Heisst dies womöglich, dass die Mehrheit der Forschungsprojekte zu gelisteten Krankheitserregern, aufgrund der
Argumentation für ihre Finanzierung,
als angewandt zu betrachten ist? Driftet mit dieser Auslegung diese Art von
Forschung nun generell in den Fokus
von Exportkontrollen, indem für die Veröffentlichung Exportbewilligungen verlangt werden? Benötigen wir in Zukunft
nebst dem bisherigen wissenschaftlichen «peer review»-Prozess zusätzlich
eine Überprüfung durch Exportkontrollbehörden?
Die noch ausstehende richterliche Verfügung in den Niederlanden darf somit
mit Spannung erwartet werden, umso
mehr vor dem Hintergrund der jüngsten
Publikation (20) zum Thema, die den
Status des veränderten Erregers als
Vogelgrippe in Frage stellen könnte. Mit
ihrer Einstufung haben die Niederlande
jedenfalls eine Art Präzedenzfall geschaffen, der die Forschung weltweit
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
betreffen könnte und genügend Stoff
für weitere globale Debatten liefert.
Möglichst breit abgestützte Lösungsansätze sind nun gefragt. Generell
wünschenswert ist ein höheres Mass
an Bewusstsein aller Beteiligten um
das Dual-Use-Dilemma, vor allem auch
bei Forschenden.
mann G, Kawaoka Y. Experimental adaptation of an influenza H5 HA confers respiratory
droplet transmission to a reassortant H5 HA/
gov/oba/biosecurity/PDF/United_States_
2;486(7403):420-8.
Government_Policy_for_Oversight_of_
3. http://disarmament.un.org/treaties/t/1925/
text
4. http://www.un.org/disarmament/WMD/Sec-
1. Herfst S, Schrauwen EJ, Linster M, Chutini-
J:L:2012:129:0012:0280:EN:PDF
6. http://disarmament.un.org/treaties/t/cwc
H, McCauley JW, Locher K, Walker PA, Col-
7. Seite 20 (Paragraphen 83-86) unter: http://
lins PJ, Kawaoka Y, Skehel JJ, Gamblin SJ.
www.opcw.org/file/file/report_of_the_scienti-
Receptor binding by a ferret-transmissible H5
fic_advisory_board_on_developments_in_sci-
avian influenza virus. Nature. 2013 May
ence_and_technology_for_the_third_spec/
8. http://www.australiagroup.net/
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21. Zhang Y, Zhang Q, Kong H, Jiang Y, Gao Y,
9. Cello J, Paul AV, Wimmer E. Chemical synthe-
Deng G, Shi J, Tian G, Liu L, Liu J, Guan Y,
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Bu Z, Chen H. H5N1 Hybrid Viruses Bearing
virus in the absence of natural template. Sci-
2009/H1N1 Virus Genes Transmit in Guinea
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10. Gibson DG, Glass JI, Lartigue C, Noskov VN,
Chuang RY, Algire MA, Benders GA, Montague MG, Ma L, Moodie MM, Merryman C,
Vashee S, Krishnakumar R, Assad-Garcia N,
Andrews-Pfannkoch C, Denisova EA, Young
L, Qi ZQ, Segall-Shapiro TH, Calvey CH, Parmar PP, Hutchison CA 3rd, Smith HO, Venter
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a chemically synthesized genome. Science.
2010 Jul 2; 329(5987):52-6.
11. http://en.sanofi.com/Imaen.pdf
12.Schmoll LH, Elzey S, Grassian VH,
O’Shaughnessy PT. Nanoparticle aerosol
generation methods from bulk powders for
inhalation exposure studies. Nanotoxicology.
2009 Dec;3(4):265-75.
13. Rodriguez PL, Harada T, Christian DA, Pantano DA, Tsai RK, Discher DE. Minimal «Self»
peptides that inhibit phagocytic clearance
and enhance delivery of nanoparticles. Sci14. http://www.un.org/ga/search/view_doc.
asp?symbol=S/RES/1540(2004)
mitkul S, de Wit E, Munster VJ, Sorrell EM,
15. Definitionen beider Begriffe auf Seite 47 un-
Bestebroer TM, Burke DF, Smith DJ, Rim-
ter: http://www.who.int/entity/csr/resources/
melzwaan GF, Osterhaus AD, Fouchier RA.
europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=O
20. Xiong X, Coombs PJ, Martin SR, Liu J, Xiao
ence. 2013 Feb 22; 339 (6122): 971-5.
Literatur
DURC_FINAL_version_032812.pdf
19. Seite 90 (1C352, a, 2) unter: http://eur-lex.
5. http://disarmament.un.org/treaties/t/bwc
ges/32474_20130411_ARTEMISININE_
Im Bereich der Bewusstseinsförderung
stellen das Biowaffen- und das Chemiewaffenübereinkommen seit Jahren
Handlungsbedarf fest und ermutigen
die Staatengemeinschaft zu vermehrten
Sensibilisierungsmassnahmen
(education and outreach) in der Forschung. Dort verstärkt das Labor Spiez
seine nationalen Bemühungen mit entsprechend geeigneten Aktivitäten.
nsabb.html
18. Seite 2 (Section III, 2) unter: http://oba.od.nih.
H1N1 virus in ferrets. Nature. 2012 May
retary-General_Mechanism/
Vermehrte Sensibilisierungsmassnahmen in der Forschung
Die von mehreren Forschenden anfänglich gemachten Aussagen zeugen jedenfalls von einem mangelnden Bewusstsein
des Dual-Use-Dilemmas. Dieser Umstand widerspiegelt sich einmal mehr in
den jüngsten Debatten rund um die
druckfrischen Publikationen (20, 21) zum
Thema Vogelgrippe. Es scheint, als ob
zuerst der globale Sturm der Entrüstung
durch effekthascherische Äusserungen
entfacht werden muss, bevor ein sachlicher Kommunikationsstil Einzug hält.
Dies zeigt exemplarisch den hohen Stellenwert einer von Beginn weg umgesetzten verantwortungsvollen Kommunikationsstrategie. Ein professioneller, auf
Fakten basierender Umgang mit DualUse-Forschung sollte Bestandteil eines
verantwortungsvollen Verhaltens eines
jeden Forschenden sein.
17. http://oba.od.nih.gov/biosecurity/about_
publications/biosafety/Biosafety7.pdf
Airborne transmission of influenza A/H5N1
16. Jackson RJ, Ramsay AJ, Christensen CD,
virus between ferrets. Science. 2012 Jun
Beaton S, Hall DF, Ramshaw IA. Expression
22;336(6088):1534-41.
of mouse interleukin-4 by a recombinant ec-
2. Imai M, Watanabe T, Hatta M, Das SC,
tromelia virus suppresses cytolytic lympho-
Ozawa M, Shinya K, Zhong G, Hanson A,
cyte responses and overcomes genetic re-
Katsura H, Watanabe S, Li C, Kawakami E,
sistance to mousepox. J Virol. 2001
Yamada S, Kiso M, Suzuki Y, Maher EA, Neu-
Feb;75(3):1205-10.
Jun 21;340(6139):1459-63.
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Schweizerische Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin
Revue suisse de médecine militaire et de catastrophe
Zum Inhalt/au sommaire
Rivista svizzera di medicina militare e di catastrofe
Das neue Biosicherheitslabor – der komplexe Weg bis
zur Inbetriebnahme
Dr. phil. nat. Marc Strasser, Mikrobiologe, Chef Gruppe Virologie im Labor Spiez, Bundesamt für Bevölkerungsschutz,
3700 Spiez, [email protected]
44
Key Words: Biosicherheitslabor, Biosicherheitsstufen, Validierungen, hoch pathogene
Krankheitserreger
Für die Analytik von hoch pathogenen Krankheitserregern und potenziellen biologischen Kampfstoffen
ist eine Infrastruktur der höchsten
biologischen Sicherheitsstufen 3
und 4 (BSL-3, BSL-4) notwendig.
Mit dem Bau des Biosicherheitslabors in Spiez ist eine grundlegende Lücke im schweizerischen
B-Schutz geschlossen worden. In
diesem Artikel wird das nun fast
17-jährige Projekt erörtert und die
Komplexität der Einzelsysteme sowie der Weg der integralen Testreihen und Validierungsarbeiten bis
zur sicheren Inbetriebnahme beschrieben.
Einleitung
Das Biosicherheitslabor in Spiez erlaubt den Umgang mit den gefährlichsten humanpathogenen Krankheitserregern, welche den Risikogruppen (RG)
3 und 4 (höchste Gruppe) angehören.
Dieses Labor ermöglicht die sichere
und rasche Diagnose von potenziellen
B-Kampfstoffen bzw. von speziellen
hoch pathogenen Krankheitserregern
und steht sowohl dem militärischen als
auch zivilen Bereich bei der Ereignisbewältigung und für Forschungszwecke
zur Verfügung.
Mit der Inbetriebnahme des Biosicherheitslabors wird eine Lücke im schweizerischen B-Schutz geschlossen.
Die Aufgaben des Labors
Diagnostik spezieller Krankheitserreger
Die Diagnostik wird zugunsten militärischer und ziviler Bedürfnisträger angeboten, inklusive Analytik unbekannter
klinischer Proben und Umweltproben.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass dafür
die Kompetenzen im A-, B- und CSchutz vereinigt werden müssen. Diese
Voraussetzung ist im LABOR SPIEZ
erfüllt. Weiter in diesen Aufgabenbereich gehört die nationale Referenzfunktion für spezielle Krankheitserreger.
Ausbildung und Training
Bedürfnisträger aus dem Bereich der
Biosicherheit sollen praxisbezogen
ausgebildet und trainiert werden können. Das Kurskonzept wird zusammen
mit nationalen Fachstellen, internationalen Laborpartnern und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt. Fachspezialisten der Armee
werden von dieser Ausbildung (Nachweis von B-Kampfstoffen) ebenfalls
profitieren können.
Forschung und Entwicklung
Forschungsprojekte werden in Zusammenarbeit mit universitären Instituten
organisiert. Dabei geht es hauptsächlich um die Erarbeitung von Grundlagen
für die Diagnostik von humanpathogenen Krankheitserregern. Im Vordergrund steht die Entwicklung neuer
Nachweistmethoden für bekannte und
unbekannte Erreger.
Das Projekt mit Standort Spiez
1996 wurde aus dem damaligen BDienst der Armee in Zusammenarbeit
mit dem LABOR SPIEZ das Bedürfnis
formuliert, für die Schweiz ein Sicherheitslabor der höchsten Biosicherheitsstufe (BSL-4) für die Analytik von potenziellen
B-Kampfstoffen
von
human-pathogenen Krankheitserregern zu errichten.
Nach einer mehrjährigen Vorprojektphase und Standortabklärung liess der
Bundesrat 2005 den Bedarf für Hoch-
sicherheitslabors abklären und kam
zum Schluss, dass
„„
der Bedarf für ein weiteres Hochsicherheitslabor im Humanbereich
vorhanden ist;
„„
das Sicherheitslabor in Spiez, zusammen mit dem Nationalen Referenzzentrum für neu auftretende Virusinfektionen (NAVI) in Genf und
dem Institut für Virologie/Immunologie (IVI) in Mittelhäusern, den Bedarf
in idealer Weise abdeckt.
Gestützt auf diverse weitere Abklärungen fällten die eidgenössischen Räte
Ende 2006 den Entscheid zum Investitionskredit von 28,5 Millionen Franken
für den Bau in Spiez.
Ab 2007 wurden die Bauaufträge durch
die armasuisse ausgeschrieben. Ende
2007 erfolgte mit dem Spatenstich der
Baustart, welcher Mitte 2010 abgeschlossen wurde.
Die Konstruktion
Der Kernbereich mit den Laboreinheiten ist ein kompakter, annähernd quadratischer Betonkasten. Dadurch entsteht eine Tragstruktur, die bezüglich
Stabilität optimale Voraussetzungen für
die Erdbebensicherheit bietet. Ein Beben, vergleichbar mit Basel (1356) oder
Haiti (2009), übersteht das Sicherheitslabor ohne Risse in der Hülle. Die Tragstruktur bleibt integer.
Die Betonkonstruktion wurde durch eine
massive Armierung verstärkt. Dadurch
erhält das Bauwerk nicht nur die nötige
Stabilität im Erdbebenfall, sondern auch
die geforderte Rissfreiheit im Hinblick
auf die Dichtheit der Gebäudehülle.
Das Biosicherheitslabor ist mit einer
vollautomatischen Brandmeldeanlage
ausgerüstet, die im Fall einer Feuerent-
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
wicklung Alarm auslöst. Gleichzeitig
werden über die Systemsteuerung die
gasdichten Zu- und Abluftklappen geschlossen, so dass kein zusätzlicher
Sauerstoff in das Labor gelangt und die
Filtereinheiten durch Rauch und Russpartikel nicht verstopft werden können. Mit einem Druckentlastungssystem auf Bodenniveau kann der durch
die Hitze entstehende Überdruck aufgefangen werden.
Aufgrund der Brandalarmsteuerung
und der geringen Brandlasten in den
Labors erlischt ein Feuer ohne Bekämpfung nach spätestens 30 Minuten. Entsprechend sind die einzelnen
Bauteile der Labors so ausgelegt, dass
sie einem Feuer eine halbe Stunde widerstehen können.
Das Biosicherheitslabor ist als «Box-inBox»-System konzipiert: Eine äussere
Box mit Sicherheitskorridor und Tech-
www.Labor-Spiez.ch
nikräumen umschliesst die innere Box
mit den Laborbereichen (Abb. 1).
Die innere Box mit den Laboreinheiten
und den Schleusensystemen besteht
aus einer rissfreien, erdbebensicheren
Stahlbetonkonstruktion. Boden, Wände und Decken sind mit Epoxydharz
beschichtet. Die Fenster bestehen aus
Panzerglas und sind luftdicht mit der
Betonkonstruktion verbunden. Die
Schleusentüren im Laborbereich sind
aus qualitativ hochwertigem, rostfreiem
Stahl mit speziellen Dichtungen. Sämtliche Installationsdurchführungen wie
Elektrokabel, Lüftungs- oder Wasserrohre sind ebenfalls luftdicht mit der
Betonkonstruktion verbunden.
Sicherheitsverglasung. Von aussen
kann man direkt in den Sicherheitskorridor sehen. Dieser wiederum bildet die
geschützte Zone um den Laborbereich.
Der Sicherheitskorridor wird als Transportweg und im Notfall auch als Fluchtweg benutzt (Abb. 2). Im Normalbetrieb
des Sicherheitslabors ist er zudem für
Besucher in Begleitung begehbar und
erlaubt einen Einblick in die Laborräume.
Der sichtbare Teil der äusseren Box bildet eine geschlossene Glasfassade mit
Abb. 2: Der begehbare Sicherheitskorridor
Technische
Sicherheitseinrichtungen
Das Biosicherheitslabor ist ein Containmentsystem. Dieses System sorgt dafür, dass die in den Labors bearbeiteten
Krankheitserreger das Personal nicht
gefährden und nicht in die Umwelt gelangen können. Dazu braucht es:
„„
spezielle Sicherheitsinstallationen
und persönliches Schutzmaterial wie
zum Beispiel Sicherheitswerkbänke
und belüftete Vollschutzanzüge;
„„
luftdicht abgeschlossene Räume,
Unterdruckhaltung in den Labors
und Schleusensystemen.
Abb. 1: Das Biosicherheitslabor mit den zwei Stufe 4 Labors und den beiden Stufe 3 Labors.
Unten rechts im Querschnitt befindet sich der Laborbereich, welcher 25 Prozent des
Gebäudevolumens ausmacht. Im Untergeschoss sowie im Obergeschoss befinden sich die
technischen Installationen.
Die Abluft sowie sämtliche feste und
flüssige Abfälle müssen speziell behan-
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Zum Inhalt/au sommaire
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delt respektive inaktiviert werden, bevor sie das Sicherheitslabor verlassen.
Die Abluft wird über ein hoch effizientes
Filtersystem filtriert.
46
Feste Abfälle werden über Autoklaven
mit einer Hitzeinaktivierung direkt aus
den Labors in den Sicherheitskorridor
ausgeschleust.
Flüssige Abfälle, inklusive Abwasser
der Dekontaminationsduschen, werden in Lagertanks aufgefangen und
über Dampfsterilisatoren ebenfalls hitzeinaktiviert (Abb. 3).
Mit einem speziellen Schliesssystem
wird die Zutrittskontrolle zum Biosicherheitslabor und zu den Laboreinheiten gewährleistet. Für die Erhöhung der
Sicherheit in den Labors gibt es eine
lückenlose Videoüberwachung. Zusätzliche
Kommunikationssysteme
stellen die Verbindungen in die Labors
und von den Labors nach aussen sicher. Dazu gehört auch ein umfangreiches Alarmierungssystem.
Alle technischen Sicherheitssysteme
sind redundant ausgelegt, das heisst:
wenn ein System defekt ist oder ausfällt, ist immer noch ein redundantes
zweites/anderes System verfügbar, das
die entsprechende Sicherheitsfunktion
übernehmen kann.
Die stufenweise Inbetriebnahme
des Labors
Integrale Tests
Nach Abschluss der Bau- und Installationsarbeiten im Jahr 2010 war der
nächste Schritt, die einzelnen technischen Systeme integralen Tests zu unterziehen. Bei diesen Tests ging es
darum, die Funktionalität der Einzelsysteme im Verbund mit Last- und Stresstests zu validieren, da viele Einzelsysteme in diesem komplex aufgebauten
Labor in direkter Abhängigkeit zueinander stehen. Dabei stellte sich heraus,
dass gewisse grundlegende Anpassungs- und Optimierungsarbeiten
nachgeführt werden mussten, was
schlussendlich zu einer Verzögerung
der Inbetriebnahme von bisher eineinhalb Jahren geführt hat.
Mikrobiologische Validierung der
Kritischen Installationen
Erst als die integralen Testreihen erfolgreich abgeschlossen werden konnten,
war es möglich, das Biosicherheitslabor mikrobiologisch zu validieren. Bei
dieser Validierung geht es darum, den
Beweis zu erbringen, dass die biologische Sicherheit gegen innen (Mitarbeitende) und aussen (Umwelt) jederzeit
und uneingeschränkt eingehalten werden kann.
Die kritischen biosicherheitsrelevanten,
zu validierenden Systeme sind:
„„
Zu- und Abluft-Systeme
„„
Abwassersterilisation
„„
Chemieduschen
„„
Autoklaven
„„
Raum- und Filterbegasungen
Die zu validierenden Systeme mussten
und müssen bei mehrfachen Wiederholungen die jeweils vorgegebenen
Kriterien erfüllen, um als validiert gelten
zu können.
Nur eine vollständige erfolgreiche Validierung des Gesamtsystems im Verbund erlaubt die gesetzeskonforme
Inbetriebnahme des Biosicherheitslabors.
Trotz all dieser Vorgaben konnte im LABOR SPIEZ die Biosicherheitsstufe 2
auch während der gesamten Bauphase
des neuen Biosicherheitslabors ständig
in Betrieb gehalten werden, da diese
Stufe während der Bauphase nicht tangiert wurde.
Die Arbeiten in einer reduzierten Form
der Biosicherheitsstufe 3 (GloveboxBetrieb1) konnten anfangs 2012, nach
einem neunmonatigen Unterbruch,
wieder aufgenommen werden.
Der Betrieb der Biosicherheitsstufe 4
wird voraussichtlich ab dem 1. Januar
2014 aufgenommen werden können,
gleichzeitig wie die vollständige Biosicherheitsstufe 3.
1
Abb. 3: Die Abwassersterilisation im Biosicherheitslabor
Ein «Glovebox Stufe 3 Labor» ist grundsätzlich ein Stufe 2 Labor mit integrierter mikrobiologischer Sicherheitswerkbank der Klasse
III sowie weiterer vorgeschriebenen Installationen gemäss Einschliessungsverordnung
(ESV).
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
Schutz der Bevölkerung und Rückkehr zum
Normalzustand nach einem grossflächigen A-Ereignis
Dr. Emmanuel Egger und Dr. Mario Burger, Fachbereich Physik, LABOR SPIEZ, Austrasse, 3700 Spiez, [email protected]
Key Words: Radioaktivität, Kontamination,
Strahlenschutz, Massnahmen
Die Katastrophe von Fukushima mit
der radioaktiven Kontamination von
über 10’000 km2 Land zeigt, welche
Herausforderungen gemeistert werden müssen, um die Bevölkerung
vor Strahlung zu schützen und im
betroffenen Gebiet den Normalzustand wieder herzustellen. Anhand
eines vergleichsweise harmlosen
Szenarios mit einer radiologischen
Bombe, die am Bahnhof Bern explodiert, werden die auftretenden
Probleme und mögliche Lösungen
auf eine Schweizer Stadt übertragen aufgezeigt. Die Erfahrungen
aus Tschernobyl und Fukushima werden dabei berücksichtigt.
Zusammengefasst schliessen wir
daraus, dass das weniger kontaminierte Gebiet wieder in den Originalzustand geführt werden kann. Im
am meisten kontaminierten Gebiet
scheint eine vollständige Dekontamination extrem schwierig bis unmöglich. Hier müsste eine Sperrung
und die Umsiedlung der Bevölkerung in Betracht gezogen werden.
Einleitung
Jedem sind die Katastrophen von
Tschernobyl und Fukushima bekannt,
die zur Folge hatten, dass weite Gebiete radioaktiv kontaminiert wurden. Seit
9/11 wird auch immer wieder davor
gewarnt, Terroristen könnten sich radioaktive Quellen beschaffen und damit
eine so genannte «schmutzige oder
radiologische Bombe» basteln. Das
Ausmass des Gebietes, das mit einer
solchen Vorrichtung kontaminiert werden kann, ist nicht mit dem zu vergleichen, was bei einem Unfall in einem
Kernkraftwerk passieren könnte. Trotzdem wären die Konsequenzen eines
solchen Terroranschlags dramatisch.
Es müssten Massnahmen wie die Evakuation der Bevölkerung aus dem kontaminierten Gebiet vollzogen werden.
Ein Teil der Bevölkerung müsste wahrscheinlich definitiv umgesiedelt und
das betroffene Gebiet für Jahrzehnte
gesperrt werden. Die Dekontamination
des weniger kontaminierten Gebietes
würde tausende Mannjahre Einsatz
verlangen und mehrere Milliarden Franken kosten, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll.
Szenario
Auf dem Bahnhofplatz in Bern wird am
Freitagnachmittag um 17:30 Uhr eine
radiologische Bombe zur Explosion gebracht. Dabei wird Cäsium-137 (137Cs)
freigesetzt und mit dem Wind verstreut.
Wegen Regen wird das Gelände in Abwindrichtung kontaminiert. Die gemäss
Modellrechnung in einem Jahr theoretisch akkumulierte Dosis im Freien beträgt im Maximum 5.7 Sv in einem Abstand von zehn Metern vom Explosionszentrum. Die Dosis von 100 mSv wird in
Abwindrichtung bis zu einer Distanz von
2.1 km überschritten, 20 mSv werden
bis 5.4 km und 1 mSv wird bis zu etwa
15 km überschritten. Gemäss Strahlenschutzverordnung beträgt der Richtwert
für Bodenkontamination für 137Cs 30
kBq/m2. Dieser Wert wird auf einer Fläche von 62 km2 überschritten (Abb. 1).
Auf einer Fläche von 19 km2 wird er
zehnmal und mehr (Abb. 2), auf einer
Fläche von 2.8 km2 über hundertfach
(Abb. 3) überschritten.
Vorgesehene Massnahmen in der
Schweiz
Zum Schutz der Bevölkerung ist im Dosis Massnahmenkonzept (DMK) der
ABCN-Einsatzverordnung vorgesehen,
dass bei Überschreitung einer Dosis
von 1 mSv in zwei Tagen für Kinder,
Jugendliche und schwangere Frauen
der Aufenthalt im Haus, bei 10 mSv in
zwei Tagen der geschützte Aufenthalt
(im Haus, Keller oder Schutzraum) und
bei 100 mSv über zwei Tage integriert,
die vorsorgliche Evakuierung oder der
geschützte Aufenthalt angeordnet werden müssen. Ebenfalls anzuordnen ist
ein Jagd-, Fischerei-, Ernte- und Weideverbot in Abwindrichtung.
Es wird unter Experten angenommen,
dass der geschützte Aufenthalt für
etwa zwei Tage angeordnet und die
betroffene Bevölkerung anschliessend
evakuiert würde. Diese Werte wären in
Abwindrichtung bis zu einer Distanz
von 1.5 km (1 mSv), respektive 0.15 km
(10 mSv) überschritten. Der Wert von
100 mSv wird in zwei Tagen nicht überschritten.
Diese Massnahmen sind als Sofortmassnahmen zu betrachten. Es ist klar,
dass in einer derartigen Situation die
Bevölkerung bald aus dem am meisten
kontaminierten Gebiet evakuiert werden müsste. Noch ist in der Schweiz
offen, welche Gebiete (beziehungsweise welche Jahresdosis zugelassen
würde) in einer solchen Situation evakuiert würden.
Empfohlene Massnahmen
Die International Commission on Radiological Protection (ICRP) empfiehlt den
geschützten Aufenthalt, wenn dadurch
eine Dosis von 10 mSv in zwei Tagen
vermieden werden kann, die vorübergehende Evakuation, wenn dadurch eine
Dosis von 50 mSv in einer Woche vermieden werden kann, die Umsiedlung,
wenn dadurch eine Dosis von 100 mSv
im ersten Jahr vermieden werden kann.
Massnahmen irgendwelcher Art werden
fast immer als gerechtfertigt betrachtet,
wenn dadurch eine Dosis von 100 mSv
und mehr pro Jahr vermieden werden
47
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48
Abb. 1: Gebiet, in welchem der Richtwert für
Bodenkontamination überschritten ist.
Abb. 2: Gebiet, in welchem der Richtwert für
Bodenkontamination zehnmal und mehr
überschritten ist.
den 1986 bereits eine gewisse
Erfahrung mit solchen Ereignissen hatten. Um das havarierte Kernkraftwerk
wurde eine Sperrzone eingerichtet. Die
darin lebenden Personen wurden umgesiedelt. Personen, die ausserhalb
der Sperrzone in einem Gebiet, das mit
mehr als 1’480 kBq/m2 137Cs kontaminiert war, wurden rasch umgesiedelt.
Später wurde auch die Bevölkerung
aus einem Gebiet mit einer Kontamination zwischen 555 und 1’480 kBq/m2
137
Cs umgesiedelt. Die Bevölkerung,
die in einem Gebiet mit einer Kontamination zwischen 185 und 555 kBq/m2
137
Cs lebte, konnte auf eigenen Wunsch
auf Kosten des Staates umgesiedelt
werden oder im Gebiet bleiben.
Schliesslich wurde für jene Bevölkerung, die in einem Gebiet mit einer Kontamination von mehr als 37 kBq/m2
137
Cs eine Zone mit regelmässigen medizinischen Untersuchungen eingerichtet. Dieser Wert entspricht in etwa dem
Richtwert für Bodenkontamination gemäss Schweizer Strahlenschutzverordnung.
kann. Wenn mit einer Massnahme eine
Dosis von 10 mSv pro Jahr vermieden
werden kann, wird diese von der ICRP
als möglicherweise gerechtfertigt betrachtet. Massnahmen, bei welchen
weniger als 10 mSv pro Jahr an Dosis
eingespart werden können, werden von
der ICRP in der Regel als ungerechtfertigt angesehen (1).
Der Grund für diese radikalen Massnahmen wird von russischen Wissenschaftlern damit erklärt, dass die Dekontamination eines Geländes sehr
schwierig durchzuführen wäre und sehr
viel Zeit und Personal dafür beansprucht würde, was zu sehr hohen
Kosten führen könnte. Zudem ist gerade im stark kontaminierten Gebiet ungewiss, ob es genügend dekontaminiert werden kann, damit es wieder wie
vor dem Ereignis genutzt werden kann.
Nach Tschernobyl getroffene
Massnahmen
In der Sowjetunion sind zwischen 1945
und 1990 mehrere Unfälle in Kernkraftwerken und nuklearen Anlagen passiert, so dass die sowjetischen Behör-
Nach Fukushima getroffene
Massnahmen
Das Gebiet in einem Umkreis von 20
km um das beschädigte Kernkraftwerk
wurde evakuiert. In diesem Gebiet wurde eine Jahresdosis von mehr als 20
Abb. 3: Gebiet, in welchem der Richtwert für
Bodenkontamination über hundertmal
überschritten ist.
mSv erwartet. 78’000 Personen wurden aus diesem Gebiet evakuiert. Auch
ausserhalb dieses Radius werden im
Nordwesten Dosiswerte über 20 mSv
im Jahr erwartet. Für diese wurde eine
Evakuierung geplant (deliberate evacuation zone). Etwa 10’000 Personen
waren von dieser Massnahme betroffen. Im Vergleich dazu muss festgehalten werden, dass 380’000 Personen
aus dem von Erdbeben und Tsunami
verwüsteten Gebiet evakuiert wurden.
In der Zwischenzeit sind in Japan umfassende Dekontaminationsarbeiten
angelaufen. Dort, wo die erwartete
Jahresdosis unter 20 mSv reduziert
werden konnte, darf die Bevölkerung
wieder in ihre Häuser zurückkehren. Es
ist in diesen Gebieten vorgesehen, weitere Dekontaminationsarbeiten durchzuführen, bis die Jahresdosis infolge
der Kontamination unter 1 mSv liegt.
In jenen Gebieten, wo die Jahresdosis
zwischen 20 und 50 mSv liegt, sind in
den nächsten Jahren weitere Dekontaminationsarbeiten geplant. Die aus diesen Gebieten evakuierte Bevölkerung
weiss aber heute immer noch nicht,
wann und ob sie überhaupt einmal in ihr
altes Zuhause zurückkehren kann. Dies
ist für die Betroffenen eine sehr unbefriedigende Situation. Es ist aber auch eine
Belastung für die Bevölkerung der Gebiete, welche die Evakuierten aufgenommen hat und diese Menschen als
Eindringlinge betrachtet, die ihnen Arbeitsplatz und Lebensmittel streitig machen. Aus dieser Sicht ist der Ansatz der
damaligen sowjetischen Behörden vorzuziehen, rasch festzulegen, aus welchen Gebieten die Bevölkerung umgesiedelt wird. Damit können sich die
Betroffenen sofort auf die neue Situation
einstellen und ihr Leben neu gestalten,
während in Japan die Betroffenen noch
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2 /13
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jahrelang im Ungewissen bleiben und
auf eine Rückkehr hoffen, die vielleicht
nie stattfinden wird.
Was die Gebiete betrifft, wo die erwartete Jahresdosis über 50 mSv liegt,
planen die japanischen Behörden zwar,
auch diese zu dekontaminieren, geben
aber zu, dass dies schwierig sein wird
und das Ergebnis ungewiss ist.
Mögliche
Dekontaminationsmassnahmen
Als Produkt eines grösseren Forschungsprojektes innerhalb der EU ist das «Generic Handbook for Assisting in the Management of Contaminated Inhabited
Areas in Europe following a Radiological
Emergency» (2) publiziert worden. In diesem Werk werden 59 Massnahmen beschrieben, die unmittelbar vor oder nach
einem solchen Ereignis angewendet
werden können. Bei den in Tabelle 1 aufgeführten Dekontaminationsmassnahmen wird auch ihre (theoretische) Wirksamkeit (Zahl in Klammern) angegeben.
Wie die Erfahrungen in Japan allerdings
zeigen, müssen die hier angegebenen
Zahlen vielfach als zu optimistisch betrachtet werden.
Erfahrungen aus Japan
Nach der Katastrophe von Fukushima
wurde ein grosser Teil der vorher aufgelisteten Dekontaminationsmassnahmen angewendet. Die Ergebnisse sind
allerdings ernüchternd. In den Wohngebieten, wo die Häuser hauptsächlich
mit dem Hochdruckreiniger abgespritzt
und gebürstet wurden, konnte die
Ortsdosisleistung im Mittel auf die Hälfte reduziert werden, und dies auch nur
in jenen Gebieten, wo eine Jahresdosis
von 20 bis 30 mSv errechnet wurde. In
den stärker kontaminierten Gebieten
konnte die erwartete Jahresdosis nicht
unter 20 mSv gesenkt werden.
Dort wo die oberste Erdschicht abgetragen wurde, konnte die Ortsdosisleistung um 70 bis 80 Prozent reduziert
werden. Auch dieser Wert liegt weit
unter dem in (2) angegebenen Wirkungsgrad.
Die Dekontaminationsarbeiten erweisen sich als sehr arbeitsaufwändig. Im
Schnitt wurde für die Dekontamination
einer Fläche von einer Hektare ein Aufwand von zwei Mannjahren benötigt.
Vorschlag zur Bewältigung des
Beispielszenarios
Um die Dekontaminationsmassnahmen bei gleichzeitiger Minimierung der
Kosten der getroffenen Massnahmen
optimieren zu können, ist eine genaue
Kenntnis der Kontaminationsverteilung
absolut notwendig.
Zweck dieser Messungen zur Bestimmung der Kontamination und der Ortsdosisleistung ist es, den zuständigen
Behörden eine Grundlage zu liefern,
um entscheiden zu können, ob Massnahmen notwendig sind, damit eine
Bestrahlung der Bevölkerung vermieden werden kann, welche Massnahmen dazu geeignet sind und in welcher
Priorität sie angeordnet werden müssen. Dabei ist es wichtig, den Überblick
zu behalten, auf welche Weise die Bevölkerung einer Strahlendosis ausgesetzt sein kann:
„„
Externe Bestrahlung durch die Bodenkontamination:
–durch Aufenthalt im Freien;
–im Gebäudeinnern durch
Strahlung, ausgehend von
Kontamination auf Strassen,
Dächern, Mauern, Gärten sowie
durch kontaminierten Staub im
Innern der Gebäude.
„„
Innere Bestrahlung durch Einnahme
von kontaminiertem Trinkwasser, Le-
bensmitteln oder Produkten aus dem
eigenen Garten.
„„
Innere Bestrahlung durch Einatmen
kontaminierter Luft
–durch Aufwirbeln von kontaminiertem Staub im Freien (z. B.
durch vorbeifahrende Fahrzeuge);
–durch Aufwirbeln von kontaminiertem Staub innerhalb der
Gebäude.
„„
Externe Bestrahlung, ausgehend von
kontaminierten Mitmenschen.
„„
Externe Bestrahlung durch Anfassen
von kontaminierten Gegenständen.
Dabei ist zu bedenken, dass nicht alle
aufgeführten Punkte gleich wichtig
sind. Die noch auszuarbeitende Strategie und die Prioritätenliste, was zu
messen ist, sollten dies berücksichtigen.
So schnell wie möglich nach der Verbreitung einer radioaktiven Kontamination sollte ein Plan zur Bestimmung des
Ausmasses dieser Kontamination ausgearbeitet und ausgeführt werden. Die
wesentlichen Ziele dieses Plans sollten
sein:
„„
Bestimmung der Gebiete, wo eine
Umsiedlung der Bevölkerung notwendig ist.
„„
Bestimmung der Gebiete, wo eine
(vorübergehende) Evakuation der
Bevölkerung nötig ist.
„„
Bestimmung der Gebiete, wo andere
Massnahmen gerechtfertigt sind.
„„
Bestimmung der Gebiete, in welchen
die erwartete Strahlenbelastung unterhalb der Schwelle liegt, wonach
Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung gerechtfertigt sind.
Es wäre nützlich, die Schwellwerte,
wann welche Massnahme angeordnet
wird, vorgängig festgelegt zu haben
und nicht erst nach einem Ereignis da-
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50
Massnahmen vor der Freisetzung und Sofortmassnahmen
1. Geschützter Aufenthalt
2. Evakuation
3. Einnahme von Kaliumiodidtabletten (entfällt im betrachteten Szenario)
4. Tragen einfacher Masken zum Schutz der Atemwege
5. Fenster und Türen schliessen, Abstellen der Lüftungs- und Klimaanlagen
6. Benutzung von Staubsaugern als Luftreiniger
7. Abdecken, einlagern, einschliessen persönlicher/wertvoller Objekte
Es ist hier allerdings zu bemerken, dass ein Teil dieser Massnahmen nur der Vollständigkeit halber erwähnt wird. Bei
einem Terroranschlag, der ohne Vorankündigung stattfindet, können natürlich keine Massnahmen vor der Freisetzung
angeordnet werden.
Wiederherstellungsphase: Einschränkung des Zugangs
8. Vorübergehende Umsiedlung aus Wohngebieten
9. Ständige Umsiedlung aus Wohngebieten
10. Zugang zu unbewohnten Gebieten verbieten
11. Zugang zu unbewohnten Gebieten einschränken (z.B. Industriegebiete, zeitliche Beschränkungen oder auf
bestimmtes Personal beschränkt)
Gebäude (Öffentlich, Industrie, Wirtschaft, Wohnen)
12. Gebäude zerstören
(100%)1
13. Abspritzen mit Feuerwehrschlauch
(bis 25%)
14. Dächer bürsten
(50 – 85%)
15. Wände sandstrahlen
(75 – 90%)1
16. Wände und Dächer mit Hochdruck reinigen (kaltes Wasser)
(35 – 80%)
17. Dächer mit Hochdruck mit heissem Wasser abspritzen (50 – 85%)
18. Dächer ersetzen
(100%)1
19. Wände mit Ammoniumnitrat behandeln
(25 – 50%)
20. Hölzerne Wände abschleifen
(35 – 60%)
21. Festbinden der Kontamination an die Oberfläche
(Diese Massnahme verhindert nur die Resuspension)
Innere Flächen (alle Gebäude)
22. Staub saugen
(80 – 90%)
23. Waschen
(35 – 65%)
24. Andere Reinigungsmethoden (scheuern, schamponieren, mit Dampf reinigen, usw.)
(bis 90%)
25. Entfernen der Oberfläche (Farbe, Tapeten, Teppiche usw.)
(100%)1
26. Entsorgung der Möbel und anderer Objekte
(100%)1
Innere Flächen (weitere Optionen für grosse öffentliche Gebäude, z.B. Bahnhöfe)
27. Aggressive Reinigung der kontaminierten inneren Oberflächen
(bis 90%)
Persönliches und Wertgegenstände
28. Lagern, abschirmen, sorgfältiges Reinigen
(bis 100%)
Strassen (und andere harte äussere Flächen)
29. Abspritzen mit Feuerwehrschlauch
30. Staub saugen
31. Abspritzen mit Hochdruckreiniger
32. Oberfläche entfernen und ersetzen
33. Pflastersteine umkehren
34. Festbinden der Kontamination an die Oberflächen
(50 – 75%)
(50 – 65%)
(65 – 85%)
(100%)1
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Äussere Flächen aus Erde und Gras
35. Gras schneiden, Rasen mähen
(50 – 90%)
36. Pflanzen und Sträucher entfernen
(50 – 90%)
37. Abtragen der obersten Erdschicht (1cm)
(65 – 90%)
38. Abtragen der oberen Erdschicht (5 cm, mechanisch)
(90 – 95%)
39. Abtragen der oberen Erdschicht (5 cm, von Hand)
(90 – 95%)
40. Mit sauberer Erde überdecken
41. Festbinden der Kontamination an die Oberfläche
Zusätzliche Optionen für kleine Flächen (Garten)
Die folgenden Massnahmen (Nr. 42 bis 48) sind keine eigentlichen Dekontaminationsmassnahmen. Sie dienen
lediglich dazu, den radioaktiven Staub zu vergraben, um damit die Ortsdosisleistung etwas zu reduzieren und eine
Resuspension und weitere Ausbreitung über den Luftweg zu verhindern. Solche Massnahmen sind allerdings nur dort
in Betracht zu ziehen, wo eine Grundwasserkontamination durch versickern ausgeschlossen werden kann. Es ist
auch zu bedenken, dass in einem solchen Garten kein Gemüse mehr angepflanzt werden darf.
42. Erde mechanisch umgraben
43. Erde von Hand umgraben
44. Erde und Gras überdecken (z.B. mit Asphalt)
45. Dreifaches Umgraben
Zusätzliche Optionen für grosse Flächen (Parkanlagen, auf dem Land)
46. Pflügen
47. Tiefes Pflügen
48. Abschöpfend und begrabend pflügen (Skim and burial ploughing)
Alle äusseren Flächen
49. Abschälbare Anstriche (Peelable coatings)
50. Schnee entfernen
(bis 80%)
(90 – 95%)
Bäume und Sträucher
51. Blätter einsammeln
52. Bäume und Sträucher schneiden/entsorgen
(50 – 90%)
(50 – 98%)
Besondere Oberflächen (insbesondere Metalle)
53. Ultraschallbehandlung mit chemischer Dekontamination
54. Kontaminierte Ventilationssysteme reinigen
55. Filter auswechseln
56. Chemische Reinigung metallischer Oberflächen
57. Chemische Reinigung von Kunststoff und beschichteten Oberflächen
58. Anwendung abtragbarer Polymerpaste auf metallischen Oberflächen
59. Elektrochemische Reinigung metallischer Oberflächen
1
Falls sorgfältig durchgeführt, ohne die Kontamination zu verschleppen
Tab. 1: Dekontaminationsmassnahmen und ihre Wirksamkeit
(90 – 99%)
(80 – 97%)
(bis 100%)
(50 – 100%)
(90 – 99%)
(75 – 97%)
(bis 100%)
51
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mit zu beginnen, sich dazu Gedanken
zu machen, weil Diskussionen um diese Schwellwerte erwartet werden.
Das Ziel der zu treffenden Massnahmen ist es, die Dosisbelastung der Bevölkerung möglichst kostengünstig zu
minimieren. Die Messstrategie und die
Reihenfolge der durchzuführenden
Messungen sollten so ausgelegt sein,
dass jene Gebiete, in denen erwartet
werden kann, dass auf Grund der Kontamination Massnahmen notwendig
sein werden, raschmöglichst erkannt
werden. Zu diesem Zweck stehen folgende Messmethoden zur Verfügung:
„„
Aeroradiometrie
„„
Messungen mit Instrumenten in
Fahrzeugen (Landradiometrie) und In
situ Messungen
„„
Referenzpunktmessungen
„„
Messungen mit Handgeräten
Ein vollständiges Bild einer radioaktiven
Kontamination in einer städtischen
Umgebung zu erhalten, kann sehr zeitaufwändig sein. In vielen Fällen kann
die Kombination von Messungen und
Modellrechnungen dazu beitragen, innerhalb kürzerer Zeit genügend Informationen über die Lage in einer komplexen Umgebung wie einer Stadt zu
erhalten, um über notwendige und
geeignete Massnahmen zu entscheiden.
Nachdem die Aeroradiometrie das Ausmass des kontaminierten Gebietes erfasst hat, erste Massnahmen zum
Schutz der Bevölkerung, wie deren Evakuation aus den am meisten kontaminierten Gebieten angeordnet worden ist,
fängt der immense Messaufwand an.
Erstens müssen alle Personen, die aus
dem kontaminierten Gebiet evakuiert
werden, einer Kontaminationsmessung
unterzogen werden. Es werden sich
auch viele Personen melden, die sich
zur Zeit der Explosion in der Nähe aufhielten. Sollte bei solchen Personen
eine Kontamination festgestellt werden, wird auch deren Wohnung, Auto,
und vieles mehr ausgemessen und allenfalls dekontaminiert werden müssen. Sämtliche Züge, Busse, Strassenbahnen, die nach dem Ereignis am
Bahnhof oder dessen Umgebung Passagiere aufgenommen haben, müssen
auf Kontamination untersucht werden.
Zweitens muss das kontaminierte Gebiet genau untersucht werden, um die
Dekontaminationsmassnahmen optimieren zu können. Es muss festgestellt
werden, welcher Beitrag zur Ortsdosisleistung von den Strassen, Dächern,
Bäumen, Grünflächen geleistet wird.
Dabei ist jenes Gebiet prioritär zu behandeln, in welchem die Bevölkerung
nicht evakuiert wurde. In unserem Szenario ist allerdings zu bedenken, dass
eine Schliessung des Bahnhofs Bern
über längere Zeit dramatische Konsequenzen auf die lokale Wirtschaft zur
Folge hätte und nach Möglichkeit zu
vermeiden ist. Es sollten daher Massnahmen gefunden werden, die eine
möglichst rasche Wiederinbetriebnahme des Bahnhofs Bern ermöglichen.
Nachdem das Ausmass der radioaktiven Kontamination bekannt ist, können
Massnahmen ergriffen werden. Wir gehen hier davon aus, dass diejenige Bevölkerung umgesiedelt würde, die im
am stärksten kontaminierten Gebiet
wohnt. Da momentan noch keine
Richtlinien ausgearbeitet wurden, unter
welchen Umständen ein solches Vorgehen vollzogen würde, betrachten wir
mehrere Möglichkeiten.
In der ersten Alternative nehmen wir an,
dass die Bevölkerung aus jenem Ge-
biet umzusiedeln wäre, wo im ersten
Jahr nach dem Ereignis eine Dosis von
100 mSv überschritten würde. Dies
würde ein Gebiet von 0.83 km2 betreffen und die Umsiedlung von rund 2’000
Personen zur Folge haben (mittlere Bevölkerungsdichte der Stadt Bern:
2’436 Einwohner/km2). Wir nehmen an,
dass ein Einpersonenhaushalt in eine
Einzimmerwohnung, ein Zweipersonenhaushalt in eine Zweizimmerwohnung usw. umgesiedelt würden. Eine
oberflächliche Analyse des Berner Immobilienmarktes führt unter dieser Annahme zum Schluss, dass eine Umsiedlung durch Erstellung neuer
Wohnungen in der Umgebung von
Bern in der Grössenordnung von
250’000 CHF/Person kosten würde.
Diese Massnahme würde somit Kosten
von rund 500 Millionen CHF verursachen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese
Lösung von der Bevölkerung als ungenügend betrachtet und weitergehende
Massnahmen verlangt würden. Wenn
die Bevölkerung aus jenem Gebiet umgesiedelt würde, in welchem im ersten
Jahr eine Dosis von 20 mSv und mehr
erwartet wird, müssten 5.4 km2 berücksichtigt und damit rund 13’000
Personen umgesiedelt werden. Diese
Massnahme würde rund 3.25 Milliarden CHF kosten.
Sollten dieselben Kriterien wie nach
Tschernobyl angewendet werden,
müsste eine Fläche von 13 km2 und
somit rund 32’000 Personen umgesiedelt werden, was acht Milliarden CHF
an Kosten verursachen würde.
Damit wäre erst die Bevölkerung aus
dem am meisten kontaminierten Gebiet
geschützt. Um den Normalzustand
wieder herzustellen, müsste das weni-
S R MDM
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2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
ger kontaminierte Gebiet noch dekontaminiert werden. Insgesamt erwarten
wir, dass ein Gebiet von 62 km2 kontaminiert würde.
Die Erfahrung aus Fukushima zeigt,
dass die Dekontamination von einer
Hektare einen Arbeitsaufwand von zwei
Mannjahren darstellt. Wenn wir davon
ausgehen, dass in der Schweiz ein
Mannjahr 150’000 CHF kostet und pro
Hektare 1’000 m3 radioaktiv kontaminiertes Material anfallen (Abtragen der
obersten zehn Zentimeter Erde/Beton,
oder 100 Liter kontaminiertes Wasser
pro m2), die zu Kosten von 1’000 CHF/
m3 oberflächlich gelagert werden müssen, entstehen für die drei Alternativen
folgende Kosten:
In der ersten Alternative müssten 61
km2, d.h. 6’100 Hektaren dekontaminiert werden. Der Aufwand dafür wird
auf über 12’000 Mannjahre geschätzt
und die Kosten dafür auf 1.8 Milliarden
CHF. Hinzu kommen geschätzte Kosten von rund sechs Milliarden CHF für
die Lagerung des anfallenden radioaktiv kontaminierten Materials.
Die zweite Alternative umfasst die Dekontamination von 56.6 km2 (oder
5’660 Hektaren). Der benötigte Arbeitsaufwand wird auf 1.7 Milliarden
CHF und die Lagerung des radioaktiv
kontaminierten Materials auf 5.6 Milliarden CHF geschätzt.
Bei der dritten Alternative erwarten wir
Dekontaminationskosten von rund 1.5
Milliarden CHF für die Manpower und
4.9 Milliarden CHF für die Lagerung
des radioaktiv kontaminierten Materials.
rund 8.3, 10.5 und 14.4 Milliarden CHF
geschätzt. Es fällt auf, dass jene Alternative, wo der grössere Teil der Bevölkerung umgesiedelt wird, am teuersten
ausfällt. Dies liegt wohl darin, dass der
Wohnraum in der Schweiz sehr viel teurer ist als 1986 in der Sowjetunion. Zudem ist bei der ersten Alternative, wie
die Erfahrung aus Japan zeigt, nicht
gewährleistet, dass die Dekontaminationsziele erreicht werden können und
dass deswegen nachträglich möglicherweise noch wesentlich mehr Menschen umgesiedelt werden müssten
als ursprünglich angenommen oder die
Dekontaminationsarbeiten sehr viel
mehr kosten als vorher angenommen.
Dabei sind die Kosten für die Unterbringung der evakuierten Personen, die auf
eine Rückkehr in ihre Häuser wartet,
noch gar nicht einberechnet.
Schlussfolgerungen
Auch bei einem im Vergleich zur Katastrophe von Fukushima verhältnismässig kleinem Ausmass radioaktiver
Kontamination, wie sie durch die Explosion einer radiologischen Bombe
verursacht würde, wären die Konsequenzen dramatisch. Die Bevölkerung
müsste aus dem am meisten kontaminierten Gebiet vorübergehend evakuiert werden. Für einen Teil davon müsste eine Umsiedlung in Betracht gezogen
werden. Die Dekontaminationsarbeiten
würden mehrere Tausend Mannjahre
Einsatz verlangen. Die Kosten zur Bewältigung eines solchen Ereignisses
werden in der Grössenordnung von
zehn Milliarden Schweizer Franken geschätzt.
Literaturverzeichnis
(1) ICRP 96, Protecting People against Radiation
Exposure in the Event of a Radiological Attack
Zusammenfassend werden die Gesamtkosten der drei Alternativen auf
(2) EURANOS, Generic Handbook for Assisting
in the Management of Contaminated Inhabi-
ted Areas in Europe following a Radiological
Emergency V1.0, May 2007, bezogen unter
http://www.euranos.fzk.de/Products/EURANOS_InhabitedHandbook_Version1.0.zip
Abstract:
Protection of the population and return to normal conditions after a major nuclear incident
The Fukushima disaster, causing the
radioactive contamination of more than
10,000 km2, shows the challenges that
need to be met in order to protect the
population from radiation and restore
normal conditions in the affected area.
Using a comparatively harmless scenario in which a radiological bomb explodes at Berne railway station, the
problems that arise and possible solutions are demonstrated in the context
of a Swiss city. Experiences from Chernobyl and Fukushima are taken into
account. In summary, we conclude
from this that the less contaminated
area can be restored to its original condition. In the most heavily contaminated area, full decontamination appears
extremely difficult, if not impossible.
Here, consideration would have to be
given to closing off the area and rehousing the population somewhere
else.
53
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Aufbau der militärischen ABC Abwehr: Vom AC
Schutzdienst der Armee 61 zur ABC Abwehr in der
Weiterentwicklung der Armee inkl. Einsatzkonzept
Oberst i Gst Walter Schweizer, Kommandant Komp Zen ABC-KAMIR, 3700 Spiez, [email protected]
54
Key Words: ABC Abwehr, Kompetenzzentrum ABC-KAMIR, Sicherheitsverbund
Schweiz
Das Spektrum an Risiken und Gefahren ist heute komplexer denn je. Der
Austausch von Expertenwissen und
die Fähigkeit zur Leistungserbringung im Verbund sind deshalb bei
der Ereignisbewältigung entscheidend für den Erfolg und bilden die
eigentliche Herausforderung für alle.
Gefragt sind Abwehrmassnahmen,
die rasch und professionell Wirkung
zeigen. Als verlässlicher militärischer
Partner sind wir motiviert und willens, diese Herausforderungen anzunehmen und die zivilen Behörden in
der Bewältigung von Ereignissen mit
ABC Agenzien und/oder Kampfmitteln wirkungsvoll zu unterstützen.
Grundgedanken zu einer
modernen ABC Abwehr
Wir können nicht abschätzen, wie sich
die allgemeine Lage entwickelt. Eines
jedoch ist sicher: Die Globalisierung
und die damit einhergehende Vernetzung und Beschleunigung der Wirkungsabläufe macht unsere Gesellschaft verletzlich. Vermeintlich kleine
Störungen tangieren rasch das Tagesgeschehen, breiten sich aus und lähmen das Funktionieren von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.
ABC Agenzien sind oft mit unseren Sinnen nicht wahrnehmbar, was ihre
schädlichen Auswirkungen für Mensch,
Tier und Umwelt noch verstärkt und
eine hohe allgemeine Gefahr für uns
alle darstellt.
Die Asymmetrie der meisten heutigen
Konflikte hat zur Folge, dass militärisch
schwache Gegner einen militärisch stärkeren Gegner aus dem Stand empfindlich treffen können. In der Schweiz muss
damit gerechnet werden, dass trotz der
Neutralität unseres Landes, stellvertretend internationale Organisationen, internationale Veranstaltungen oder diplomatische Vertretungen von Konfliktparteien
ein Angriffsziel darstellen können.
Ereignisse reagieren zu können, sogar
auf Ereignisse, welche wir uns heute
noch gar nicht genau vorstellen können, denn diese sind die wirklich gefährlichen.
Fahrzeuge, die ereignisnah oder auf
dem Gefechtsfeld eingesetzt werden
sollen, müssen über einen ABC Kollektivschutz verfügen und auch ballistisch
optimal geschützt sowie leicht bewaffnet sein.
In der ABC Abwehr darf somit nicht mit
einer allmählichen Eskalation gerechnet
werden! Bei konventionellen Sicherheitsplanungen wird meist von einer
allmählichen Zunahme der politischen
Spannungen ausgegangen (Demonstrationen einzelne Terroristen und/oder
Heckenschützen marodierende, bewaffnete Banden bürgerkriegsähnliche
Zustände in Teilbereichen der Schweiz).
Es ist aus heutiger Sicht wahrscheinlicher, dass ein ABC Ereignis oder eine
ABC Attacke eine Armeeoperation auslösen wird, als dass eine laufende Armeeoperation durch ein ABC Ereignis
behindert wird.
Wir brauchen gut ausgerüstete, gut
ausgebildete und gut geschützte Bodentruppen, die rasch aufgeboten werden können.
Wir müssen mit ihnen die Flexibilität
gewinnen, auf absolut überraschende
Aus all diesen
Überlegungen
haben wir seit
dem Ende des
AC
Schutzdienstes nicht
bloss das Pferd
gewechselt…
Der ganze Bereich wurde in den letzten
Jahren nach Massgabe der aktuellen
Bedrohung neu aufgestellt und auf die
wahrscheinlichen Einsätze ausgerichtet.
Es ist ein Schritt in eine neue Form der
Ereignisbewältigung mit dem Ziel, die
Handlungsfähigkeit für die Bewältigung
einer Lage vor, während oder nach einem Ereignis mit ABC Substanzen
und/oder Sprengstoffen aufrecht zu
erhalten.
Bereits an dieser Stelle muss festgehalten werden, dass die ABC Abwehrtruppen und die entsprechenden Einsatzelemente nicht die Ersteinsatzkräfte
(z.B. Chemie- und Strahlenwehren) der
Kantone und Gemeinden ersetzen können. Diese sind in der Initial- bzw. Chaosphase eines Ereignisses auf sich
selbst gestellt und müssen vor allem
auch das Eskalationspotenzial eines
ABC Ereignisses möglichst früh erken-
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2 /13
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nen können. Zu diesem Zweck gibt der
Bund den Kantonen ABC Schutz- und
Nachweismaterial ab und führt auch
Ausbildungen durch.
Abgrenzung gegenüber zivilen und
militärischen Partnern im Inland
aus dem Bereich Sanität
Die ABC Abwehrtruppen bringen das
Material für eine effiziente ABC Patientendekontamination zum Einsatz. Nicht
Sache der ABC Abwehrtruppen ist der
medizinische ABC Schutz, d.h. medizinische Massnahmen an verstrahlten,
verseuchten und vergifteten Patienten.
Die entsprechenden Belange werden in
der Armee vom Bereich Sanität durch
den Oberfeldarzt geregelt und von dessen Sanitätstruppen vollzogen.
Die Hauptakteure mit ihren Kernaufgaben lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die ABC Abwehr aller Truppen
„„
stellt den Schutz, die Warnung, die
Alarmierung, den Nachweis und, mit
Unterstützung der ABC Abwehrtruppen, die Dekontamination permanent und dauerhaft sicher;
„„
verbessert die Überlebenschancen
der Truppe bei ABC-Angriffen oder
-Ereignissen.
Die ABC Abwehrtruppen
liefern vertiefte Analysen im Falle eines
ABC-Ereignisses, stellen die ABC Aufklärung sicher und verstärken die ABC
Abwehr aller Truppen, schwergewichtig in der Dekontamination.
Jeder Angehörige der Armee ist in
der Lage,
„„
sein persönliches ABC Schutzmaterial einsatzbereit zu halten;
„„
die Notmassnahmen C Alarm und A
Überraschung anzuwenden.
Massnahmen zur Sicherung der Lebensmittelqualität und -hygiene (inklusive Trinkwasserqualität) in der Armee
sind Sache des Veterinärdienstes der
Armee.
Das Konzept der ABC Abwehr
Gefragt sind heute Abwehrmassnahmen, die schnell und professionell wirken. Im Vordergrund steht der Erhalt
der Handlungsfreiheit auf allen Stufen.
Zu diesem Zweck stützt sich die ABC
Abwehr der Schweizer Armee auf fünf
Pfeiler ab:
„„
Prävention
„„
Schutz
„„
Aufklärung
„„
Nachweis
„„
Dekontamination
Alle Kader
sind zusätzlich in der Lage, die Führungsmassnahmen vor, während und
nach ABC Ereignissen anzuordnen.
Alle Verbände
verfügen über die notwendige Anzahl
ausgebildeter ABC Spezialisten (2 ABC
Spürer pro Zug, 1 ABC Uof pro Einheit,
1 ABC Of pro Bataillon und 1 Chef
ABC, 1 ABC Of, 2 ABC Uof pro Stab
eines Grossen Verbandes).
Die Spezialisten im ABC Bereich
(ABC Spürer, ABC Uof und ABC Of aller Stufen)
„„
stellen die Einsatzbereitschaft des
ABC Materials sowie dessen fachgerechten Einsatz sicher;
„„
beraten die Kommandanten aller
Stufen bei der Vorbereitung und
Durchführung vorsorglicher Schutzmassnahmen gegen die Wirkung
von A, B und C Waffen mit dem
Zweck, das Überleben und die
Kampfkraft zur Auftragserfüllung zu
gewährleisten. Sie koordinieren die
Alarm-, Mess- und Nachweisorganisation mit Nachbartruppen und zivilen Behörden im eigenen Raum. Sie
beurteilen natürliches und industrielles ABC Gefahrenpotenzial;
„„
nach A, B oder C Einsätzen beurteilen sie Art und Umfang der Auswirkungen, beantragen Massnahmen
zur Aufrechterhaltung der Kampfkraft und koordinieren die Retablierung verstrahlter, verseuchter oder
vergifteter Truppen.
Das Kompetenzzentrum ABCKAMIR
„„
ist Doktrinstelle für den Bereich der
ABC Abwehr;
„„
stellt die Ausbildung sämtlicher
Funktionen der ABC Abwehrtruppen
sicher, damit die geforderten Einsätze geleistet werden können;
Links:
http://www.vtg.admin.ch/internet/vtg/de/home/schweizerarmee/organisation/fsta/abc.html
http://www.vtg.admin.ch/internet/vtg/de/home/themen/kmb/kompetenzzentrum_kampfmittelbeseitigung.html
http://www.vtg.admin.ch/internet/vtg/de/home/dienstleistung/bmz.html
55
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56
„„
unterstützt die Ausbildung der ABC
Abwehr aller Truppen durch die zentrale Durchführung von Kursen für
Ausbildner und für alle ABC Spezialisten;
„„
verfügt über rasch einsetzbares Berufspersonal.
Prinzip der abgestuften
Leistungsbereitschaft
Alle Formationen der ABC Abwehrtruppen sind Miliztruppen mit erhöhter Bereitschaft (Abb. 1). Das Berufspersonal
der Einsatzequipen VBS (EEVBS) ist
innerhalb einer Stunde in Spiez
marschbereit und kann nach zwei bis
vier Stunden vor Ort subsidiär Hilfe leisten. In der Regel kann dieser Einsatz
maximal 48 Stunden dauern.
Zeichnet sich eine Eskalation ab, soll
die EEVBS nach 12 Stunden durch erste Milzelemente (ABC Abwehreinsatzkompanie) verstärkt werden (z.B. für
die grössflächige Erfassung einer radiologischen Lage). Falls das Ereignis
noch grössere Ausmasse annimmt,
können nach 24 bis 72 Stunden, d.h.
nach einer einsatzbezogenen Ausbildung (EBA) Elemente des ABC Abwehr
Labor 1 und des ABC Abwehr Bataillon
10 zum Einsatz kommen.
Kontakte herzustellen. Damit erhöhen
wir die Reaktionsfähigkeit bei Krisen.»
Der Nutzen ist nicht bloss
militärischer Art
Mit der ABC Abwehr und der Kampfmittelbeseitigung leisten wir täglich einen wesentlichen Beitrag für die Sicherheit unserer Truppen und die
Sicherheit der Bevölkerung.
Dieser Aussage ist nichts hinzuzufügen…Hoffen wir, dass wir diese Mittel
nie zum Einsatz bringen müssen!
«Sicherheitsverbund Schweiz» (SVS)
heisst das Zauberwort. Bundespräsident und Verteidigungsminister Ueli
Maurer hat sich anlässlich der Delegiertenversammlung der Schweizerischen
Offiziersgesellschaft
vom
16.03.2013 in Thun wie folgt geäussert:
«Mit dem Sicherheitsverbund Schweiz
verbessern wir die Zusammenarbeit mit
kantonalen Behörden. Ohne Strukturen
aufbauen zu müssen, bringen wir so
alle Kräfte zusammen, die in irgendeiner Art und Weise mit Sicherheit beschäftigt sind. Wir bauen dabei auf
unseren bewährten föderalen Strukturen auf und schaffen die Möglichkeit,
pragmatisch und fallbezogen direkte
Abb. 1: Das Prinzip der abgestuften Leistungsbereitschaft
Abstract:
Structure of the military NBC defence: from the Armee 61 NC protection service to the NBC defence in
the development of the army, including deployment concept
The spectrum of risks and dangers is
now more complex than ever before.
The exchange of expert knowledge and
cooperation are therefore crucial to
successful incident management and
are the main challenge for everyone.
Defence measures must be implemented quickly and professionally. As
a reliable military partner, we are motivated and prepared to take on these
challenges and to help the civil authorities to deal effectively with incidents
involving NBC agents and/or warfare
materials.
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
2 /13
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Fähigkeiten der ABC Abwehr: Prävention, Schutz,
Aufklärung, Nachweis und Dekontamination
Oberst Matthias Schmid, Kommandant ABC Abwehr Schule, Kompetenzzentrum ABC-KAMIR, Spiez, [email protected]
Key Words: ABC Abwehr, Schweizer Armee,
Fähigkeiten ABC Abwehr
In der Gesamtkonzeption der ABC
Abwehr der Schweizer Armee stehen die Fähigkeiten der ABC Abwehr im Zentrum. Diese Fähigkeiten liefern, teilweise im Alleingang,
teilweise im Verbund mit nationalen
und internationalen Partnern, die
Antwort auf die aktuell wahrscheinlichsten Risiken und Gefahren. Diese Fähigkeiten sind weltweit bei
jeder ABC Abwehr dieselben, wenn
auch in unterschiedlicher Ausprägung. Im folgenden Artikel wird der
aktuelle Stand der ABC Abwehr der
Schweizer Armee in den Fähigkeiten Prävention, Schutz, Aufklärung,
Nachweis und Dekontamination beschrieben.
Prävention
Unter der Fähigkeit der Prävention geht
es darum, mit Hilfe von Wissenschaft
und Technik die aktuellen Gefahren,
aber auch die Abwehrmöglichkeiten zu
erkennen. Daraus muss auf der politischen Ebene vorgegeben werden, welche Abwehr angestrebt und umgesetzt
werden soll. Aus dieser Vorgabe kann
die notwendige Information und Ausbildung abgeleitet werden. Und letztlich
führt dieser Prozess zu einer ständigen
Grundbereitschaft und der spezifischen
Einsatzbereitschaft aller beteiligten Formationen. Mit den nationalen Projekten
im ABC Schutz, und vor allem deren
Umsetzung, wird die Lücke bei der Prävention in den nächsten Jahren zu
schliessen sein.
Schutz
Die Armee verfügt mit dem C-Schutzanzug (CSA/ICS 90) über einen sehr
guten individuellen Schutz für jeden
Soldaten, vom Rekruten bis zum Chef
der Armee. Zusätzlich kann bei allen
Truppen das ABC Schutzzelt COLPRO
eingesetzt werden.
Die weiteren Schutzanzüge werden
von den Spezialisten der ABC Abwehr
auftragsbezogen genutzt. Mit der Einführung des schweren Schutzanzuges
08 wird auch im Schutz die Lücke geschlossen.
Im Schutz ist die nächste Herausforderung bereits erkennbar, weil der ICS 90
in den nächsten rund zehn Jahren
durch ein neues System ersetzt werden
muss.
Aufklärung
Bei der ABC Aufklärung besteht aktuell
die grösste Fähigkeitslücke. Hier startete die ABC Abwehr 2004 mit der ABC
Erkundungspatrouille. Diese klärt als
Fusspatrouille mit den A- und C-Nachweisgeräten die aktuelle ABC Lage auf.
Eine erste Etappe wurde mit der Einführung der Radiometrie LAND erreicht. Mit diesem System können sehr
tiefe Strahlendosisleistungen erkannt
werden, wie zum Beispiel von einer
«dirty bomb» vor der Detonation. Der
Einbau der Sensoren in Fahrzeuge begrenzt auch deren Einsatz. Befindet
sich die Quelle zum Beispiel im Inneren
eines Gebäudes, gelangt weiterhin die
Fusspatrouille zum Einsatz.
Auch die räumliche Ausdehnung der
Verdachtsfläche ist eine Herausforderung. Deshalb wird das System mit der
Radiometrie LUFT ergänzt. Dabei werden die gleichen Sensoren wie auf dem
Fahrzeug in einen Hubschrauber eingebaut. Damit kann der Suchperimeter
bereits massiv verkleinert werden.
Das «Filetstück» der ABC Aufklärung
stellt aber zweifelsohne das ABC Auf-
klärungsfahrzeug dar. Mit diesem Fahrzeug können fahrend grössere kontaminierte Gebiete erkannt und markiert
werden. Das Innere des Fahrzeugs
besticht durch eine Vielzahl elektronischer Geräte, welche neben der Erkennung der Gefahr auch die Kartierung
und Übermittlung der Resultate ermöglicht. Damit erhalten die Kommandanten zeitverzugslos ein aktuelles Bild
über die ABC Lage.
Nota bene: der Schweizer Prototyp war
weltweit das erste ABC Aufklärungsfahrzeug. Alle früheren Aufklärer waren
nur im A- und C-Bereich fähig zur Aufklärung. Bei der Biologie war vorher nur
die Probennahme möglich.
Nachweis
Bis 2004 wurde der ABC Nachweis
durch die dezentralen AC Laboratorien
der Territorialformationen sichergestellt. Die Formationen wurden zum
Grundstock der ABC Abwehrtruppen
zusammengelegt und die Laboratorien
ausser Dienst gestellt. Die Lücke in dieser Fähigkeit wurde bewusst in Kauf
genommen und wird mit der Einführung des mobilen ABC Nachweises bei
der Truppe im nächsten Jahr geschlossen.
In der Konzeption «ABC Abwehr SOLL»
wird die ABC Analyse über zwei Stufen
geführt. Im mobilen ABC Labor werden
ereignisnahe schnelle Analysen möglich sein. Sollte sich eine vertiefte forensische Analyse als notwendig erweisen, kann diese im ABC Abwehr Labor
1 erfolgen.
Vor jeder Analyse steht aber noch die
Probennahme. Die Probennahmeteams sind in der Lage, nach internationalen Standards im Feld Proben aller
Art zu nehmen. Mit der standardisierten
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«chain of custody» können diese Proben und die daraus erstellten Analysen
auch als Beweismittel vor einem internationalen Tribunal verwendet werden.
Die Probennahmeteams sind auch in
der Lage, nach erfolgtem Einsatz im
kontaminierten Gebiet eine Eigendekontamination durchzuführen.
Wenn die Proben genommen sind,
werden sie zur Analyse in eines der Labors überführt. Ist ein rasches Resultat
gewünscht, erfolgt die Analyse im mobilen Labor. Von diesen stehen je vier
Stück in den Bereichen Nuklear, Biologie und Chemie zur Verfügung, je eines
pro Fachrichtung in Kombination mit
der Logistik in jeder der vier ABC Abwehrkompanien. Das Innere des Fahrzeugs ist derart konzipiert, dass eine
Probe eigentlich nie die geschützte
Werkbank verlassen muss. Die eingesetzten Analysemethoden sind «state
of the art» und können bei markanten
Entwicklungsschritten nachgerüstet
werden.
Sollte eine vertiefte forensische Analyse
notwendig sein, kommt das ABC Abwehr Labor 1 zum Einsatz. Die unterschiedlichen Nachweismethoden setzen auch ein leicht angepasstes
Vorgehen bei der Probennahme voraus. Sind die Proben einmal im Labor,
stehen dem ABC Abwehr Labor 1 die
gleichen Methoden und Geräte zur Verfügung, wie sie im Normalbetrieb täglich durch das LABOR SPIEZ verwendet werden.
Dekontamination
Die ABC Dekontamination startete
2004 mit der Sofortdekontamination,
welche von jedem Soldaten durchgeführt werden kann. Diese wurde ergänzt mit der behelfsmässigen Dekontamination, welche jede Einheit der
Armee selbstständig oder zu Gunsten
einer anderen Einheit durchführen
kann. Diese ersten drei Stufen der Dekontamination führen aber noch nicht
zu einer vollen Einsatzbereitschaft von
Personal und Material. Diese kann erst
mit der gründlichen ABC Dekontamination durch die ABC Abwehrtruppen
erreicht werden.
die Dekontamination von Personen und
Patienten voraus. Das System wird
komplettiert mit Logistikmaterial und
einem COLPRO, damit der ABC
Hauptdekontaminationsplatz während
acht bis zwölf Stunden betrieben werden kann. Wenn alle Module im korrekten Ablauf betrieben werden, wird ein
Platz von rund 100 mal 500 Meter benötigt.
Mit der Einführung des ABC Aufklärungsfahrzeugs bei der Truppe werden
spätestens 2017 in allen Fähigkeiten
die aktuellen Vorgaben erfüllt sein. Die
Gewissheit, dass in der Folge die Vorgaben erhöht werden, spornt uns an,
weiterhin «Mit Kompetenz für unsere
Sicherheit» den Aufbau der ABC Abwehr voranzutreiben.
Auf dem ABC Hauptdekontaminationsplatz sind die ABC Abwehrtruppen in
der Lage, Material und Fahrzeuge zu
dekontaminieren. Zudem können pro
Stunde bis 60 Soldaten sowie 20 gehfähige und zehn liegende Patienten von
ABC Agenzien befreit werden (Abb. 1).
Der Betrieb der ABC Dekontaminationsmodule setzt die Möglichkeiten zur
Wasserversorgung und Wasserentsorgung sowie zur Wasseraufbereitung für
Abb. 1: Das System der Patientendekontamination der Armee im Einsatz: Links: Der Patient wird auf einer Bahre gebracht und auf das spezielle
Rollensystem umgelagert. Mitte: Der Patient wird samt Kleidung geduscht. Rechts: Die Kleider des Patienten werden aufgeschnitten. Wunden
und Haut werden dekontaminiert. Danach erhält der Patient Notwäsche und wird der Sanität übergeben.
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
2 /13
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Diffusions-Nebelkammer – einer der ersten Teilchendetektoren in der Physik:
Vorstellung und Besichtigung eines Teilchendetektors
Dr. Martin Bucher, Fachbereichsleiter Nuklear, Kompetenzzentrum ABC-KAMIR, 3700 Spiez, [email protected]
Key Words: Diffusions-Nebelkammer, Teilchendetektoren, Umgebungsstrahlung
Die PHYWE Diffusions-Nebelkammer zählt zu den eindrucksvollsten
Teilchendetektoren überhaupt. Sie
eignet sich hervorragend zur Beobachtung der natürlichen Umgebungsstrahlung, die uns Tag für Tag
umgibt.
Dabei unterscheidet man
„„
die kosmische Strahlung und
„„
die natürlich vorkommende Radioak-
tivität (Hinter-, Untergrundstrahlung)
der Erde.
Ob α- oder β-Teilchen, Protonen, Myonen, Elektronen oder Positronen – alle
ionisierenden Teilchen können beobachtet werden. Durchquert eines dieser
ionisierenden Teilchen eine Schicht aus
übersättigtem Alkoholdampf, entsteht
eine Nebelspur, deren Form unter anderem Rückschlüsse auf die Art des
Teilchens und dessen kinetische Energie zulässt.
Eine Diffusions-Nebelkammer lässt
sich daher hervorragend im Unterricht
des FB Nuklear der ABC Abwehr
Schule einsetzen, indem etwa Experimente zur Bestimmung der Menge der
Umgebungsstrahlung, zur Spurenbestimmung von α- und β-Teilchen, Mesonen sowie des Thorium-Zerfalls und
zur Ablenkung von β-Teilchen in einem
Magnetfeld durchgeführt werden können.
Damit werden folgende Lernziele erfüllt:
Unterscheidung von α- und β-Teilchen
sowie
deren
Abgrenzung
zur
γ-Strahlung, β-Ablenkung, ionisierende
Teilchen, Mesonen, Erfassung der kosmischen Strahlung, radioaktiver Zerfall,
Zerfallsreihe(n), Partikelgeschwindigkeit und Lorentz-Kraft.
Die grossen α-Teilchen (Abb. 1) zeigen
eine kurze breite Spur, niederenergetische β-Teilchen (Abb. 2) ändern beim
Stoss mit einen Alkoholmolekül häufig
ihre Richtung, Protonen (Abb. 3) und
hoch energetische Myonen (Abb. 4)
hingegen erzeugen eine schnurgerade
Spur. Die Beobachtung einer ElektronPositron Paarbildung ist – wenn auch
selten zu sehen – immer ein Höhepunkt. Zu jeder Zeit sind zwischen 100
bis 500 Nebelspuren zu sehen, die jeweils nach ein bis zwei Sekunden
durch Kondensation auf der gekühlten
Bodenplatte verschwinden. Das immer
wieder von Neuem auftretende Schauspiel fasziniert bestimmt jeden Betrachter. Abstract:
Diffusion cloud chamber – one of the
first particle detectors in physics:
presentation and viewing of a particle detector
The PHYWE diffusion cloud chamber is
one of the most impressive particle detectors in existence. It is ideally suited
to the observation of natural everyday
background radiation.
59
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
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Revue suisse de médecine militaire et de catastrophe
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C Nachweismöglichkeiten der Armee: Feldnachweis,
C Nachweiskette und mobiler C Nachweis (Labor auf
DURO)
Dr. phil. nat. Matthias Giger, Fachbereichsleiter C (Ausbildung), Komp Zen ABC-KAMIR, 3700 Spiez, [email protected]
60
Key Words: Chemische Risiken, Dreistufenkonzept der Nachweisfähigkeiten, Armee
Die C Risiken sind trotz dem Chemiewaffenübereinkommen
nach
wie vor vielfältig und gewisse
Szenarien können ohne vorangehende Eskalation und Vorwarnzeit
eintreten. Unterschiedlichste Stoffe eignen sich für Angriffe, auch
für nichtstaatliche Akteure. Während die Lager der klassischen C
Kampfstoffe nun rasch abgebaut
werden, könnten Katastrophen
oder zumindest eine Panik in der
Bevölkerung auch mit toxischen
Industriechemikalien (TIC) sowie
mit neuartigen Substanzen (z. B.
sehr wirksame Pharmazeutika)
ausgelöst werden. Mit einem flexiblen Konzept, d.h. einer Nachweiskette und verschiedenen Nachweisstufen, versucht man, diesen
vielfältigen Risiken zu begegnen.
Ein wichtiges neues Element der
Obwohl das Chemiewaffenübereinkommen (in Kraft getreten 1993) eine
Erfolgsgeschichte ist und insbesondere die Grossmächte ihre Chemiewaffen-Arsenale zum grössten Teil (zu 80
bis 90 Prozent) abgebaut haben, gibt
es dennoch noch etliche Risiken1 in
diesem Bereich, insbesondere TIC mit
Katastrophenpotenzial (z. B. bei Sabotage), neue vom Chemiewaffenübereinkommen nicht erfasste Substanzen
hoher Toxizität, insbesondere hoch
wirksame Pharmaprodukte, Entwicklungen in der Nanotechnologie (z. B.
Nanopartikel als Träger von Toxinen
oder toxische Nanopartikel), nicht letale, psychoaktive Substanzen, welche
militärische Operationen behindern sol1
Unter Risiko versteht man die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses und dessen mögliches Schadensausmass
Nachweiskette («mittlere Stufe»)
sind die mobilen Nachweismittel
der ABC Abwehrtruppen, nämlich
der ABC Aufklärer und der mobile ABC Nachweis mit vier Laborfahrzeugen pro Fachbereich (A, B,
C). Diese mobilen Nachweismittel
der «mittleren Stufe» erlauben es,
Warnungen für viele Kampf- und
Schadstoffe sofort auszulösen und
erste Nachweise nach kurzer Zeit
(innert 15 bis 30 Minuten) zu bewerkstelligen.
Nicht alle Fragen können aber allein
durch mobile Mittel gelöst werden.
Es braucht daher auch ein stationäres Labor (LABOR SPIEZ), das über
umfassende forensische Nachweisfähigkeiten verfügt. All diese Tätigkeiten sind aber entsprechend
zeitintensiv. In ausserordentlichen
Lagen kann das LABOR SPIEZ
durch das ABC Abwehrlabor 1, eine
Milizformation, verstärkt werden.
len sowie eine zunehmende Konvergenz zwischen B und C Agenzien, eine
Folge der Fortschritte im Bereich der
«Live Sciences». Zwei biologische Toxine (Ricin [Pflanzengift] und Saxitoxin
[Algengift]), sind auch gemäss dem
Chemiewaffenübereinkommen explizit
verboten. Diese beiden Toxine, aber
auch andere Toxine, die gemäss der B
Waffenkonvention (1971) geächtet
sind, wirken nach einer bestimmten
Latenzzeit ähnlich wie ein C Agens (C
Kampfstoff), d. h. die Wirkung ist rein
dosisabhängig und eine Vermehrung
im Körper findet naturgemäss nicht
statt (dies im Gegensatz zu den anderen biologischen Agenzien, wie den
pathogenen Mikroorganismen, die sich
im Körper vermehren können). Die Produktion mancher Toxine kann heute auf
biotechnologischer Basis erfolgen und
auch der Nachweis basiert oft auf Me-
thoden, die auch in der biologischen
Abwehr gängig sind (z. B. Proteinanalytik mit LC-Q-TOF2, MALDI-TOF2, immunologische
Nachweismethoden
usw.).
Aber auch die Einwirkungen von klassischen C Kampfstoffen können nicht
ausser Acht gelassen werden, wie die
jüngere Geschichte zeigt: Es gibt immer noch Staaten, welche das Chemiewaffenübereinkommen nicht unterzeichnet haben und C Waffen und C
Kampfstoffe lagern. Diese Mittel können bei bürgerkriegsähnlichen Wirren
auch substaatlichen Organisationen
(Terrororganisationen) in die Hände fallen. Selbst ein C Fernangriff mit Interkontinentalraketen auf die Schweiz,
dies aus einer politisch instabilen Weltregion, wird von Experten nicht ausgeschlossen (aufgrund des möglichen
Schadensausmasses ist das Risiko,
das Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmass sogar relativ
hoch).
ABC Ereignisse können auch als Folgeereignisse von Naturkatastrophen
auftreten, was sich 2011 nach dem
grossen Erdbeben in Japan gezeigt
hat. Bei einem starken Erdbeben in der
Nordwestschweiz könnte es zu Dutzenden von C Freisetzungen kommen.
Auch wenn vielleicht ein Einzelereignis
noch mit regionalen Mitteln zu bewältigen ist, wäre dies bei einer Vielzahl von
Ereignissen nicht mehr möglich, d. h.
überregionale Hilfe müsste dannzumal
mit Bestimmtheit angefordert werden.
2
LC-Q-TOF: Liquid Chromatographie, gekoppelt mit Quadrupol Massenspektrometer und
Time of flight Massenspektrometer (im LABOR SPIEZ stationär verfügbar); MALDITOF: Matrix-assisted laser desorption/ionization, gekoppelt mit Time of flight
Massenspektrometer (im LABOR SPIEZ
stationär verfügbar).
S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
2 /13
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Flexible Antwort auf die C Risiken
– die Nachweiskette
Die Vielfalt der möglichen C Risiken
und eine Einschätzung der aktuellen C
Bedrohung hat dazu geführt, dass im
Rahmen des Konzeptes ABC Abwehr
SOLL (Erstausgabe 2005) sowie beim
Verfassen von militärischen Anforderungen für die mobilen Nachweismittel
bezüglich der C Fähigkeiten eine flexible Antwort gesucht wurde. Diese Antwort liegt im Konzept einer Nachweiskette bzw. einer Abstufung der
Nachweisfähigkeiten (Abb. 1), was
auch international verankert ist.
Die Nachweismittel der ABC Abwehr
aller Truppen (Spürdienst) sind geeignet für einen raschen operationellen
Nachweis (Feldnachweis) auf dem Level 1 (OSI, level 1)3. Der Truppe stehen
dazu
Kampfstoffnachweispapiere
(KNP), das Kampfstoffnachweisgerät
97 (CNG 97) sowie das kleine Feldlabor
KANAG zur Verfügung. Das CNG 97
kann auch mit dem AC Warnmodul 05
gekoppelt werden, wodurch eine Warnung möglich ist, bevor eine driftende
C Kampfstoffwolke den Truppenstandort erreicht. Ziel all dieser OSI level 1
Massnahmen ist die sofortige Alarmierung, das unverzügliche Erstellen des
optimalen C Schutzes und letztlich das
Überleben einer C Attacke oder eines
C Ereignisses.
Die C Aufklärung
Das ABC Aufklärungsfahrzeug PIRANHA III C (Abb. 2), das 2009 als Prototyp
und 2012 als Vorserie-Fahrzeug getestet wurde, kann analog den Mitteln der
ersten Stufe ebenfalls für die Warnung
und rasche Alarmierung nach dem Aufspüren einer Kontamination verwendet
3
OSI heisst eigentlich Operational Sampling
and Identification (level 1 und level 2)
61
Abb. 1: Dreistufiges Konzept der Nachweisfähigkeiten (Nachweiskette) vom einfachen raschen
Feldnachweis (OSI 1) über zeit- und ereignisnahe Zwischenstufen (OSI 2) bis zum eingehenden
vertieften Labornachweis (Verifikation) mit mehreren Methoden (FSI).
werden. Eine Stärke des ABC Aufklärers ist die Überprüfung von grossen
Flächen auf Kontamination, dies in relativ kurzer Zeit. Da das Fahrzeug über
einen hohen ABC Schutzgrad und gute
Warngeräte verfügt, kann es die Kontamination aktiv aufsuchen und deren
Grenzen markieren und kartieren (Leistung: pro Tag kann ein Gelände von bis
100 km2 abgesucht werden).
Die C Nachweis-Fähigkeiten des ABC
Aufklärers gehen aber über die Warnfähigkeit hinaus: mit einem Spürradsystem können bei jedem Wetter, auch bei
grosser Kälte, sesshafte C Kampfstoffe
(wie die V-Nervenkampfstoffe oder das
Hautgift Yperit) in der Umwelt aufgespürt werden. Vom Spürrad werden
diese Stoffe auf eine heisse Sonde gebracht, von wo sie über eine geheizte
Kapillare ins mobile Massenspektrometer (MM2) gelangen, dies mit einer Totzeit von nur etwa 60 Sekunden. Gelingt
es noch nicht, mit einer solchen Direktmessung den Stoff zu identifizieren,
dann kann der unbekannte Schadstoff
mit zwei verschiedenen Geräten auf ein
Adsorptionsröhrchen (Typ TENAX) gesammelt werden. Das MM2 wird danach mit einem Gaschromatographen
(GC) gekoppelt und das Adsorptionsröhrchen mit dem GC ausgeheizt. Damit können Stoffgemische getrennt
und die einzelnen Schad- und Kampfstoffe mit einer hohen Wahrscheinlichkeit richtig identifiziert werden. Man
spricht in diesem Zusammenhang auch
von einem operationellen Nachweis der
Stufe 2 (OSI 2). Eine solche Identifizierung kann nach einem C Ereignis mit
geringer zeitlicher Verzögerung erfolgen, ist somit taktisch relevant und erlaubt rasche Reaktionen: Warnung,
kontaminierte Gebiete meiden oder
Schutz erhöhen bzw. bei Entwarnung
Schutz reduzieren. Aufgrund der raschen Identifikation des C Agens können auf höherer taktischer Stufe auch
Vorgaben für die Behandlung von Patienten gemacht werden.
Der mobile C Nachweis
Ebenfalls ereignisnah und nur wenig
zeitverzögert, das heisst ebenfalls in
taktisch relevanter Zeit (ab ca. 30 Mi-
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62
Abb. 2: Aussenansicht des ABC Aufklärers (Abb. 2a; links) und chemische Warnung des Massenspektrometers (MM2) auf dem Bildschirm. Die
dunklen Stellen zeigen, dass die Alarm-Konzentration für Yperit / S-Lost HD und Soman GD erreicht wurde (Abb. 2b, rechts).
Abb. 3: Aussenansicht des mobilen C Nachweisfahrzeuges DURO III P (Abb. 3a; links) und Chromatogramm eines GC-Laufes auf dem
Bildschirm im Fahrzeug (Abb.3 b, rechts). Aufgrund des Chromatogrammes lassen sich verschiedene Nerven- und Hautkampfstoffe identifizieren
(z. B. GB / Sarin, HD / Yperit und zwei V-Stoffe), dies sowohl automatisch wie auch benutzergesteuert und für einzelne Zielsubstanzen.
nuten), kann der mobile C Nachweis
auf den Fahrzeugen des Typs DURO III
P erfolgen (Abb. 3). Die Probennehmer
bringen die Proben so rasch wie möglich zu diesem Fahrzeug, das im Regelfall nicht ins kontaminierte Gebiet hineinfährt. Es kann sich beispielsweise
um flüssige Proben handeln, die im
Innern eines Gebäudes oder einer
komplexen Anlage (Bahnhof usw.) gesammelt wurden. Der DURO III P trägt
ein Labor mit einer gasdichten Schleuse, einer ebenfalls gasdichten Handschuh-Box («Glove Box») und mit einer
Kapelle («Laminar Flow Box»), wo Gläs-
chen oder Adsorptionsröhrchen zur
weiteren Analyse entnommen werden
können. Auf dem mobilen C Nachweisfahrzeug stehen zehn Geräte bzw.
Nachweis-Sets für verschiedenste Untersuchungen zur Verfügung. Das
wichtigste Gerät für Flüssigkeiten und
Gase ist wiederum das MM2, das mit
zwei verschiedenen GC gekoppelt werden kann. Ein GC eignet sich für relativ
schwer flüchtige Stoffe (inklusive die
meisten C Kampfstoffe) und der zweite
GC eignet sich für leicht flüchtige Stoffe (Vorläufersubstanzen von C Kampfstoffen sowie viele leicht flüchtige TIC).
Ein weiteres wichtiges Gerät des mobilen C Nachweises ist das Infrarotgerät
des Typs HazMat ID. Damit können
Flüssigkeiten und verdächtige Pulver
untersucht werden, wobei kleine Probenmengen
genügen
(Milliliter,
Gramm). Mit dem HazMat ID können
auch Sprengstoffe und Drogen identifiziert werden. Im Weiteren können zur
Detektion von Spuren toxischer Gase
Ionenmobilitäts-Spektrometer (IMS)
verwendet werden. Sowohl C Kampfstoffe wie auch einige TIC lassen sich
damit analysieren. IMS Geräte sind insbesondere auch dafür geeignet, Pro-
S R MDM
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2 /13
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benverpackungen äusserlich auf die
Dichtigkeit zu überprüfen. Für die Gasanalytik eignen sich auch die Geräte
des C Luftsammlers. Damit lassen sich
rund 25 häufig verwendete TIC nachweisen, die bei einer grossen Freisetzung zum Teil ein Katastrophenpotenzial haben können. Ein tragbares
Röntgenfluoreszenz-Gerät (XRF) erlaubt ferner die Analyse und Identifikation von toxischen Feststoffen (z. B.
elementares Arsen, feste Arsenverbindungen, Asbest, Cadmium, Uran usw.).
Bei Bedarf kann auf dem mobilen C
Nachweisfahrzeug auch die chemische
Wasserqualität und der Gehalt von einigen Kampfstoffen im Wasser bestimmt werden (die biologische Wasserqualität wird auf dem B Nachweis
Fahrzeug ermittelt).
Nicht alle Nachweisaufgaben lassen
sich mit mobilen Mitteln lösen. Daher
braucht es ein stationäres Labor, das
über forensische Nachweisfähigkeiten
verfügt (Abb. 1). Auf dieser forensischen
Stufe (FSI) wirkt das LABOR SPIEZ, das
in ausserordentlichen Lagen vom ABC
Abwehrlabor 1, als Milizformation, verstärkt werden kann. Für die forensische
Stufe sind folgende zusätzliche Fähigkeiten vorhanden: Untersuchung mit
mehreren Methoden (eindeutiger Nachweis, Verifikation), Quantifizierung (zur
Beurteilung von Gelände und Material),
Spurenanalytik (beispielsweise vor einer
Freigabe von Gelände oder von Lebensmitteln) sowie die Fähigkeit zur Charakterisierung von bisher unbekannten B
oder C Agenzien. Arbeiten auf dieser
Stufe erlauben die Detektion von Spuren, sind aber auch zeitaufwändig, so
dass die Resultate primär die Rückkehr
zur Normalität ermöglichen (Freigabe)
sowie der Verfolgung der Täter bzw. der
eindeutigen Identifikation der Aggressoren dienen.
Abstract:
Army’s chemical risk verification
possibilities: field verification, chemical verification chain and mobile
chemical verification (DURO lab)
Despite the Chemical Weapons Convention, a wide range of chemical risks
remain and certain scenarios can occur
without any prior escalation or warning.
Extremely diverse materials can be
used for attacks, even by private entities. Although stocks of traditional
chemical weapons are now being rapidly reduced, disasters or at least panic among the population could also be
triggered with toxic industrial chemicals
(TICs) and new substance types (e.g.
highly effective pharmaceuticals). A
flexible concept, i.e. a verification chain
and various verification levels, is being
used to try to counter these various
risks. An important new element of the
verification chain («middle level») is provided by the mobile verification equipment of the NBC defence corps, i.e.
NBC detection and mobile NBC verification with four lab vehicles per sector
(N, B, C). This «middle level» mobile
verification equipment can be used to
trigger immediate warnings for numerous warfare agents and harmful substances and to provide initial verification very quickly (within 15 to 30
minutes).
However, not all questions can be
solved using mobile equipment alone.
There is therefore a need for a stationary lab (LABOR SPIEZ – Spiez Laboratory) fully equipped for forensic verification work. All of these tasks, however,
are time-consuming. In exceptional
circumstances, the LABOR SPIEZ may
receive support from NBC defence lab
1, a militia service.
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SW I S S REVIEW O F MILITARY AND DI SASTE R M E DI CI NE
Schweizerische Zeitschrift für Militär- und Katastrophenmedizin
Revue suisse de médecine militaire et de catastrophe
Zum Inhalt/au sommaire
Rivista svizzera di medicina militare e di catastrofe
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S R MDM
«WIR STECKEN SIE AN: CBRN.»
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Zum Inhalt/au sommaire
Mitteilungen des Präsidenten der Schweizerischen
Gesellschaft der Offiziere der Sanitätstruppen
Oberst Hugo Battaglia, Mösliweg 6, 6353 Weggis, [email protected]
Liebe Mitglieder
Während zweier Amtsperioden durfte
ich die Geschicke der SGOS als Präsident leiten. Es waren sechs spannende
Jahre mit Hochs und Tiefs. Die Hochs
überwiegen aber bei weitem. Dank einem gut eingespielten Vorstand, an
dieser Stelle besonders zu erwähnen
die beiden Vizepräsidenten, konnten
wir viele Dinge in gute Bahnen lenken.
Die Internationalen Tagungen sind jeweils fachlich hoch stehend und auch
geschätzt. Mit der Zeitschrift, die sich
unter der Leitung des Chefredaktors
weiterhin positiv entwickelt, haben wir
ein zweites gutes Standbein, das unsere Bemühungen in der fachlichen
Weiterbildung der Mitglieder unterstützt.
Für eine Fachoffiziersgesellschaft ist die
Vermittlung von aktuellem Wissen aus
dem Armeesanitätsdienst und KSD
nicht die einzige, aber die wichtigste
Legitimation. Dabei hat sich das Zusammenspiel von Berufsoffizieren und
Milizoffizieren einmal mehr auch in unserem Vorstand bestens bewährt. Dieses Erfolgsmodell der Milizarmee darf
nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Es gibt für dieses Land keine Alternative zur Wehrpflicht. Sicherheit ist
nicht käuflich, sondern dafür braucht
es das persönliche Engagement eines
jeden Bürgers. Als Offiziere sind wir besonders in der Pflicht. Tragen wir also
Sorge zum Erfolgsmodell, aber schauen wir auch in die Zukunft – als Offiziere in die übernächste Geländekammer
– und entwickeln das Erfolgsmodell
weiter. Lorbeeren sind ein schlechtes
Ruhekissen!
Es bleibt mir nur noch, Ihnen und dem
Vorstand für das Engagement zu
Gunsten der Sanität zu danken und
alles Gute für die Zukunft zu wünschen.
Dem neu formierten SGOS-Vorstand
wünsche ich viel Freude und Erfolg.
Oberst Hugo Battaglia
Kontakt:
Dr. med. Hugo Battaglia
Mösliweg 6
6353 Weggis
[email protected]
www.medof.ch
Chers membres,
J’ai eu l’honneur et le grand plaisir de
présider aux destinées de la SSOTS
durant deux pleines périodes de fonction. Passionnantes, ces six années ont
été ponctuées de hauts et de bas. Fort
heureusement, les hauts prédominent
largement.
Grâce à un comité aux rouages bien
huilés – tour de force dont le mérite
revient en particulier aux deux vice-présidents –, nous avons pu mettre de
nombreux projets sur de bons rails.
Les congrès internationaux de spécialistes sont toujours très pointus et appréciés. Grâce à la revue, qui a poursuivi sa mue sous la houlette du
nouveau rédacteur en chef, nous possédons en outre un deuxième pilier de
qualité qui appuie les efforts que nous
consentons dans le domaine de la spécialisation des membres de la société.
Pour une société d’officiers spécialisés,
la transmission d’un savoir actuel issu
du service sanitaire de l’armée ainsi
que du Service sanitaire coordonné
SSC n’est certes pas la seule légitimation, mais la plus importante.
A cet égard, l’interaction entre les officiers de carrière et les officiers de milice
a une nouvelle fois fait ses preuves, au
sein de notre comité également. Aussi
n’avons-nous pas le droit de remettre
en cause à la légère ce modèle de réussite qu’est l’armée de milice. Il n’y a pas
d’alternative dans ce pays qu’est le
nôtre aux obligations militaires. Non
seulement la sécurité ne s’achète pas,
mais elle a besoin de l’engagement
personnel de chaque citoyen. Et en
notre qualité d’officiers, nous avons un
devoir tout particulier à cet égard. Il
nous incombe donc de veiller avec soin
à ce modèle de réussite mais aussi de
nous tourner vers l’avenir – ou vers
d’autres territoires en langage d’officier
– et de poursuivre le développement de
ce modèle. Ne nous reposons surtout
pas sur nos lauriers!
Il ne me reste à présent plus qu’à vous
remercier, ainsi que le comité, pour
votre engagement au profit des affaires
sanitaires et à vous adresser mes meilleurs vœux pour l’avenir. Quant au nouveau comité directeur de la SSOTS, je
lui souhaite beaucoup de plaisir et de
succès.
Colonel Hugo Battaglia
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«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Editorial
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«Prenez garde: contagieux! CBRN.»
CBRN (Chemical, Biological, Radiological, Nuclear):
derrière cet acronyme se cache la palette d’utilisation de violence non conventionnelle. Des formes
Dr Marc Cadisch
qui, depuis de nombreuses années, préoccupent les
experts du terrorisme à la recherche de nouvelles possibilités de les contrer et/ou
de s’en protéger, des activités pour lesquelles il a fallu beaucoup débourser, mais
— avec succès! Depuis les attaques de 2001 au gaz anthrax, aux États-Unis, l’on
n’a constaté que très peu de nouvelles tentatives isolées de par le monde (qui,
d’ailleurs ont toutes échoué) dans lesquelles du matériel chimique, biologique, ou
radioactif avait été utilisé, bien que divers groupuscules est déclaré vouloir recourir à des les armes de destruction massive s’ils en avaient la possibilité.
La raison de ce bilan positif s’explique autant par la compétence des gouvernements responsables que par l’incompétence des terroristes potentiels. Certes et
fort probablement, une portion de chance y joue également un rôle, compte tenu
surtout de ce que le marché noir propose comme matériel nucléaire pouvant
servir à perpétrer des attaques. De plus, même une «bombe-à-cocotte-minute»
peut se transformer en arme puissamment destructive, comme cela a été démontré lors du marathon de Boston de 2013. Manifestement, une fois son attentat
planifié, le terroriste contemporain opte en règle générale pour des moyens aussi
simples que possible plutôt que de se «compliquer la vie» avec des armes sophistiquées telles que des les agents de combats pathogènes, chimiques ou nucléaires.
Bien que des preuves et des études spécifiques fassent défaut, cette interprétation
de succès passés dans la lutte contre le terrorisme ne devrait en aucun cas se
traduire par de la négligence, voire de l’indifférence vis-à-vis des menaces CBRN
possibles. En effet, l’absence d’armes de destruction massive dans l’arsenal de
groupements terroristes met d’autant plus en lumière l’importance du travail accompli par les experts dans ce domaine. Ainsi, une des tâches centrales du Laboratoire de Spiez, l’institut fédéral de protection NBC, consiste à «imaginer l’inimaginable» afin de se préparer au mieux à de telles éventualités. Qu’il s’agisse d’une
attaque terroriste, d’un accident ou encore – en cas de pandémie – d’un phénomène naturel. Sans mesures préventives suffisantes, notamment dans le domaine
médical, une catastrophe véritable pourrait nous toucher d’autant plus sérieusement.
Dr. Marc Cadisch, directeur du Laboratoire de Spiez
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Maladies hautement infectieuses:
Manipulation des échantillons de laboratoire
Paola Pilo, PhD, Centre de Référence National pour l’Anthrax et Bactéries Hautement Pathogènes, Institut de Bactériologie Vétérinaire, Département des Maladies Infectieuses et Pathobiologie, Vetsuisse Fakultät, Université de Berne, Case postale 8466, 3001 Berne,
[email protected]
Mots-clés: bactéries de classe 3, biosécurité, diagnostic
La manipulation de matériel hautement infectieux, contenant des bactéries de la classe de risque 3, dans
les laboratoires est strictement réglementée dans la législation suisse.
Dans la pratique, quelques points
peuvent se révéler essentiels afin
d’éviter des accidents. Cet article
aborde succinctement les questions
de procédure lors de l’assignation
d’un échantillon à une classe de
risque, ainsi que l’importance de
limiter au maximum les méthodes
plus risquées, de même que l’utilité
de garantir la traçabilité des manipulations effectuées et des personnes
hypothétiquement exposées.
Introduction
La sécurité biologique lors de la manipulation d’échantillons contenant des
microorganismes hautement pathogènes implique l’application d’un certain nombre de mesures et de procédures à suivre. Certains aspects sont
cruciaux et doivent être pris en compte,
tout en se rappelant que dans certaines situations, il peut arriver qu’un
échantillon soit identifié comme contenant un agent hautement pathogène,
seulement après analyse, et qu’il ait
donc déjà été manipulé. De plus, certains microorganismes émergents,
dont la biologie n’a pas encore pu être
établie, peuvent se révéler hautement
pathogènes par la suite. Pour cette raison, il est crucial de respecter les
bonnes pratiques de laboratoire dans
n’importe quelle circonstance, même
si un risque particulier n’a pas été directement constaté. Ces points impliquent de suivre à la lettre les procédures établies, de même qu’une
connaissance de la biologie de ces
microorganismes, de leur épidémiolo-
gie et des maladies qu’ils provoquent
afin de permettre une évaluation appropriée lors de chaque situation.
Cet article aborde quelques aspects de
la manipulation de microorganismes
bactériens de classe 3 dans le cadre
de la détection de microorganismes,
afin d’exposer certains points pouvant
présenter un risque lors de la manipulation de matériel biologique contaminé
par ces pathogènes, ainsi que quelques
pistes pour prévenir les accidents qui
peuvent survenir dans le cadre de la
réalisation de ces activités, de même
que souligner l’importance de la traçabilité des manipulations.
Classification des
microorganismes
Définition du terme microorganisme
Un microorganisme est un être vivant
non-visible à l’œil nu dont les formes
peuvent varier de l’unité vivante la plus
simple, telle que les virus, en passant
par des cellules structurées capables
d’interférer entre elles, telles que les
amibes sociales appartenant à l’espèce Dictyostelium discoïdeum. Il est à
noter que les microorganismes en général sont essentiellement considérés
comme agents causatifs de maladies,
alors que la grande majorité des espèces se trouve dans l’environnement
et contribue à l’équilibre des biotopes.
Classification des microorganismes
Le pouvoir pathogène (la capacité de
causer une maladie) est spécifique à
chaque microorganisme, c’est-à-dire
que des conditions particulières sont
nécessaires afin qu’un microorganisme
puisse provoquer une maladie chez un
individu et ces conditions sont caractéristiques de chaque microorganisme.
Une certaine voie de transmission doit
intervenir, comme par exemple, l’ingestion ou encore, une certaine quantité
(dose infectieuse) de microorganismes
pathogènes doit se trouver en contact
du site d’entrée d’un hôte susceptible.
Ces aspects sont pris en compte afin
de classifier les microorganismes selon
leur capacité à causer une maladie
chez les humains, les animaux et les
plantes. Il en est de même pour les
activités présentant un risque accru
d’infection ou de transmission à l’extérieur du laboratoire.
Parmi la population à risque de
contracter une infection dans le cadre
sa profession, le personnel de laboratoire est dans les premiers rangs au vu
des méthodes qu’il doit appliquer,
comme par exemple, la multiplication
des microorganismes. Les risques
encourus par le personnel de laboratoire sont, comme expliqué au préalable, dépendant des microorganismes
manipulés et des méthodes utilisées.
Les microorganismes sont classés en
groupes de risque, de même que les
activités en milieu confiné les impliquant. Ces concepts sont définis dans
la législation suisse par les articles 6 et
7 de l’ordonnance du 9 mai 2012 sur
l’utilisation des organismes en milieu
confiné (ordonnance sur l’utilisation
confinée, OUC)1.
L’art. 6 de l’OUC (encadré bleu) défini les
groupes pour classer les microorganismes (voir encadré). En pratique, le
groupe 1 inclut principalement des microorganismes de l’environnement ne
causant pas de maladie. Le groupe 2 est
composé de microorganismes pouvant
causer des maladies mais dont la manipulation, en suivant les bonnes pratiques
de laboratoire, n’implique pratiquement
1
RS 814.912
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«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Ordonnance sur l’utilisation confinée, art. 6: Attribution des organismes à
des groupes
1. Pour étudier le risque lié à la présence d’organismes, il convient
d’estimer l’ampleur et la probabilité des effets dommageables sur l’être
humain, les animaux et l’environnement, ainsi que sur la diversité biologique et l’utilisation durable de ses éléments. On tiendra compte à cet effet
des critères énoncés à l’annexe 2.1, ch. 1.
2. «Pour évaluer le risque étudié, on attribuera les organismes à l’un des
groupes suivants sur la base des critères énoncés à l’annexe 2.1, ch. 2:
a. groupe 1: organismes dont la présence implique un risque nul ou négligeable;
b. groupe 2: organismes dont la présence implique un risque faible;
c. groupe 3: organismes dont la présence implique un risque modéré;
d. groupe 4: organismes dont la présence implique un risque élevé.
68
Si certains organismes ont déjà été attribués à des groupes dans la liste
prévue à l’art. 26, il n’est pas nécessaire de procéder une nouvelle fois à une
étude et à une évaluation du risque, à moins que certains indices ne laissent
supposer que la présence de ces organismes implique un risque plus important ou moindre qu’estimé précédemment. Lorsque des connaissances
nouvelles importantes sont disponibles, le risque doit dans tous les cas faire
l’objet d’une nouvelle étude et d’une nouvelle évaluation».
pas de risque d’infection pour le personnel de laboratoire. Les microorganismes
classés dans le groupe 3 provoquent des
maladies graves pour lesquelles un traitement est a priori possible mais dont la
manipulation implique un risque pour le
personnel de laboratoire et/ou l’environnement. La dernière classe de microorganismes, le groupe 4 (qui n’est pas
abordé dans cet article), n’inclut que des
virus hautement infectieux et pour lesquels aucun traitement n’est disponible.
Les détails des caractéristiques prises en
compte afin de classer les microorganismes sont donnés dans l’annexe 2.1
OUC. De plus, l’Office Fédéral de l’Environnement (OFEV) publie des listes ajournées classifiant les bactéries, virus, parasites et champignons (http://www.bafu.
admin.ch/publikationen/publikation/01614/index.html?lang=fr).
Classification des activités en laboratoire
En général, la classification des activités
se fait en fonction des microorganismes
utilisés. Cependant, les sources de
risque provenant de la manipulation des
microorganismes ne sont pas seulement
dépendantes des microorganismes en
tant que tels mais peuvent aussi varier
selon les activités réalisées. Les deux
points doivent être pris en compte afin
d’évaluer les risques provenant d’une
activité donnée avec un microorganisme
donné. Pour cette raison, l’art. 7 OUC
énonce les activités à risque dont les critères sont développés dans l’annexe 2.2
OUC. Le matériel clinique en vue d’analyses diagnostiques2 (annexe 2.2 chap.
2.2 al. 2 OUC), est manipulé conformément aux mesures de sécurité appliquées pour des activités de classe 2
(annexe 2.2 chap. 2.2 al. 2 OUC). Il est à
noter que les laboratoires réalisant des
activités de classe 3 sont soumis à autorisation préalable de l’OFEV (art. 10 al. 1
OUC). Ceci implique qu’en cas de forte
suspicion de présence d’agents appartenant au groupe 3 et de culture, les
échantillons doivent être dirigés vers un
laboratoire autorisé. Cette mesure permet aussi d’assurer la qualité du résultat
par un laboratoire expérimenté.
Analyse d’échantillons dont
l’activité est classée en classe 3
Réception des échantillons
La réception du matériel biologique est
le premier aspect fondamental afin de
2
hors suspicion de présence de microorganismes de classe 4.
garantir la sécurité biologique du personnel de laboratoire. Afin que la réception du matériel se fasse de façon
adéquate et que le triage soit effectué
correctement, certains critères inhérents à l’envoi de matériel biologique
sont cruciaux.
En premier lieu, la communication est
essentielle. L’information détaillée du
contenu de l’envoi doit être fournie au
laboratoire destinataire. Dans le cas
d’envoi de microorganismes de classe
3, l’annonce préalable au laboratoire
est essentielle. Ces aspects permettent
de déterminer, d’établir et/ou de confirmer la procédure exacte à suivre de
même que de permettre au laboratoire
d’être prêt afin de réceptionner le matériel biologique.
Lorsque les échantillons arrivent au
laboratoire, la première phase est le
triage. Cette étape est essentielle afin
que le matériel soit directement acheminé dans le laboratoire biologique de
sécurité de classe 3 (BSL3) ou de
classe 2 (BSL2) selon le contenu des
échantillons biologiques et l’évaluation
de risque. Les échantillons reçus dans
un laboratoire de diagnostic peuvent
comporter du matériel dont on suspecte le contenu ou dont on ignore
totalement le contenu microbiologique.
Dans le cas de cultures confirmées ou
supposées d’agents pathogènes relevant de la classe 3, comme par
exemple dans le cas de Mycobacterium tuberculosis, il sera directement
acheminé vers le BSL3 (Fig. 1), sinon il
sera traité selon la procédure de diagnostic de routine. Pour cette raison,
une lettre explicative doit figurer à l’extérieur du double conteneur qui permette de déterminer correctement
l’assignation de l’échantillon (Fig. 2).
Manipulation d’échantillons selon la
procédure de diagnostic de routine
Il est important que les procédures
implémentées dans le processus
d’analyse du diagnostic de routine
soient scrupuleusement suivies et
qu’elles limitent les activités à risque au
strict nécessaire. En effet, la caracté-
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Fig. 1: Dans le cas de cultures confirmées ou supposées d’agents
pathogènes relevant de la classe 3, les échantillons sont directement
acheminés dans le BSL3.
ristique d’un échantillon diagnostique
est qu’a priori l’agent pathogène présent n’est pas connu. Il peut donc arriver que les résultats des analyses révèlent la présence d’un agent
hautement pathogène. De plus, même
après la confirmation de l’identification
d’un microorganisme, il peut arriver
que sa capacité à causer une maladie
ne soit pas totalement élucidée par
exemple dans le cas d’un microorganisme émergent. Pour ces raisons, la
traçabilité des manipulations réalisées
et des personnes hypothétiquement
exposées est essentielle afin d’évaluer
le risque d’exposition de chaque individu et les mesures à prendre.
Manipulation d’échantillons relevant
de l’activité de risque de classe 3
Lorsqu’il a été déterminé que la manipulation d’un échantillon relève de
l’activité de la classe 3, il sera dirigé en
BSL3. L’activité en BSL3 est réglée
dans les détails dans l’OUC, ses annexes et est soumise à autorisation.
Ceci implique que le laboratoire soit
dans les normes décrites dans la législation afin de pouvoir exercer toute
activité de classe 3. L’évaluation des
risques reste le point déterminant de
toute activité impliquant des microorganismes pathogènes et plus spécifiquement encore dans le cas des microorganismes et des activités relevant
de la classe de risque 3. Il est judicieux
de limiter les risques et d’estimer
Fig. 3: Les manipulations à risques, telles que l’ouverture des rotors
lors de la centrifugation, doivent se faire sous le flux laminaire.
consciencieusement quelles activités
sont réellement nécessaires, de façon
à ajouter des systèmes de sécurité
supplémentaires à chaque étape.
La restriction des manipulations plus
risquées, spécialement la formation
d’aérosols et de grandes quantités de
cultures, est un facteur essentiel afin de
limiter les risques de contamination du
personnel de laboratoire. Dans le cas
où de telles activités doivent être menées, il est nécessaire d’être très attentif aux manipulations plus à risque telles
que la centrifugation (Fig. 3).
Conclusion
La législation en vigueur réglemente
l’activité avec des pathogènes de
Fig. 2: Une lettre explicative doit figurer à
l’extérieur du double conteneur qui permette
de déterminer correctement l’assignation de
l’échantillon.
69
classe 3 et les laboratoires sont soumis
à autorisation afin de pouvoir réaliser
une quelconque activité relevant de ce
type. A priori, les procédures sont validées et rodées. La communication est
un point essentiel afin de déterminer la
catégorie de risque d’un échantillon et
des détails de sa manipulation. De
plus, la spécificité des procédures de
diagnostic est que l’agent pathogène
présent n’est pas connu, pour cette
raison, il est essentiel de respecter les
bonnes pratiques de laboratoire dans
n’importe quelle circonstance, même
lorsque la situation semble indiquer
l’absence de pathogènes hautement
infectieux, de même que la traçabilité
des manipulations et des personnes en
contact avec le matériel hautement
infectieux.
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Règlement sanitaire international de l’Organisation
mondiale de la santé: son importance pour la Suisse
Stefanie Schmied, MSc, Office fédéral de la santé publique, Unité de direction Santé publique, Division Maladies transmissibles, Section Gestion
de crise et collaboration internationale, Schwarztorstrasse 96, 3003 Berne, [email protected]
Mots-clés: règlement sanitaire international
(RSI, 2005), point focal RSI, maladies transmissibles, organisation mondiale de la santé
(OMS), menaces sanitaires globales
70
En mai 2005, l’Assemblée mondiale
de la santé (AMS) de l’Organisation mondiale de la santé (OMS)
a adopté une version révisée du
Règlement sanitaire international
(RSI, 2005), entrée en vigueur en
juin 2007 pour les Etats membres –
donc aussi pour la Suisse. Le RSI
(2005), qui constitue du droit international impératif, est l’instrument
central pour identifier rapidement,
évaluer et combattre de manière
coordonnée au niveau international, les menaces sanitaires transfrontalières notamment dues à la
propagation des maladies transmissibles. Le chantier de mise
en œuvre du RSI (2005) s’est terminé en Suisse au début de cette
année. L’achèvement de ce projet
pluriannuel constituait une bonne
occasion de rappeler la finalité et le
champ d’application du RSI (2005),
ainsi que de montrer l’importance
de ce traité de droit international
public pour aider la Suisse à détecter, prévenir et maîtriser les risques
sanitaires de portée internationale.
Contexte
La mobilité internationale des personnes et des marchandises, et donc
aussi la vitesse de la propagation potentielle des risques sanitaires, telles
les maladies transmissibles, se sont
fortement accrues au cours des dernières décennies. Ainsi l’apparition
d’une menace pour la santé publique
dans un pays peut affecter, de façon
directe ou non, les bases existentielles
d’individus, voire de nations entières un
peu partout sur terre. Trois risques
sanitaires ont particulièrement frappé
les esprits au début du 21e siècle,
montrant la fragilité de la santé publique internationale. Il y a eu tour à
tour la dissémination malveillante de
spores d’anthrax au moyen d’envois
postaux en 2001, l’émergence et la
diffusion en 2003 du SRAS (syndrome
respiratoire aigu sévère), puis la propagation à partir du début de 2004 du
virus H5N1, facteur de risque de pandémie d’influenza. La portée internationale de ces menaces sanitaires a exigé
une surveillance au niveau planétaire
ainsi qu’un pilotage et une coordination
à l’échelon international des mesures
de lutte destinées à prévenir les épidémies et à détecter de bonne heure les
situations d’urgence sanitaire et les
endiguer. La perspective strictement
nationale des règlements antérieurs
(1969) servant à contrôler et maîtriser
un petit nombre de maladies infectieuses ne s’avérait plus appropriée.
Aussi l’AMS de l’OMS avait-elle commencé dès les années 1990 la révision
du Règlement sanitaire de 1969, qui a
toutefois été menée pendant des années sur un plan strictement technique.
Le processus a finalement pris son
essor sous l’effet de la crise du SRAS.
La 58e AMS a adopté la version actuelle en mai 2005, qui constitue du
droit international impératif depuis le 15
juin 2007.
Changement de paradigme
La révision du RSI (2005) a marqué un
changement de paradigme. L’objet et la
portée du nouveau règlement consistent
à détecter de bonne heure les menaces
pour la santé publique, à les évaluer et
à adopter collectivement, l’OMS se
chargeant de la coordination internationale, les mesures nécessaires pour prévenir ou endiguer la propagation de
risques pour la santé publique, sans
pour autant créer d’entraves inutiles au
commerce et au trafic internationaux.
Conformément au souci de protection
étendue de la santé au niveau mondial,
le champ d’application a été massivement étendu, des critères uniformes
adoptés en vue de la détection, de la
notification et de l’éradication des menaces sanitaires, et de nouveaux instruments de pilotage octroyés à l’OMS. Le
RSI (2005) veille en outre à améliorer le
niveau de préparation des Etats parties
et à dûment renforcer leurs capacités
d’action de santé publique: il contient
des exigences minimales pour la surveillance, la notification et l’action contre
les événements ayant une portée internationale, que les Etats parties sont tenus de mettre en place. Ces exigences
se réfèrent à chaque fois à l’ensemble
du territoire étatique et ne concernent
pas seulement les postes-frontières,
comme c’était encore le cas du précédent règlement de 1969.
Extension du champ d’application
Le RSI (2005) ne se réfère plus seulement aux trois maladies quarantenaires
classiques (choléra, peste et fièvre
jaune), mais couvre plus généralement
tous les événements susceptibles de
porter atteinte à la santé publique internationale ou d’entraver le trafic et le
commerce internationaux. Conformément à cette approche globale des
risques il inclut, outre les maladies transmissibles, les menaces sanitaires imputables à des agents chimiques ou à du
matériel radioactif, ou d’origine encore
inconnue. Le RSI (2005) s’applique à
tous les événements, qu’ils soient d’origine naturelle, accidentelle (p. ex. accident de laboratoire) ou délibérée. Ce
champ d’application étendu découle
d’une définition large de la «maladie».
Cette notion au sens du RSI (2005)
«s’entend d’une pathologie humaine ou
d’une affection, quelle qu’en soit l’ori-
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Zum Inhalt/au sommaire
gine ou la source, ayant ou susceptible
d’avoir des effets nocifs importants pour
l’être humain» (art. 1). Le RSI (2005) est
ainsi l’instrument central du droit international public dans le cas des maladies
infectieuses. Par ailleurs, il s’applique
subsidiairement aux autres dangers
menaçant la santé, pour lesquels il
existe déjà des instruments de droit international ou une procédure définie sur
le plan international (p. ex. en cas d’accidents nucléaires, qui sont du ressort
d’une organisation ad hoc, l’AIEA1).
Gestion des informations liées au
dépistage, à la prévention et à la
maîtrise des menaces pour la
santé publique
Une coordination des mesures et une
stratégie de lutte efficaces impliquent
absolument de transmettre à temps les
informations sur les flambées de maladies ou d’autres menaces pour la santé. Par conséquent, le RSI (2005)
donne une définition contraignante des
voies de déclaration, soit de l’information réciproque entre l’OMS et les Etats
membres en cas de menace sanitaire
transfrontalière.
Tous les Etats sont tenus de notifier à
l’OMS tous les évènements pouvant
constituer une urgence de santé publique de portée internationale. Pour
uniformiser les pratiques, le RSI (2005)
prévoit ici un instrument de décision,
qui fait partie intégrante de l’évaluation
des risques menée à l’échelon national.
Concrètement, il s’agit de vérifier, au
moyen de quatre questions, les répercussions internationales que pourrait
avoir un événement détecté par le système de surveillance national. Il s’agit
de déterminer à chaque fois si:
1
AIEA: Agence internationale de l’énergie atomique
„„
les répercussions de l’événement sur
la santé publique sont graves;
„„
l’événement est inhabituel ou inattendu;
„„
il y a un risque important de propagation internationale;
„„
il y a un risque important de restrictions aux voyages internationaux et
au commerce international.
Quatre maladies doivent être systématiquement déclarées dès leur apparition: la variole, la poliomyélite (due à un
poliovirus de type sauvage), la grippe
humaine (causée par un nouveau soustype) et le SRAS. D’autres maladies
expressément mentionnées nécessitent d’utiliser l’algorithme car il a été
démontré qu’elles pouvaient avoir
d’importantes répercussions sur la
santé publique et étaient susceptibles
de se propager rapidement au plan
international2.
Tout événement au sens de l’instrument de décision (autrement dit qui
remplit au moins deux des critères susmentionnés) doit être notifié à l’OMS
dans les 24 heures suivant son évaluation, ainsi que toute mesure sanitaire
prise pour y faire face. Ces informations
seront reprises par l’OMS dans ses
analyses de la situation mondiale.
L’OMS décide en dernier lieu si l’événement a une portée internationale.
Elle s’appuie à cet effet sur un comité
international d’experts. Le constat
d’une telle urgence n’aboutit toutefois
pas automatiquement à la mise en
place de mesures dans les Etats
concernés. Au contraire, l’OMS émet
des recommandations non contrai2
Choléra, Peste pulmonaire, Fièvre jaune, Fièvres hémorragiques virales (Ebola, Lassa
Marburg), Fièvre à virus West Nile et autres
maladies ayant une ampleur nationale ou
régionale particulière.
gnantes. Il s’agit en général de mesures
sanitaires, que les pays auxquels elles
s’adressent feraient bien de mettre en
place (voir chapitre «Nouveaux instruments de pilotage de l’OMS»).
Par la suite, l’Etat partie communiquera
régulièrement à l’OMS les informations
utiles sur l’événement, y c. la définition
des cas, les résultats de laboratoire, la
source et le type de risque, le nombre
des cas et des décès, ainsi que les
mesures sanitaires utilisées. L’interlocuteur de l’OMS est à chaque fois le point
focal national RSI (voir chapitre «Exigences minimales quant aux capacités
nationales de surveillance des maladies
et de réaction»). Lors des consultations
prévues, les Etats peuvent également
informer l’OMS d’événements non soumis à déclaration et s’entendre avec elle
sur les mesures sanitaires à prendre,
s’ils le désirent.
Nouveaux instruments de pilotage
de l’OMS
Le RSI (2005) confère à l’OMS davantage de possibilités d’exercer son influence. Elle peut ainsi, au titre de ses
activités de surveillance mondiale, se
référer à des informations non officielles
provenant d’autres sources ou d’autres
Etats pour son analyse des événements. Si elle dispose de telles informations, l’OMS consultera également
l’Etat partie concerné et lui demandera
une confirmation.
Une fois constatée la présence d’un
événement de portée internationale,
l’OMS peut – en coopération avec
d’autres organisations internationales
– formuler des recommandations
axées sur des mesures concrètes. On
trouve ainsi des recommandations soit
temporaires, soit permanentes, que les
Etats parties concernés devraient
71
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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mettre en œuvre «afin de prévenir ou de
réduire la propagation internationale
des maladies en créant le minimum
d’entraves au trafic international» (art.
15, al. 2). Les recommandations
contiennent des dispositions sanitaires
générales ou spécifiques, à l’instar du
contrôle des personnes aux frontières,
et signalent les mesures à prendre au
niveau du trafic international pour les
moyens de transport et les marchandises. Les recommandations émises
par l’OMS en vertu du RSI (2005) ne
sont pas contraignantes pour les Etats
parties, qui disposent d’une marge de
manœuvre pour ordonner d’autres
mesures.
Exigences minimales quant aux capacités nationales de surveillance
des maladies et de réaction
Le RSI (2005) astreint les Etats parties
à acquérir dès que possible, à renforcer
et maintenir les capacités tant humaines que techniques requises afin de
«détecter, d’évaluer, et de notifier des
événements (…)» (Art. 5 al. 1) et «de
réagir rapidement et efficacement en
cas de risque pour la santé publique et
d’urgence de santé publique de portée
internationale (…)» (Art. 13 al. 1). Les
capacités principales exigées sont spécifiées dans l’annexe 13. Ces exigences
s’appliquent à tous les niveaux étatiques et englobent les exigences au
niveau communal, cantonal et national,
mais également aux frontières (aéroports, ports, voie terrestre). Les Etats
membres sont tenus de désigner les
postes-frontières, notamment les aéroports et les ports, qui devront respecter
les exigences prévues par le RSI
(2005).
3
Principales capacités requises pour la surveillance et l’action (annexe 1, A), principales
capacités requises des aéroports, ports et
postes frontières désignes (annexe 1, B)
Il faudra expressément utiliser les
structures et ressources nationales
déjà existantes. Les capacités de protection pour la santé au niveau national
incluent la planification de mesures de
lutte adéquates, les analyses de laboratoire, la logistique, les engagements
sur le terrain, la conduite et la coordination, ainsi que l’état de préparation
nécessaire (p. ex. élaboration de plans
d’action pour les urgences de santé
publique). D’où aussi la nécessité de
mettre sur pied un point focal national
RSI joignable 24 heures sur 24, qui
garantisse la communication avec
l’OMS sur toute question touchant au
RSI (2005). En Suisse, le point focal RSI
a été créé à l’Office fédéral de la santé
publique (OFSP; voir chapitre «Le Règlement sanitaire international (2005)
en Suisse»). Au niveau cantonal ou
communal, les capacités se rapportent
essentiellement à la surveillance, à la
déclaration et à l’application de mesures de protection sanitaire.
Autres nouveautés importantes, le règlement révisé aborde expressément la
question des droits de l’homme (art. 3,
32, 42 et 43), le traitement des données à caractère personnel (art. 45), les
liens avec le droit international (art. 14),
ainsi que les nouveaux comités à établir
et les procédures à respecter dans ce
contexte4 (art. 47 à 50).
Le Règlement sanitaire
international (2005) en Suisse
Mise en œuvre
Le RSI (2005) prévoit un délai de cinq
ans pour sa mise en œuvre complète
dans les Etats signataires. Les Etats
4
Liste d’experts du RSI, Comité d’urgence,
Comité d’examen, procédure de règlement
des différends.
parties – et donc aussi la Suisse – ont
ainsi été amenés à réexaminer et optimiser leurs capacités de détection précoce, de surveillance, de réaction et de
notification dans le domaine ABC (atomique, biologique et chimique). Analyses à l’appui, la Suisse était déjà à la
pointe dans ce domaine: la Confédération et les cantons disposaient, avec
les organes de notification et d’exécution, de quasiment toutes les capacités
requises. Aussi l’application du RSI
(2005) n’a-t-elle nécessité que des
ajustements ciblés. Deux interventions
au niveau national méritent d’être citées à cet égard:
„„
mise en réseau des autorités fédérales responsables du domaine
ABC.
„„
création du point focal national RSI;
Mise en réseau des autorités fédérales
responsables du domaine ABC
Divers offices fédéraux assument dans
le domaine ABC des tâches de détection précoce et d’analyse de la situation, et donc sont soumis au RSI (2005)
(voir tab. 1). Il leur incombe d’évaluer
les événements relevant de leur domaine de compétences, avec l’instrument de décision du RSI. Pour qu’en
cas d’événement de portée internationale l’information parvienne en temps
voulu aux acteurs concernés (OMS,
Etats parties, acteurs nationaux), il a
fallu relier les autorités encore mieux
entre elles et garantir l’interface avec le
point focal national RSI. D’où l’élaboration d’un nouveau «concept national
de notification RSI». Ce concept n’empiète pas sur les systèmes nationaux
de surveillance, de déclaration et
d’exécution déjà en place. Il régit toutefois, si un événement le justifie, le
canal de communication avec l’OMS et
les autres Etats parties concernés (voir
fig. 1).
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Autorités fédérales
Compétence
Domaine d’activité
Office fédéral de la santé
publique (OFSP), division
Maladies transmissibles
Maladies transmissibles
Domaine B
OFSP, division Sécurité
alimentaire
Sécurité alimentaire
Domaines A, B et C
OFSP, division Produits
chimiques
Produits chimiques,
objets, appareils
techniques
Domaine C
OFSP, division Radioprotection
Rayonnement
radioactif
Domaine A
Office fédéral de l’agriculture
Produits phytosanitaires et engrais
Domaine C
Office vétérinaire fédéral
Zoonoses
Domaine B
Office fédéral de la protection
de la population, Centrale
nationale d’alarme (CENAL)
Incidents
Domaine C
Swissmedic, Institut suisse
des produits thérapeutiques
Médicaments et
dispositifs médicaux
Domaines B et C
Tab. 1: Autorités fédérales désignées dans le domaine ABC et compétences.
Point focal national RSI
Depuis juin 2006, la division Maladies
transmissibles de l’OFSP est chargée
de l’exploitation opérationnelle, 24
heures sur 24, du point focal national
RSI. Elle fait office d’interface entre les
domaines A, B et C et se charge de la
communication liée aux événements
relevant du RSI (2005). Comme portail
d’entrée unique, elle reçoit toutes les
communications de l’OMS ou des
États Parties résultant du RSI (2005) et
transmet les informations et questions
techniques aux services fédéraux responsables dans les domaines ABC. Le
point focal RSI veille à ce que l’analyse
des risques RSI soit effectué par les
services fédéraux responsables et les
soutient par rapport aux processus RSI
en cas d’événements (potentiellement)
pertinents du point de vue RSI. Le point
focal RSI déclare à l’OMS sous mandat
des services fédéraux responsables
l’événement pertinent du point de vue
RSI après que celui-ci ait été évalué
conforme au RSI.
Organes cantonaux et communaux de
déclaration et d‘exécution
Le RSI (2005) n’entraîne aucun changement majeur pour les services cantonaux ou communaux concernés (par ex.
services du médecin cantonal, médecins, hôpitaux, laboratoires). En 2006, à
l’occasion de la révision annuelle de
l’ordonnance du Département fédéral
de I’intérieur sur les déclarations de
médecin et de laboratoire, le délai de
déclaration pour sept maladies5 a été
Anthrax, botulisme, peste, variole, SRAS,
fièvres hémorragiques virales et influenza A
HxNy, nouveau sous-type
réduit de 24 à deux heures. Les nouveaux délais correspondent aux exigences du RSI (2005) visant à enregistrer en temps voulu, à l’aide de
l’instrument de décision, notamment les
maladies infectieuses susmentionnées,
mais aussi d’autres menaces de santé
publique. Selon la situation, cela peut
représenter une menace pour la santé
qui a également de l’importance à l’extérieur des frontières nationales et nécessite une notification internationale6.
Ainsi on répond aux exigences du RSI
(2005), qui visent à identifier dans les
temps, avec l’aide du schéma de décision, les menaces pour la santé publique. C’est l’occasion de rappeler à
tous les acteurs du domaine de la santé
combien il est important d’assumer leur
responsabilité quant aux délais de notification, sans perdre de vue cette dimension internationale.
Gestion des événements selon les
principes du RSI (2005)
La Suisse a géré de nombreux événements selon les principes du RSI
(2005) depuis son entrée en vigueur
en juin 2007 – entre autres la pandémie de grippe A(H1N1). Dans le cadre
de la gestion de la pandémie de
grippe H1N1, le rôle de la Suisse
consistait à signaler (de façon anonymisée) les cas à l’OMS, à coordonner
les réponses aux vérifications exigées
par l’OMS, à échanger des informations sur les recommandations temporaires de l’OMS, ainsi qu’à coordonner au début de la propagation du
virus les enquêtes d’entourage dans
les avions.
La Suisse est impliquée chaque année
dans une cinquantaine d’événements
5
6
Bulletin de l‘OFSP 40/06, ISSN 1420-4266,
OFSP
73
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Zum Inhalt/au sommaire
74
relevant du RSI. Il s’agit en premier lieu
d’échanges d’informations avec les
points focaux RSI d’autres Etats parties, à l’occasion d’enquêtes d’entourage de passagers d’avion (p. ex. rougeole, tuberculose), suite à des
flambées locales de maladies (p. ex.
légionellose) ou d’autres risques sanitaires relevant des domaines B et C et
impliquant des partenaires internationaux.
L’épidémie d’hantavirus au Parc national de Yosemite en Californie, USA,
qui avait attiré l’attention des médias
internationaux l’année dernière,
constitue un bon exemple d’enquête
d’entourage. Les autorités américaines ont mis à disposition de tous
les Etats concernés les coordonnées
des touristes ayant séjourné entre juin
et fin août dans ce parc national, et
donc susceptibles d’avoir contracté
une infection à hantavirus. Ainsi,
l’OFSP a reçu via le point focal national RSI des informations où figuraient
les coordonnées de près de 40 touristes domiciliés en Suisse. L’autorité
fédérale responsable a informé les
médecins cantonaux compétents, qui
ont pris contact avec les personnes
concernées. Celles-ci ont été invitées
à consulter un médecin dès l’apparition de symptômes d’infection. Les
contactes que les médecins cantonaux ont pris, ont montré qu’aucun
ressortissant suisse n’a été infecté.
Le concept des points focaux nationaux RSI, basé sur la disposition du
RSI (2005) concernant la collaboration
et l’assistance (art. 44), évolue toujours plus vers une plate-forme internationale permettant d’échanger de
manière fiable et rapide des renseignements sur le cours des maladies,
y compris directement entre des Etats
parties.
Importance du RSI (2005) pour la
Suisse
Sous le régime du RSI (2005), les structures sanitaires suisses font partie intégrante d’un système international de
lutte contre les maladies et déploient
leurs effets au-delà des frontières nationales. Il en résulte une amélioration de
la communication internationale et de
l’accès aux informations touchant à la
santé, dans le domaine B notamment.
La mise en œuvre du RSI a conduit à
optimiser les capacités nationales de
lutte, et à favoriser une dynamique de
collaboration et de communication intersectorielle dans la lutte contre les
risques sanitaires menée en Suisse.
En comparaison au domaine B, la
Suisse n’a fort heureusement dû gérer
jusqu’ici que très peu d’événements
sinon aucun relevant des domaines C
(p. ex. denrées alimentaires, produits
médicaux) ou A selon les principes du
Fig. 1: Concept national de notification RSI. Ce concept définit la procédure à suivre pour les événements relevant du RSI et garantit la
communication avec l’OMS. Il n’a aucune incidence sur les systèmes de surveillance, de notification et d’exécution déjà en place en Suisse.
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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RSI (2005). Les expériences réalisées
dans le domaine B et les structures
établies constitueront une base utile
pour maîtriser de tels événements, s’ils
devaient se produire.
Conclusion
Lors de la révision du RSI (2005), la
communauté internationale a pris en
compte les défis actuels du monde globalisé. Les risques sanitaires, à l’instar
des maladies transmissibles, ignorent
les frontières. Le SRAS, la grippe
aviaire H5N1 et la grippe pandémique
H1N1 ont montré à quel point une collaboration internationale dûment réglementée s’impose pour venir à bout des
menaces sanitaires et pour empêcher
collectivement de bonne heure toute
propagation (pandémique) lourde en
conséquences sociales.
nouveau coronavirus MERS-CoV –, il
est rassurant de pouvoir définir aujourd’hui, sur la base du RSI (2005),
une procédure rapide, coordonnée et
conforme au principe de proportionnalité pour la surveillance, les
échanges d’informations et l’adoption
de réactions ciblées. Telle est la finalité du RSI (2005), soit d’offrir la sécurité requise face à la propagation internationale des risques sanitaires, sans
créer d’entraves inutiles au trafic et au
commerce internationaux.
http://www.bag.admin.ch/themen/internationales/11103/11512/11514/11524/index.
html?lang=fr)
(2) Règlement sanitaire international (2005). Organisation mondiale de la Santé
(http://www.who.int/csr/ihr/current/fr/index.
html)
(3)Règlement sanitaire international (2005)
75
(SR0.818.103)
(http://www.admin.ch/opc/de/classifiedcompilation/20052894/index.html)
(4) Matter, Hans C., 2005: Internationale Gesundheitsvorschriften (2005). Internationale
Bedeutung und Auswirkungen auf die Steue-
Tout en faisant partie d’un système planétaire de lutte contre les maladies,
chaque Etat membre – donc aussi la
Suisse – conserve sa souveraineté et
reste libre d’adopter sur son territoire
les mesures qu’il juge utiles.
rung und Organisation der Krankheitsbekämpfung in der Schweiz. Masterarbeit eingereicht
bei
Prof.
Dr.
Andreas
Ladner,
Kompetenzzentrum für Public Management,
Schanzeneckstrasse 1, 3001 Bern.
Traduction: OFSP
Littérature
Face aux nouvelles menaces sanitaires mondiales – soit, à l’heure actuelle, le virus Influenza A(H7N9) et le
(1) Office fédéral de la santé publique, juin 2007:
Rapport explicatif concernant le Règlement
sanitaire international (2005)
Cet article est paru dans le Bulletin de l’OFSP 26/13.
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Advanced Hazmat Life Support: Cours sur la gestion
médicale de personnes exposées à des substances NBC
PD Dr. med. Mathias Zürcher, Département d’anesthésiologie, Hôpital universitaire de Bâle, 4031 Basel, [email protected];
Dr. med. Hugo Kupferschmidt, Directeur du Centre suisse d’information toxicologique (CSIT), 8032 Zurich, [email protected]
Mots-clés: NBC-incident, CBRN-incident,
exposition NBC, substances dangereuses
(hazmat), protection médicale NBC, médecine de catastrophe, CEFOCA-SFG, empoisonnements, intoxications.
76
Les catastrophes majeures impliquant l’exposition de personnes à
des substances dangereuses sont
certes rares, mais elles comportent
un potentiel à risque élevé, autant
pour l’homme que pour l’environnement. Aussi est-il essentiel que
toutes les personnes travaillant pour
ou dans la chaîne de secours à titre
professionnel (ambulanciers, chef
des secours, médecins urgentistes,
soignants en médecine d’urgence,
spécialistes des services du feu et
des services de police) disposent
de connaissances supplémentaires
leur permettant non seulement de
déceler ce type de catastrophes,
mais également de se protéger
eux-mêmes, tout comme d’autres
individus possiblement concernés,
pour éviter une propagation de la
contamination sur l’ensemble de
la chaîne de secours. Par ailleurs,
ces mêmes personnes doivent également faire valoir suffisamment de
connaissances en matière de prise
en charge médicale pour soigner
les personnes exposées de manière
appropriée. Le cours «Advanced
Hazmat Life Support (AHLS)» a
pour objectif de transmettre ses
connaissances spécifiques; il est
d’ailleurs proposé régulièrement
par le SFG dans le cadre des cours
de formation continue.
Situation initiale
En Suisse également, l’industrie et le
commerce ont recours à des substances dangereuses dans des quantités impressionnantes. Et même au
quotidien, on trouve un peu partout des
substances classées comme agents à
risque. À commencer par les produits
à base de pétrole tels l’essence, le diesel ou le gaz liquide, consommés en
grande quantité et, dès lors, transportés par route, rail et voie fluviale. En
2011, 1’454 millions de tkm déclarés
comme matières dangereuses ont été
transportés rien que par le rail. De ce
total, 853 millions de tkm étaient de
l’essence, 88 millions de tkm du
propane et 7.1 millions de tkm du
chlore gazeux (1). Fort heureusement,
des sinistres d’envergure déclenchés
par des substances d’origine nucléaire,
biologique ou chimique («accidents
NBC») sont très rares en Suisse et
n’ont, pour l’heure, jamais entraîné un
nombre élevé de victimes. À l’étranger
toutefois, ce genre de catastrophes a
clairement démontré quels étaient les
risques potentiels inhérents. Citons
comme exemples les dangers:
„„
nucléaires et radiologiques: Tchernobyl (1986) et Fukushima (2011);
„„
chimiques: Seveso (dioxine, industrie
chimique, 1976), Bhopal (l’isocyanate de méthyle, industrie chimique
1984), Toulouse (explosion à l’ammoniaque dans une déchetterie,
2001), Graniteville (catastrophe ferroviaire, chlore gazeux, 2005).
Sont nettement plus fréquents les événements au cours desquels des personnes isolées sont exposées à une
substance dangereuse pour ensuite
souffrir d’affections aiguës. Il existe en
outre le risque voir ces substances
toxiques utilisées à des fins terroristes.
Pour ces raisons, il importe avant toute
chose que notamment les médecins
d’urgence (MU) et les ambulanciers
diplômés ED (AD), les médecins-chefs
des secours (MCS), et les ambulanciers chef de secours (ACS) ainsi que
les effectifs des services des urgences
hospitaliers (les médecins-urgentistes
et le personnel soignant urgentiste)
soient sensibilisés à cette thématique
afin de disposer du savoir-faire suffisant. Car ce n’est que de cette façon
qu’il sera possible de déceler à temps
une cause ou une source d’un risque
ou d’une menace et de prendre les
mesures d’autoprotection adaptée
pour éviter toute propagation d’une
contamination sur l’ensemble de la
chaîne de sauvetage, jusque dans les
espaces et les zones d’hospitalisation.
En collaboration avec le Laboratoire de
Spiez et le centre de compétences NBC
de l’armée suisse, le Bureau du Service
sanitaire Coordonnée (SSC) a édicté
une série de recommandations nationales (les concepts «Décontamination
NBC de personnes dans le secteur
d’hospitalisation», «Décontamination
NBC de personnes dans le secteur du
sinistre» et «Recommandations relatives
à la décontamination NBC pour les
hôpitaux pour cas aigus et les hôpitaux
de décontamination») et offre des cours
techniques «Maîtrise d’événements
NBC pour spécialistes médicaux et
techniques de décontamination ainsi
que des webinaires tel celui intitulé
«Maîtrise sanitaire des événements
NBC». L’éventail des cours de formation
continue du SSC met notamment l’accent sur le sujet de la décontamination.
„„Protection personnelle
Protection de toute la chaîne
de secours
„„Primary Survey
„„Secondary Survey
– Identifier le toxidrome
„„Poisoning Treatment Paradigm
„„Traitement
Tabl. 1: Principe de la gestion médicale de
personnes exposées à une substance
dangereuse
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Des connaissances plus vastes des
conséquences médicales d’une exposition à des substances dangereuses,
une meilleure compréhension de la
pathophysiologie ainsi qu’une gestion
et un encadrement optimisés des personnes touchées par de telles expositions ne constituent que les informations médicales de base sur les
substances les plus fréquentes, dispensées durant le cours de formation
d’ambulancier et le cours de formation
pour les médecins d’urgences SSMUS.
Comme on le sait, les événements
impliquant des substances dangereuses risquent de contaminer un
grand nombre de personnes. Or,
comme ces événements sont plutôt
rares, il est toujours conseillé, en temps
réel, de faire également appel à un
MCS, en plus du médecin d’urgence.
Dans le cadre des cours de formation
continue en matière de conduite sanitaire lors de catastrophes CEFOCASFG (2), il existe maintenant en Suisse
aussi un cours reconnu sur le plan international, à savoir l’«Advanced Hazmat Life Support» (AHLS). Cette formation est proposée régulièrement en
coopération avec le laboratoire de
Spiez et le Centre suisse d’information
toxicologique (CSIT) (3).
Le cours AHLS
Proposé depuis 1993, le cours AHLS
est le fruit du travail d’experts en médecine urgentiste et en toxicologie de
l’Emergency Medicine Research Center (AEMRC) à Tucson (Arizona) (4).
Pourquoi? Il était apparu qu’un besoin
réel existait en matière de formation
des membres des professions paramédicales et des services du feu pour les
préparer au mieux aux fréquents et
graves accidents de la route occasionnés par des camions-citernes transportant des substances corrosives et
toxiques vers les mines de cuivre d’Arizona. En 1998, une collaboration avec
l’American Academy of Clinical Toxicology (AACT) est engagée, ce traduisant, en 1999, par le premier cours
AHLS dispensé à Las Vegas auquel, à
ce jour, rien de principal n’a dû être
modifié. Aujourd’hui, des centaines de
ces cours ont été dispensées, en
langue anglaise, aux États-Unis, au
Canada, en Europe et en Extrême
Orient. Le matériel de formation en
langue espagnole est utilisé en Amérique latine. Le professeur Frank G.
Walter préside le conseil scientifique.
La AHLS Faculty se réunit chaque année dans le cadre du North American
Congress of Clinical Toxicology
(NACCT) et assure que le cours soit
toujours adapté aux dernières connaissances médicales, examinant également les propositions soumises par
des participants, des instructeurs et
des toxicologues des cours AHLS dispensés aux quatre coins de la planète.
Le cours AHLS est préparé sur la base
d’un «AHLS Provider Manual» complété par un catalogue de 50 questions
«multiple choice», appelé le «Pre-Test».
En Suisse, ce «Pre-Test» peut être effectué en ligne par le biais du RescuePoint® (5). Le cours pratique consécutif s’étend sur deux journées et
comprend huit modules de formation;
il se clôt sur un deuxième catalogue de
50 questions «multiple choice», appelé
le «Post-Test». Par ailleurs, les cours
AHLS suisses sont complétés par un
module intitulé «Swiss Module», dispensé le soir du premier jour de cours.
Cette instruction spécifique crée le lien
entre l’enseignement AHLS officiel à
teneur internationalement valable et les
procédures et opérations de conduite
typiquement helvétiques, à appliquer
en cas d’un événement majeur. En
Suisse également, tous les cours — du
moins à ce jour — sont dispensés en
langue anglaise.
En Suisse, les cours AHLS sont organisés en collaboration avec le CSIT qui,
par le biais de son directeur, le docteur
Hugo Kupferschmidt, met à la disposition des participants à ce cours le toxicologue requis. Responsable du
«Swiss Module» Marc Kenzelmann, Dr
ès lettres, directeur du Bureau de protection nationale NBC et son équipe du
laboratoire de Spiez préparent les lieux
dans lesquels se déroule le cours. À la
joie de tous, le professeur Frank. G.
Walter, véritable «père spirituel du
AHLS», a accepté de servir d’orateur
principal pour les cours dispensés en
Suisse, organisés dans le cadre du
programme de formation continue
CEFOCA-SFG dont la responsabilité
générale est assumée par le docteur
Mathias Zürcher.
„„Syndrome aux gaz irritants
„„Syndrome aux gaz
asphyxiants
„„Toxidrome cholinergique [ou:
syndrome cholinergique]
„„Syndrome aux agents corrosifs
Tabl. 2: Toxidromes
Principes fondamentaux d’une
gestion médicale selon les
directives du AHLS (6)
Le cours AHLS fournit une vue d’ensemble des sinistres et autres catastrophes possibles, de leur taux de survenue et de leur dangerosité probables,
et décline les mécanismes et origines
susceptibles de les déclencher. Certes,
le cours se concentre en première ligne
sur des événements chimiques, mais il
aborde également le domaine des substances à risques biologiques, nucléaires
77
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Zum Inhalt/au sommaire
et radiologiques ainsi que les connaissances de base idoines requises; de
plus, certains aspects de dangerosité
spécifiques inhérents à l’utilisation de
ces substances lorsqu’elles ne sont utilisées à des fins terroristes sont également traités dans le cadre de ce cours.
78
Compte tenu du nombre élevé
d’agents chimiques dangereux existant en dépit du fait que le risque de
voir ces événements se produire un
ADurée de l’absorption
(Faire cesser l’exposition à
la substance toxique)
Antidotes disponibles?
BBasics (ABCDE) & Resuscitation
(Mesures de base selon la
méthode ABCDE)
CChange Catabolism
(Influencer la résorption)
DDistribute differently
(Influencer la répartition
dans l’organisme)
E Enhance Elimination
(Accélérer l’élimination de
l’organisme)
Tabl. 3: Traitement/s de base de personnes
exposées à une substance dangereuse
(«Poisoning Treatment Paradigm»)
jour soit assez faible, il importe avant
toute chose de savoir déceler de tels
événements dans l’optique de la médecine d’urgence pour intervenir de
façon appropriée. À cette fin, le cours
AHLS est structuré de façon systématique (tabl. 1) en se fondant sur le
terme «toxidrome» utilisé en toxicologie clinique, qui allie les éléments
«toxique» (empoisonnement) et «syndrome» (groupe de symptômes typiques à une pathologie). Selon les
principes de l’AHLS, les intoxications
causées
par
des
substances
chimiques sont classées en différentes
Substance toxique: sulfure d’hydrogène (H2S)
Toxidrome apparenté:
„„
Syndrome aux gaz asphyxiants
– Sous-groupe: des agents asphyxiants systémiques
(Interaction avec la cytochrome oxydase mitochondriale, capable de
paralyser les voies respiratoires → mort cellulaire)
„„
Le sulfure d’hydrogène est facilement soluble dans l’eau, raison pour laquelle il peut se transformer rapidement en gaz irritant pour les vies respiratoires supérieures
„„
Fonctions vitales primaires concernées:
Systèmes
Fonctions vitales primaires
A: Système respiratoire (Airway)
X
B: Respiration (Breathing)
X
C: Système cardiovasculaire
X
D: Système nerveux (Disability)
X
E: Elimination (Liver & Kidney)
Tabl. 4: Explication de la notion de toxidrome à l’exemple du sulfure d’hydrogène (H2S)
catégories de toxidromes (tabl. 2).
Cette démarche permet d’attribuer les
nombreuses substances chimiques à
diverses «familles» clairement structurées déclinant les réactions typiques
déclenchées dans l’organisme par le
toxique, et vice et versa. Le programme de l’AHLS fait également état
des premiers soins et traitements de
secours à apporter selon une procédure mnémotechnique systématique,
connue sous le nom de «Poisoning
Treatment Paradigm» (tabl. 3). Ce
«modèle de traitement de base» en
cas d’exposition à des substances
toxiques sert de norme pour ce qui est
des procédures à suivre, dès qu’une
substance ou une
catégorie de substances a été identifiée. La notion de
toxidrome est expliquée ci-dessous, à
l’appui du sulfure
d’hydrogène (tabl.
4).
Les groupes cibles de la formation
AHLS
Le cours AHLS s’adresse avant tout
aux MU, AD et MCS et ACS. Cela dit,
il est tout aussi important que les collaborateurs des services des urgences
hospitaliers soient sensibilisés au sujet
des substances dangereuses afin que,
notamment dans les cas où des patients se présentent de même aux urgences, le personnel soit en mesure de
reconnaître les symptômes typiques
d’une contamination chimique et de
prendre les mesures nécessaires pour
éviter toute propagation chez les effectifs et les structures de l’hôpital. De
même, les spécialistes des services du
feu, de l’armée et d’autres partenaires
concernés par de pareils événements
devraient être familiarisés avec les
connaissances de base quant aux
conséquences médicales d’expositions à des substances dangereuses à
fin de pouvoir reconnaître immédiatement des situations de ce type. Pour
l’heure, en Suisse et ailleurs en Europe,
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Zum Inhalt/au sommaire
les cours AHLS ne sont dispensés
qu’en langue anglaise; de ce fait, le
cercle des personnes capables d’y
prendre part est en règle générale limité au corps médical ainsi qu’à quelques
spécialistes. Pour cette raison, le Bureau du SSC et le laboratoire de Spiez
appuient l’initiative du SFG qui, de
concert avec le CSIT et la participation
d’organes et d’instances comparables
du Ministère allemand de la Protection
de la Population, souhaite obtenir les
droits de licences pour faire traduire en
allemand, puis produire tout le matériel
d’enseignement et de formation afin
qu’à l’avenir, les cours AHLS puissent
également être proposés en allemand.
Le certificat et sa recertification
Une fois suivi le cours AHLS «Provider»
et réussi l’examen final en répondant
correctement à au moins 80% des
questions, le participant se voit décerner un certificat AHLS et son nom inscrit
au registre central des personnes certifiées «AHLS» (4). Comme des connaissances médicales progressent et évo-
luent continuellement, il n’est pas chose
aisée que de les maintenir à niveau,
d’autant plus que ce type de catastrophes et de sinistres ne se produisent
qu’assez rarement. Dès lors, il semble
logique et justifié d’exiger que, tous les
quatre ans, le certificat AHLS fasse
l’objet d’une «recertification». Cette procédure repose sur un examen en mode
«multiple choice» à effectuer en ligne (4).
Quatre années plus tard, le titulaire d’un
tel certificat doit à nouveau suivre le
cours s’il veut se le voir réattribué.
Parraineurs
En Suisse, l’organisation des cours
AHLS soutenue financièrement et personnellement par le Bureau du SSC et
le laboratoire de Spiez.
Conflits d’intérêts
Mathias Zürcher est responsable et
instructeur de cours AHLS. En sa qualité de directeur médical du SFG, c’est
lui qui a conçu le secours pour le programme de formation continue destiné
au MCU et RIS suisses. Hugo Kup-
ferschmidt est également responsable
et instructeur de cours AHLS, par ailleurs chargé d’assurer la présence d’un
toxicologue clinique, durant chaque
cours, pour répondre à des questions
spécifiques. En outre, il représente la
Suisse au sein de la AHLS Course Faculty, qui se réunit dans le cadre du
North American Congress of Clinical
Toxicology (NACCT). Mathias Zürcher
accomplit ses diverses tâches en rapport avec les cours AHLS dans le
cadre de son mandat, sans rétribution
aucune de la part d’AHLS. Les activités
de Hugo Kupferschmidt, responsable
des cours et toxicologue AHLS du
SFG, font l’objet d’une note d’honoraires adressée au CSIT. En sa qualité
de directeur du Centre suisse d’information toxicologique, il se charge
d’autres activités pour l’AHLS à titre
bénévole.
Sources bibliographiques
(1) Office fédéral des transports, Chemins de fer
fédéraux, BLS AG, Office fédéral de
l’environnement, partenariat RCAT. Estimation
actualisée (version web) des risques pour les
personnes (Screening 2011). Ernst Basler +
Partner
(2) www.cefoca-sfg.ch
(3) www.toxi.ch
(4) www.ahls.org
(5) www.rescuepoint.ch
(6) F.G. Walter. Advanced Hazmat Life Support
Provider Manual. Third Edition 2003. University of Arizona Emergency Medicine Research
Center and American Acadmey of Clinical
Toxicology. Arizona Borad of Regents for the
University of Arizona, Tucson, AZ.
Traduction: Yve Delaquis
Fig. 1: AHLS Faculty 2010 (de gauche: Dr Marc Kenzelmann, PD Dr Mathias Zürcher,
Professeur Frank G. Walter, Dr Hugo Kupferschmidt), Lieu de cours: Laboratoire de Spiez
79
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Pandémie et Soins à Domicile: enjeux et limites
Ursula Jobin-Howald, Professeure Haute Ecole de la Santé La Source, Avenue Vinet 30, 1004 Lausanne, [email protected]
Mots-clefs: Canton de Vaud, Services de
Soins à Domicile, pandémie, gestion des ressources humaines
80
Le Service de Santé Publique vaudois a développé en 2006 un plan
de pandémie qui englobe tous
les services de la santé publique.
Suite aux expériences ultérieures,
ce plan a été adapté et rendu plus
modulable selon les besoins des
différentes pandémies tout en prévoyant d’assurer la meilleure prise
en charge possible des patients
avec un personnel lui-même réduit
suite à une maladie contagieuse.
Les informations suivantes ont été essentiellement recueillies lors d’une interview avec Mme Virginie Bertschi,
adjointe à l’Association Vaudoise
d’Aide et Soins à Domicile (AVASAD).
Cette Association a apporté des prestations d’aide et de soins à 29’500
clients en 2012, par le biais de 4’100
collaborateurs, ce qui représente 2’300
places à plein temps dans 52 Centresmédico-sociaux (CMS).
Les collaborateurs vont des auxiliaires
de soins et/ou d’aide au ménage, assistante en soins et santé communautaire (ASSC) avec un CFC, à l’infirmier
diplômé, aujourd’hui au niveau Bachelor en Science of Nursing, qui peut
avoir acquis en plus une spécialisation,
p. ex. en Santé communautaire. De
plus, des ergothérapeutes, diététiciens, et assistants sociaux et sociales
complètent les équipes. L’AVASAD
délivre ainsi chaque jour chez plus de
5’500 personnes: 6’000 actes de
soins, plus de 800 heures d’aide au
ménage et 2’100 repas.
Parallèlement à ce service public, il existe
aussi des institutions de droit privé qui
offrent leurs services de soins à domicile.
Pour comparer, en Suisse, 32’000 collaborateurs prennent en charge 217’000
bénéficiaires de Soins à Domicile. Dans
ces calculs-là, les aides au ménage ne
sont toutefois pas partout comprises.
Lors d’une pandémie, ce personnel se
trouve en première ligne dans une population fragilisée puisque ayant déjà
besoin de soutien en temps normal.
Dans cette situation particulière, beaucoup de prestataires de soins, autant
dans les hôpitaux qu’en Soins à Domicile, y compris les médecins, risquent
d’être eux-mêmes malades, alors que
les besoins de la population sont accrus. Les conséquences directes dépendent du caractère de la pandémie:
de sa contagiosité, gravité et létalité
pour les individus, de la durée de maladie et des critères de vulnérabilité,
comme par exemple des tranches
d’âge les plus exposées.
En 2006, le Service de Santé Publique
vaudois a élaboré et publié un premier
plan «Pandémie».
Pour ce faire, le Groupe expert «Pandémie» (GEX), composé de médecins
hospitaliers et du Service de la santé
publique, a travaillé en étroite collaboration avec les partenaires concernés
au sein de l’Etat, y compris l’Etat-major
de conduite du Plan catastrophe
«ORCA», et avec les prestataires de
soins ou leurs associations, pour élaborer le Plan opérationnel sanitaire en
cas de pandémie grippale.
L’aide et les soins à domicile (ASD) a
contribué à l’élaboration de ce plan,
dont une partie est spécifiquement
consacrée à la prise en charge à domicile. Pour faire face à une augmentation
importante du nombre de clients et de
prestations à réaliser, l’organisation de
l’ASD en cas de pandémie a été élaborée autour de trois axes:
„„
L’adaptation des prestations pouvant encore être offertes: l’ensemble
des prestations a été revu afin de
déterminer lesquelles pouvaient être
supprimées ou diminuées pendant
quelques semaines.
„„
La gestion des ressources humaines:
recensement des personnes supplémentaires pouvant être mobilisées
(jeunes retraités, personnel administratif, etc.), recensement des personnes pouvant augmenter leur taux
dactivité, etc.
„„
Le pilotage de l’activité et l’organisation d’un CMS: constitution d’étatsmajors dans les CMS, modification
des horaires d’ouverture des CMS,
constitution d’équipes distinctes
dédiées aux patients grippés et aux
clients non-grippés, etc. Pour le personnel, le «droit de retrait» existe,
sous réserve de sanctions que pourraient prendre l’employeur en cas
d’absence injustifiée.
En 2009, lors de l’épidémie A(H1N1),
le plan élaboré en 2006 n’a pas été mis
en œuvre tel que prévu. Ce dernier
avait été prévu pour une pandémie très
virulente et s’est avéré trop spécifique.
La pandémie A(H1N1) était caractérisée par un niveau d’inconnues et de
doutes bien plus important qu’anticipé.
Il s’agissait pour le GEX et le médecin
cantonal de moduler les actions nécessaires en fonction de l’évolution de la
pandémie et des caractéristiques du
virus.
Parfois une pandémie fortement contagieuse et de ce fait très crainte, peut
aussi, en pratique, s’avérer moins
grave et létale qu’une grippe saisonnière, comme c’était le cas pour le virus
influenza H1N1 en 2009. Dans ce cas
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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également, les guidelines doivent être
réadaptées.
Consignes du médecin cantonal
Pour adapter les actions, l’ASD reçoit
les consignes du médecin cantonal,
qui se base sur les informations scientifiques et les recommandations relatives à la pandémie menaçante par
l’Organisation Mondial de la Santé
(OMS) (voir aussi l’article «Règlement
sanitaire international de l’Organisation mondiale de la santé: son importance pour la Suisse» à la page 70 de
cette édition) et l’Office Fédéral de la
Santé publique (OFSP). Elle élabore
avec son Etat-Major des guidelines
spécifiques pour le canton de Vaud,
basées sur le plan pandémie. Ainsi,
l’ASD pourra par exemple décider
d’augmenter le nombre de collaborateurs pour remplacer les malades et
répondre aux besoins accrus en rappelant des personnes en vacances ou
en congé, des retraités et en engageant des intérimaires. L’ASD pourra
également décider quelles prestations
doivent être abandonnées ou renforcées selon les symptômes typiques
respectivement diagnostics présumés
ou confirmés. Sur ces bases, un tableau de consignes adaptées peut
être élaboré et publié pour tous les
CMS, selon les ordres du médecin
cantonal et correspondant à la nature
de la pandémie concernée.
Au moment de la création du plan
pandémie, les différents services de
soins à domicile privés n’étaient pas
encore existants. Aujourd’hui avec 29
institutions reconnues, c’est devenu
une réalité incontournable et toutes les
structures, publiques et privées,
concernées à un titre ou à un autre par
une pandémie, seraient informées au
même titre.
Les procédures à appliquer sont
donc uniformes et claires pour tous
les professionnels à tous les niveaux,
de l’auxiliaire d’aide au ménage aux
infirmières spécialisées. Du matériel
spécifique, comme des masques,
existe en stock, prêt pour le cas
d’une pandémie provoquant une
éventuelle rupture de stock chez les
fournisseurs.
Informations sont adaptées
Pour les clients, les informations sont
données par voie orale ou écrite et évoluent avec l’histoire de la pandémie
courante. En situation de crise, il est
cependant difficile de vérifier, si tous les
clients se tiennent aux règles imposées, par exemple de sortir uniquement en portant un masque fonctionnel
et adapté ou de rester strictement à
domicile.
Au niveau Suisse il n’existe pas de plan
d’ordonnance pandémie commun à
tous les Services de Soins à Domicile
suisses, réunis dans l’Association
Suisse des Services d’Aide et Soins à
Domicile (ASSASD). Actuellement,
l’élaboration d’un plan pandémie fédéral est en cours.
Le Canton de Vaud a l’objectif, de répondre par ces mesures, basées à la
fois sur des connaissances scientifiques et flexibles, selon les besoins
réels et les ressources disponibles, au
mieux aux besoins de sa population en
cas de pandémie.
Bibliographie
(1) Canton de Vaud. (2013) Service d’aide et
de soutien à domicile. Repéré à http://www.
vd.ch/autorites/departements/dsas/assurances-sociales-et-hebergement/
(2) Canton de Vaud. (2013) Organisations pri-
En période de pandémie, le médecin
traitant continue à prescrire et expliquer le traitement à son patient. Les
professionnels des Soins à Domicile
l’exécutent. Des adaptations des procédures sont possibles et nécessaires.
Si la crise est majeure, la mise en fonction du Service Sanitaire Coordonné
peut être ordonnée par le Conseil
d’Etat concerné ou la Confédération,
comme par exemple lors d’un plan
canicule, qui touche énormément de
personnes.
En ce qui concerne la grippe saisonnière, la vaccination annuelle est rappelée et offerte gratuitement chaque
automne, mais moins de 30% des
professionnels
s’y
soumettent.
Lorsque le seuil épidémique est passé, les collaborateurs non vaccinés
sont alors obligés de porter en permanence un masque auprès des
clients.
vées de soins à domicile. Repéré à http://
www.vd.ch/themes/sante-social/vivre-adomicile/aide-a-domicile/
(3) Canton de Vaud. (2013) Liste des organisations de soins à domicile privées autorisées
à exploiter. Repéré à http://www.vd.ch/
themes/sante-social/vivre-a-domicile/organisations-privees/
81
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Abris et lieux protégés, entre nécessités et nouvelles
réalités
Franco Bianchi, journaliste RP/FSG, via Cantonale, 6927 Agra, membre de la commission de rédaction du bulletin d’information sur le SSC,
[email protected]
la disposition de la population suisse,
plus communément appelés «abris
antiatomiques»? Certainement pas,
lorsque l’on sait que la construction de
tels locaux est prescrit par la loi en
Suisse et que chaque nouveau bâtiment privé construit à partir disons de
l’année 1980 en abrite un dans son
sous-sol. En revanche, peu savent
combien de ces abris se prêtent à un
engagement du SSC et où ils se
trouvent.
Mots-clés: finances, règles, projets
82
Dura lex, sed lex – La loi est dure,
mais c’est la loi: ce dicton trouve un
écho à la fois dans la vie en soi, vouée
à la mort dès le premier souffle, que
dans la destinée humaine, influencée par d’innombrables facteurs.
Le concept du SSC en prend acte,
lui qui tient compte des menaces
actuelles pesant sur la vie ainsi que
des difficultés financières limitant le
rendement des autorités publiques
que sont la Confédération, les cantons et les communes. Avons-nous
encore besoin de «lieux protégés»
dans la lutte contre les urgences de
type CBRN (c’est-à-dire les armes
NBC, menaces radiologiques comprises)? Et quelle est la situation
au Tessin à cet égard? C’est à ces
deux questions que nous voulons
répondre dans les lignes qui suivent.
Si nous considérons la portée globale
de la menace, nous ne pouvons que
répondre oui à la première question.
En pratique, il n’est toutefois pas aussi aisé de déterminer le cadre logistique en lien avec les besoins en abris
et en lits protégés pour patients en
tenant compte de l’impact possible
d’une situation de crise donnée ainsi
que des ressources dont dispose la
population.
EOC Lugano, Ospedale Civico.
Les efforts du SSC et de ses partenaires que sont l’armée, la protection
civile et les services civils de la santé
visent à garantir la meilleure prise en
charge possible des patients et non à
leur donner l’assurance qu’ils vont survivre à un incident de type CBRN, car
en fin de compte, comme nous l’avons
rappelé plus haut, nous ne sommes
sûrs que d’une seule chose dans la vie,
à savoir la mort.
Triste, certes, mais vrai. Existe-t-il parmi les lectrices et lecteurs des personnes qui n’ont encore jamais entendu parler des lieux protégés qui sont à
Essayons à présent de décrire la situation au Tessin, sans pour autant prétendre à le faire en intégralité et de
manière totalement correcte, ce dont
le lecteur voudra bien nous pardonner!
Par souci de simplification, nous nous
contenterons de considérer la situation
sur le territoire communal de Lugano,
puisque cette ville de 65’000 habitants
située au bord du lac du même nom
compte parmi les dix villes les plus peuplées du pays et que c’est précisément
là que se trouve le seul et unique établissement tessinois des sept hôpitaux
protégés avec statut spécial SSC reconnus par la Confédération et répartis
dans les quatre régions du pays, à
savoir l’hôpital municipal «Ospedale
Civico» (OCL) de la «Ente Ospedaliero
Cantonale» (EOC), un organe de droit
public qui gère les hôpitaux du Tessin.
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Les vieux lits superposés ne sont pas à disposition des patients, mais ils le restent bien pour le personnel.
Lorsqu’il est question d’abris et de
lieux protégés pour la population, impossible de ne pas mentionner au
moins l’un des précieux partenaires du
SSC, à savoir la protection civile. Un
exemple nous vient à l’esprit hors de
l’espace urbain, celui de l’organisation
de la protection civile de la région de
Lugano, responsable de 32 communes
comptant au total 49’000 habitants
dans les zones de Vedeggio et Malcantone (180 km2 entre Caslano et Isone
pour être très précis).
Il était une fois…
Permettez-moi ici de remercier tout
d’abord nos partenaires pour la précieuse et excellente collaboration, notamment la direction générale EOC à
Bellinzone et la direction OCL (et en
particulier Davide Ferrari, responsable
du service technique et de sûreté, et
Oscar Maniscalco, responsable de
l’hôpital protégé), sans oublier bien sûr
la protection civile de Mezzovico et plus
spécialement son responsable Pier
Giorgio «Mike» Donada et son commandant, le lt col Ferruccio Landis.
Il était une fois, pourquoi avoir choisi ce
sous-titre? En deux mots, parce que le
nouveau concept du SSC (rédigé dans
les années 90 en tenant compte des
nouveaux contextes politique et militaire en Europe et leur impact sur la
politique de sécurité de la Suisse) a
influé de manière très marquée sur
l’organisation des services sanitaires,
logistique comprise.
C’est ainsi que les soldats sanitaires et
les pompiers militaires ont par exemple
disparu des rangs de la protection civile, de sorte à ce que l’organisation
des installations a aussi dû être adaptée aux nouvelles exigences. A cet
égard, il en est allé de même pour les
anciens centres opératoires protégés
(COP) prévus pour la population, qui
existent encore et ont progressivement
Installés 36 nouveaux lits sanitaires de l’Armée et la nouvelle centrale thermoélectrique.
été intégrés à l’EOC. La première installation de ce type a été réalisée au
«Ospedale Distrettuale» de Faido. Ont
suivi «S. Giovanni» à Bellinzone, «Acquarossa» (à moitié militaire), «La Carità» à Locarno, «l’Ospedale Civico»
(construit en 1980 pour des coûts de
6,7 millions de francs, avec le soutien
de la Confédération, des cantons et
des communes de l’arrondissement de
Lugano) et «Beata Vergine» à Mendrisio. S’y ajoute un établissement privé à
l’hôpital de Castelrotto.
«L’Ospedale Italiano di Lugano», qui ne
possède pas d’abri bien qu’il ait été
rénové récemment alors que les COP
étaient déjà renommés en «hôpitaux
protégés», fait aussi partie de l’EOC.
Nouvelles compétences pour le SSC,
nouvelle destinée pour les installations
de l’EOC, qui reste propriétaire de ces
équipements souterrains et qui peut
librement en disposer, surtout que
83
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Les couloirs sont appropriés pour déplacér les lits, tandis que pour la cuisine n’est bien entendu pas le cas!
84
«l’Ospedale Civico» est le seul à être
reconnu comme un «hôpital protégé».
Les emplacements n’ont évidemment
pas tous été abandonnés, mais
peuvent au contraire être «réactivés» en
l’espace de 24 à 48 heures. L’EOC se
charge chaque année de leur maintenance en collaboration avec la protection civile. A l’heure actuelle, ces locaux
sont toutefois utilisés à d’autres fins, au
moins en partie, par ex. comme magasins ou dépôts de matériel.
Il était une fois … les COP. Ils devaient
être disponibles en cas de catastrophes, de guerres et d’épidémies et
étaient donc dotés d’un service sanitaire complet (y compris salles d’opération, laboratoires, locaux de radiologie, etc.).
Nouvelles exigences
Aujourd’hui, ils ont en revanche été
remplacés par les hôpitaux protégés.
Au Tessin, comme déjà dit plus haut, il
y en a un, «l’Ospedale Civico». Il comprend toujours trois niveaux, résiste
aux bombes atomiques et aux séismes
et est séparé de la
plaque de base de
l’hôpital par une
couche de béton
armé épaisse de 1,5
m et une couche de
terre d’une épaisseur de 3,5 m. Il dispose de filtres pour
les gaz nervins et est complètement
autonome. Dans les faits, pourtant,
l’installation ne sert aujourd’hui plus
qu’à héberger des patients et les locaux ainsi que les services et même les
dispositifs médicaux qui servaient autrefois à assurer l’exploitation ne sont
plus les mêmes.
Au regard du nouveau contexte, les
deux salles d’opération, les trois autoclaves, les deux centrifugeuses, le laboratoire et la salle de radiologie de
«l’Ospedale Civico» sont devenus su-
perflus. La capacité maximale d’accueil
a été rabaissée de 300 à 100 patients
(lits du service sanitaire militaire au lieu
de lits à étages).
La disponibilité opérationnelle pour les
36 lits déjà prêts est fixée à 12 heures;
64 autres lits peuvent au besoin être
préparés, même si dans un tel cas de
figure toute l’infrastructure s’appuierait
sur les prestations auxiliaires des bataillons mobiles d’hôpital de l’armée et
l’exploitation hospitalière usuelle se
poursuivrait de manière autonome (260
places à «l’Ospedale Civico», 60 à
«l’Ospedale Italiano», 1’400 collaborateurs, dont 600 permanents).
L’hôpital protégé à Lugano est aéré et
chauffé en permanence (température
de 17–18°), il est fonctionnel et, d’après
Monsieur Ferrari, il répond «aux nouveaux scénarios et concepts de mobilité qui caractérisent déjà l’exploitation
habituelle».
Il y a beaucoup d’appareils (comme les autoclaves) et de materiel, jusqu’à présent gardés dans les magasins.
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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Il rajoute: «Prenons par exemple la stérilisation. Elle se fait de manière centralisée à Biasca pour l’ensemble de
l’EOC. Comme des pannes sont toujours possibles, que se passe-t-il dans
un tel cas ? Nous disposons de trois
unités mobiles de stérilisation pouvant
être louées ainsi que des locaux correspondants pour l’hébergement et la
mise en exploitation».
«L’Ospedale Civico» de Lugano se
dresse entre la Via Tesserete et la Via
Torricelli tel une tour devant les yeux
d’un observateur. La composition de la
plaque de base est la suivante:
„„
au parterre, nous retrouvons un parking couvert avec 550 places ainsi
que l’entrée principale, la réception,
les urgences, la radiologie et l’accès
à la cardiologie située dans la fondation adjacente;
„„
au 1er étage, les salles d’opération,
les soins intensifs, les salles de travail, le service chirurgical ambulatoire;
„„
du 2ème au 14ème étage, les
chambres pour les patients ainsi que
des chambres sécurisées pour les
prisonniers;
„„
au 15ème étage, la technique.
En repartant depuis la plaque de base
vers le bas, on retrouve:
„„
au 1er sous-sol des bureaux administratifs, les cuisines, la pharmacie,
la physiothérapie, la cafétéria, etc.
„„
Quant au 2ème sous-sol, il abrite la
neurologie, le centre de dialyse, des
chambres pour le personnel de pi-
Protection Civile Lugano Campagna: à gauche, le cdt ltcol Ferruccio Landis; à droite le
président Pier Giorgio ‘Mike’ Donada.
quet et des locaux de stockage
ainsi qu’une place d’atterrissage
pour hélicoptère à l’extérieur.
L’hôpital protégé Civico
Pour atteindre l’hôpital protégé, nous
devons encore gagner en profondeur :
„„
3ème sous-sol: porte blindée ; 8 locaux de traitement (5 vides, 3 utilisés
comme entrepôt).
„„
4ème sous-sol: 2 anciennes salles
d’opération, 4 locaux de réhabilitation avec actuellement 36 lits du service sanitaire militaire; accueil pour
personnes irradiées; 2 locaux stériles, laboratoire, pharmacie (vide,
car possibilité de faire appel à des
services auxiliaires externes en cas
de besoin); cabinets de toilette.
„„
5ème sous-sol: cuisine, technique,
chambres à coucher pour le personnel.
La salle d’opération et un des locaux tenus à disposition par la PCi, dans le site de Rivera.
Les anciens lits à étages «ont été démontés et peuvent en partie être réutilisés, mais nous ne sommes évidemment plus à une capacité de 300 lits
(à l’exception de ceux pour le personnel), puisque les règles d’engagement
et l’équipement ne sont plus identiques» confirme le responsable des
opérations, Oscar Maniscalco. Des
travaux de modernisation et de mise
aux normes ont été entrepris en suffisance (150’000 francs ont été investis
depuis 2010), notamment pour la remise en état partielle de la technique
(pompes, éclairage, aération), l’installation de détecteurs incendie et
l’adaptation du système de transvasement de diesel depuis les réservoirs,
qui sont à présent en plastique, vers
la génératrice (il en reste une, d’une
puissance de 390 PS).
85
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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86
Dans les locaux du ‘Panda-Centro’, à Bioggio, les patients sont guidés depuis la salle d’attente jusq’au poste de visite.
«Les modifications concernent également d’autres services des anciens
COP. C’est ainsi que les trois réservoirs
d’eau potable (d’une capacité totale de
270’000 litres) sont vides et hors service, puisqu’en cas d’incident nous
serons depuis l’extérieur approvisionnés
en bouteilles de PET du commerce. La
même remarque vaut aussi pour
d’autres secteurs. Les locaux (dont certains sont vides) sont encore disponibles, tout comme une partie de l’équipement médical d’origine. Potentiellement, ils peuvent être remis en service
sur ordre de la Confédération ou du
canton, mais c’est précisément ce dont
nous sommes en train de parler avec les
autorités, fidèles au principe du soutien
externe, également par le biais de l’hôpital situé au-dessus de l’abri …», de
conclure notre interlocuteur.
Protection et services
«Mike» Donada, qui était déjà responsable de la sécurité à l’Ospedale regionale di Lugano (Ospedale Civico
Lugano et Ospedale Italiano Lugano)
ainsi que de l’ancien COP de «l’Ospedale Civico» et qui est désormais le
responsable de la protection civile
pour la région de Lugano, est lui bien
informé des changements dans la partie souterraine de l’hôpital communal.
«Autre époque, autres exigences;
chez nous, il y a des changements
aussi, à commencer par la disparition
des militaires sanitaires», explique-t-il
un brin nostalgique.
Aujourd’hui, l’organisation régionale de
la protection civile coordonne 1’100
personnes astreintes au service de protection, incorporés dans six compagnies: quatre compagnies «de la première heure» pour l’intervention
immédiate et deux compagnies de réserve. Chaque unité englobe des sections de commandement (cdmt), de
logistique (matériel, transport, subsistance et cuisine), de sauvetage (interventions), d’assistance (aide pour les
évacués et contrôles réguliers des
abris, RCP) et de protection de biens
culturels (inventaire et gestion). L’une
de ces compagnies, la 41, est de plus
chargée de soutenir la police dans le
domaine de la circulation et des chaussées.
Finances et réductions
«Dans les années 90, le service sanitaire a été affecté au SSC, qui fait à son
tour appel aux hôpitaux publics et aux
services ambulanciers cantonaux;
nous avons aussi ‘perdu’ les pompiers
militaires puisque le service du feu a été
confié aux corps de pompiers locaux»,
poursuit Donada, en soulignant que les
personnes astreintes au service de protection chargées de l’intervention immédiate sont intégralement formées et
équipées, mais que celles appartenant
à la réserve ne le sont qu’en fonction
des exigences liées aux interventions
actuelles».
Le bilan annuel de l’organisation (qui
dispose de douze véhicules d’interven-
La PCi demande la révision des charges payés (compensés), en fonction des besoins. Est-ce
qu’il y a, entre ceux ci, le rétablissement des sentiers comme, ici, à Molino di Bioggio?
«PRENEZ GARDE: CONTAGIEUX! CBRN.»
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tion et d’un véhicule de commandement récemment acquis) se monte à
1,3 million de francs, dont 900’000
francs sont à la charge des communes,
ce qui représente une charge de 20
francs par habitant.
Moins de soldats, moins de
service
Et qu’en est-il des abris antiatomiques
publics et privés? A ce sujet, le cdt
Landis explique ceci: «A l’heure actuelle, nous disposons de 2’500 abris
de ce type, qui peuvent accueillir au
total 38’000 personnes, soit 73 % de
la population. 25 abris sont aux mains
des pouvoirs publics: nous n’atteignons donc pas le 90% de la population prescrit par la loi. En dépit des 17
% manquants, aucun autre ouvrage de
protection d’envergure n’est prévu à
court ou moyen terme. Dura lex, sed
lex: ce dicton s’applique aussi à la situation des finances publiques (et, partant, à la situation financière des contribuables)».
Au total, il y a 10 installations de protection (postes de commandement et
stationnements) dans la région de Lugano; s’y ajoutent:
Deux postes de secours sanitaire
(po seco san)
L’un se trouve à Bioggio, a été aménagé lors de la pandémie de 2010 sur
ordre de l’office du médecin cantonal
et est opérationnel; 130 patients
peuvent y être pris en charge quotidiennement; il y a des locaux de triage
et d’admission, des douches et une
cafétéria pour les personnes astreintes
au service de protection; les locaux
sont toutefois vides et sont utilisés à
d’autres fins (divers cours de protection
civile).
En cas de pandémie, vu l’absence de
soldats sanitaires, le poste de secours
sanitaire serait confié à un médecin
civil, qui s’occuperait des patients à
l’aide des personnes astreintes au service de protection (par ex. décontamination, distribution de vêtements,
transfert à l’hôpital, etc.).
L’autre poste de secours sanitaire, qui
se trouve à Rivera, possède même une
salle d’opération et peut accueillir 128
patients: ici aussi c’est l’office du médecin cantonal qui est responsable de
l’ouverture.
Deux postes sanitaires (po san)
L’un à Mezzovico, où se trouve aussi le
siège de l’organisation, l’autre à Rivera.
Capacité d’accueil: 32 patients chacun.
«Les installations de protection, les
postes de secours sanitaire et les
postes sanitaires couvrent ensemble
les besoins de la région de Lugano:
aucune nouvelle construction n’est
donc nécessaire. De plus, nous pouvons et devons assurer la protection de
la population au domicile depuis les
années 90, alors que le SSC cantonal
et ses partenaires sont chargés de
couvrir les besoins sanitaires (patients
existants ou additionnels consécutivement à d’éventuelles catastrophes,
guerres, pandémies, etc.)», souligne le
lt col Landis.
Perspectives?
La description de la situation faite
jusqu’à présent ne répond pas directement à la question initiale portant sur le
besoin en lieux protégés; elle fournit
toutefois quelques pistes de réflexion,
qui ont en partie déjà aboutis à des
actes concrets.
L’entrée du PSS, à Rivera.
C’est ainsi que la conférence des présidents et commandants des six orga-
nisations régionales de la protection
civile du Tessin ont invité le gouvernement cantonal à effectuer une analyse
des risques pour le territoire subalpin,
en application du plan en cas de catastrophe (KaTaPlan).
Grâce à ses expériences au sein de
«l’Ospedale Civico», où les anciens
COP étaient régulièrement utilisés pour
des exercices militaires ou civils (y
compris hébergement et traitement
chirurgical de vrais patients), Mike Donada est d’avis que nous n’avons pas
besoin de lieux protégés supplémentaires, «mais que nous devrions entretenir les locaux existants, garantir leur
bon fonctionnement (test de fonctionnement, téléphones, nettoyage, etc.) et
mettre des lits à disposition, afin d’être
correctement armés en cas d’urgence».
En attendant le résultat de l’analyse
cantonale des risques, le responsable
de la protection civile de la région de
Lugano ne voit pas tant une obligation
de la protection civile vis-à-vis de la
protection CBRN, mais bien plus de la
protection contre les inondations, les
éboulements et autres coulées de
boue, les fortes chutes de neige et les
avalanches, les sécheresses «ainsi que
de la défense d’autres besoins de la
population, également pour une faible
durée, pour autant que les personnes
astreintes au service de protection
aient le droit aux indemnités AVS/AI/
APG pour les services accomplis.»
Cent places sont-elles suffisantes au
sein de l’hôpital protégé «Ospedale
Civico» à Lugano pour couvrir les besoins médicaux de la population? Le
contexte actuel, nous l’avons décrit
aussi précisément que possible. C’est
pourquoi nous préférons laisser la
question sans réponse, car, au risque
de nous répéter, seule une chose est
sûre dans la vie…
Traduction: Jérôme Benoit
87
AGENDA
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
RAPPORTE KSD
Informationsrapport KSD
12.06.2014
Biel
23.11.2013
Colombier, château
Sanitätsdienstliche Führung Grossereignis (SFG-H):
21./22.10.2013
Bern, Kaserne
Sanitätsdienstliche Führung Grossereignis (SFG-B, Spezialkurs)
für Leitende Notärzte und Einsatzleiter Sanität, «Human Factors and Training»
25./26.10.2013
Zürich (Opfikon)
Sanitätsdienstliche Führung Grossereignis (SFG-P):
für Leitende Notärzte und Einsatzleiter Sanität
12.–16.5.2014
Zürich (Opfikon)
26./27.9.2013
Lausanne, CHUV
11.11.2013
Spiez
24./25.9.2013
Bern, Kaserne
27./28.09.2013
Innsbruck, Uni
11./12.10.2013
Genève
7./8.11.2013
Crans-Montana
7./8.11.2013
Interlaken
20.9.2014
Zürich; Uni Irchel
Auskunft: [email protected]
JOURNéE DU RNAPU
Quand les enfants sont au cœur d’une prise en charge immédiate: enjeux
et outils
Renseignement: [email protected]
KURSE SFG
Auskunft: [email protected], www.cefoca-sfg.ch
COURS CEFOCA
Module 3: «Accidents majeurs: conduite et leadership sanitaire»
Renseignement: [email protected]
88
FACHKURSE BEWÄLTIGUNG VON ABC-EREIGNISSEN
Technische und medizinische Dekontaminationsspezialisten
Auskunft/Renseignement: [email protected]
VERANSTALTUNGEN DER PARTNER
6. Nationale ABC-Schutz Konferenz
Auskunft: [email protected]
12. Internationale Kriseninterventionstage 2013
Auskunft: www.roteskreuz.at/tirol/Kriseninterventionstagung
Séminaire d’approfondissement de psychologie d’urgence
Renseignement: www.crsp.ch
Bevölkerungsschutzkonferenz
Auskunft: www.bevoelkerungsschutz.admin.ch
Fortbildungstag Klinische Notfallmedizin
Auskunft: [email protected]
Internationale Tagung SGOS/SSOTS
Auskunft: [email protected]
INFO
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
Neues von der Schweiz. Gesellschaft für Notfall- und
Rettungsmedizin (SGNOR)
Dr. med. Stefan Müller, Chefarzt Schutz & Rettung Zürich, Neumühlequai 40, Postfach 3251, 8021 Zürich, [email protected]
Auch im ersten halben Jahr 2013 wurde es innerhalb der SGNOR nicht langweilig.
Personelles
Präsidium
Anfangs Mai 2013 gab der amtierende
Präsident, Dr. Hans Matter (Schlieren),
überraschend seinen Rücktritt auf die
Mitgliederversammlung vom 24. Mai
2013 aus familiären Gründen bekannt.
In der kurzen Zeit bis zur Mitgliederversammlung war es unmöglich, einen
neuen Präsidenten zu finden.
Der Past-President, Dr. Ulrich Bürgi
(Aarau) stellte sich in der Folge für eine
interimistische Lösung bis Ende der
Legislatur im Mai 2015 zur Verfügung.
Wir danken ihm an dieser Stelle ganz
herzlich für seine Bereitschaft.
Vorstand
Ihren Rücktritt gaben nach vielen Jahren im Vorstand bekannt:
„„
Dr. Heinz Bähler (Präklinik), Bern
„„
Dr. Zeno Supersaxo (Präklinik), Hünibach
Besten Dank für die Mitarbeit.
Neu in den Vorstand gewählt wurden:
„„
Prof. Dr. Dagmar Keller (Klinische
Notfallmedizin), Zürich
„„
Dr. Walter-A. Hanhart (Präklinik und
Klinische Notfallmedizin), Neuchâtel
„„
Dr. Simon Sulser (Präklinik), Winterthur
Der Vorstand freut sich auf die Zusammenarbeit mit den neu gewählten Vorstandsmitgliedern.
An der Mitgliederversammlung wurde
zudem – neben den statutarischen
Traktanden – das von Grund auf revidierte Fähigkeitsprogramm «Klinische
Notfallmedizin» verabschiedet. Dieses
befindet sich aktuell bei den Gremien
des SIWF FMH, welches für die Fähigkeitsprogramme zuständig ist.
Kongresstätigkeit
In den ungeraden Jahren findet jeweils
das Notfallsymposium in Zusammenarbeit mit der Vereinigung Rettungssanitäter Schweiz (VRS) statt. Am 24./25.
Mai 2013 verfolgten rund 450 Teilnehmende die interessanten Referate zu
den Themen
„„
Daten und Recht
„„
Katastrophenmedizin
„„
Aktuelles aus der Notfallmedizin
„„
Simulation
Ebenso wurden in diesem Jahr erstmals parallel stattfindende Workshops
angeboten. Allen, die zum guten Gelingen dieses Anlasses beigetragen haben, danken wir bestens.
SGIM-Kongress
Wiederum wurde die SGNOR eingeladen, einen Teil des Kongressprogramms des SGIM-Kongresses 2013
(29. – 31.5.2013) in Basel in Form von
Workshops und einem Learning-Center zu bestreiten.
Die Notfall-Ultraschall-Workshops wie
auch der bereits zum zweiten Mal
durchgeführte BLS-Learning Center
der Dienstarztkurs-Faculty vom Donnerstag, 30.5.2013, fanden enormen
Anklang.
SGI-SGNOR-Kongress
(5.–7.9.2013, Genève, Palexpo)
Die SGNOR ist in den Jahren 2013 bis
2015 Kongresspartner der Schweiz.
Gesellschaft für Intensivmedizin SGI.
Für die Kongresskoordination verantwortlich sind Dr. Stephan Steuer, Dr.
Olivier Hügli und Gabriela Kaufmann.
2013 ist die SGNOR verantwortlich für
die folgenden Programmteile:
„„
Acute coronary Syndrom (main topic, Donnerstag, 5.9.2013, 08.00 –
09.20 Uhr)
„„
SGNOR-Session Prehospital rescue
Medicine (Donnerstag, 5.9.2013,
15.30 – 17.10 Uhr)
„„
Workshop Point of Care Sonography
(Freitag, 6.9.2013, 14.00 – 15.30
Uhr)
Wir hoffen auf möglichst viele Teilnehmende, die die SGNOR unterstützen!
Weiterbildung
Die Klausur des Vorstandes SGNOR
vom März 2013 widmete sich in grossen Teilen der Frage: Schaffung eines
Facharzttitels Notfallmedizin? An der
Diskussion beteiligten sich alle involvierten medizinischen Fachgesellschaften der SGNOR, die Partner in der
Präklinik (VRS) und auf der Notfallstation (SIN), aber auch der Präsident des
Schweiz. Instituts für Weiter- und Fortbildung (SIFW) FMH, Dr. Werner Bauer.
Wir blicken mit Spannung auf die künftigen Entwicklungen!
Ausblick
Auch im zweiten Semester 2013 wird
die Arbeit nicht ausgehen. Minimal
Data Set, Schaffung Facharzttitel, Prüfung KNM, Überarbeitung essentials
Dienstarztkurs, sind nur einige der Themen, die der Bearbeitung warten.
Zentralsekretariat SGNOR
c/o Gabriela Kaufmann
Wattenwylweg 21
3006 Bern
Tel. 031 332 41 11
Fax 031 332 41 12
www.sgnor.ch
[email protected]
89
INFO
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
Neue Sanitätsausrüstung:
Interkantonale Zusammenarbeit
Hauptmann Jean-Gabriel Clouet, Chef Detachement Sanitätshilfsstelle, Schutz- und Rettungsdienst Lausanne, Abteilung Sanitätsgruppe,
Rue César-Roux 31, 1005 Lausanne, [email protected]
Georges Vittoz, Verantwortlicher für Sanitätsnotfallmassnahmen, Amt für Gesundheitswesen des Kantons Waadt, Monts-de-Lavaux 28,
1092 Belmont, [email protected]
Key Words: Katastrophen, Sanitätsausrüstung, Anhänger, Fahrzeuge für den SanitätsSupport
In diesem Artikel wird die Entwicklung im Bereich der Sanitätsausrüstung dargestellt. Die interkantonale
Zusammenarbeit ist vorbildlich und
dürfte es ermöglichen, für Grossereignisse in der französischen
Schweiz gewappnet zu sein. Voraussetzung hierfür sind allerdings
weitere gemeinsame Massnahmen,
insbesondere im Hinblick auf Schulungen sowie auf die Modernisierung der Ausrüstung.
90
Seit der Einrichtung des als ORCA bezeichneten waadtländer Katastrophenplans im Jahr 1970 wird der dortige
Sanitätsdienst durch das kantonale
Amt für Gesundheitswesen (Service de
la santé publique, SSP) unter Verantwortung des Kantonsarztes organisiert.
Sehr schnell erwies es sich als nötig,
ergänzend zu den alltäglich eingesetzten Mitteln spezielle Sanitätsmittel für
Grossereignisse anzuschaffen.
treffend den Austausch dieser Ausrüstung an. Parallel hierzu kristallisierte
sich bei den Diskussionen innerhalb
der regionalen medizinischen Interventionsgruppe für Katastrophenfälle
(Groupe Romand d’Intervention Médicale en cas de Catastrophe, GRIMCA)
ein realer Bedarf an interkantonaler
Koordination heraus, sowohl hinsichtlich des Ereignismanagements als auch
hinsichtlich der Anschaffung einer neuen Ausrüstung unter Berücksichtigung
der heute bekannten Risiken.
Dank der professionellen Arbeit eines
besonders engagierten Kaders beim
Detachement Sanitätshilfsstelle (Détachement Poste Médical Avancé,
DPMA) wurde ein Fahrzeug für den
Sanitäts-Support (Véhicule de Soutien
Sanitaire, VSS) konzipiert. Dieses Konzept weckte schon bald das Interesse
mehrerer Kantone der französischen
Schweiz.
Daraus ergibt sich, dass aktuell – im
Sommer 2013 – vier VSS gleichen Modells und mit einheitlich ausgebildetem
Personal bereitstehen. Diese vier VSS
sind in Aigle, La Chaux-de-Fonds, Lausanne und Payerne stationiert. Eine
spezielle Kommission sorgt als technisches Organ der GRIMCA für die Einheitlichkeit der Ausbildungen und ermöglicht einen wertvollen Austausch
von Kompetenzen.
Es kam zum Abschluss interkantonaler
Verträge zwischen den Kantonen Freiburg und Waadt (2007), Wallis und
Die Fahrzeuge sind derart ausgelegt,
dass sie alle drei betroffenen Einsatzbereiche abdecken können: das Ge-
Daher beschaffte das SSP gegen Ende
der 70er-Jahre einen ersten Anhänger
nach dem Vorbild desjenigen, den der
Kantonsarzt damals in seiner Freizeit nutzte. Einige Jahre später kaufte die Stadt
Lausanne einen eigenen Anhänger für
ihren internen Katastrophenplan DIAM.
Dies geschah in Zusammenarbeit mit
dem SSP, das drei weitere kleinere Anhänger für den dezentralisierten Einsatz in
Aigle, Nyon und Yverdon beschaffte. Diese Mittel, die glücklicherweise niemals für
Grossschadensfälle gebraucht wurden,
mussten nun aufgrund ihres Alters und
angesichts des technologischen Fortschritts ersetzt werden.
Daher stellten die Stadt Lausanne und
der Kanton Waadt Überlegungen be-
Waadt (2011) sowie zwischen der
Stadt Lausanne und dem Kanton
Waadt (2007). In diesen Verträgen sind
die Modalitäten für den Einsatz, den
Betrieb und die Finanzierung der VSS
festgeschrieben. Zum Zeitpunkt der
Verfassung dieses Artikels wird gerade
ein Entwurf für ein Abkommen zwischen den Kantonen Neuenburg und
Waadt ausgearbeitet, und mit dem
Kanton Genf sind Gespräche im Gange.
Abb. 1: Fahrzeug für den Sanitäts-Support
INFO
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
lände durch Material zur Bergung und
Versorgung, die Sanitätshilfsstelle
durch spezielle medizinische Mittel,
die entsprechend der Behandlungskategorie farbcodiert sind, sowie durch
Infrastrukturmaterial, das eine vollständige Autonomie des Dispositivs
ermöglicht (Zelt, Strom usw.). Zu verdanken ist dies den entsprechend
zweckmässig gestalteten Aufbauten.
Das Fahrzeug ist so konzipiert, dass 15
Patienten der Kategorie I, 30 Patienten
der Kategorie II und bis zu 60 Patienten der Kategorie III versorgt werden
können. Der Sauerstoffvorrat reicht
aus, um 44 Patienten gleichzeitig über
einen Zeitraum von mehr als eineinhalb
Stunden mit acht Litern Sauerstoff pro
Minute zu versorgen.
Durch die vollständige Standardisierung der Fahrzeuge ist eine umfassende Einsatzflexibilität gegeben. Die
Strukturen können sich je nach Bedarf gegenseitig unterstützen, ergänzen oder um ein Vielfaches verstärken.
Die von Projektbeginn an verfolgte Entwicklungsstrategie hat es ermöglicht,
die Fahrzeuge in ihrer Gesamtheit weiter zu entwickeln und so die Einsatzbereitschaft bei gleichzeitiger Wahrung
einer vollkommenen Kompatibilität zu
verbessern.
bedanken, welche die Realisierung dieser «Romandisierung» der Sanitätsmittel möglich gemacht haben, insbesondere bei den kantonalen Ämtern für das
Gesundheitswesen, den Kantonsärzten und der kantonalen Walliser Rettungsorganisation (KWRO).
Die beiden jüngsten Fahrzeuge, die in
Aigle und in Chaux-de-Fonds in Dienst
gestellt wurden, verfügen über Allradantrieb und grössere Bodenfreiheit,
während die beiden ersten mit einem
schmalen Fahrgestell ausgestattet und
so besonders für das urbane Gelände
geeignet sind.
Übersetzung: Jérôme Benoit
Fazit
Die interkantonale Zusammenarbeit in
diesem Bereich ist vorbildlich und dürfte es ermöglichen, für Grossereignisse
in der französischen Schweiz gewappnet zu sein. Voraussetzung hierfür sind
allerdings weitere gemeinsame Massnahmen, insbesondere im Hinblick auf
Schulungen sowie auf die Modernisierung der Ausrüstung. Mit diesen Zeilen
möchten wir uns bei all denjenigen
Abb. 2: Material des Fahrzeugs für den Sanitäts-Support
Auf baldiges Wiedersehen
Während meiner Zeit beim Amt
für Gesundheitswesen des Kantons Waadt, bei dem ich seit
dem 1. Dezember 1978 für den
Koordinierten Sanitätsdienst und
anschliessend für die gesamte
Organisation der prähospitalen
Notfallversorgung tätig war, war
es mir vergönnt, meinen Beitrag
zur Weiterentwicklung in diesem
Bereich zu leisten. Ich durfte mit
vier Oberfeldärzten und Beauftragten für die Vorbereitung des
KSD sowie mit sechs Verantwortlichen der KSD-Geschäftsstelle
zusammenarbeiten. Zudem habe
ich mehr als 30 Jahre lang mit
Frau Esther Bärtschi zusammengearbeitet, der ich ganz besonders für unsere hervorragenden
Beziehungen sowie ihr Engagement und ihre Unterstützung danken möchte.
Nun, da ich in Rente gehe, möchte ich allen, mit denen ich beim
KSD eng oder weniger eng zusammengearbeitet habe, meine
besten Wünsche für ihre berufliche Zukunft aussprechen.
Ich freue mich auf ein Wiedersehen.
Georges Vittoz
91
INFO
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
Nouveaux équipements sanitaires:
Collaboration intercantonale
Capitaine Jean-Gabriel Clouet, C DPMA, Service Protection & Sauvetage Lausanne, Division Groupe Sanitaire/DPMA, Rue César-Roux 31,
1005 Lausanne, [email protected]
Georges Vittoz, Responsable des Mesures sanitaires d’urgence, Service de la santé publique du canton de Vaud, Monts-de-Lavaux 28,
1092 Belmont, [email protected]
Mots-clés: catastrophes, équipements sanitaires, remorques, Véhicules de Soutien
Sanitaire
Le présent article a pour objectif
de présenter l’évolution en matière
d’équipements sanitaires. La collaboration intercantonale est exemplaire et devrait permettre de faire
face à un événement de grande
ampleur en Suisse romande. Elle
nécessite toutefois la poursuite de
travaux en commun, notamment en
matière de formation et de mise à
jour des équipements.
92
Depuis la création, en 1970, du plan
catastrophe vaudois appelé plan ORCA,
son service sanitaire est organisé par le
Service de la santé publique, sous la
responsabilité du médecin cantonal.
Une réflexion a alors été entreprise
entre la ville de Lausanne et le canton
de Vaud, pour remplacer ces équipements. Parallèlement, des discussions
ont eu lieu au sein du Groupement
médical en cas de catastrophe (GRIMCA), qui a mis en évidence un réel besoin de coordination intercantonale
tant au niveau de la gestion d’un événement qu’à celui d’acquisition de
nouveaux équipements, en adéquation
avec les risques reconnus aujourd’hui.
Grâce au professionnalisme d’un des
cadres du Détachement Poste Médical
Avancé (DPMA) qui s’est particulièrement investi, un concept de Véhicule
de Soutien Sanitaire (VSS) a vu le jour.
Celui-ci a rapidement intéressé plusieurs cantons romands.
Très rapidement, il est apparu nécessaire de faire l’acquisition de moyens
sanitaires spécifiques pour faire face à
un événement de grande ampleur, afin
de renforcer les moyens qui interviennent au quotidien.
Cette démarche a abouti à la conclusion d’accords intercantonaux entre les
cantons de Fribourg (2007) et de Vaud
(2007), du Valais et de Vaud (2011) et
entre la ville de Lausanne et le canton
de Vaud (2007). Ces accords fixent les
modalités d’engagement, d’exploita-
Ainsi, à la fin des années 70, le Service de la santé publique a fait l’acquisition d’une première remorque,
sur le modèle de celle qu’utilisait alors
le médecin cantonal pour ses loisirs.
Quelques années plus tard, la ville de
Lausanne a fait l’achat de sa propre
remorque sanitaire pour son plan
catastrophe interne (plan DIAM) en
collaboration avec le Service de la
santé publique qui a également fait
l’acquisition de trois autres remorques de taille inférieure décentralisées à Aigle, Nyon et Yverdon. Ces
moyens, qui heureusement n’ont jamais été engagés pour un événement
majeur, devaient être remplacés, pour
des raisons de vétusté et d’évolution
technologique.
Fig. 1: Véhicule de Soutien Sanitaire
tion et de financement des VSS. Au
moment de la rédaction du présent
article, un projet d’accord entre les
cantons de Neuchâtel et de Vaud est
en gestation et des réflexions sont en
cours avec le canton de Genève.
Il en résulte qu’aujourd’hui (été 2013),
quatre VSS sont opérationnels sur le
même modèle et avec du personnel disposant de la même formation. Ces
quatre VSS sont stationnés à Aigle, La
Chaux-de-Fonds, Lausanne et Payerne.
La commission technique opérationnelle romande, organe technique du
GRIMCA, veille à l’uniformité des formations dispensées et permet un riche
échange de compétences.
Ces véhicules sont conçus de sorte à
pouvoir couvrir les trois secteurs opérationnels concernés : le terrain, via du
matériel de relevage et de prise en
charge, le Poste Médical Avancé, par
des moyens médicaux dédiés, répartis
par des codes de couleur reprenant les
catégories de soins et par le matériel
INFO
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
d’infrastructure, permettant une totale
autonomie du dispositif (tente, électricité, etc.). Ces trois secteurs peuvent
être desservis en parallèle, grâce à un
aménagement spécifique de la superstructure.
Schématiquement, le véhicule dispose
d’une capacité de soins de 15 patients
de catégorie I, 30 de catégorie II et
jusqu’à 60 de catégorie III. L’autonomie
en oxygène étant de 44 patients oxygénés simultanément, à huit litres par
minute, pendant plus d’une heure et
trente.
La standardisation complète des véhicules permet une réactivé opérationnelle totale; les structures pouvant se
renforcer, se compléter ou se démultiplier, selon les besoins de l’intervention.
La stratégie d’évolution mise en place
dès le début du projet a permis de faire
évoluer l’ensemble des engins, en garantissant une évolution de la réponse
opérationnelle tout en conservant une
parfaite compatibilité entre eux.
Les deux derniers véhicules mis en service à Aigle et à la Chaux-de-Fonds
disposent d’une transmission 4x4 et
d’une garde au sol plus importante,
alors que les deux premiers bénéficient
d’un châssis étroit, particulièrement
adapté au milieu urbain.
Conclusion
Cette collaboration intercantonale est
exemplaire et devrait permettre de faire
face à un événement de grande ampleur en Suisse romande. Elle nécessite toutefois la poursuite de travaux en
commun, notamment en matière de
formation et de mise à jour des équipements. Par ces quelques lignes, nous
tenons à remercier toutes celles et
ceux qui ont permis la réalisation de
cette «romandisation» des moyens
sanitaires et plus particulièrement les
services de santé publique et les médecins cantonaux ainsi que l’Organisation cantonale valaisanne des secours
(OCVS).
Fig. 2: Le matériel du Véhicule de Soutien Sanitaire
A bientôt,
Engagé au Service de la santé
publique du canton de Vaud
depuis le 1er décembre 1978
pour le Service sanitaire coordonné, puis par la suite pour
l’ensemble de l’organisation
des urgences préhospitalières,
j’ai eu le privilège d’assister
et de participer à l’évolution
de ce secteur. J’ai eu le plaisir de collaborer avec quatre
médecins chefs de l’armée et
mandataires pour la préparation du SSC ainsi qu’avec six
responsables du bureau du
SSC. J’ai également collaboré
pendant plus de 30 années
avec Madame Esther Baertschi
que je tiens particulièrement à
remercier pour l’excellence de
nos relations et pour son engagement ainsi que son soutien.
Au moment de prendre ma
retraite, je tiens à souhaiter à
toutes celles et ceux qui collaborent de près ou de loin au
SSC, mes meilleurs vœux pour
leur avenir professionnel.
Au plaisir de vous revoir.
Georges Vittoz
93
Adressen
2 /13
Zum Inhalt/au sommaire
Beauftragte für den KSD in den Kantonen/Mandataires pour le SSC dans les cantons (Stand am 17.7.2013)
94
AG: Roth M., Kantonsarzt, Bach­strasse 15, 5001 Aarau, 062 835 29 51, [email protected]
AI: Würmli M., Gesundheits- und Sozialdepartement, Marktgasse, 9050 Appenzell, 071 788 94 57,
[email protected]
AR: Fausch R., Gesundheitsdirektion, Kasernenstr. 17, 9102 Herisau, 071 353 65 90, [email protected]
BE: Aebersold U., Abteilungsvorsteher Katastrophenmanagement/KSD, Kantonsarztamt, Rathausgasse 1,
3011 Bern, 031 633 78 63, [email protected]
BL: Schorr D., Kantonsarzt, Bahnhofstr. 5, 4410 Liestal, 061 925 59 24, [email protected]
BS: Steffen T., Kantonsarzt ad interim, Gesundheitsdienste Basel-Stadt, Postfach, 4001 Basel, 061 267 95 31,
[email protected]
FR: Lee C., médecin cantonal, Ch. des Pensionnats 1, 1700 Fribourg, 026 305 79 80, [email protected]
GE: Prontera J., suppléant du médecin cantonal, Case postale 166, 1211 Genève, 022 546 50 42,
[email protected]
GL: Mani M., Kantonsarzt, Rathaus, 8750 Glarus, 055 646 61 48, [email protected]
GR: Mani M., Kantonsarzt, Abt. für Gesundheitswesen, Planaterrastr. 16, 7001 Chur, 081 257 26 46,
[email protected]
JU: Pétremand Nicolas, Service de la santé publique, Fbg des Capucins 20, 2800 Delémont, 032 420 51 23,
[email protected]
LU: Luterbacher S., Kantonsapotheker, Meyerstr. 20, Postfach, 6002 Luzern, 041 228 67 32, [email protected]
NE: Montandon J.-B., pharmacien cantonal, Rue Pourtalès 2, 2001 Neuchâtel, 032 889 61 00,
[email protected]
NW: Dallago R., Gesundheits- und Fürsorgedirektion, Knirigasse 6, 6371 Stans, 041 618 76 22, [email protected]
OW: Müller T., stv. Kantonsarzt, Brünigstrasse 118, 6060 Sarnen, 041 660 17 17, [email protected]
SG: Betschart M., Kantonsarzt, Moosbruggstr. 11, 9001 St. Gallen, 071 229 35 64, [email protected]
SH: Häggi J., Kantonsarzt, Becken­stube 9, 8200 Schaffhausen, 052 632 77 51, [email protected]
SO: Lanz C., Kantonsarzt, Gesundheitsamt, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn, 032 627 93 77, [email protected]
SZ: Capol S., Kantonsarzt, Kollegiumstrasse 28, 6430 Schwyz, 041 819 16 07, [email protected]
TG: Dössegger M., Gesundheitsamt, Zürcherstr. 194a, 8510 Frauenfeld, 052 724 25 55, [email protected]
TI: Reinholz D., Ufficio del medico cantonale, via Dogana 16, 6500 Bellinzona, 091 814 40 02, [email protected]
UR: Hartmann R., Direktionssekretär, Klausenstrasse 4, 6460 Altdorf, 041 875 21 50, [email protected]
VD: Leiggener R., Service santé publique, Cité-Devant 11, 1014 Lausanne, 021 316 42 75, [email protected]
VS: Ambord C., Service santé publique, 7, Av. du Midi, 1951 Sion, 027 606 49 05, [email protected]
ZG: Hauri R., Kantonsarzt, Medizinalamt, Gartenstr. 3, 6300 Zug, 041 728 35 05, [email protected]
ZH: Meier C., Gesundheitsdirektion, Stampfenbachstr. 30, 8090 Zürich, 043 259 21 92, [email protected]
Bundesstellen/Services fédéraux
Beauftragter des Bundesrates für den KSD, Dr. med. A. Stettbacher, Worblentalstrasse 36, 3063 Ittigen,
031 324 28 42, [email protected], www.ksd-ssc.ch
Bundesamt für Gesundheit, 3003 Bern, 031 323 88 32, [email protected], www.bag.admin.ch
Bundesamt für Bevölkerungsschutz, Monbijoustr. 51 A, 3003 Bern, 031 322 55 83, [email protected],
www.bevoelkerungsschutz.ch
Geschäftsstelle KSD, Worblentalstrasse 36, 3063 Ittigen, 031 324 28 42, [email protected],
[email protected], [email protected], [email protected],
[email protected], [email protected], [email protected], www.ksd-ssc.ch
Sekretariat SFG (Sanitätsdienstliche Führung Grossereignis), B. Messerli, Worblentalstrasse 36, 3063 Ittigen,
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